Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 27.04.2022, Az.: 1 U 233/21

Insolvenzanfechtung der Zahlungen eines Dritten auf eine Schuld des späteren Insolvenzschuldners

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
27.04.2022
Aktenzeichen
1 U 233/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 69517
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - AZ: 1 O 3518/20

Redaktioneller Leitsatz

1. Leistet ein Dritter eine Zahlung an einen Gläubiger des Insolvenzschuldners auf dessen Weisung, so liegt in der Weggabe der Zahlungsmittel an den Anfechtungsgegner eine anfechtbare Rechtshandlung, da der Dritte seine Verbindlichkeiten gegenüber dem Schuldner tilgt und dieser unter Verkürzung des haftenden Vermögens seine Forderung gegen den Dritten verliert.

2. Anders ist es nur, wenn der Dritte durch die Zahlung keine Verbindlichkeit gegenüber dem Insolvenzschuldner tilgt, sondern diesem Kredit gewährt.

3. Insoweit genügt der Insolvenzverwalter seiner Darlegungs- und Beweislast, wenn er Anhaltspunkte dafür vorträgt und beweist, dass die angefochtene Zahlung aus dem haftenden Vermögen des Schuldners geleistet wurde. Steht dies fest oder ist dies unstreitig, so trifft den Anfechtungsgegner die sekundäre Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein Dritter ohne eine Verpflichtung gegenüber dem Schuldner eine Zahlung an den Empfänger bewirkt hat.

In dem Rechtsstreit
Land Niedersachsen, vertreten durch das Landesamt für Steuern Niedersachsen, dieses vertreten durch das Finanzamt Papenburg, dieses vertreten durch den Vorsteher, Emdener Straße 15, 26871 Aschendorf,
Beklagter und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
gegen
Rechtsanwalt AA, Ort1,
als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn BB,
Kläger und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (...), die Richterin am Oberlandesgericht (...) und die Richterin am Oberlandesgericht (...)
am 27. April 2022
beschlossen:

Tenor:

I.

Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung unter Kostengesichtspunkten binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses.

II.

Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Berufungsangriffe des Beklagten, das Landgericht habe zu Unrecht die Voraussetzungen einer Deckungsanfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO angenommen und die Reichweite seiner sekundären Darlegungslast verkannt, verfangen nicht. Das Urteil ist in der Sache frei von Rechtsfehlern. Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht zur Zahlung von 7.162,87 € sowie von 612,80 € außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.01.2021 verurteilt.

Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger gegen den Beklagten gemäß §§ 143 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1, 129 InsO i.V.m. § 818 Abs. 1 und Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung des geltend gemachten Betrags hat. Denn die Zahlung und der Erhalt des Betrags sind als Rechtshandlung, die dem Beklagten eine Befriedigung gewährt hat, die er nicht in der Art zu beanspruchen hatte und die im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar.

  1. 1.

    Es ist davon auszugehen, dass in der Zahlung des Dritten an den Beklagten eine die Gläubiger des Schuldners objektiv benachteiligende Rechtshandlung im letzten Monat vor Insolvenzantragstellung lag (§§ 129, 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO).

Eine objektive Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch der Zugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt, erschwert oder verzögert wird, d. h. sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestalten würden (vgl. Thole in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur InsO, 10. Aufl. 2020, § 129 Rn. 44 m.w.N.).

Auch Zahlungen Dritter können zu einer objektiven Benachteiligung der Insolvenzgläubiger führen, wenn jener mit der Zahlung eine eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Schuldner tilgt oder einen Aufwendungs- oder Schadensersatzanspruch gegen den Schuldner erwirbt. Die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger wird dabei allerdings nicht benachteiligt, wenn ein Dritter eine Verbindlichkeit des späteren Insolvenzschuldners mit Mitteln begleicht, die nicht in dessen haftendes Vermögen gelangt sind.

Bei einer Zahlung des Schuldners durch Einschaltung eines Dritten ist insofern zwischen der Anweisung auf Schuld und der Anweisung auf Kredit zu unterscheiden (vgl. Thole in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur InsO, 10. Aufl. 2020, § 129 Rn. 53).

