Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 29.07.2002, Az.: 10 V 118/02
Anforderungen an Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 29.07.2002
- Aktenzeichen
- 10 V 118/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 14099
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2002:0729.10V118.02.0A
Fundstellen
- DStRE 2002, 1509-1510 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2002, 1613-1614
Tatbestand
Der Antragsteller (Ast.) begehrt die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48 b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er ist auf dem Gebiet "Planung und Ausführung von Heizungs- und Sanitäranlagen" tätig, bis zur Anmeldung des Gewerbes war er im selben Tätigkeitsbereich teilweise selbständig beratend, teilweise nichtselbständig tätig. An Arbeitsgemeinschaften im Baugewerbe ist er nicht beteiligt.
Der Ast. beantragte die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG mit der Begründung, er benötige diese Bescheinigung für die Erteilung eines Planungsauftrags. Nach Ablehnung des Antrags begehrt der Ast. nunmehr im Wege der einstweiligen Anordnung die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung. Er trägt vor, mehrere Auftraggeber hätten bereits erteilte Aufträge wieder zurückgezogen, da keine Freistellungsbescheinigung habe vorgelegt werden können. Die Auftraggeber könne er nicht nennen, da diese die Weitergabe ihrer Daten aus Datenschutzgründen untersagt hätten.
Der Antragsgegner meint, nach der Gesetzesbegründung könne eine Gefährdung des Steueranspruchs im Sinne des § 48 b EStG auch dann gegeben sein, wenn wiederholt und nicht entschuldbar Steuerbeträge nicht angemeldet oder abgeführt oder Steuererklärungen nicht vollständig oder rechtzeitig abgegeben werden. Das zurückliegende wie auch gegenwärtige Verhalten des Antragstellers zeige, dass dieser nicht gewillt sei, die Steuergesetze einzuhalten. Nicht nur die bestehenden, sondern auch die zukünftigen Steueransprüche seien damit im Sinne der hier anzuwendenden Vorschrift in höchstem Maße gefährdet. Insoweit werde auch auf die hierzu ergangene Rechtsprechung der Finanzgerichts Berlin vom 21.12.1001 (8 B 8408/01, EFG 2002, 330) und des Finanzgerichts Düsseldorf vom 04.03.2002 (10 V 1007/AE(E), EFG 2002, 688) verwiesen.
Gründe
Der Antrag ist unbegründet.
Der Ast. hat die besondere Eilbedürftigkeit der Entscheidung nicht glaubhaft gemacht.
Gemäß § 114 Abs. 1 S. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn die Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Hierzu muß der Ast. einen Anordnungsanspruch sowie einen Anordnungsgrund schlüssig darlegen und glaubhaft machen (§ 114 Abs.3 FGO i.V.m. § 920 Abs.2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).
Zur Glaubhaftmachung sowohl des Anordnungsanspruchs als auch des Anordnungsgrundes ist erforderlich, daß die Tatsachen, aus denen sich der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund ergeben, schlüssig dargelegt und durch präsente Beweismittel in dem für die Glaubhaftmachung erforderlichen Maße nachgewiesen werden (BFH-Beschluß vom 20.03.1990 VII B 150/89, BFH/NV 1991, 104 m.w.N.).
Ob der Ast. einen Anordnungsanspruch in diesem Sinne glaubhaft gemacht hat, kann dahinstehen. Denn jedenfalls fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes.
Der Ast. hat lediglich pauschal und ohne nähere Angaben behauptet, er erhalte ohne Vorlage der Freistellungsbescheinigung keine Aufträge, bereits erteilte Aufträge seien aus diesem Grunde wieder storniert worden und die Nichterteilung der beantragten Freistellungsbescheinigung gefährde deshalb seine Existenz. Er hat damit zwar einen Anordnungsgrund schlüssig dargelegt, ihn aber nicht i.S.d. §§ 114 Abs. 3 FGO, 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht.
