Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 19.03.2008, Az.: 9 U 158/07
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 19.03.2008
- Aktenzeichen
- 9 U 158/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 42446
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2008:0319.9U158.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 20.07.2007 - AZ: 4 O 269/06
- nachfolgend
- BGH - 18.05.2009 - AZ: II ZR 102/08
In dem Rechtsstreit
...
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S. sowie der Richter am Oberlandesgericht D. und Dr. St. auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2008 für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die teilweise Abweisung der Klage richtet.
Die Berufung des Klägers gegen die Verurteilung auf die Widerklage wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Kläger verurteilt wird, den Beklagten Einsicht in Unterlagen, die die gemeinsame Sozietät im Zeitraum 01.2001 bis 01.02.2005 betreffen, zu gewähren.
- 2.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20. Juli 2007 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim teilweise abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
- 3.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
- 4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
- 5.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das landgerichtliche Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).
Der Kläger bekräftigt seine Auffassung, ihm stehe auch nach der Auflösung der Sozietät ein Mindestgewinnanspruch zu. Das Landgericht habe zu Unrecht einen solchen Anspruch nur in Höhe von 115 446,06 € angenommen; es sei auch ein Drittel des von Herrn Rechtsanwalt H. erzielten Umsatzes der Abwicklungsgesellschaft hinzuzurechnen, also ein Betrag in Höhe von 13 615,45 €. Das Feststellungsinteresse bestehe, da die Beklagten in Abrede genommen hätten, dass ein solcher Anspruch in die Auseinandersetzungsrechnung einzustellen sei. Der Anspruch auf Auskunft bestehe nach wie vor, da den Äußerungen der Beklagten zu entnehmen sei, dass die bisher von ihnen erteilten Auskünfte unverbindlich sein sollten.
Die Beklagten ihrerseits könnten Auskunft nicht verlangen, da ihnen die Daten während der gesamten Dauer der Sozietät zur Verfügung gestanden hätten.
Der Kläger beantragt,
das landgerichtliche Urteil teilweise abzuändern und
- 1.
festzustellen, dass zugunsten des Klägers in die zwischen den Parteien vorzunehmende Auseinandersetzungsrechnung betreffend die Abwicklungsgesellschaft Dr. S. ... GbR (bestehend aus den Rechtsanwälten R.S., L.H. und U.B.) für den Zeitraum vom 01.02.2005 bis zum 31.05.2006 ein Mindestgewinnanspruch in Höhe von 129 061,51 € einzustellen ist, für dessen Erfüllung die Beklagten - ungeachtet des Geschäftsergebnisses der Abwicklungsgesellschaft (Gewinn- und Verlustrechnung) - als Gesamtschuldner persönlich unbeschränkt haften,
- 2.
die Widerklage der Beklagten abzuweisen.
Die Beklagten beantragen,
- 1.
die Berufung des Klägers zurückzuweisen,
- 2.
unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie bekräftigen ihre Auffassung, ein Mindestgewinnanspruch stehe dem Kläger nach Auflösung der Sozietät nicht zu.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Klägers ist unbegründet, während die Berufung der Beklagten Erfolg hat.
1. Der vom Kläger in der Berufungsinstanz weiter verfolgte Antrag auf Feststellung eines Mindestgewinnanspruchs in Höhe von 129 061,51 € ist unbegründet, sodass seine Berufung gegen das landgerichtliche Urteil, das dem Feststellungsantrag in Höhe von 115 446,06 € stattgegeben hat, ohne Erfolg bleibt, während die Berufung der Beklagten, die eine Klagabweisung im ganzen erstreben, Erfolg hat.
Ein Mindestgewinnanspruch nach § 9 Nr. 3 des Sozietätsvertrages steht dem Kläger nach Auflösung der Sozietät zum 1. Februar 2005 nicht mehr zu. Mit der Auflösung wandelte sich die werbende Gesellschaft in eine Abwicklungsgesellschaft um, für deren Behandlung § 15 Nr. 1 des Sozietätsvertrages Regelungen enthält, die sich auf die Verteilung der materiellen Werte der Gesellschaft beziehen. Hinsichtlich des good will haben die Parteien - wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt haben - eine Verteilung bereits insofern vorgenommen, als sie Mandate zwischen sich aufgeteilt haben. Die Parteien führen also nach dem 1. Februar 2005 keine gemeinsamen Mandate mehr, sodass die Gewinnverteilungsregelung in § 9 Nr. 1 des Sozietätsvertrages nicht anwendbar ist. Vielmehr bezieht sich die in § 15 Nr. 1 Abs. 2 S. 2 enthaltene Regelung auf die Verteilung von nach der Auflösung der Gesellschaft noch eingehenden Gebühren, also Zahlungen auf Altmandate, bei denen die Leistung durch die Sozietät vor deren Auflösung erbracht worden ist, die Gegenleistung aber erst nach der Auflösung der Gesellschaft dieser zugeflossen ist. Neu entfaltete Tätigkeiten - und sei es auch innerhalb desselben Mandatsverhältnisses - werden von der Regelung des § 15 Nr. 1 Abs. 2 S. 2 des Sozietätsvertrages nicht erfasst, wenn sie neue Gebührenansprüche auslösen; mit der Beendigung schwebender Geschäfte hat das nichts zu tun. Denn dies würde bedeuten, dass die Parteien die zunächst zum 1. Februar 2005 aufgelöste Gesellschaft weiter betreiben würden, was einen Fortsetzungsbeschluss voraussetzen würde, den die Parteien aber - auch dies ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt worden - nicht gefasst haben.
