Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.12.1995, Az.: XIII 472/89
Berücksichtigung des Verlusts aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH); Vorliegen wesentlicher Beteiligung; Formale Innehabung eines Anteils von mehr als 25 von Hundert; Kapitalmäßige Betrachtungsweise; Unbeachtlichkeit wirtschaftlichen Einflusses
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 13.12.1995
- Aktenzeichen
- XIII 472/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 17894
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1995:1213.XIII472.89.0A
Rechtsgrundlagen
- § 17 Abs. 1 S. 1 EStG
- § 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG
Fundstelle
- EFG 1996, 1032-1034 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Einkommensteuer 1987
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Übersteigen die Anschaffungskosten den Veräußerungspreis einer Gesellschaft, so ergibt sich ein Verlust aus Gewerbebetrieb. Ein solcher Verlust ist auch dann steuerlich zu berücksichtigen, wenn ein wertloser Geschäftsanteil gegen 1 DM übertragen wird.
- 2.
Eine wesentliche Beteiligung liegt auch bei formaler Innehabung eines Anteils von mehr als 25 v.H. an einer Gesellschaft vor. Die wesentliche Beteiligung ist rein kapitalmäßig zu sehen und rein rechnerisch zu ermitteln, unabhängig davon, ob ein wirtschaftlicher oder gesellschaftsrechtlicher Einfluß auf die Gesellschaft gegeben ist.
In dem Rechtstreit
hat der XIII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 13. Dezember 1995,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Kläger abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Verlust aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gem. § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen ist.
Der Kläger (Kl.) machte in seiner Einkommensteuer(ESt)-Erklärung für das Streitjahr 1987 einen Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an der A. GmbH Luftfahrtunternehmen in Höhe von ./. 239.637 DM geltend. Er ermittelte den Verlust wie folgt:
Veräußerungspreis lt. not. Vertrag 02.11.1987 | 1,00 DM | |
---|---|---|
AnschaffungskostenStammeinlage lt. not. Vertrag vom 13.03.1979 | 60.000,00 DM | |
Forderungsverzicht lt. Erlaßvertrag vom 13.05.1987 | 179.637,72 DM | 239.637,72 DM |
Veräußerungsverlust | 239.636,72 DM |
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
In G. gab es die H. W. ... Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft mbH (HRB ... Amtsgericht - AG - ...) - im folgenden: W. GmbH. Alleinvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreiter Geschäftsführer war H. W. Der Kl. hielt an der W. GmbH einen Geschäftsanteil von 1.000 DM.
Der W. GmbH gehörten an dem 20.000 DM betragenden Stammkapital der A.-A. GmbH (HRB. AG.) - im folgenden: GmbH I - zwei Geschäftsanteile von je 10.000 DM. Geschäftsführer der GmbH I waren H. W. und der Kl. sowie später E. B. In notarieller Urkunde vom 29. Juni 1978 (UR-Nr. .../... des Notars Dr. M.) teilte die W. GmbH ihre beiden Geschäftsanteile an der GmbH I von je 10.000 DM in je drei Teile von je 4.000 DM, je 3.000 DM und je 3.000 DM. Alsdann übertrug die W. GmbH Geschäftsanteile von je 4.000 DM (8.000 DM) auf H. W. und von je 3.000 DM (jeweils 6.000 DM) auf den Kl. und E. B. Die Übertragungen erfolgten im Hinblick darauf, daß den Geschäftsanteilen an der GmbH I kein Wert zukomme, unentgeltlich. Zugleich trat die W. GmbH Ansprüche, die ihr aus einem beteiligungsähnlichen Darlehen gegen die GmbH I