Bei einer Anweisung auf Schuld tilgt der Angewiesene mit der Zahlung an den Empfänger/Anfechtungsgegner eine eigene, gegenüber dem Anweisenden bestehende Verbindlichkeit (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - IX ZR 59/11 -, Rn. 12, juris; Thole in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur InsO, 10. Aufl. 2020, § 129 Rn. 53 m.w.N.). Die Gläubigerbenachteiligung äußert sich hierbei in der Weggabe der Zahlungsmittel an den Anfechtungsgegner dadurch, dass der Dritte seine Verbindlichkeiten gegenüber dem Schuldner tilgt und dieser unter Verkürzung des haftenden Vermögens seine Forderung gegen den Dritten verliert (vgl. BGH, Urteil vom 12. September 2019 - IX ZR 16/18 -, Rn. 17, juris).

Demgegenüber nimmt der Angewiesene bei der Anweisung auf Kredit die Zahlung an den Empfänger ohne eine Verpflichtung gegenüber dem Anweisenden vor, so dass er infolge der Zahlung zum Gläubiger des Anweisenden wird. Bei der Zahlung des Dritten liegt eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung nicht vor, wenn dieser auf Veranlassung des Schuldners, ohne dazu diesem gegenüber verpflichtet zu sein, dessen Verbindlichkeiten aus eigenen Mitteln begleicht. Schließlich fehlt es an einer die Gläubiger benachteiligenden Rechtshandlung, sofern der Dritte ohne Veranlassung und nähere Kenntnis des Schuldners im ausschließlichen Interesse der Befriedigung des Anfechtungsgegners aus eigenem Vermögen die Überweisungen vornimmt (vgl. BGH, Urteil vom 12. September 2019 - IX ZR 16/18 -, Rn. 17, juris).

Handelt es sich um eine Anweisung auf Schuld, führt die Zahlung durch den Angewiesenen demgegenüber zu einer Gläubigerbenachteiligung, weil der Schuldner mit der Zahlung an den Dritten seine Forderung gegen den Angewiesenen verliert. Liegt dagegen eine Anweisung auf Kredit vor, scheidet eine Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich aus, weil es durch die Zahlung lediglich zu einem Gläubigerwechsel in der Person des Angewiesenen kommt. Die Belastung der Masse mit dem Rückgriffsanspruch des Angewiesenen wird hier durch die Befreiung von der Schuld des Zahlungsempfängers ausgeglichen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - IX ZR 59/11 -, Rn. 12, juris; Thole in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur InsO, 10. Aufl. 2020, § 129 Rn. 53 m.w.N.).

Hierbei trifft die Darlegungs- und Beweislast für die objektive Gläubigerbenachteiligung als Voraussetzung der Insolvenzanfechtung den Anfechtungskläger, während der Anfechtungsgegner im Rahmen einer sekundären Darlegungslast von diesem geltend gemachte Gegenrechte vorzubringen hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/09 -, Rn. 17, juris). Der Kläger ist mithin zwar darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die für anfechtbar gehaltene Rechtshandlung objektiv gläubigerbenachteiligend war. Hinsichtlich der Gegenrechte, die vom beklagten Insolvenzgläubiger insoweit geltend gemacht werden können, trifft diesen jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Erst wenn der beklagte Insolvenzgläubiger solche Rechte geltend macht, muss der Insolvenzverwalter darlegen und beweisen, dass diese Rechte entweder nicht bestehen oder anfechtbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 - IX ZR 148/07 -, Rn. 23 - 24, juris).

Der darlegungs- und beweispflichtige anfechtende Insolvenzverwalter genügt insofern seiner Obliegenheit, wenn er Anhaltspunkte dafür vorträgt und beweist, dass die angefochtene Zahlung aus dem haftenden Vermögen des Schuldners geleistet wurde. Steht dies fest oder ist dies unstreitig, trifft den Anfechtungsgegner die sekundäre Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein Dritter ohne eine Verpflichtung gegenüber dem Schuldner eine Zahlung an den Empfänger bewirkt hat. Ganz allgemein trifft den Anfechtungsgegner darüber hinaus zu den Umständen in seinem Bereich eine sekundäre Darlegungslast nach Maßgabe allgemeiner prozessrechtlicher Regeln (vgl. Thole in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur InsO, 10. Aufl. 2020, § 129 Rn. 83 m.w.N.).

Nach Maßgabe dessen hat der Kläger eine objektive Gläubigerbenachteiligung hinreichend dargelegt und bewiesen. Nach seinem Vortrag liegt in der unstreitigen Zahlung der offenen Steuerforderungen durch den Dritten an den Beklagten eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung in Form einer mittelbaren Zuwendung und kein einfacher - die anderen Insolvenzgläubiger nicht benachteiligender - Gläubigertausch.

Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, der Schuldner habe bestätigt, dass jedenfalls keine Kreditaufnahme über den streitgegenständlichen Betrag erfolgt sei (S. 4 der Klageschrift). Dieser Vortrag hat der Beklagte erstinstanzlich explizit nicht in Abrede gestellt; vielmehr hat er ausgeführt, dass dies zutreffen mag (S. 2 der Klageerwiderungsschrift). Sofern er im Berufungsverfahren nunmehr vorträgt, die Aussage des Schuldners sei bestritten (S. 8 der Berufungsbegründungsschrift), handelt es sich um dem widersprechenden und damit neuen Vorbringen im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO, mit dem er präkludiert ist. Wenn nach dem demzufolge als unstreitig anzusehenden klägerischen Vortrag der Dritte dem Schuldner in Bezug auf den streitgegenständlichen gezahlten Betrag keinen Kredit gewährt bzw. kein Darlehen eingeräumt hat - wie der Beklagte selbst in seiner Klageerwiderungsschrift und auch der Berufungsbegründungsschrift ausgeführt hat - und der Dritte erst dadurch einen Anspruch gegen jene erhalten hat, kann es sich denklogisch bei der Einzahlung rechtlich nur um eine Anweisung auf Schuld und nicht - wie der Beklagte meint - um eine Anweisung auf Kredit gehandelt haben. Es kommt hinzu, dass, sofern nicht gegenteilige Anhaltspunkte gegeben sind - was hier nicht der Fall ist -, im Regelfall davon auszugehen ist, dass ein Empfänger Zahlungen seinem Schuldner und nicht einem uneigennützig dazwischentretenden Dritten verdankt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2013 - IX ZR 104/13 -, Rn. 18, juris). Sofern der Beklagte die Ansicht vertritt, es habe rechtlich eine Anweisung auf Kredit vorgelegen, hätte er aufgrund der ihm obliegenden sekundären Darlegungs- und Beweislast spätestens im Rahmen der Berufungsbegründung tatsächliche Umstände dafür vortragen bzw. den einzahlenden Dritten dafür benennen müssen, dass die Zahlung an ihn ohne eine Verpflichtung gegenüber dem Anweisenden, d. h. dem Schuldner, von dem ihm bekannten Dritten vorgenommen wurde. Die Schlussfolgerung, der Verwendungszweck "Auslage BB" lasse erkennen, dass ein Dritter den gezahlten Betrag zugunsten des Schuldners "verauslagen" wollte, d. h. der Zahlende gegen den Schuldner erst künftig Rückgriff nehmen will, ist nicht hinreichend und zudem - wie das Landgericht in dem in Bezug genommenen Urteil zutreffend ausgeführt hat - auch nicht zwingend.

  1. 2.

    Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht des Weiteren angenommen, dass der Anspruch des Klägers nicht verjährt ist, da die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch die Erhebung der Klage vor Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt worden ist.

Nach § 146 Abs. 1 InsO richtet sich die Verjährung des Anfechtungsanspruchs nach den Regeln über die regelmäßige Verjährung nach dem BGB. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt gemäß § 195 BGB drei Jahre und beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, mithin frühestens mit dem Schluss des Jahres, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

a) Mit seiner Berufungsbegründung hat der Beklagte vorgebracht, der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch sei verjährt. Mithin hat er gemäß § 214 Abs. 1 BGB die Einrede der Verjährung erhoben.

Diese von dem Beklagten erstmals mit der Berufungsbegründung erhobene Einrede der Verjährung ist in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen.

Nach § 531 Abs. 2 ZPO sind zwar neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur zuzulassen, wenn sie Gesichtspunkte betreffen, die im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Erfasst davon werden alle von den Parteien zur Begründung des Sachantrags der Berufung oder zur Verteidigung gegen ihn vorgebrachten Tatsachen; hierunter fallen insbesondere auch der Vortrag von materiellen oder prozessualen Einreden. Jedoch unterfällt unstreitiges Vorbringen nicht § 531 Abs. 2 ZPO, insbesondere nicht § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Die erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Verjährungseinrede ist daher unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen, wenn die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umständen zwischen den Parteien unstreitig sind, selbst wenn die Geltendmachung bereits in erster Instanz möglich und zumutbar gewesen wäre oder dort gar bewusst zurückgehalten wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2008 - GSZ 1/08 -, BGHZ 177, 212-217).

Die Berufung des Beklagten auf die Verjährungseinrede ist auch nicht treuwidrig.

