Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 18.01.2001, Az.: 1 A 238/00
Einstellungsteilzeit; verfassungskonforme Auslegung; Zwangsteilzeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 18.01.2001
- Aktenzeichen
- 1 A 238/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 40228
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 80c BG ND
- Art 20 GG
- Art 33 Abs 5 GG
- § 44a BRRG
Gründe
Die zulässige Klage hat Erfolg, soweit es nicht mehr um die vollzeitige Beschäftigung der Klägerin für die Zukunft (ab 1.2.2001), sondern um eine Nachzahlung der Gehaltsdifferenz nebst Prozesszinsen und die versorgungsrechtliche Besserstellung der Klägerin vom 3. September 1999 an geht. Im Übrigen - hinsichtlich der ursprünglich erstrebten Vollbeschäftigung - ist das Verfahren aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten einzustellen.
Die am 3. September 1999 zur Beamtin a. Probe ernannte Klägerin wird durch die (begleitend) verfügte, hier allein streitige Teil- statt Vollzeitbeschäftigung - Herabsetzung der Wochenstundenzahl von 28 auf 22,5 Stunden - und der damit einhergehenden Kürzung ihrer Besoldung von 100 % auf nur 75 % seit September 1999 (mit versorgungsrechtlichen Auswirkungen) in ihren Rechten verletzt, § 113 VwGO.
1. Die Klägerin ist am 3. September mit Aushändigung der entsprd. Urkunde zur Beamtin auf Probe ernannt worden, so dass sie von diesem Zeitpunkt an auch die entsprd. beamtenrechtlichen Rechte und Pflichten hat, so wie sie nach der bestehenden Rechts- und Gesetzeslage ausgeformt sind. Dazu gehört zum einen die mit voller Hingabe zu erfüllende Wahrnehmung des übertragenen öffentlichen Amtes und zum andern der Anspruch auf eine amtsangemessene, vom Bundesgesetzgeber im BBesG nach Besoldungsgruppen festgelegte Alimentation. Diese das Beamtenverhältnis kennzeichnenden Grundprinzipien (BVerfGE 71, 39 [BVerfG 15.10.1985 - 2 BvL 4/83] / 59 ff. und 55, 207 / 240) sind nur mit Zustimmung (Verzicht) des jeweils betroffenen Beamten abänderbar. Das gilt auch und insbesondere beim Berufs-einstieg, wo der Bewerber hinsichtlich der Gestaltung seiner „Arbeitsbedingungen“ dem Dienstherrn ausgeliefert ist und sich in einer unterlegenen Position befindet. Deshalb ist eine Teilzeitbeschäftigung von Beamten nur zulässig, „wenn ihre Freiwilligkeit auch beim Berufseinstieg gewährleistet ist“ (BVerwG, ZBR 2000, 21o).
Diese Freiwilligkeit war im vorliegenden Fall nicht gegeben, wie die Verfügung vom 18. August 1999 zeigt. Die der Klägerin aufgezwungene Teilzeitbeschäftigung lässt sich mit Verfassungs- und Bundesrecht nicht vereinbaren und ist daher unter Berücksichtigung einer verfassungskonformen Auslegung des § 80 c NBG rechtswidrig.
2. Die zur Begründung der Zulässigkeit einer Zwangsteilzeit im Beamtenrecht herangezogene Bestimmung des Nds. Beamtengesetzes - § 80 c NBG - vermag die angegriffene Verfügung vom 18. August 1999 nicht zu tragen. Denn auch diese Bestimmung ist unter Beachtung des Art. 33 Abs. 5 GG iVm beamtenrechtlichen Grundprinzipien und der Gesamtheit der Rechtsordnung nur so auslegbar, dass die Klägerin ab ihrer Ernennung Anspruch auf eine Vollalimentation hat.