zustanden, im Verhältnis 40: 30: 30 an die vorgenannten Geschäftsanteilserwerber ab. Der Nennwert dieses Darlehens sollte von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ermittelt werden. Die Abtretungsempfänger hatten die - ebenfalls von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft festzulegende - Gegenleistung im Verhältnis 40: 30: 30 zu erbringen. Nach dem Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses der GmbH I zum 31. Dez. 1978 ergab die vorgenommene Wertermittlung eine Gegenleistung von 0 DM. Der Nennwert dieser Darlehensforderung wurde danach mit 878.157,87 DM ausgewiesen. Davon entfielen auf
H. W. | 351.263,15 DM (40 v. H.), |
---|---|
den Kl. | 263.447,36 DM (30 v. H.), |
E. B. | 263.447,36 DM (30 v. H.). |
In notarieller Urkunde vom 26. Juli 1978 (UR-Nr. .../... des Notars Dr. M.) wurde durch Beschluß der Gesellschafter das Stammkapital der GmbH I von 20.000 DM um 1.000.000 DM auf 1.020.000 DM erhöht. Den neuen Geschäftsanteil von 1.000.000 DM übernahm allein H. W. Er. durfte seine Einlage im Wege der Sacheinlage leisten. Als solche durfte er eine ihm zustehende Forderung gegen die A. GmbH in G. (HRB. AG.) - im folgenden: GmbH II - bis zur Höhe von 1.000.000 DM in die GmbH I einbringen bzw. abtreten. An dem Stammkapital der GmbH I waren die Gesellschafter nunmehr mit folgenden Geschäftsanteilen beteiligt:
H. W. | 4.000 DM |
---|---|
4.000 DM | |
1.000.000 DM | |
gesamt | 1.008.000 DM |
der Kl. | 3.000 DM |
3.000 DM | |
gesamt | 6.000 DM |
E. B. | 3.000 DM |
3.000 DM | |
gesamt | 6.000 DM. |
Zugleich wurde in den Gesellschaftsvertrag der GmbH I folgender § 3 a eingefügt:
"Für den durch die Kapitalerhöhung vom 26. Juli 1978 entstandenen Geschäftsanteil des Gesellschafters H. W. im Nennwert von 1.000.000 DM gelten die folgenden besonderen Bestimmungen:
1.
Der Geschäftsanteil ist nicht mit einem Stimmrecht verbunden.2.
Der Geschäftsanteil nimmt am Jahresüberschuß der Gesellschaft nur in Höhe von 5 v.H. seines Nennwertes jährlich teil. In Höhe dieses Betrages hat der Gesellschafter H. W. als Inhaber des Geschäftsanteils einen Anspruch auf entsprechende bevorzugte Gewinnausschüttung, wenn die GmbH eine Gewinnausschüttung beschließt.3.
Der Geschäftsanteil ist bei einer Liquidation der Gesellschaft höchstens mit dem Nennwert zu berücksichtigen, nimmt mithin an einem Liquidationsüberschuß nicht teil."
In einer weiteren notariellen Urkunde vom 26. Juli 1978 (UR-Nr. .../... des Notars Dr. M.) wurden für die GmbH I, die GmbH II und die A.-A. GmbH & Co. KG Luftfahrtunternehmen in G. (HRA. AG.) - im folgenden KG - weitere Erklärungen abgegeben. Danach waren an der KG beteiligt die GmbH I als einzige Komplementärin ohne Kapitaleinlage sowie H. W., der Kl. und E. B. als Kommanditisten mit Kommanditeinlegen von 48.000 DM und je 36.000 DM. Darauf wurden noch je 25.000 DM, insgesamt 75.000 DM, geschuldet. Daneben unterhielten die Kommanditisten voll geleistete Kapitalkonten II in Höhe von 56.000 DM sowie je 42.000 DM. Die Beteiligungen an der GmbH I wurden wie vorstehend lt. UR-Nr. .../... des Notars Dr. M. ausgewiesen.
An der GmbH II war die KG als alleinige Gesellschafterin mit Geschäftsanteilen von 56.000 DM (48.000 DM + 8.000 DM), 42.000 DM (36.000 DM + 6.000 DM) und 42.000 DM (36.000 + 6.000 DM), insgesamt 140.000 DM beteiligt. H. W., der Kl. und E. B. hatten am Tag der Urkundenerrichtung die noch ausstehenden Beträge auf ihre Kommanditeinlagen in der KG von je 25.000 DM eingezahlt.
