Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 31.07.2002, Az.: 2 K 352/00

Einbringungsgewinn bei Einbringung einer Einzelpraxis in eine Gemeinschaftspraxis

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
31.07.2002
Aktenzeichen
2 K 352/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 14108
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2002:0731.2K352.00.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 27.10.2004 - AZ: XI B 182/02

Fundstellen

  • BBK 2003, 488
  • DStRE 2003, 477-478
  • EFG 2003, 165-166

Tatbestand

1

Streitig ist, in welcher Höhe die entgeltliche Aufnahme eines Sozius in eine Einzelpraxis im Streitjahr 1993 als Veräußerungsgewinn zu beurteilen ist.

2

Die Kläger sind im Streitjahr 1993 zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger arbeitete selbstständig als Frauenarzt, die Klägerin war bei ihm als Sprechstundenhilfe angestellt.

3

Zum 30. Juni 1993 gründete der Kläger zusammen mit A eine Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Nach dem Gemeinschaftspraxisvertrag vom 30. Juni 1993 sollte der Kläger seine bisherige Einzelpraxis, bestehend aus Einrichtung und Patientenstamm, in die GbR einbringen. Nach § 24 des Vertrags war A berechtigt und verpflichtet sich am Wert der Praxis zu beteiligen. Er hatte dem Kläger 240.000,00 DM gemäß einem Kredittilgungsplan zu zahlen, der über einen Zeitraum von 8 Jahren vierteljährliche Raten von jeweils 9.677,68 DM vorsah. Nach § 13 des Gemeinschaftspraxisvertrags sollte vorbehaltlich anderer Vereinbarungen jedem Gesellschafter ein gleicher Anteil am Gewinn zustehen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag (Bl. 33-35/93 d. ESt-Akte) und den Kredittilgungsplan (Bl. 34 Gerichtsakte) verwiesen.

4

In ihrer im Jahre 1995 abgegebenen Einkommensteuererklärung gaben die Kläger einen Gewinn aus der Einzelpraxis von 202.083,00 DM sowie einen Gewinn aus der Gemeinschaftspraxis von 35.757,00 DM an. Der Gewinn aus der Einzelpraxis ergab sich aus der eingereichten Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Ein Veräußerungsgewinn war hierin nicht enthalten.

5

Nachdem der Beklagte Kenntnis vom Vertrag über die Gründung der Gemeinschaftspraxis erlangte, errechnete er für den Kläger einen Veräußerungsgewinn von 186.535,00 DM, den er als nicht begünstigten Gewinn in einem weiteren Änderungsbescheid erfasste. Wegen der Ermittlung des Gewinns wird auf Bl. 48/93 d. ESt-Akte verwiesen.

6

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage. Die Kläger meinen, der Veräußerungsgewinn sei zu hoch angesetzt. Er dürfe nämlich nur 5.829,00 DM betragen. Zur weiteren Begründung ihrer Klage legten die Kläger nunmehr eine vom 13. Oktober 1993 datierende Änderungsvereinbarung zum Gemeinschaftspraxisvertrag vor. Nach dieser Vereinbarung sollte der Sozius A mit jährlich jeweils weiteren 6,25 % bis zum Erreichen des hälftigen Anteils am Vermögen der GbR beteiligt sein. Wegen der Einzelheiten wird auf die Vereinbarung Bl. 3+4 d. Gerichtsakte Bezug genommen.

7

Bei monatlichen Entnahmen von 3.200,00 DM sei der Kläger danach zum Ende des Streitjahrs noch mit 96,875 v.H. am Vermögen der Praxiseinrichtung beteiligt gewesen. Der vom Beklagten zum 30. Juni des Streitjahrs ermittelte Veräußerungsgewinn von 186.535 DM sei im Streitjahr nur zu 3,125 v.H., mithin 5.829,00 DM, zu erfassen. Denn nur insoweit habe eine Veräußerung des Klägers an den Sozius A stattgefunden.

8

Zur erstmaligen Vorlage der Ergänzungsvereinbarungen erst bei Klageerhebung führten die Kläger aus, durch Wechsel des steuerlichen Beraters im Jahre 1999 sei es zu einer unvollständigen Übermittlung von Unterlagen gekommen. Die steuerliche Beraterin und Prozessbevollmächtigte der Kläger habe erst während des Klageverfahrens von der Existenz der Ergänzungsvereinbarung Kenntnis erlangt.

9

Der Prozessbevollmächtigte der Kläger beantragte zum Beweis dafür, dass schon im Streitjahr eine Vereinbarung wie in der Zusatzvereinbarung zum Gemeinschaftspraxisvertrag niedergelegt bestanden habe, die Vernehmung des A als Zeugen.