2.1 § 80 c NBG ist dem reinen Wortlaut nach in zweifacher Weise auslegbar, von denen die eine Auslegung zu einem verfassungswidrigen Ergebnis, die andere dagegen zu einem verfassungskonformen Ergebnis führt (ähnlich BVerwG, aaO, für die hess . Regelung): Zum einen ist die Vorschrift so auslegbar, dass der Bewerber ohne jedes Wahlrecht zwischen Voll- und Teilzeitarbeit zwangsweise als Teilzeitkraft arbeiten muss, wenn er eingestellt werden will (Bürger, NJW 1999, 820). Diese Auslegung entspricht dem Willen des Nds. Gesetzgebers und seinen gesetzgeberischen Leitmotiven. Zum andern ist die Bestimmung aber auch so auslegbar, dass dem Dienstherrn lediglich die Möglichkeit und Befugnis eingeräumt wird, so zu handeln, wie das vom Gesetzgeber her gewollt war. Mit den Worten „können...auch“ ist dem jeweiligen Dienstherrn mithin nur die Befugnis eingeräumt worden, unter den dann näher bezeichneten Voraussetzungen einer Teilzeitbeschäftigung (zeitlich begrenzt bis 31.12.2007 mit mindestens - der regelmäßigen Arbeitszeit) Stellenbewerber in das Probebeamtenverhältnis zu berufen. Die weitere Ausfüllung des Wortes „können“ ist gesetzlich nicht vorgegeben, etwa dahin, wann und unter welchen konkreten Voraussetzungen eine Beschäftigung z.B. zu 100%, zu 90 % oder zu 80 % und nicht zu, wie es im Gesetz heißt, „mindestens drei Vierteln der regelmäßigen Arbeitszeit“ verfügt werden darf. Sie ist vor allem aber nicht dahingehend vorgegeben, dass eine Teil- statt Vollzeitbeschäftigung nicht nur mit, sondern gerade auch gegen den Willen des Bewerbers verfügt werden darf. Der Gesetzestext lässt es zu, an eine Einstellungsteilzeit im Einverständnis mit dem betroffenen Bewerber zu denken. Mit anderen Worten: Eine Zwangsteilzeit hat im NBG dem Wortlaut nach nicht seinen Niederschlag gefunden - wenngleich das offenbar die Absicht des Gesetzgebers war.
Nur dieser Wortlaut aber ist zunächst einmal die äußerste Grenze jeder Gesetzesauslegung, so wie das vom Bundesverfassungsgericht unter Einbeziehung eines klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers (vgl. dazu unten 2.3) auch zu Recht betont worden ist (BVerfGE 99, 341, 358 [BVerfG 19.01.1999 - 1 BvR 2161/94]). Lässt der Wortlaut jedoch - wie hier und eben gerade anders als im Fall des Bundesverfassungsgerichts, wo die vom „Gesetzeswortlaut gezogene Grenze“ hinsichtlich des Wortes „Schreiben“ eindeutig überschritten worden wäre - mehrere Deutungen zu, so existiert insoweit auch keine (Wort-) Grenze der Gesetzesauslegung.
Unter diesen Umständen einer jedenfalls dem Wortlaut nach „offenen“ Norm bedarf es weiterer Auslegungskriterien, um zum „Willen des Gesetzes“ zu gelangen (vgl. dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, S. 32o ff.).
2.2 Der insoweit heranzuziehende Bedeutungszusammenhang und Kontext des § 80 c NBG zwingt nicht dazu, in dieser Regelung allein eine Regelung von Zwangsteilzeit zu sehen. Die Bestimmung hat nämlich neben § 80 a NBG (Antragsteilzeit) durchaus auch dann noch eigenständige Bedeutung, wenn man ihr eine Teilzeitregelung mit Zustimmung des betroffenen Bewerbers entnimmt: Während § 80 a NBG vorsieht, dass entgeltliche Tätigkeiten nur in dem Umfange ausgeübt werden dürfen, wie das bei Vollzeitbeschäftigten der Fall ist, erweitert § 80 c NBG das dahin, dass sich die zulässige Beanspruchung durch Nebentätigkeit um die Differenz zwischen der Teilzeitarbeit und der Vollbeschäftigung erhöht (so für das Hambg. BG OVG Hamburg, Beschl. v. 5.7.2000 - 1 Bs 73/00 -, S. 5).
