Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.12.1995, Az.: III 379/89

Grunderwerbssteuerpflicht der Übertragung von Grundstücksanteilen bei bürgerlich-rechtlicher Nachvollziehung einer tatsächlich bereits vorgenommener Grundstücksteilung; Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift des § 7 Abs. 1 GrEStG (Grunderwerbssteuergesetz); Ausschluss der Anwendung der Begünstigungsvorschrift bei Auflösung einer Grundstücksbruchteilsgemeinschaft und zeitgleicher Veräußerung einer Grundstückshälfte an Dritte

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
13.12.1995
Aktenzeichen
III 379/89
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 17893
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1995:1213.III379.89.0A

Fundstelle

  • EFG 1996, 721-722 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Grunderwerbsteuer nur bei wirklichem Grundstückszugewinn

Der III. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 13. Dezember 1995,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtliche Richterin ...
fürRecht erkannt:

Tenor:

Die Grunderwerbsteuerbescheide vom 6. Oktober 1988 sowie die zusammengefaßte Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 1989 werden aufgehoben.

Das beklagte Finanzamt hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Finanzamt kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an die Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leisten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang auch dann vorliegt, wenn Grundstücksanteile übertragen werden, um eine tatsächlich bereits vorgenommene Grundstücksteilung bürgerlich-rechtlich nachzuvollziehen.

2

Die Kläger erwarben im Jahre 1983 gemeinsam mit dem Bruder des Klägers ... und dessen Ehefrau ... ein unbebautes Grundstück. Die vier Eigentümer bebauten ihr Grundstück mit einem Doppelhaus. Die Kläger bewohnten die eine Doppelhaushälfte, das andere Paar nutzte die andere Wohneinheit. Mit Einheitswertbescheiden vom 3. Juli 1985 rechnete das beklagte Finanzamt (FA) den Klägern sowie dem anderen Paar je ein Einfamilienhaus als "gemeinschaftliches Eigentum von Ehegatten i.S.d. § 26 Nr. 1 BewG" zu. Im Grundbuch waren die Kläger und die Eheleute B. ... als Eigentümer "je zu 1/4 Anteil" eingetragen. Nachdem sich die Eheleute B. getrennt hatten, verkauften die vier im Grundbuch ausgewiesenen Eigentümer mit Notarvertrag vom 24. Februar 1988 (Nr. 71 der Urkundenrolle für 1988 des Notars W.) ... an Dritte "eine noch zu vermessende Teilfläche ... nebst der auf jenem Grundstücksteil befindlichen rechten Doppelhaushälfte", jener Doppelhaushälfte, die von den Eheleuten B. bewohnt worden war. Zwischen den Klägern und den anderen Verkäufern bestand im Innenverhältnis Einigkeit darüber, daß der gesamte Kaufpreis in Höhe von 270.000 DM nur den Eheleuten B. zustand und auch nur deren anteilige Darlehensverpflichtungen gegenüber den Grundpfandrechtsgläubigern abzulösen waren. Mit Notarvertrag vom 8. September 1988 (Nr. 348 der Urkundenrolle für 1988 des Notars W.) ... übertrugen die Eheleute B. ihre noch verbliebenen Grundstücksanteile an die Kläger, so daß diese alleinige Eigentümer der von ihnen bewohnten Doppelhaushälfte wurden. U.a. wurde mit dem Vertrag vom 8. September 1988 festgestellt, daß der Kaufpreis aus der Veräußerung der anderen Doppelhaushälfte aufgrund des Notarvertrags vom 24. Februar 1988 allein den Eheleuten B. zugeflossen und dieser überwiegend zur Ablösung von Darlehnsverbindlichkeiten verwendet worden sei. Im übrigen - so der Notarvertrag vom 8. September 1988 weiter - "bestanden und bestehen" im Hinblick auf die von den Klägern bewohnte Doppelhaushälfte keine Ansprüche der Eheleute B. gegenüber den Klägern; "wie bisher schon" seien die im Grundbuch eingetragenen Belastungen für das von den Klägern bewohnte Haus allein von diesen zu übernehmen.

3

Das FA setzte mit Bescheiden vom 6. Oktober 1988 gegenüber den Klägern je 1.350 DM Grunderwerbsteuer fest. Als Bemessungsgrundlage diente jeweils 1/4 des Kaufpreises in Höhe von 270.000 DM (2 % von 67.500 DM = 1.350 DM).