10

Die Kläger beantragen,

unter Änderung des Einkommensteueränderungsbescheids vom 28. Dezember 1999 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 12. April 2000 die Einkommensteuer unter Ansatz eines nicht begünstigten Veräußerungsgewinns von 5.829,00 DM festzusetzen.

11

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Er ist der Auffassung, der Gewinn aus der Aufnahme des Sozius sei zutreffend angesetzt. Es sei bereits zu bezweifeln, dass die erst im Klageverfahren vorgelegte Änderungsvereinbarung tatsächlich unter dem Datum 13. Oktober 1993 geschlossen worden sei. Die Art der Unterschrift des Vertragsparteien spreche für eine Unterzeichnung erst im Jahre 1997. Auch in den Feststellungserklärungen der Gemeinschaftspraxis sei erst im Jahre 1996, nach der Übernahme des Mandats durch Steuerberater B, die Gewinnverteilung so geändert, dass nunmehr der Kläger einen Vorabgewinn von 38.556,00 DM erhielt. In den Jahren vor 1996 sei der Gewinn prozentual auf die Sozien aufzuteilen gewesen.

13

Das Gericht hat die Akten der Gemeinschaftspraxis zum Verfahren beigezogen.

Gründe

14

Die Klage ist unbegründet.

15

Der Beklagte hat den Gewinn aus der entgeltlichen Aufnahme des Sozius in die Gemeinschaftspraxis zutreffend mit 186.535,00 DM im Streitjahr angesetzt. Er hat den Gewinn zutreffend bei der Einkommensteuerfestsetzung für die Kläger berücksichtigt und nicht etwa den Gewinn im Rahmen einer einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der Gemeinschaftspraxis erfasst. Der Einbringungsgewinn ist nämlich in der Person des Einbringenden entstanden; er hat mit der - erst hierauf folgenden - gemeinsamen Tätigkeit in der Sozietät nichts zu tun (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 5. April 1984, IV R 88/80, BStBl. II 1984, 518).

16

Die Einbringung der Einzelpraxis des Klägers in die Gemeinschaftspraxis, eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer GbR, ist ein von der Einbringung gemäß § 24 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) getrennt zu beurteilender Veräußerungsvorgang, weil der eintretende Sozius A eine Ausgleichszahlung in das Privatvermögen des Klägers zu erbringen hatte (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 18. Oktober 1999, GrS 2/98, BStBl. II 2000, 123). § 24 UmwStG setzt hingegen eine Zahlung des Eintretenden in Form einer Einlage in das Gesamthandsvermögen der Gesellschaft voraus. Da § 24 UmwStG auf den Einbringungsvorgang keine Anwendung findet, war auch keine Einbringungs- und Eröffnungsbilanz im Sinne des § 24 Abs. 3 UmwStG aufzustellen. Der Kläger musste auch nicht zum Bestandsvergleich übergehen, weil die Einbringung zum Buchwert erfolgen sollte (vgl. BFH-Urteil vom 13. September 2001, IV R 13/01, BFH/NV 2002, 254 m.w.N.).

17

Soweit der Kläger als bisheriger Einzelpraxisinhaber im Zusammenhang mit der Einbringung der Praxis von dem neu aufgenommenen Gesellschafter und Mitunternehmer der Personengesellschaft eine Zuzahlung in sein Privatvermögen erhalten hat, liegt ein Veräußerungsvorgang vor, mit dem in Höhe der Differenz zwischen der Zuzahlung und den Buchwerten der anteilig übertragenen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens ein zu versteuernder Gewinn entsteht (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1994, IV R 82/92, BStBl. II 1995, 599 m.w.N.). Die Höhe dieses Differenzbetrags ist mit 186.535,00 DM zwischen den Beteiligten unstreitig.

18

Der Beklagte hat den Einbringungsgewinn des Klägers auch zu Recht als nicht begünstigten Gewinn angesehen. Der Kläger hatte nämlich bei der Einbringung nicht die gesamten stillen Reserven seiner Einzelpraxis aufgedeckt, so dass ihm nach dem Willen des Gesetzgebers nicht die Begünstigungen des §§ 16, 34 EStG zustehen (vgl. Urteil des Großen Senats des BFH vom 18. Oktober 1999, GrS 2/98, a.a.O.). Dies ist inzwischen zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

19

Der Gewinn ist im Streitjahr nicht, wie die Kläger meinen, nur mit einem Anteil von 3,125 v.H., mithin 5.829,00 DM, sondern in voller Höhe anzusetzen. Der Kläger hatte nämlich seinen Sozius schon im Streitjahr mit 50 v.H. am eingebrachten Vermögen seiner Einzelpraxis beteiligt und insoweit stille Reserven aufgelöst. Denn nach dem Plan des Gemeinschaftspraxisvertrags sollte der Sozius für 240.000,00 DM insgesamt 50 v.H. der Anteile des Klägers erwerben. Nach § 24 des Vertrags sollte nur die Tilgung der Ausgleichszahlung nach einem Kredittilgungsplan über einen Zeitraum von 8 Jahren, also bis ins Jahr 2001 hinein, vollzogen werden. Bei der Tilgung über 8 Jahre handelte es sich lediglich um eine Zahlungsmodalität, die nichts an der Übertragung des Betriebsvermögens änderte.