2.3 Die weiterhin beachtliche Regelungsabsicht und Normvorstellung des historischen Gesetzgebers führt hier zu keinem eindeutigen Befund: Solange als „Gesetzgeber“ allein der tätig gewordene Niedersächsische Gesetzgeber verstanden wird, solange ist in § 80 c NBG eine Vorschrift zu sehen, mit der die Zwangsteilzeit eingeführt werden sollte. Das war ganz offenbar der Wille der am Gesetzgebungsprozess beteiligten Nds. Abgeordneten. Dieser Wille ist auch nicht - wie das Bundesverwaltungsgericht unter Bezug allein auf die objektive Auslegungstheorie und das Bundesverfassungsgericht (Bd. 62, 1 ff / 45) annimmt (aaO. S. 211; vgl. dazu Larenz, aaO, S. 316 m.w.N.) - völlig unerheblich. Vielmehr ist die „Regelungsabsicht“ des Gesetzgebers ein bei der Gesetzesauslegung vom Richter zu beachtender Gesichtspunkt, eine verbindliche Richtschnur bei der Auslegung (Larenz, aaO, S. 328 f.). Allerdings sind Gesetze keineswegs allein nach dem subjektiven Verständnis des historischen Gesetzgebers auszulegen, sondern vielmehr normativ:
„Bei einem Gesetz ist es selbstverständlich, daß der Inhalt seiner Geltung nicht nach dem jeweiligen tatsächlichen Verständnis der von ihm Betroffenen, d.h. derjenigen, für welche es gilt, bestimmt werden kann. Denn damit würde das Gesetz bei einem unterschiedlichen Verständnis der durch es Betroffenen als allgemein geltende Regelung aufgehoben. Man kann offenbar für die Auslegung des Gesetzes auch nicht allein auf das subjektive Verständnis des Gesetzgebers als ein historisches Faktum abstellen, abgesehen von der Frage, wessen subjektives Verständnis als dasjenige „des Gesetzgebers“ anzusehen und wie es zu ermitteln ist. Weil das Verständnis des Gesetzes ein Moment der Geltung ist und diese für diejenigen besteht, welche dem Gesetz unterworfen sind, muß die Auslegung darauf bezogen sein, wie das Gesetz zu verstehen ist. So ist es denn auch allgemein anerkannt, daß das Gesetz normativ auszulegen ist.“ (so Flume, AT des Bürgerlichen Rechts, 2. Bd. § 16 1 c).
Nun wird das hier maßgebliche Beamtenrecht insgesamt nicht nur durch das NBG geregelt und geordnet, sondern vor allem auch durch einschlägiges Verfassungs- und Bundesrecht. Die hier in § 80 c NBG geregelte Frage der Zwangsteilzeit ist mehr eine beamtenrechtliche Grundfrage (Battis/Grigoleit, ZBR 1997, S. 246/247) denn eine solche nur des Landesrechts, so dass als gesetzgeberische Absichten für eine solche Grundfrage - neben den eindeutigen Absichten des Niedersächsischen Gesetzgebers - auch die des Verfassungs- und Bundesgesetzgebers normativ heranzuziehen sind. Diese decken sich jedoch nicht mit denen des Nds. Gesetzgebers: Nach politischem Streit zwischen Bund und Ländern (vgl. dazu Battis/Grigoleit, ZBR 1997, 237) wurde am 1.7. 1997 die Teil-zeitarbeit für Beamte durch das Dienstrechtsreformgesetz v. 24.2.1997 (BGBl. I S. 322) "flexibilisiert“ und § 44 a BRRG wie folgt gefaßt: Teilzeitbeschäftigung für Beamte ist durch Gesetz zu regeln. Diese Regelung stellt sich als „Öffnungsklausel“ dar, die bundesrechtlich für Beamte gerade nicht eine Zwangsteilzeit einführt. Das BBG enthält ebenfalls keine dem NBG entsprechende Regelung, u.zw. gerade deshalb, weil der Bund dieses „Arbeitszeitmodell“ für verfassungsrechtlich nicht zulässig hält (Kümmel, Beamtenrecht Niedersachsens und des Bundes, Loseblattsammlg./Std. Juni 2000, § 80 c Rdn. 3; Battis, BBG, 2. Auflage, § 72 a Rdn. 8 f.). Aus Art. 33 