Nunmehr wurde das Stammkapital der GmbH I um 180.000 DM von 1.020.000 DM auf 1.200.000 DM erhöht. H. W., der Kl. und E. B. übernahmen die neuen Geschäftsanteile im Nennwert von 72.000 DM sowie je 54.000 DM. Die Einlageverpflichtung konnte teilweise im Wege der Sacheinlage geleistet werden. Zu diesem Zwecke brachten die übernehmenden Gesellschafter ihre bereits erwähnten Kommanditeinlagen und Kapitalkonten II bei der KG in die GmbH I ein, und zwar zu Werten von 12.000 DM sowie je 9.000 DM. Diese Werte sollten sich aus einer auf den 30. Juni 1978 zu errichtenden Bilanz der KG ergeben. Die verbleibenden Einlagebeträge von 60.000 DM sowie je 45.000 DM hatten die übernehmenden Gesellschafter am Tage der Urkundenerrichtung in bar zu leisten. Die KG wurde nach Anwachsen ihres Gesellschaftsvermögens in die GmbH I im Handelsregister gelöscht. Die GmbH I erhielt die Fa. "A. GmbH Luftfahrtunternehmen". Das Stammkapital entfiel nunmehr auf
H. W. mit Geschäftsanteilen von | 4.000 DM |
---|---|
4.000 DM | |
1.000.000 DM | |
72.000 DM | |
sowie auf den Kl. und E. B. mit Geschäftsanteilen von je | 3.000 DM |
3.000 DM | |
54.000 DM. |
Durch die Anwachsung des Gesellschaftsvermögens der KG auf die GmbH I war die GmbH I einzige Gesellschafterin der GmbH II geworden. Ein zwischen der KG als Organträger und der GmbH II als Organgesellschaft durch Organvertrag vom 29. Juni 1978 mit Wirkung vom 1. Jan. 1978 begründetes Organschaftsverhältnis wurde von der GmbH I als Rechtsnachfolgerin der KG und der GmbH II fortgesetzt.
Nunmehr hielt die GmbH I eine Gesellschafterversammlung der GmbH II ab. Diese beschloß, das Stammkapital der GmbH II um 1.000.000 DM von 140.000 DM auf 1.140.000 DM zu erhöhen. Den neuen Geschäftsanteil übernahm die GmbH I im Wege der Sacheinlage. Zu diesem Zweck trat die GmbH I die ihr zuvor lt. Ur-Nr. .../... des Notars Dr. M. vom gleichen Tage von H. W. abgetretene, gegen die GmbH II gerichtete Darlehensforderung an die GmbH II ab. Die GmbH II nahm diese Forderung zu ihrem tatsächlichen Wert (= Nennwert) entgegen. Wegen der weiteren Einzelheiten der vorstehenden vertraglichen Abreden wird auf den Inhalt der Urkunden Bl. 16 bis 50 Finanzgerichtsakte Bezug genommen.
Der Kl. fügte seiner ESt-Erklärung 1987 einen privatschriftlichen Erlaßvertrag zwischen der GmbH I und deren Gesellschaftern vom 13. Mai 1987 bei. Danach hatten die Gesellschafter der GmbH I Darlehen gewährt, und zwar
H. W. | 743.385,90 DM |
---|---|
E. B. | 179.637,72 DM |
der Kl. | 179.637,72 DM. |
Unter Hinweis darauf, daß die GmbH I in ihrer Bilanz zum 31. Dez. 1985 einen Bilanzverlust in Höhe von 2.779.925,20 DM ausgewiesen hatte, verzichteten die Gesellschafter zum teilweisen Ausgleich der Bilanzunterdeckung im Verhältnis ihrer stimmberechtigten Beteiligungsquoten (40: 30: 30) an der GmbH I auf die gewährten Darlehen, und zwar H. W. auf 239.516,96 DM sowie der Kl. und E. B. auf je 179.637,72 DM. Der Erlaß sollte per 31. Dez. 1986 wirksam sein. Wegen der weiteren Einzelheiten der Abreden wird auf Bl. 34 bis 36 der ESt-Akte verwiesen.