20

Der eintretende Sozius A war nach dem Gemeinschaftspraxisvertrag berechtigt und verpflichtet, sich mit 50 v.H. am Praxisvermögen zu beteiligen. Bei einem angenommenen Wert der Einzelpraxis von 480.000,00 DM, waren dies die vereinbarten 240.000,00 DM. Für diesen Betrag zahlte A von Anfang an Zinsen. Eine Zinszahlung für 240.000 DM, mithin für 50 v.H. des Werts der Praxis, machte aber gerade dann keinen Sinn, wenn A im Streitjahr erst einen Bruchteil von 3,125 v.H. an der Praxis erworben hatte. Dies widerspräche der Lebenserfahrung und entsprach nicht dem Willen der Sozien. Denn auch aus den sonstigen Regelungen des Gemeinschaftspraxisvertrags ergab sich, dass die Sozien von Anfang an gleichberechtigte Partner sein sollten. So war auch der Praxisgewinn nach § 13 des Vertrags grundsätzlich nach Köpfen zu verteilen. Auch die Zusatzvereinbarung enthielt hierzu keine abweichende Regelung. Die Zusatzvereinbarung sah ebenso wie der Gemeinschaftspraxisvertrag eine ratenweise Zahlung des vereinbarten Kaufpreises von 240.000,00 DM durch den Sozius A vor. Auch hier war der volle Betrag von Anfang an zu verzinsen.

21

Die Regelung des § 24 des Gemeinschaftspraxisvertrags, wonach der Eigentumsübergang am Anteil der Gemeinschaftspraxis nach dem Kredittilgungsplan erfolgen sollte, steht der Annahme einer Beteiligung des A von Anfang an in Höhe von 50 v.H. nicht entgegen. Vielmehr handelt es sich bei dieser Regelung um einen Eigentumsvorbehalt. Ein Eigentumsvorbehalt entspricht dem bei ratenweiser Zahlung eines Kaufpreises im Geschäftsleben Üblichen. Er diente dem Kläger als Sicherung bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises. Der Sozius A sollte zivilrechtlich über den Praxisanteil nur insoweit verfügen dürfen, wie er den Kaufpreis gezahlt hatte. Der Kläger hatte sich insoweit lediglich das zivilrechtliche Eigentum am Praxisanteil zurückbehalten. Der Sozius A war aber von Anfang an wirtschaftlicher Eigentümer im Sinne des § 39 Abs. 2 AO eines Praxisanteils von 50 v.H. geworden. Denn solange der Sozius A seiner Zahlungsverpflichtung nachkam, blieb dem Kläger jeder Zugriff auf den veräußerten Praxisanteil verwehrt.

22

Etwas anders ergibt sich auch nicht aus der Zusatzvereinbarung zum Gemeinschaftsvertrag. Die dort angegebene Staffelung modifiziert allenfalls den vereinbarten Eigentumsvorbehalt. So sollte nunmehr an die Stelle des zivilrechtlichen Eigentumsübergangs nach dem Kredittilgungsplan, mithin einem Übergang nach Annuität, ein linearer Eigentumsübergang treten. An der wirtschaftlich eingetretenen Folge, nämlich der Veräußerung von 50 v.H. der Praxis durch den Kläger änderte sich dadurch nichts. Darüber hinaus könnte die vom 13. Oktober 1993 datierende Vereinbarung die zum 30. Juni 1993 geschlossenen Vereinbarungen und eingetretenen Rechtsfolgen nicht rückwirkend beseitigen. Insoweit stünde das steuerliche Rückwirkungsverbot entgegen.

23

Deshalb kann auch dahin stehen, ob die Zusatzvereinbarung tatsächlich schon im Streitjahr geschlossen war oder wie der Beklagte meint, aus einem späteren Jahr stammt. Auch war die Vernehmung des als Zeugen benannten Sozius A nicht erforderlich. Dieser sollte nämlich lediglich bestätigen, dass zwischen den Sozien eine Vereinbarung bestand, wie sie in der eingereichten Zusatzvereinbarung niedergelegt war. Wenn jedoch trotz der dort niedergelegten Regelungen der Veräußerungsgewinn in voller Höhe, wie dargelegt, anzusetzen war, so konnte auch die begehrte Zeugenvernehmung unterbleiben und die aufgestellte Behauptung als wahr unterstellt werden. Am Ergebnis ändert sich dadurch nichts.

24

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.