Abs. 5 GG schließlich mit seiner - flexiblen - Festschreibung hergebrachter Grundsätze des Berufsbeamtentums ist vor allem ablesbar, dass es jedenfalls einen Grundsatz der hauptberuflichen Lebenszeitanstellung gibt, der nur ganz ausnahmsweise für Regelungen auf Zeit pp. durchbrochen werden kann (BVerfGE 44, 249/262; 55, 207/240; 71, 39/59 ; v. Münch, GG-Kommentar, Art. 33 Rdn. 41). Eine Teilzeitbeschäftigung von Beamten gegen ihren Willen ist jedenfalls derzeit als einseitige Verkürzung ihres verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf eine (Voll-) Alimentation zu bewerten und daher dem Landesgesetzgeber grundsätzlich verwehrt (BVerwG, ZBR 2000, 209 [BVerwG 02.03.2000 - BVerwG 2 C 1/99] /210). Eine solche - einschneidende Veränderung - des Beamtenrechts und des Besoldungsrahmens „könnte allein der Bundesgesetzgeber im Rahmen der Verfassung vornehmen“ (BVerwG, aaO.), der das bisher jedoch gerade nicht getan hat. Folgerichtig sah auch ein entsprd. Antrag des Saarlandes auf Einführung des Teilzeitbeamten als neuen Regeltypus eine Änderung des Art. 33 Abs. 5 GG vor, vgl. BR-Drs. 937/93, 938/93), die bisher jedoch nicht vorgenommen wurde.
Hierüber vermag auch die in § 80 c NBG gesetzlich vorgesehene Befristung nicht hinweg zu helfen: Die Erfahrungen mit der wiederholten Verlängerung arbeitsmarktpolitischer Teilzeitregelungen im Bundesrecht verleihen der Befristung kein großes Gewicht („Alibifunktion“ nach Battis/Grigoleit, ZBR 1997, 248 zur saarländ. Regelung). Die weitere Befristung durch bloße Verwaltungsvorschriften jedoch ist mit § 44 a BRRG unvereinbar, der vorsieht, dass entsprd. Regelungen durch Gesetz zu erfolgen haben. Die Beschränkung auf den gehobenen und höheren Dienst schließlich erscheint nicht nachvollziehbar, weil die hergebrachten Grundsätze eine dem Amte und seiner Bewertung entsprechende Alimentation gemäß der austarierten Positionierung des Amtes im Gefüge des öffentlichen Dienstes verlangen, eine Zwangsteilzeit aber nur für ganz bestimmte Ämter/Gehaltsgrup-pen dieses System jedoch ohne sachliche Rechtfertigung durchbricht und es insgesamt als Art. 3 GG widersprechend erscheinen lässt (vgl. BVerfGE 26, 100/110; s.a. BVerwG, Buchholz 235 § 20 BBesG Nr. 3). Art 3 GG enthält jedoch ein sachliches Differenzierungsgebot und zugleich ein Verbot, Verschiedenartiges - unterschiedlich bewertete Ämter - einfach gleich zu behandeln. Die Frage einer „Unteralimentierung“ im Sinne von vernünftigen „Opfern“ jedoch (vgl. dazu Bull, DVBl. 2000, S. 1773/1774 zu 5. und zu 7.) stellt sich solange nicht, wie der Bund die konkurrierende Gesetzgebung gem. Art. 74 a GG hat und davon ersichtlich - unter Ausschluss der Länder (Art. 72 GG) - Gebrauch gemacht hat. Eine Alimentierung hat sich folglich an den bestehenden bundesgesetzlichen Vorschriften auszurichten. Auch die Frage des Zuschnitts konkreter Stellen (Dienstposten) besagt nichts über deren systemgerechte Bewertung (gemäß etwa einer analytischen Dienstpostenbewertung) und die statusgerechte, durch Bundesgesetz festgelegte Alimentierung der mit diesen Stellen betrauten Amtsträger (BVerwG, DVBl. 1990, S. 1235 [BVerwG 31.05.1990 - BVerwG 2 C 16/89]; BVerfGE 26, 100 /110; insoweit missverständlich Bull, aaO, 1774 zu 4.) - von den Problemen, die mit einer sachgerechten Dienstpostenbewertung und einer „unterwertigen“ Beschäftigung statusrechtlich eingestufter Beamter verbunden sind, abgesehen.