Ferner legte der Kl. die Urkunde/vom 2. Nov. 1987 des Notars Dr. M. vor. Gegenstand dieser Urkunde waren die GmbH I und die GmbH II, die durch den Kl. und E. B. vertreten wurden. Der Kl. handelte zugleich als von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Generalbevollmächtigter von H. W. Ferner war die W. S. Co. GmbH (HRB. AG.) durch ihren alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer F. vertreten. E. B. verkaufte seine Geschäftsanteile an der GmbH I von 3.000 DM, 3.000 DM und 54.000 DM an H. W. Der Kaufpreis betrug 1 DM. Der Kl. verkaufte seine Geschäftsanteile in der GmbH I von 3.000 DM, 3.000 DM und 54.000 DM an die W. S. & Co. GmbH. Der Kaufpreis betrug ebenfalls 1 DM. Ferner schlössen die GmbH I und die GmbH II einen Verschmelzungsvertrag über die Verschmelzung der GmbH II mit der GmbH I. Die Verschmelzung erfolgte durch Vermögensübertragung unter Ausschluß der Abwicklung. Mit Rücksicht darauf, daß die GmbH I die einzige Gesellschafterin der GmbH II war, gewährte die GmbH I keine Gegenleistung.
Sodann faßten H. W. und die W. S. & Co. GmbH einen Gesellschafterbeschluß der GmbH I, durch den beschlossen wurde:
"§ 3 a des Gesellschaftsvertrages wird aufgehoben. Diese Aufhebung bewirkt, daß der Geschäftsanteil des Gesellschafters H. W. im Nennwert von 1.000.000 DM den übrigen Geschäftsanteilen voll gleichgestellt wird."
Darauf wurde das Stammkapital der GmbH I von 1.200.000 DM um 1.100.000 DM auf 2.300.000 DM erhöht. H. W. übernahm einen Geschäftsanteil von 700.000 DM und leistete die entsprechende Einlage in bar. Hinsichtlich des verbleibenden Teils des erhöhten Stammkapitals (400.000 DM) konnten H. W. und die W. S. & Co. GmbH Geschäftsanteile im Verhältnis ihrer bisherigen Geschäftsanteile (1.140.000 DM und 60.000 DM = 95 v.H. und 5 v.H. = 380.000 DM und 20.000 DM) gegen Barzahlung übernehmen. Insoweit war die Übernahme bis zum 15. Nov. 1987 zu erklären. Nach Ablauf der Frist war die Geschäftsführung berechtigt, andere beteiligungswillige Personen zur Übernahme von Geschäftsanteilen bis zur Höhe von 400.000 DM zuzulassen.
Sodann wurde das nunmehr 2.300.000 DM betragende Stammkapital zwecks Ausgleichs des in der Bilanz der GmbH I für das Geschäftsjahr 1986 ausgewiesenen Bilanzverlustes um 1.100.000 DM auf 1.200.000 DM herabgesetzt. Zu diesem Zwecke wurden die Nennbeträge der von H. W. und der W. S. & Co. GmbH gehaltenen bisherigen Geschäftsanteile nach Zusammenlegung zu einheitlichen Geschäftsanteilen von 1.140.000 DM und 60.000 DM auf je 1/12 ihrer Nennbeträge herabgesetzt, mithin der Geschäftsanteil von H. W. auf 95.000 DM und derjenige der W. S. & Co. GmbH auf 5.000 DM. Das nunmehr wiederum 1.200.000 DM betragende Stammkapital hielten hiernach:
H. W. mit | 700.000 DM |
---|---|
380.000 DM | |
95.000 DM | |
1.175.000 DM |
und
die W. S. & Co. GmbH mit | 20.000 DM |
---|---|
5.000 DM | |
25.000 DM. |
Zugleich wurde der Gesellschaftsvertrag der GmbH I neu gefaßt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Abreden wird auf Bl. 22 bis 33 ESt-Akte sowie auf Bl. 51 bis 77 FG-Akte Bezug genommen.
