Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.07.2002, Az.: 5 K 614/99
Aalmast in künstlichen Betonbecken als Teichwirtschaft
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 07.07.2002
- Aktenzeichen
- 5 K 614/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 14044
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2002:0707.5K614.99.0A
Tatbestand
Streitig ist, ob die Mast von Speiseaal in künstlichen Betonbecken als Teichwirtschaft i.S.d. § 24 Abs. 2 Nr. 1 UStG anzusehen ist.
Die Klägerin betreibt eine Aalmast. Hierzu hat sie eine Halle in der Größe von 1.500 qm errichtet. In dieser befinden sich 40 geflieste Betonbecken, in denen die Aale - jeweils entsprechend ihrer Größe - gehalten werden. Die Becken sind auf den Fußboden betoniert; sie haben eine Länge von 6 Meter, eine Höhe von 1,3 Meter und eine Breite von 1,5 Meter.
Die Aale werden als Glasaale mit einem Gewicht von 0,3 gr. eingesetzt. Der Mastdurchgang beträgt durchschnittlich zwei Jahre. Um eine möglichst schnelle Gewichtszunahme der Aale zu erreichen, werden diese bei einer konstanten Wassertemperatur von 23 Grad gehalten. Eine Aalmast im Freien würde sich nach Auskunft der Klägerin nicht lohnen, weil die für die Gewichtszunahme erforderliche Wassertemperatur von ca. 23 Grad sich in Deutschland nur während des Sommers erzielen lasse.
Der Beklagte unterwarf die Umsätze aus der Aalmast der Regelbesteuerung. Als Begründung führte er an, dass eine Fischproduktion in künstlichen Stahlbehältern keine Teichwirtschaft darstelle, weil die für einen Teich erforderliche Einbindung in die natürliche Umgebung nicht gewährleistet sei.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Sprungklage. Sie trägt vor, dass die Produktion von Speisefischen als Teichwirtschaft i.S.d. § 24 Abs. 2 Nr. 1 UStG der Durchschnittsbesteuerung unterliege. Unter Bezugnahme auf die Kommentierung von Felsmann (Besteuerung der Land- und Forstwirte, A 120) wird vorgetragen, dass die Erzeugung von Speisefischen in künstlichen Behältern (Kunststoffbehälter, Stahlbehälter o.ä.) noch als Teichwirtschaft anzusehen sei. Diese Haltungsformen stellten eine Fortentwicklung der Fischzucht dar und seien als moderne Produktionsverfahren der herkömmlichen Teichwirtschaft gleichzusetzen.
Der Vorteil der von ihr betriebenen Aalmast bestehe gerade darin, dass sie der Gastronomie das ganze Jahr über Aale in gleichmäßiger Qualität anbieten könne, während der "Wildaal" nur von August bis Oktober gefangen werden könne.
Die Fischmast in künstlichen - in einer Halle aufgestellten - Behältern werde von der Finanzverwaltung auch bewertungsrechtlich als Teichwirtschaft angesehen (§ 62 Abs. 1 Nr. 2 und 3 sowie § 125 Abs. 7 Nr. 2 Buchst. b und c BewG, vgl. FinMin Niedersachsen vom 10. März 1997 und OFD Hannover, Bewertungskartei, § 62 BewG Karte 5).
Nachdem zunächst der Vorauszahlungsbescheid I/1999 im Streit war, ist inzwischen der Jahressteuerbescheid 1999 zum Gegenstand des Verfahrens geworden. Die Umsatzsteuer wegen der erklärten innergemeinschaftlichen Erwerbe ist nicht in Streit.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer 1999 um 60.673,54 DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf das Urteil des Senats vom 8. September 1994 (EFG 1995, 232), in welchem die Rechtsauffassung des Beklagten bestätigt worden sei.
Außerdem habe der Gesetzgeber nicht allgemein die "Fischzucht und -mast" sondern nur die "Teichwirtschaft" als land- und forstwirtschaftlichen Betrieb angesehen. Der Begriff der Teichwirtschaft sei eng auszulegen. Dies folge bereits daraus, dass es bei der Teichwirtschaft - im Gegensatz zur bodenständigen Tierhaltung nach § 24 Abs. 2 Nr. 2 UStG - gerade kein Abgrenzungskriterium zur gewerblichen Tätigkeit gebe.
Der Beklagte hat der Sprungklage zugestimmt.
Gründe
Die Klage ist begründet. Die Aalmast der Klägerin ist als Teichwirtschaft anzusehen. Als solche unterliegt sie der für land- und forstwirtschaftlichen Betriebe geltenden Durchschnittsbesteuerung.