Zwar hält auch der Senat es für nicht ausgeschlossen, dass einzelne Unternehmen im Hinblick auf die sie treffenden Pflichten (Vornahme des Steuerabzugs, Abführung der einbehaltenen Beträge, Haftungsrisiko nach § 48 a Abs. 3 EStG) grundsätzlich die Vorlage einer Freistellungsbescheinigung verlangen und nicht mehr bereit sind, Aufträge an Bewerber zu vergeben, die keine solche vorlegen können. Aber selbst wenn dieses so wäre, könnte nicht darauf verzichtet werden, dass der Ast. seine dahingehende Behauptung auch glaubhaft macht. Der Anordnungsgrund muss nämlich in der Person des Ast. gegeben sein, also auch bezüglich seiner Person glaubhaft gemacht werden. Die bloße Behauptung reicht nicht, denn diese ist keine Glaubhaftmachung im Sinne des § 114 Abs.3 FGO, § 920 Abs.2 ZPO. Hierzu hätte der Ast. vielmehr, wie ihm vom Senat - allerdings erfolglos - aufgegeben worden ist, mindestens die Auftraggeber namentlich benennen und gegebenenfalls entsprechende Schreiben über die Zurückweisung von Angeboten, den Entzug von Aufträgen o.ä. vorlegen müssen.
Dieses war im vorliegenden Fall umso notwendiger, als der Ast. nach dem Inhalt der Akten möglicherweise im Wesentlichen planerische Leistungen erbringt, die als Hauptleistung oder sogar ausschließliche Leistung - jedenfalls nach der Verwaltungsauffassung - keine Bauleistungen im Sinne der §§ 48, 48b EStG sind und für die deshalb schon keine Abzugsverpflichtung besteht (vgl. Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 01.11.2002 IV A 5 - S 1900 - 292/01, BStBl I 2001, 804, Rz. 4, 7). Denn abgesehen von der Beratungstätigkeit in der Vergangenheit hat der Ast. vorgetragen, er benötige die Freistellungsbescheinigung für einen Planungsauftrag.
Im Hinblick auf die Verwaltungsregelung muss, wenn schon im Normalfall der offensichtlichen Bauleistung das behauptete Verhalten der Auftraggeber gegenüber dem Ast. glaubhaft zu machen ist, die Glaubhaftmachung erst recht verlangt werden, wenn der Ast. möglicherweise keine unter die Vorschrift des § 48 EStG fallenden Leistungen erbringt. Denn das vom Ast. behauptete Verhalten der Auftraggeber setzte in diesem Fall zusätzlich voraus, dass diese die vom Ast. angebotenen Leistungen überhaupt erst einmal als Bauleistungen eingeschätzt haben.
Der Vortrag des Ast., aus Gründen des Datenschutzes sei es ihm rechtlich verwehrt, die entsprechenden Auftraggeber gegenüber dem Gericht zu benennen, ist nicht stichhaltig. Einerseits vermag der Senat keine entgegenstehende Vorschrift zu erkennen, andererseits, selbst wenn dieses so wäre, wären dann nicht etwa die Anforderungen an die Glaubhaftmachung zu mindern, sondern hätte der Ast. eben den Nachteil hieraus zu tragen.
Es ist für das Gericht auch nicht nachvollziehbar, warum ein Auftraggeber einem dahingehenden Wunsch des Ast. nicht entsprechen und vielmehr, wie vom Ast. vorgetragen, die Offenbarung seines Namens ausdrücklich untersagen sollte. Ein Auftraggeber dürfte als Leistungsempfänger in der Regel mehr an der Vorlage der - ihn von der Abzugsverpflichtung befreienden - Freistellungsbescheinigung interessiert sein, als an der Geheimhaltung seines Namens. Dieses ist um so mehr anzunehmen, als eine Freistellungsbescheinigung nicht nur unbeschränkt für längstens 3 Jahre, sondern auch beschränkt auf bestimmte Bauleistungen und Auftraggeber erteilt werden kann (§ 48b Abs. 3. EStG).
Da es bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes fehlt, bedarf es vorliegend keiner Ausführungen dazu, ob bei der im Verfahren der einstweiligen Anordnung gebotenen summarischer Prüfung auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht ist.