Der Beklagte (Finanzamt - FA) lehnte im ESt-Bescheid 1987 vom 14. Sept. 1988 die Berücksichtigung der geltend gemachten Verluste gem. § 17 EStG unter Bezugnahme auf das Urteil des Finanzgerichts - FG - Schleswig-Holstein vom 4. Dez. 1986 II 231/84, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1987, 178, ab, weil der Kl. am Stammkapitel der GmbH I nicht wesentlich beteiligt gewesen sei, da sich eine wesentliche Beteiligung i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG ausschließlich nach der nominellen kapitalmäßigen Beteiligung beurteile und diese im Falle des Kl. unter Einbeziehung des Gechäftsanteils von H. W. in Höhe von 1.000.000 DM lediglich 5 v.H. betragen habe.
Dagegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage.
Während des Klageverfahrens ist ein aus anderen Gründen geänderter ESt-Bescheid 1987 vom 25. Sept. 1995 ergangen. Dieser Bescheid ist gem. § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Klageverfahrens geworden.
Die Klage wird wie folgt begründet:
Der Kl. sei innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung seiner Geschäftsanteile zu 30 v.H. und damit wesentlich an der GmbH I beteiligt gewesen. Bei der Bestimmung der Beteiligungsquoten müsse der H. W. gehörende Geschäftsanteil im Nennwert von 1.000.000 DM außer acht gelassen werden, da er aufgrund seiner inhaltlichen Gestaltung wie Fremdkapital einzustufen sei. Grundsätzlich sei zwar der nominelle Anteil an dem in der Satzung festgelegten Stammkapital maßgebend. Ausnahmsweise liege aber auch dann eine wesentliche Beteiligung vor, wenn der Gesellschafter am Stammkapital nominell mit weniger als einem Viertel beteiligt, ihm durch den Gesellschaftsvertrag ein Recht auf mehr als ein Viertel des Reingewinns und des Liquidationserlöses eingeräumt sei und wenn ihm zudem mehr als ein Viertel der Stimmrechte zustünden. Eine solche Ausnahme sei im Streitfall anzunehmen. Das ergebe sich aus § 3 a des Gesellschaftsvertrags der GmbH I. Daraus folge, daß mit dem Geschäftsanteil von 1.000.000 DM keine typischen Herrschafts- und Vermögensrechte eines Gesellschafters verbunden seien. Die Rechtstellung von H. W. sei insoweit noch ungünstiger als die eines Darlehnsgebers, da der Geschäftsanteil auch an Verlusten der Gesellschaft beteiligt sei, was im Liquidationsfall zu einer Rückzahlung des Kapitals unterhalb des Nennwerts führen könnte. Daher seien die Gesellschafterrechte ausschließlich den anderen Geschäftsanteilen im Gesamtnennwert von 200.000 DM zuzuordnen mit der Folge, daß der Kl. mit einem Nennbetrag von 60.000 DM zu 30 v.H. an der GmbH I beteiligt gewesen sei. Auf das bereits erwähnte Urteil des FG Schleswig-Holstein könne das FA sich nicht berufen, weil dieser Entscheidung ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen habe.