Die Berufung auf die Einrede der Verjährung kann zwar treuwidrig sein, wenn der Schuldner bei dem Gläubiger den Eindruck erweckt oder aufrechterhalten hat, dessen Ansprüche befriedigen oder doch nur mit sachlichen Einwendungen bekämpfen zu wollen, und den Gläubiger dadurch von der rechtzeitigen Erhebung einer Klage abgehalten hat (vgl. BGH, Urteil vom 01. Juli 2014 - VI ZR 391/13 -, Rn. 41, juris).

Eine solche Fallgestaltung ist jedoch nicht gegeben. Dem Beklagten ist vorliegend daher nicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwehrt, sich erst zweitinstanzlich gegenüber dem Kläger auf die Einrede der Verjährung zu berufen.

b) Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass eine Auslegung der Klageschrift zu dem Ergebnis führt, dass die Klage von Anfang an gegen das Land gerichtet war.

Bei der Auslegung von Prozesserklärungen ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1972 - III ZR 29/70 -, Rn. 16, juris). Maßgebend ist, welcher Sinn dieser prozessualen Erklärung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist. Deshalb ist bei objektiv unrichtiger oder mehrdeutiger Bezeichnung grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die fehlerhafte Parteibezeichnung betroffen werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2017 - VIII ZR 11/16 -, BGHZ 214, 294-314, Rn. 19). Für die Ermittlung der Parteien durch Auslegung ihrer Bezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung durch die oder gegen die in Wahrheit gemeinte Partei oder der durch die Antragstellung bezweckte Erfolg nicht an der fehlerhaften Bezeichnung scheitern darf, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen. Er greift auch dann, wenn statt der richtigen Bezeichnung irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden (juristischen oder natürlichen) Person gewählt wird, solange nur aus dem Inhalt der Klage oder der Antragsschrift und den etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welche Partei tatsächlich gemeint ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2017 - VIII ZR 11/16 -, BGHZ 214, 294-314, Rn. 20).

Vorliegend ist der Klageschrift bei verständiger Würdigung des von dem Kläger verfolgten Klageziels zu entnehmen, dass der Empfänger der streitgegenständlichen Zahlung verklagt werden sollte, hier also das Land. Demnach ist die eingereichte Klageschrift so anzusehen, als sei darin bereits das Land als Beklagter angegeben.

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Berichtigung der Parteibezeichnung in derartigen Fällen zulässig ist. Eine falsche juristische Bezeichnung der Partei kann berichtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1972 - III ZR 29/70 -, Rn. 19 f, juris).

c) Die Verjährung des Rückzahlungsanspruchs ist durch die auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung am 22.12.2020 rückwirkende Zustellung der Klageschrift gehemmt worden.

Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird die Verjährung durch die Erhebung einer Klage, d. h. gemäß § 253 Abs. 1 ZPO durch Zustellung der Klageschrift, gehemmt. Dabei tritt gemäß § 167 ZPO die Hemmungswirkung bereits mit dem Eingang der Klageschrift ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Dies ist vorliegend der Fall. Nach Anforderung des Gerichtskostenvorschusses mit Vorschusskostenrechnung vom 28.12.2020 zahlte der Kläger den Betrag bereits am 30.12.2020 und somit auf jeden Fall innerhalb einer angemessenen Frist ein (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2021, § 167 Rn. 10 ff). Das Gericht veranlasste daraufhin am 08.01.2021 die Zustellung der Klageschrift, welche dann am 13.01.2021 (an das Finanzamt) erfolgte.

Zwar war die Zustellung der Klageschrift an das Finanzamt am 13.01.2021 nicht geeignet, die Rechtshängigkeit der Streitsache gegenüber dem Land zu begründen, zumal dieses zu dem Zeitpunkt noch nicht durch die vorgenannte Behörde vertreten gewesen ist. Eine Zustellung der Klageschrift an einen Dritten - hier das Finanzamt -, d. h. an eine Person, die nach dem Willen des Klägers in Wahrheit nicht Adressat der Klage sein sollte, hat zur Folge, dass weder mit dem Dritten noch mit dem gewünschten Adressaten der Klage - hier dem Land - ein Prozessrechtsverhältnis begründet wird. Denn der Dritte ist nicht (wahrer) Adressat der Klage und an den gewünschten Adressaten ist die Klageschrift nicht zugestellt worden (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2017 - VIII ZR 11/16 -, BGHZ 214, 294-314, Rn. 26).

Obwohl nicht an den nach den §§ 166 ff ZPO eigentlich zu wählenden Adressaten, sondern an einen Dritten zugestellt worden war, ist jedoch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der Senat folgt, ein Zustellungsmangel gemäß § 189 ZPO als geheilt anzusehen, wenn ein Rechtsanwalt erst durch spätere Bevollmächtigung zum Prozessbeteiligten einer Partei wurde und er bereits zuvor oder zeitgleich mit der Bevollmächtigung in den Besitz des zuzustellenden Schriftstücks gelangt war (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2017 - VIII ZR 11/16 -, BGHZ 214, 294-314, Rn. 44).