4

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erheben die Kläger Klage und tragen im wesentlichen folgendes vor:

5

Jedes der beiden Ehepaare habe ein Einfamilienhaus genutzt und die Lasten je eines Hauses zu tragen gehabt. Eine grunderwerbsteuerfreie Realteilung im Sinne des § 7 GrEStG sei von Anfang an vorgesehen gewesen und sei schließlich Mitte 1988 erfolgt, Der auf die Eheleute B. entfallende Anteil habe bereits an Dritte vor Vollzug der Realteilung wegen der Trennung der Eheleute veräußert werden müssen. Abweichend von den bürgerlich-rechtlichen Verhältnissen liege in tatsächlicher Hinsicht keine Bruchteilsgemeinschaft, sondern Alleineigentum der beiden Ehepaare an je einem Einfamilienhaus vor. Entsprechend der einschlägigen Kommentarliteratur zur Grunderwerbsteuer komme es auf den wirklichen Willen der Parteien an; nicht wegen der Rechtsform, sondern im Hinblick auf bestimmte wirtschaftliche Erfolge werde Grunderwerbsteuer erhoben. Genau wie Grunderwerbsteuer auch ohne Rechtsgeschäfte ausgelöst werden könne, wenn die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis eintreten und bestehen ließen, sei nach dem Umkehrschluß ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang zu verneinen, wenn dieses nicht dem willen der Beteiligten entspreche. Die vertragliche Abwicklung bei der Veräußerung eines der beiden Einfamilienhäuser mache den tatsächlichen willen der Parteien deutlich. Die Eheleute B. hätten ihr Einfamilienhaus verkauft, Der Verkaufserlös habe allein ihnen zugestanden. Die Kläger bewohnten dagegen nach wie vor ihr Einfamilienhaus. Gegenseitige Ansprüche seien - auch ausweislich des Notarvertrags vom 8. September 1988 - nicht geltend gemacht worden.

6

Die Kläger beantragen (sinngemäß),

die Grunderwerbsteuerbescheide vom 6. Oktober 1988 sowie den zusammengefaßten Einspruchsbescheid vom 22. Juni 1989 aufzuheben.

7

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Es vertritt die Auffassung, daß nach der Systematik des Grunderwerbsteuergesetzes das Miteigentum zu ideellen Bruchteilen in gleicher Weise "Grundstück" wie das Alleineigentum und nicht nur ein Recht an einem Grundstück sei. Maßgeblich für die Grunderwerbsteuer seien Vorgänge des Rechtsverkehrs. Vor der Veräußerung einer Doppelhaushälfte hätten die Kläger die Verwertungsmacht jeweils eines 1/4-Anteils an jeder Doppelhaushälfte gehabt. Mit der Veräußerung an Dritte hätten die Kläger ihre darauf entfallenden Anteile, wenn auch unter Verzicht auf Aushändigung der Gegenleistung, verloren. Der Erwerb der Anteile der ihnen verbliebenen Doppelhaushälfte sei ein grunderwerbsteuerpflichtiger Erwerbsvorgang. Zu dem Kläger-Vortrag, die Teilung des Grundstücks sei von Anfang an vorgesehen gewesen, sei festzustellen, daß dies vorher nie offenbart worden sei. Vielmehr sei die Grundstücksteilung nur wegen der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung der Eheleute B. infolge Trennung erfolgt. Anderenfalls hätte es sicherlich keine Grundstücksteilung gegeben. Ohne die Teilung hätten fremde Dritte Miteigentum an der weiterhin von den Klägern genutzten Doppelhaushälfte erlangt. Um dies zu verhindern, sei vor Vertragsschluß die Grundstücksteilung durchgeführt worden. Die Gegenleistung der Kläger für den Anteilserwerb an der von ihnen genutzten Grundstückshälfte bestehe in dem Verzicht auf den halben Kaufpreisanteil aus dem Vertrag vom 24. Februar 1988.

9

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

10

Die Klage hat Erfolg. Die hier vorliegenden Grundstückserwerbe lösen keine Grunderwerbsteuer aus.

11

Die Kläger waren zunächst Miteigentümer je zu einem Viertel an dem mit einem Doppelhaus bebauten Grundstück. Durch die Notarverträge vom 24. Februar 1988 und vom 8. September 1988 erhielten die Kläger die Ansprüche auf Übertragung der ihnen noch nicht gehörenden Miteigentumsanteile an dem von ihnen schon vorher tatsächlich genutzten Teilgrundstück mit Doppelhaushälfte. Dies erfüllte jeweils den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 5 GrEStG. Diese grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorgänge sind indes nach § 7 Abs. 1 GrEStG von der Steuer befreit.