Die Kl. beantragen,
unter Änderung des ESt-Bescheids 1987 in der Gestalt des ESt-Änderungsbescheids 1987 vom 25. Sept. 1995 das zu versteuernde Einkommen in Höhe von 205.128 DM um 54.000 DM auf 151.128 DM herabzusetzen und die ESt 1987 entsprechend niedriger festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hält dem Vorbringen entgegen:
Eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß für das Vorliegen einer wesentlichen Beteiligung der nominelle Anteil am Stammkapital maßgebend ist, könne im Streitfall nicht zugelassen werden. Nach den Vertragsbestimmungen könne der Kl. nur unter besonders günstigen Umständen damit rechnen, mit mehr als 25 v.H. am Liquidationserlös beteiligt zu werden, da H. W. einen Anspruch auf Rückzahlung seines Geschäftsanteils von 1.000.000 DM zum Nennwert habe. Da zudem H. W. Anspruch auf Vorabverzinsung seines Gechäftsanteils von 1.000.000 DM mit 5 v.H. (= 50.000 DM) habe, würde der Kl. erst bei einer Gewinnausschüttung von mehr als 300.000 DM mit mehr als 25 v.H. beteiligt sein. Lediglich bei den Stimmrechten sei der Kl. stets mit 30 v.H. beteiligt. Das reiche für die Annahme einer wesentlichen Beteiligung nicht aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie der ESt-Akte und Bp.-Akte zur Steuernummer ... bei dem beklagten FA Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage konnte keinen Erfolg haben.
Ein Veräußerungsverlust gem. § 17 EStG kann nicht berücksichtigt werden. Denn der Kl. war im Streitjahr 1987 und davor an der GmbH I nicht wesentlich beteiligt. Der Geschäftsanteil von H. W. in Höhe von 1.000.000 DM darf bei der Ermittlung der wesentlichen Beteiligung, d.h. einer Beteiligung von mehr als einem Viertel, nicht außer Ansatz bleiben.
Der Senat geht, obwohl die Kläger im Klageschriftsatz vom 14. Nov. 1989 sich gegen die Nichtanerkennung eines Veräußerungsverlustes von 239.637 DM gewandt haben, davon aus, daß das im Verwaltungsverfahren gestellte Begehren, bei der Errechnung des erstrebten Veräußerungsverlustes auch den Forderungsverzicht gem. Erlaßvertrag vom 13. Mai 1987 und die am 29. Juni 1978 von der W. GmbH mangels Wertes unentgeltlich erworbenen Geschäftsanteile von 2 × 3.000 DM = 6.000 DM zu berücksichtigen, nicht mehr aufrechterhalten wird. Das folgt aus dem mit Schriftsatz vom 20. Febr. 1990 gestellten und im Schriftsatz vom 11. Dez. 1995 wiederholten Klageantrag, das zu versteuernde Einkommen lediglich um 54.000 DM herabzusetzen. Damit ist der in der notariellen Urkunde vom 26. Juli 1978 gegen Sacheinlage des Kommanditanteils an der KG in Höhe von 36.000 DM und des in der KG unterhaltenen Kapitalkontos II in Höhe von 42.000 DM zum Werte von insgesamt 9.000 DM sowie gegen Barzahlung von 45.000 DM erworbene Geschäftsanteil an der GmbH I im Nennwert von 54.000 DM gemeint. Auch insoweit mußte die Klage indes erfolglos bleiben.
Gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und die innerhalb eines Veranlagungszeitraums veräußerten Anteile 1 v.H. des Kapitals der Gesellschaft übersteigen. Anteile in diesem Sinne sind u.a. solche an einer GmbH (§ 17 Abs. 1 Satz 2 EStG). Eine wesentliche Beteiligung ist gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist (§ 17 Abs. 1 Satz 3 EStG). Gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Veräußerungsgewinn i.S.d. Abs. 1 der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt, übersteigen umgekehrt die Anschaffungskosten den Veräußerungspreis, so ergibt sich ein Verlust aus Gewerbebetrieb. Ein solcher Verlust ist auch dann zu berücksichtigen, wenn ein wertloser Geschäftsanteil gegen 0 DM oder wie hier gegen 1 DM übertragen wird (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. März 1991 VIII R 163/86, BStBl II 1991, 630; vom 18. Aug. 1992 VIII R 13/90, BStBl II 1993, 34).
Nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 und 3 EStG setzt die Anwendung der Bestimmung eine wesentliche Beteiligung am Kapital der Kapitalgesellschaft voraus. Diese wesentliche Beteiligung wird sodann definiert als eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an der Gesellschaft zu mehr als einem Viertel.
Der BFH hat bereits im Urteil vom 10. Dez. 1969 I R 43/67, BStBl II 1970, 310, bei der Auslegung dieser Vorschrift allein auf deren Wortlaut abgestellt und die formale Innehabung eines Anteils von mehr als 25 v.H. zur Erfassung eines Veräußerungsgewinns genügen lassen. Dem ist der BFH im Urteil vom 28. Juni 1978 I R 90/76, BStBl II 1978, 590, gefolgt. Er hat eine wesentliche Beteiligung angenommen, wenn die Zusammenrechnung der unmittelbaren und/oder mittelbaren Beteiligungen rein rechnerisch eine kapitalmäßige Beteiligung an der Kapitalgesellschaft von mehr als einem Viertel ergibt. Danach ist die wesentliche Beteiligung rein kapitalmäßig zu sehen, unabhängig davon, ob ein wirtschaftlicher oder gesellschaftsrechtlicher Einfluß auf die Gesellschaft gegeben ist. Diese Auslegung ist zutreffend daraus hergeleitet worden, daß die Worte "an der Kapitalgesellschaft" in § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG im Zusammenhang stehen mit Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift, wonach "der Veräußerer am Kapital der Gesellschaft" beteiligt sein muß. Der Senat schließt daraus in Übereinstimmung mit dem letzterwähnten Urteil, daß mit beiden Ausdrücken allein die Beteiligung am Grund- oder Stammkapital, nicht aber eine wirtschaftliche und/oder gesellschaftsrechtliche Machtstellung gemeint ist. Die Ermittlung des vom Gesetz festgelegten "Viertels" hat daher rein rechnerisch zu erfolgen. Dem folgt unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das letzterwähnte Urteil und Hinweis auf § 36 a EStG 1977 das BFH-Urteil vom 12. Juni 1980 IV R 128/77, BStBl II 1980, 646, demzufolge die wesentliche Beteiligung "rein kapitalmäßig" zu sehen ist. Das gilt danach auch dann, wenn, wie im Streitfall, private Vermögensverluste über § 17 EStG berücksichtigt werden sollen.
Demgegenüber kann nach dem BFH-Urteil vom 27. Jan. 1977 IV R 46/76, BStBl II 1977, 754, zweifelhaft sein, ob eine solche wesentliche Beteiligung stets dann zu verneinen ist, wenn die Stammeinlage gem. § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) nicht mehr als ein Viertel des Stammkapitals gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG ausmacht, unabhängig davon, ob sich die Geschäftsanteile und damit die Gesellschafterrechte, d.h. Mitverwaltungsrechte und Vermögensrechte, wie im Gesetz vorgesehen, gem. § 14 GmbHG nach dem Betrag der Stammeinlage bestimmen, oder ob insoweit im Gesellschaftsvertrag allgemein für die Geschäftsanteile oder für einzelne Gesellschafterrechte, etwa das Stimmrecht nach § 47 Abs. 2 GmbHG, das Recht auf einen Anteil am Reingewinn nach § 29 Abs. 2 GmbHG, das Recht auf einen Anteil am Liquidationserlös nach § 72 GmbHG etwas Abweichendes bestimmt ist. Danach ließe sich die Ansicht vertreten, daß ein Gesellschafter einer GmbH am Kapital der GmbH bereits zu mehr als einem Viertel beteiligt ist, wenn entweder seine Stimmrechte oder seine Vermögensrechte, insbesondere also seine Rechte auf einen Anteil am Reingewinn und am Liquidationserlös im Verhältnis zu den gleichartigen Rechten anderer Gesellschafter mehr als ein Viertel ausmachen. Die Frage blieb unentschieden, weil eine wesentliche Beteiligung nach Maßgabe des § 6 Steueranpassungsgesetz (StanpG) - § 42 Abgabenordnung (AO) - zu unterstellen war.