Der Kläger kann also keinen "Gewinnanspruch", der sich aus einer Weiterbearbeitung von Mandaten nach dem 01.02.2005 ergäbe, geltend machen. Der Anspruch auf Beteiligung an Zahlungen, die von den Beklagten nach dem 1. Februar 2005 auf Leistungen entgegengenommen wurden, die vor dem 1. Februar 2005 erbracht wurden, bleibt davon unberührt; hierfür gilt die Regelung in § 15 Nr. 1 Abs. 2 S. 2 des Sozietätsvertrages.
2. Aus den Ausführungen zu Ziff. 1 ergibt sich, dass der Kläger auch keine Auskunft von den Beklagten über Einnahmen und Ausgaben aus den von ihnen "mitgenommenen Akten" verlangen kann. Dieser Auskunftsanspruch soll ersichtlich der Präzisierung des vom Kläger geltend gemachten Gewinnanspruchs dienen, weil sich aus der Auskunft möglicherweise ergebe, dass der zunächst geltend gemachte "Mindestgewinnanspruch" zu erhöhen sei. Da ein solcher Gewinnanspruch nach dem 1. Februar 2005 jedoch nicht mehr besteht, steht dem Kläger auch kein Auskunftsanspruch hinsichtlich der Grundlagen zur Errechnung eines solchen Anspruchs zu.
Unberührt davon bleibt auch hier der - vom Kläger allerdings nicht geltend gemachte - Anspruch auf Auskunft hinsichtlich derjenigen Zahlungen, die bei den Beklagten nach dem 1. Februar 2005 im Rahmen der Abwicklung von "Altmandaten" eingegangen sind, also Zahlungen für Leistungen, die vor dem 1. Februar 2005 erbracht worden sind.
3. Der mit der Widerklage geltend gemachte Auskunftsanspruch der Beklagten ist begründet, sodass die Berufung des Klägers gegen seine Verurteilung durch das Landgericht - nach Maßgabe der Tenorierung des Senats - zurückzuweisen war.
Der Anspruch resultiert - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat - aus der Mitwirkungspflicht des Klägers, der den Beklagten die Möglichkeit eröffnen muss, die Daten zu sammeln, die zur Erstellung der Schlussrechnung der Gesellschaft erforderlich sind. Soweit also der Kläger über solche Daten verfügt, muss er den Beklagten Einsicht gewähren. Wie er dies tut, bleibt ihm überlassen, sodass eine weitere Spezifizierung (EDV, Passwörter) nicht erforderlich ist. Auch die Auflistung einzelner Unterlagen ist nicht geboten; der Kläger hat Einsicht in alle Unterlagen zu gewähren, die die gemeinsame Sozietät im Zeitraum vom 01.10.2001 bis 01.02.2005 betreffen.
Das Begehr der Beklagten ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Das Einsichtsrecht in der werbenden Gesellschaft trägt einen anderen Charakter als das Verlangen im Rahmen der zu liquidierenden Gesellschaft zur Erstellung einer Abschlussbilanz. Geheimhaltungsbedürfnisse des Klägers sind nicht berührt, da sich die Einsichtnahme nur auf die Unterlagen bezieht, die die Sozietät betreffen.
Einem Auskunftsanspruch der Beklagten, der auch die Einnahmen aus der Notartätigkeit des Klägers erfasst, steht § 17 Abs. 1 Satz 4 BNotO nicht entgegen. Zwar hat der Kläger auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle (Beschluss v. 30.05.2007, Az.: Not 5/07; NJW 2007, 2929) hingewiesen, nach der eine von Anwaltsnotaren mit den Rechtsanwälten ihrer Partnerschaft vereinbarte Regelung, wonach die Gebühren aus ihrer Notartätigkeit - pauschal unmittelbar und in vollem Umfange - der Partnerschaft zufließen, damit also auch den mit ihnen verbundenen Rechtsanwälten, gegen das Gebührenteilungsverbot des § 17 Abs. 1 Satz 4 BNotO verstößt. Einerseits ist aber schon fraglich, ob eine solche Regelung - wie sie Gegenstand des vom Notarsenat des Oberlandesgerichts Celle entschiedenen Falls war - hier vorliegt. Denn durch die Vorschrift sollen Gefahren für die wirtschaftliche und persönliche Unabhängigkeit des Notars vermieden werden, insbesondere der Anschein der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Notars im Fall der Teilung seiner Einnahmen mit den anderen Rechtsanwälten (OLG Celle, a.a.O., S. 2931). Dies war hier aber angesichts der - für die werbende Gesellschaft vereinbarten - Gewinnverteilung in § 9 des Sozietätsvertrages nicht ersichtlich, wonach dem Kläger zunächst (mindestens) 60 % seines Nettoumsatzes zustanden. Selbst wenn man andererseits die Vorschrift des § 17 Abs. 1 S. 4 BNotO als erfüllt ansähe und sie ebenfalls als Verbotsgesetz qualifizierte, woraus die Unwirksamkeit der Regelung im Sozietätsvertrag resultierte, wären hier jedoch die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft anwendbar. Denn ersichtlich haben die Parteien seit Gründung ihrer Sozietät diese Regelung der Gewinnverteilung praktiziert. Auf die Unwirksamkeit könnte sich der Kläger demnach nur für die Zukunft berufen. Für die Vergangenheit gilt, dass die Parteien gerade vor dem Hintergrund und dem Vertrauen auf den Bestand dieser Regelung zusammengearbeitet haben; sie ist deshalb auch der Abrechnung der Sozietät bis zu ihrer Auflösung zugrunde zulegen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.