Nach der Regelung in § 189 ZPO gilt ein unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangenes Dokument in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Die Heilung von Mängeln, die bei der Ausführung der Zustellung unterlaufen sind, soll nach dem Willen des Gesetzgebers von Gesetzes wegen eintreten, wenn der Zustellungszweck erreicht ist (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren [Zustellungsreformgesetz - ZustRG] - BT-Drucks. 14/4554, S. 24, re. Sp. unten). Aus dem Wortlaut des § 189 ZPO, wonach es sich um ein Dokument handeln muss, das "der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte", zugegangen ist, folgt das Erfordernis, dass das Gericht eine förmliche Zustellung mit Zustellungswillen bewirken wollte. Nach Sinn und Zweck ist die Vorschrift weit auszulegen und auch dann anzuwenden, wenn ein Rechtsanwalt erst durch spätere Bevollmächtigung zu einem Prozessbeteiligten wird und er bereits zuvor oder zeitgleich mit der Bevollmächtigung in den Besitz des zuzustellenden Schriftstücks gelangt ist (vgl. BGH, Urteil vom 07. Dezember 2010 - VI ZR 48/10 -, Rn. 11, juris).

Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes, der auch derjenige des Finanzamtes gewesen ist, die Klageschrift spätestens am 20.01.2021 erhalten, denn er hat mit Schriftsatz vom selben Tag die Vertretung des Finanzamts angezeigt.

Dadurch ist der Zustellungsmangel gemäß § 189 ZPO geheilt worden.

Zustellungsadressat für das beklagte Land ist nach der Regelung in § 172 Abs. 1 S. 1 ZPO ihr Prozessbevollmächtigter und nicht (mehr) der Beklagte selbst; der Prozessbevollmächtigter ist seit seiner Bestellung durch das beklagte Land der richtige Zustellungsadressat. Ist er - wie es hier der Fall ist - in den Besitz der Klageschrift, deren Zustellung der Richter verfügt hat, gelangt, ist die Klage in jedem Fall aufgrund der Heilung des Zustellungsmangels nach § 189 ZPO rechtshängig geworden. Die Klage gilt somit in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem sie der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet werden konnte, d. h. dem Prozessbevollmächtigten, tatsächlich zugegangen ist, vorliegend mithin spätestens am 20.01.2021.

  1. 3.

    Der Kläger hat gemäß §§ 286 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB, 13, 14 RVG i.V.m. Nr. 2300, 7002 VV RVG einen Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten, berechnet nach einem Geschäftswert in Höhe der berechtigten Forderung von 7.162,87 €.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, der der Senat folgt, sind gemäß § 286 Abs. 1 BGB Rechtsanwaltskosten, soweit sie aus Sicht des Geschädigten nach den Umständen des Falles zur Wahrung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig gewesen sind, zu ersetzen, wobei die ex ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person maßgeblich ist; hierbei sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es kommt darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 - VII ZR 320/21 -, Rn. 18, juris). Ein Schadensfall in diesem Sinne liegt vor, wenn der Schuldner einer Entgeltforderung in Zahlungsverzug gerät. Zur Beitreibung einer solchen Forderung ist dann regelmäßig selbst in einfach gelagerten Fällen die Beauftragung eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig. Das seinerseits Erforderliche tut der Gläubiger dadurch, dass er den Schuldner in Verzug setzt. Eine weitere Verzögerung der Erfüllung seiner Forderung muss er nicht hinnehmen. Vielmehr kann er seinem Erfüllungsverlangen durch Einschaltung eines Rechtsanwalts Nachdruck verleihen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 - VII ZR 320/21 -, Rn. 19, juris).

Nach Maßgabe dessen hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch den Kläger erforderlich und zweckmäßig war. Denn der Beklagte befand sich aufgrund der Zahlungsaufforderung mit Schreiben des Klägers vom 16.10.2019 (Anlage K8) mit dem im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Betrag von 7.162,87 € seit dem 07.11.2019 und somit bereits bei Beauftragung des Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs in Verzug.

Die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten sind gemäß § 143 Abs. 1 S. 2 InsO, §§ 819 Abs. 1, 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB mit einem Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Insgesamt wird die Berufung der Beklagten demnach erfolglos bleiben.