Im BFH-Urteil vom 16. Mai 1995 VIII R 33/94, BStBl II 1995, 870, wird unter Hinweis auf vorangegangene höchstrichterliche Rechtsprechung einerseits ausgeführt, im Rahmen des § 17 Abs. 1 EStG genüge eine nur formal zivilrechtliche Beteiligung an einer GmbH nicht, wenn nicht zugleich eine tatsächliche, d.h. wirtschaftlich wesentliche Beteiligung gegeben ist. Andererseits kommt es danach angesichts des eindeutigen Wortlauts in § 17 Abs. 1 EStG nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige während seiner Mehrheitsbeteiligung tatsächlich von seinen vermehrten Einflußmöglichkeiten Gebrauch machen konnte.
Der Senat folgt in Übereinstimmung mit dem Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 4. Dez. 1986 II 231/84 der in den BFH-Urteilen vom 10. Dez. 1969 I R 43/67, 28. Juni 1978 I R 90/76 und 12. Juni 1980 IV R 128/77 vertretenen Auffassung. Danach ist eine wesentliche Beteiligung i.S.d. § 17 EStG rein kapitalmäßig zu sehen und rein rechnerisch zu ermitteln, unabhängig davon, ob ein wirtschaftlicher oder gesellschaftsrechtlicher Einfluß auf die Gesellschaft gegeben ist. Der Kl. war daher am Stammkapital der GmbH I nicht zu mehr als einem Viertel, sondern lediglich mit 5 v.H. beteiligt. Das Stammkapital der GmbH I betrug 1.200.000 DM. Daran waren H. W. mit Geschäftsanteilen von insgesamt 1.080.000 DM (90 v.H.) und der Kl. sowie E. B. mit Geschäftsanteilen von je 60.000 DM (je 5 v.H.) beteiligt. Der Geschäftsanteil des Gesellschafters H. W. in Höhe von 1.000.000 DM darf bei der rein kapitalmäßig-rechnerischen Ermittlung nicht außer Ansatz bleiben. Dieser Geschäftsanteil war in der Bilanz der GmbH I als Stammkapital, nicht als Fremdverbindlichkeit ausgewiesen und unter HRB. AG. im Handelsregister eingetragen. Die dafür in § 3 a des Gesellschaftsvertrages eingefügten Sonderbestimmungen ändern daran nichts. Der damit verbundene mindere wirtschaftliche und gesellschaftsrechtliche Einfluß des Gesellschafters H. W. ist unerheblich. Im übrigen ist diese Abrede in dem zur UR-Nr./des Notars Dr. M. gefaßten Gesellschafterbeschluß wieder aufgehoben worden unter ausdrücklicher Bestimmung, daß der Geschäftsanteil des Gesellschafters H. W. im Nennwert von 1.000.000 DM den übrigen Geschäftsanteilen voll gleichgestellt wird. Erst danach wurde das Stammkapital der GmbH I zunächst erhöht und anschließend herabgesetzt. Dies zeigt, daß die Auffassung, die wesentliche Beteiligung i.S.d. § 17 EStG rein kapitalmäßig-rechnerisch zu ermitteln, unabhängig davon, ob aufgrund vertraglicher Abrede mit einem Geschäftsanteil mehr oder weniger wirtschaftlicher oder gesellschaftsrechtlicher Einfluß ausgeübt werden kann, zutreffend ist. Denn würde man auf letzteres abheben, so hätten es die Gesellschafter in der Hand, je nach ihrer Interessenlage ihre Beteiligung zu einer wesentlichen oder nicht wesentlichen zu gestalten mit den entsprechenden Folgen für die Erfassung eines Veräußerungsgewinns oder Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes. Das will § 17 EStG nach seinem klaren und eindeutigen Wortlaut gerade vermeiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Gegen dieses Urteil ist die Revision zugelassen worden.