12

Nach § 7 Abs. 1 GrEStG wird die Grunderwerbsteuer nicht erhoben, wenn ein Grundstück, das mehreren Miteigentümern gehört, von den Miteigentümern flächenweise so geteilt wird, daß der Wert des Teilgrundstücks, das der einzelne Erwerber erhält, dem Bruchteil entspricht, zu dem er am gesamten zu verteilenden Grundstück beteiligt ist. Zweck dieser Vorschrift ist, daß bisherige Miteigentümer Grunderwerbsteuer nur insoweit zu entrichten haben, als sie einen "echten" Grundstückserwerb erzielen, also nur insoweit, als - im Falle des § 7 Abs. 1 GrEStG - ein Miteigentümer bei der Teilung wertmäßig einen größeren Grundstücksteil erhält, als ihm aufgrund seiner Beteiligung als Miteigentümer dem Wert nach zusteht (vgl. amtliche Begründung zum GrEStG 1940 § 7, RStBl. 1940, 387, 400, linke Spalte; dazu auch Reiß, in Tipke/Lang, 14. Auflage 1994, § 14 Rn. 4, wonach letztlich allein der Erwerb der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über Grundstücke besteuert werde; Viskorf, in Boruttau/Egly/Sigloch, Kommentar zum GrEStG, 13. Auflage 1992, § 7 Rn. 11; Franz, in Pahlke/Franz, Kommentar zum GrEStG, 1. Auflage 1995, § 7 Anm. 1). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) setzt die Anwendung der Befreiungsvorschrift u.a. voraus, daß die Teilung des Grundstücks und die Übertragung der Miteigentumsanteile aufgrund planmäßiger Durchführung in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang erfolgen (vgl. BFH-Urteil vom A. August 1990 II R 20/88, BStBl II 1990, 922). Die Begünstigungsvorschrift ist auch dann anzuwenden, wenn ein vier Miteigentümern gehörendes Grundstück unter Auflösung dieser Bruchteilsgemeinschaft derart geteilt wird, daß je zwei Miteigentümer je eine Grundstückshälfte, wiederum zu Miteigentum, erhalten (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juli 1969 II 94/65, BStBl II 1969, 669; dazu auch Franz, in Pahlke/Franz, a.a.O., § 7 Anm. 9).

13

Sinn und Zweck der Grunderwerbsteuerbefreiungsvorschrift sowie die hier skizzierten Auslegungsgrundsätze des BFH, denen der Senat folgt, greifen auch bei dem hier vorliegenden Sachverhalt. Denn die Kläger haben nach den Grundstücksgeschäften des Jahres 1988 wertmäßig betrachtet keinen wirklichen Grundstückszugewinn erzielt, vielmehr ist die bereits vorher bestehende wertgleiche faktische Grundstücksaufteilung, die sich u.a. schon in den Einheitswertbescheiden vom 3. Juli 1985 des FA widerspiegelt, aufgrund der Notarverträge aus dem Jahre 1988 lediglich bürgerlich-rechtlich unter den vier ehemaligen Miteigentümern in mehreren zeitlich und sachlich miteinander verknüpften Etappen nachvollzogen worden. Dies gilt - bei engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang wie hier - nach Auffassung des Senats nicht nur dann, wenn die Parzellierung und wechselseitige Anteilsübertragung zwischen den Bruchteilseigentümern der Veräußerung eines Teilgrundstücks an Dritte vorausgeht, sondern auch, wenn bereits der schuldrechtliche Teil der Grundstücksveräußerung an Dritte vor der Aufteilung unter den Miteigentümern erfolgt.

14

Zwar ist, worauf das FA zu Recht hinweist, die Grundstücksteilung mit Veräußerung eines Grundstücksteils an Dritte auch wegen der trennungsbedingten vermögensrechtlichen Auseinandersetzung der Eheleute B. erfolgt. Gleichwohl greift auch dieser Einwand nicht durch. Denn der Grundstücksübertragungsvorgang mit Dritten war grunderwerbsteuerlich gesondert sowie ohne Beteiligung der Kläger zu erfassen und konnte dementsprechend nicht Gegenstand des hiesigen Rechtstreits sein. Bezüglich der hier vorrangig interessierenden Grundstücksgeschäfte der Kläger verbleibt es dagegen bei der Anwendung des § 7 Abs. 1 GrEStG. Die Anwendung dieser Begünstigungsvorschrift wird bei der Auflösung einer aus vier Personen bestehenden Grundstücksbruchteilsgemeinschaft für zwei der Miteigentümer, die eine Grundstückshälfte, wiederum zu Miteigentum, erwerben, nicht dadurch verhindert, daß in etwa zeitgleich die andere Grundstückshälfte an Dritte veräußert wird (in Fortführung des BFH-Urteils vom 29. Juli 1969 II 94/65, BStBl II 1969, 669; vgl. auch Franz, in Pahlke/Franz, a.a.O., § 7 Anm. 10).

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

16

Die Entscheidung über die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren folgt aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

17

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozeßordnung.

18

Die Revision ist nicht zugelassen worden.