Schließlich ist der arbeitsmarktpolitische Nutzen der Einstellungsteilzeit „als eher gering anzusehen“ (so Kümmel, Beamtenrecht Niedersachsens und des Bundes, Loseblatts./ Std. Juni 2000, § 80 c Rdn. 16), weil die zusätzlichen Einstellungen während der Laufzeit des Modells später durch entsprd. geringere Einstellungsquoten kompensiert werden müssen (so zu Recht Bull, aaO., S. 1775, zu 7.), will man haushalts- und personalwirtschaftliche Gründe nicht völlig vernachlässigen und speziell den gehobenen und höheren Dienst nicht zusätzlich „aufblähen“. Sozialstaatliche Rechtfertigungen einer arbeitsmarktpolitischen Teilzeitbeschäftigung können jedoch nur dann Geltung beanspruchen, wenn die arbeitsmarktpolitische Wirksamkeit eindeutig außer Zweifel steht, was bei Stellenkürzungen und -einsparungen nicht der Fall ist (Lang/Bürsch, Teilzeitarbeit in deutschen Behörden und Betrieben, 1996, S. 22; Hanau, ZBR 1996, 199/200). Hiervon abgesehen steht zu befürchten, dass mit dem Nds. Modell eine „Negativauswahl“ unter bundesweit mobilen Bewerbern verbunden ist, denen andernorts in Übereinstimmung mit dem Bundesrecht attraktivere Stellen angeboten werden können (vgl. dazu Battis, BBG, 2. Aufl. § 72 a Rdn. 8: Absinken in die „Zweitklassigkeit“). Das nimmt dem Modell die arbeitsmarktpolitische Überzeugungskraft und führt nicht dazu, es trotz der eindeutigen Strukturprobleme (s.o.) zu favorisieren.
2.4 Ist der gesetzgeberische Wille der mit beamtenrechtlicher Teilzeitbeschäftigung befassten Gesetzgebungsorgane bei einer Gesamtbetrachtung somit nicht eindeutig bestimmbar, so sind für die normative Auslegung des § 80 c NBG noch objektiv-teleolo-gische Kriterien heranzuziehen (Larenz, aaO, S. 333), ist die „Ausrichtung der Auslegung auf die Gesamtheit der Rechtsordnung“ (Flume, aaO., § 16 1 c, S. 296) zu beachten:
„Jede einzelne Regelung des Rechts darf nur im Gesamtgefüge der Rechtsordnung verstanden werden. Verabsolutierungen von allgemeinen Maximen sind unstatthaft, wie jede Verabsolutierung dem Rechtsgedanken grundsätzlich zuwider ist.“
Die Bezogenheit rechtlichen Problemdenkens auf die Gesamtheit der Rechtsordnung führt hier in der Form der Gleichbehandlung (Gleichartigkeit) und des Vermeidens von Wertungswidersprüchen dazu, allein die unter dem Prinzip der Freiwilligkeit stehende Auslegung des § 80 c NBG normativ für möglich und vertretbar zu halten.
