Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 07.03.2008, Az.: 12 UF 172/07
Nichterweislichkeit eines hypothetischen Kausalverlaufs als entscheidender Faktor für den Erfolg einer Berufung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 07.03.2008
- Aktenzeichen
- 12 UF 172/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 25035
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2008:0307.12UF172.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Winsen - 25.07.2007 - AZ: 4 F 141/05
Rechtsgrundlagen
- § 1573 BGB
- § 1578b Abs. 2 BGB
Fundstelle
- FamRZ 2008, 1448-1449 (Volltext mit red. LS)
...
hat der 12. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
die Richter am Oberlandesgericht F. , W. und B.
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 05.03.2008
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 25.07.2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Winsen (Luhe) im Ausspruch zum nachehelichen Unterhalt (Ziffer IV der Urteilsformel) dahingehend geändert, dass die Verpflichtung des Antragstellers, der Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung einen nachehelichen Unterhalt von monatlich 105 EUR zu zahlen, auf die Zeit bis einschließlich September 2012 befristet wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen. Im Übrigen bleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt, und zwar in der Berufungsinstanz lediglich noch um die Frage der Befristung eines entsprechenden Anspruchs der Antragsgegnerin.
Sie haben im März 1990 miteinander die Ehe geschlossen, nachdem ihre beiden gemeinsamen Kinder bereits zuvor, im August 1989, geboren worden waren. Die Antragsgegnerin, gelernte Hauswirtschafterin, gab mit der Geburt der Kinder ihre seit 1983 halbtags ausgeübte Erwerbstätigkeit als Altenpflegerin auf und widmete sich zunächst ausschließlich der Kindesbetreuung. Von 1994 bis 1998 arbeitete sie im Umfang von ca. 10 - 12 Wochenstunden wiederum als Hauswirtschafterin. Mitte Mai 2003 kam es schließlich zur Trennung. Seitdem arbeitet die Antragsgegnerin wieder - zunächst halbtags, inzwischen vollzeitig - in dem erlernten Beruf der Hauswirtschafterin und erzielt ein monatliches Nettoeinkommen von 1.260,41 EUR. Der Antragsteller übt seit Beginn der Ehe den Beruf des Betonbauers aus; sein bereinigtes Einkommen beträgt 1.616,70 EUR.
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht die Ehe der Parteien geschieden, den Versorgungs- und Zugewinnausgleich geregelt und der Antragsgegnerin einen unbefristeten, nachehelichen Unterhalt von monatlich 105 EUR zuerkannt.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner Berufung, mit der er ausschließlich eine Befristung seiner nachehelichen Unterhaltsverpflichtung auf fünf Jahre, mithin bis einschließlich September 2012, begehrt. Zur Begründung verweist er darauf, dass die Antragsgegnerin nachehelich wieder in dem bereits vor und während der Ehe ausgeübten Beruf einer Hauswirtschafterin arbeite, mithin keine ehebedingten Nachteile in ihrem wirtschaftlichen Fortkommen erlitten habe.
Die Antragsgegnerin verteidigt das Urteil und behauptet, sehr wohl ehebedingte Nachteile erlitten zu haben. So habe sie damals mit Rücksicht auf die gemeinsamen Kinder ihre Anstellung in dem Pflegeheim aufgegeben, was für sie insoweit mit Nachteilen verbunden gewesen sei, als jenes in öffentlicher Trägerschaft betrieben worden sei und sie deswegen mit dem Verlust des Arbeitsplatzes auch die sozialen Zusatzleistungen des öffentlichen Dienstes verloren habe. Zudem sei ihr Auskommen in Zukunft nicht gesichert, weil die von ihr betreute Dame bereits 86 Jahre alt sei.
II.
Die Berufung des Antragstellers ist zulässig und begründet.
Der dem Grunde und der Höhe nach in der Berufungsinstanz unstreitige Anspruch der Antragsgegnerin auf nachehelichen Aufstockungsunterhalt nach § 1573 BGB ist gemäß § 1578b Abs. 2 BGB zeitlich zu befristen, weil nicht festgestellt werden kann, dass die Antragsgegnerin ehebedingte Nachteile in wirtschaftlicher Hinsicht erlitten hat und sich die Nichterweislichkeit dieses Umstandes im vorliegenden Fall ausnahmsweise zulasten der Unterhalt begehrenden Antragsgegnerin auswirkt. Der mit der Berufung geforderte Übergangszeitraum von fünf Jahren ist angemessen.
Grundsätzlich obliegt es jedem Ehegatten, nachehelich selbst für seinen Unterhalt zu sorgen (§ 1569 BGB n.F.). Die Antragsgegnerin ist weder aus gesundheitlichen Gründen noch infolge Kindesbetreuung oder aufgrund sonstiger Umstände daran gehindert, diese Eigenverantwortung wahrzunehmen. Sie ist mit 47 Jahren noch jung genug, sich an die wechselnden Anforderungen des Arbeitsmarktes anzupassen und verfügt mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung und langjähriger praktischer Erfahrung als Altenpflegerin und Hauswirtschafterin über Qualifikationen, die auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt werden. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass sie auch zur Zeit eine Vollzeitstelle mit einem Einkommen gefunden hat, welches zumindest ihren angemessenen Bedarf deckt.