Die Teichwirtschaft gilt nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 UStG als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb. Teichwirtschaft ist die unter Ausnutzung von Naturkräften stattfindende Bewirtschaftung von Teichen zur Zucht und Produktion von Speisefischen für die menschliche Ernährung und damit für die Versorgung der Bevölkerung (BFH-Urteil vom 13.08.1987 V R 55/77, BStBl II 1987, 467 m.w.N. zur Zierfischzucht, die nicht unter § 24 Abs. 2 Nr. 1 UStG fällt).
Offen gelassen hat der BFH in dem genannten Urteil die hier streitige Rechtsfrage, ob die Aufzucht von Speisefischen in künstlichen Behältern als Teichwirtschaft anzusehen ist. Der erkennende Senat bejaht dies.
In den künstlichen Becken der Klägerin werden Speiseaale für die menschliche Ernährung produziert. Dies geschieht unter Ausnutzung der in den Fischen enthaltenen Naturkräfte. Die eigentliche Produzentin ist auch hier die Natur, während die menschliche Tätigkeit die organischen Vorgänge (insb. das Wachstum) nur beschleunigt. Die Klägerin hat in der geschlossenen Halle ideale Bedingungen (Wassertemperatur, Fütterungen, Lichtverhältnisse) für die Aufzucht geschaffen, die das Wachstum der Aale so fördern, dass eine Bewirtschaftung Gewinn verspricht.
Zwar entfernt sich die Tätigkeit der Klägerin von der klassischen Haltungsform der Karpfen- bzw. Forellenteichwirtschaft (Naturteiche). Dies ist aber vor dem Hintergrund eines Wandels in der Land- und Forstwirtschaft zur Massentierhaltung hinzunehmen (Felsmann, Besteuerung der Land- und Forstwirte, A 120). Diese zeichnet sich gerade dadurch aus, dass infolge moderner Haltungsformen die in der Natur vorgefundenen Produktionsbedingungen praktisch außer Kraft gesetzt werden. So findet z.B. die Geflügelmast, Schwein- und Kälbermast ebenfalls in ständig beheizten und abgedunkelten Räumen statt, um die Anzahl der Mastdurchgänge aus betriebswirtschaftlichen Gründen zu erhöhen.
Die hier vertretene Rechtsauffassung steht auch im Einklang mit der bewertungssteuerlichen Beurteilung. So gilt die Fischmast in künstlichen Behältern, die in einer Halle aufgestellt sind, als Teichwirtschaft i.S.v. § 62 Abs. 1 Nr. 2 und 3 sowie § 125 Abs. 7 Nr. 2 Buchst. b und c BewG (vgl. FinMin Niedersachsen vom 10. März 1997 und OFD Hannover, Bewertungskartei, § 62 BewG Karte 5).
Dass die Teichwirtschaft im Gegensatz zur Tierzucht und Tierhaltung nach § 24 Abs. 2 Nr. 2 UStG unabhängig von der Einhaltung etwaiger Vieheinheitenobergrenzen ist, erfordert keine andere (engere) Auslegung des Begriffs der Teichwirtschaft. Mit dem Abgrenzungskriterium der Vieheinheiten nach dem Bewertungsgesetz sollte die landwirtschaftliche Tierzucht und Tierhaltung, die einen bedeutenden Teil der deutschen Landwirtschaft bildet, vor dem ungehinderten Eindringen der industriellen Tierveredelungsproduktion in diesem bäuerlichen Bereich geschützt werden (Vgl. FG Bremen, Urteil vom 27.06.1986, EFG 1986, 601 m.w.N. zu der einkommensteuerrechtlichen Problematik "Fischmast als gewerbliche Tierzucht?"). Dieser Schutzgedanke beschränkt sich auf die bodenständige Landwirtschaft; er lässt sich nicht zur einschränkenden Auslegung des Begriffs der Teichwirtschaft verwenden.
Die vom Beklagten angeführte frühere Entscheidung des Senats vom 8. September 1994 (EFG 1995, 232) steht hierzu nicht im Widerspruch. Seinerzeit hatte der Senat zu entscheiden, ob die Zucht und Produktion von Speisefischen in künstlichen Behältern auch dann als Teichwirtschaft zu behandeln ist, wenn die Fische nur während einer Verweildauer von rd. 15 Tagen im Betrieb gehalten werden. Dies verneinte der Senat u.a. wegen der kurzen Verweildauer der Fische im Betrieb, so dass nicht auszuschließen ist, dass die Entscheidung anders ausgefallen wären, wenn die Fische - wie im Streitfall - während eines kompletten Mastdurchgangs in den künstlichen Behältern gehalten worden wären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.