Nach dem Grundgesetz haben Bürger ein Recht auf Individualität und Selbstbestimmung, was eine Begrenzung der öffentlichen Gewalt einschließt (H.P.Ipsen, Grundrechte II, S. 126 f.). Unter den Art. 1 und 2 GG haben vor allem in privaten wie öffentlichen Monopolbereichen einseitig festgelegte Einstellungsvoraussetzungen zurückzutreten und Freiheitsrechte (Privatautonomie) in der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Zweifel Vorrang. Wie Summer in seiner Anmerkg. zum Urteil des BVerwG (ZBR 2000, 211) hervorgehoben hat, ist daher eine „eiserne Grenze beim Moment der Freiwilligkeit gegeben“. Hierauf hat neben Loschelder (ZBR 2000, 89/91) auch Ziemske (ZBR 2001, 1 f./ 5) hingewiesen, der hervorhebt, dass zulässige Teilzeitbeschäftigung von Beamten stets mit einem „Element eigenverantwortlicher Entscheidung des Beamten“ korreliere und nur unter dieser Voraussetzung mit dem Alimentationsprinzip vereinbar sei. Das Konzept einer nicht konsentierten, sondern völlig antragslosen Einstellungsteilzeit (vgl. dazu schon BR-Drs. 89/88) stößt mithin nach wie vor auf verfassungsrechtliche Bedenken und ist höchstrichterlich nicht gebilligt, so dass es bei dieser Lage der Dinge überrascht, wenn ein entsprd. Bundesratsantrag bei der damaligen Einführung der voraussetzungslosen Antragsteilzeit (§ 72 a Abs. 1 BBG) auf eine verfassungsrechtliche Bewertung völlig verzichtete (Bredendiek/Meier, NVwZ 1996, 444). Nach Battis/ Grigoleit (ZBR 1997, 246) stellte die Einführung des (Zwangs-) Teilzeitbeamten eine „strukturelle Veränderung des Berufsbeamtentums“ dar, die von der Garantie des Art. 33 Abs. 5 GG gerade ausgeschlossen wird (vgl. Gola/Hügel, DÖD 1996, 97; Battis, BBG, 2. Auflage, § 72 a Rdn. 9). Ein Teilzeitbeamtenverhältnis ist unter Art. 33 Abs. 5 GG nicht vorstellbar und „ohne Verfassungsänderung nicht zu haben“ (Battis/Grigoleit, aaO, S. 247). Denn
„die Vollzeitbeschäftigung auf Lebenszeit bildet seit jeher das Leitbild und den kennzeichnenden wesentlichen Strukturinhalt des Beamtenverhältnisses (vergl...). - so BVerwG, ZBR 2000, S. 210 [BVerwG 02.03.2000 - BVerwG 2 C 1/99] m.w.N.
Von diesem Vollzeitprinzip als Regelfall beamtenrechtlicher Amtstätigkeit abgesehen stünde bei einer (Zwangs-) Einstellungsteilzeit eine einseitig abverlangte Bereitschaft dazu auch nicht mehr mit Art. 33 Abs. 2 GG im Einklang (dazu Battis, BBG, 2. Aufl. § 72 a Rdn. 9).
Schließlich steht die Einstellungsteilzeit aber auch im Widerspruch zu sonstigen Reformen im öffentl. Dienst (dazu Kümmel, aaO, Rdn. 17): Mit dem Dienstrechtsreformgesetz sollte gerade die Bezahlung jüngerer Beamter verbessert und ihnen ein schnellerer Aufstieg ermöglicht werden, durch Änderungen des BRRG ist das Nebentätigkeitsrecht im Hinblick auf eine volle Hingabe des Beamten verschärft worden. Mit der erleichterten Zulassung von Nebentätigkeiten (§ 80 c Abs. 4 NBG, Kümmel, aaO, Rdn. 26) während der Einstellungsteilzeit werden diese Änderungen wieder zunichte gemacht, die allseits angestrebte Verbesserung der Besoldung gerade jüngerer Beamter wieder aufgehoben. Der Bruch und Widerspruch zwischen Landes- und Bundesrecht kann bei einer solchen Gesetzes- und Rechtslage, wie sie sich z.Z. darstellt, letztlich aufgrund einer Gesamtbetrachtung nur in der Weise aufgelöst werden, dass einer Auslegung des § 80 c NBG der Vorzug gegeben wird, der einen ansonsten unvermeidbaren Wertungswiderspruch zwischen bundes- und landesrechtlichen Regelungen vermeidet.