Auch die Dauer der Ehe von immerhin rund 15 Jahren hindert eine Befristung nicht. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (FamRZ 2007, 2049; 2007, 2052)kam diesem Kriterium bereits nach der bis zum 31.12.2007 gültigen Rechtslage keine entscheidende Bedeutung mehr zu. Nach neuem Recht ist ohnehin stattdessen eine den Umständen des Einzelfalles Rechnung tragende Abwägung geboten, ob ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre (§ 1578b Abs. 2 BGB). Die maßgebenden Kriterien für eine solche Abwägung sind in den genannten Entscheidungen, die zwar formal noch zum alten Recht, in den Argumentationslinien jedoch erkennbar bereits im Vorgriff auf die Gesetzesreform ergangen sind, herausgearbeitet worden. Von zentraler Bedeutung ist danach, ob der Unterhalt begehrende Ehegatte ehebedingte Nachteile in seinem wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat.
Der diesbezügliche Vortrag der Parteien ermöglicht keine zweifelsfreien Feststellungen. Einerseits hat die Antragsgegnerin offensichtlich während der Ehe die Hauptlast der Kindesbetreuung getragen und aus diesem Grund mit ihrer Erwerbstätigkeit über Jahre hinweg ausgesetzt. Da regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass sich langjährige Unterbrechungen ungünstig auf das berufliche Fortkommen auswirken, könnte hierin ein Indiz für den Eintritt ehebedingter Nachteile liegen. Andererseits arbeitet die Antragsgegnerin seit der Trennung der Parteien erneut in dem erlernten Beruf einer Hauswirtschafterin, den sie bereits während der Ehe über mehrere Jahre hinweg ausgeübt hat. Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, inwieweit sich ihre tatsächliche Berufs- und Einkommenssituation von einer hypothetischen Entwicklung ohne die Ehe mit dem Antragsteller unterscheiden soll. Die pauschale Behauptung, sie habe früher als Angestellte eines öffentlichen Pflegeheims mehr verdient als heute und würde dies hypothetisch auch heute noch tun, entbehrt nach Grund und Höhe jeder Substanz.
#Damit entscheidet sich der Erfolg der Berufung daran, zu wessen Lasten sich die Nichterweislichkeit des hypothetischen Kausalverlaufs auswirkt, mit anderen Worten, ob der Antragsteller das Ausbleiben ehebedingter Nachteile oder die Antragsgegnerin das Gegenteil darlegen und beweisen muss. Auch diese Frage hat der Bundesgerichtshof aktuell (FamRZ 2008, 134) entschieden. Zumindest dann, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachehelich vollzeitig in dem erlernten oder vorehelich ausgeübten Beruf tätig ist, obliegt diesem der Nachweis von Umständen, die gegen eine Unterhaltsbegrenzung oder für eine längere "Schonfrist" sprechen.
Da die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall nachehelich zwar nicht in dem vor der Ehe ausgeübten, wohl aber in dem vorehelich erlernten Beruf arbeitet und es keinen Erfahrungssatz dahingehend gibt, dass Hauswirtschafterinnen generell schlechter bezahlt werden als Altenpflegerinnen (der von der Antragsgegnerin vorehelich ausgeübte Beruf), liegt die Darlegungslast hier bei ihr. Ehebedingte Nachteile oder sonstige gegen eine Befristung sprechende Umstände hat sie jedoch nicht mit hinreichender Substanz dargetan. Die pauschale Behauptung, bei einem Verbleib in dem Pflegeheim, in dem sie bis 1989 gearbeitet hatte, würde sie heute einen höheren Verdienst erzielen können, ist hierfür mangels tatsächlicher Anknüpfungspunkte unzureichend. Das aktuell erzielte Einkommen von netto immerhin rund 1.260 EUR deckt zudem ihren angemessenen Unterhalt ab. Die durch das Alter der betreuten Person bedingte Limitierung der Anstellung in zeitlicher Hinsicht stellt die günstige Prognose nicht in Frage. Anhaltspunkte für die Befürchtung, die Antragsgegnerin werde mit ihrem in einer älter werdenden Gesellschaft gesuchten Qualifikationsprofil keine Anschlussbeschäftigung finden können, sind nicht ersichtlich.
Im Ergebnis entspricht eine Befristung des nachehelichen Unterhalts daher der Billigkeit. Dies gilt um so mehr, als die 1961 geborene Antragsgegnerin einerseits noch jung genug ist, um ihren angemessenen Unterhalt - auch durch Zusatzqualifizierungen - aus eigener Kraft sicherstellen zu können, und andererseits auch der Antragsteller als Betonbauer in engen wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, so dass ihm die Unterhaltsleistungen schwer fallen. Die mit der Berufung geforderte Befristung auf 5 Jahre erscheint ebenfalls angemessen. Die Zeitspanne gibt der Antragsgegnerin ausreichend Zeit und Gelegenheit, sich auf die veränderten Umstände einzustellen. Dies gilt um so mehr, als der zuerkannte Unterhalt von 105 EUR einen vergleichsweise geringen Anteil der Gesamteinkünfte der Antragsgegnerin ausmacht, die notwendige Anpassung mithin keine tiefgreifende Veränderung der Lebensumstände erfordert.
Nach alledem war der Berufung mit den Nebenfolgen aus §§ 91, 93a, 708 Nr. 10 ZPO in vollem Umfang stattzugeben.