Damit erlaubt § 80 c NBG - im Einklang mit dem beamtenrechtlichen Normengefüge des Bundes und der Verfassung - nur eine solche Teilzeitbeschäftigung, die vom Willen des jeweils betroffenen Bewerbers getragen ist und bei der ihm die Wahl der Vollzeitbeschäftigung eingeräumt wird, nicht aber eine solche, die dem Bewerber einseitig abverlangt bzw. aufgezwungen worden ist. Nur mit diesem Sinngehalt ist § 80 c NBG anwendbar, so dass die hier angegriffene Verfügung, mit welcher der Klägerin eine Teilzeitarbeit durch die Begleitverfügung zu ihrer Ernennung aufgezwungen wurde, insoweit der Rechtsgrundlage entbehrt.
3. Die bei dieser Lage der Dinge seitens der Beklagten mit ihrem Hilfsantrag begehrte Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 GG scheidet aus. Denn weder die Klägerin noch die Beklagte noch das erkennende Gericht gehen von einer Verfassungswidrigkeit des § 80 c NBG aus. Die Norm ist gültig. Wenn sie nur in einem bestimmten Sinne (verfassungskonform) anwendbar ist, zwingt das nicht, die Sache dem Verfassungsgericht vorzulegen. Das kommt vielmehr erst dann in Betracht, wenn keinerlei denkbare Auslegung der Norm mehr zu ihrer Verfassungsmäßigkeit führte, sie vielmehr in jeder Hinsicht als verfassungswidrig zu bewerten wäre. Das ist nicht der Fall.
Eine Pflicht zur Vorlage aus Art. 100 GG kommt erst zum Zuge, wenn das erkennende Gericht von der Verfassungswidrigkeit überzeugt ist - bloße Zweifel reichen dafür nicht aus. Zudem scheidet eine Vorlage dann aus, „wenn das VG die Gültigkeit der vom BverfG zu prüfenden Norm in Übereinstimmung mit der Rspr. des BverwG bejaht“ (so ausdrücklich BVerwG, B. v. 6.12.1999 - 3 B 55.99 - in Buchholz 31o Verfahrensrecht § 94 VwGO Nr. 13). So aber liegt es hier (vgl. BVerwG, ZBR 2000, 209 f. [BVerwG 02.03.2000 - BVerwG 2 C 1/99]).
4. Der Anspruch der Klägerin auf die begehrte Nachzahlung ergibt sich daraus, dass die neben der beamtenrechtlichen Ernennung (begleitend und zeitgleich) verfügte Teilzeitbeschäftigung rückwirkend wieder entfällt und damit auch die Auswirkungen auf die Besoldung und Versorgung rückwirkend entfallen. Damit leben die Rechte der Klägerin aus ihrem durch die wirksame Ernennung begründeten Beamtenstatus auf, die ihr durch die angefochtene Verfügung rechtswidrig - ohne gesetzliche Grundlange, da § 80 c NBG die Verfügung nicht trägt (s.o.) - vorenthalten worden waren. Die Besoldungsdifferenz ist nachzuzahlen, ohne dass eine zusätzliche Arbeitsleistung seitens des Dienstherrn verlangt werden kann (BVerwG, aaO, S. 211). Die Klägerin ist besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, als sei sie ab dem 3. Sept. 1999 voll alimentiert worden (Folgenbeseitigung gem. § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO, Grundlage: Art. 19 Abs. 4 GG iVm dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung). Dazu gehört auch der Zinsanspruch in der geltend gemachten Höhe hinsichtlich der hier seit dem 3. September 1999 vorenthaltenen Gehaltsteile (§§ 288, 291 BGB n.Fassg.).
Die Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten beruht auf einer Billigkeitsentscheidung gem. § 161 Abs. 2 VwGO sowie auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.