Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 23.01.2001, Az.: 4 A 39/98
Eingliederungshilfe; konduktive Bewegungsförderung
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 23.01.2001
- Aktenzeichen
- 4 A 39/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 40205
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 39 BSHG
- § 40 BSHG
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Übernahme der Kosten für eine konduktive Bewegungstherapie nach Petö im Rahmen der Eingliederungshilfe.
Der am 10. November 1994 geborene Kläger leidet an einer spastischen Lähmung in beiden Beinen, die auf seine Frühgeburt zurückzuführen ist. Bereits im ersten Lebensjahr wurde bei ihm eine motorische Entwicklungsverzögerung mit zunehmender muskulärer Hypertonie der unteren Extremitäten festgestellt. Der Kläger bekommt regelmäßig Krankengymnastik nach Bobath.
Mit Schreiben vom 29. Dezember 1997 beantragte der Kläger, vertreten durch seine Mutter, bei dem Beklagten die Kostenübernahme für die konduktive Bewegungsförderung nach Petö im Institut "Schritt für Schritt" in H. für die Zeit vom 6. Januar bis 12. Februar 1998. Nach dem beigefügten Bericht der Kinderärztin des Klägers vom 19. Dezember 1997 zielten die therapeutischen Bemühungen auf freies Laufen des Klägers ab. Durch die sich zunehmend einstellende Spitzfußstellung seien in der letzten Zeit nur kleine Fortschritte erzielt worden. Im Institut für ganzheitliche Kindesentwicklung "Schritt für Schritt" in H. werde die konduktive Bewegungstherapie nach Petö angeboten. Ziel der Methode sei es, das Kind zu unterstützen und seine größtmögliche persönliche Selbständigkeit zu erreichen. Sie verbinde Sprache, Bewegung und Rhythmus und fördere die Kinder in ihrer motorischen, sprachlichen und geistigen Entwicklung. Sie sehe für den Kläger durch diese Therapie eine große Chance zur Integration in einen Regelkindergarten und später in eine normale Schule. Auch die Krankengymnastin des Klägers empfahl in einer Stellungnahme vom 30. Dezember 1997 einen mehrwöchigen Aufenthalt im Institut "Schritt für Schritt", um bei dem Kläger ein freies Gehen mit möglichst gutem Gangbild zu erzielen. Eine mehrwöchige intensive Betreuung zum jetzigen Zeitpunkt in dem genannten Institut sei ein wesentlicher Grundstein für die weitere motorische Entwicklung des Klägers.
Das Institut für ganzheitliche Kindesentwicklung "Schritt für Schritt" in H. praktiziert die konduktive Bewegungstherapie nach Petö. Dabei handelt es sich um eine von dem ungarischen Neurologen und Lehrstuhlinhaber für Heilpädagogik Prof. Dr. Andras Petö (1893-1967) entwickelte umfassende Methode zur Entwicklungsförderung bei Kindern mit vorwiegend motorischen Störungen oder Behinderungen. Die konduktive Förderung erfordert das interdisziplinäre Zusammenführen medizinisch-therapeutischer Erkenntnisse mit Erkenntnissen aus Psychologie und Pädagogik. Das Grundprinzip geht von der Betrachtungsweise aus, dass eine cerebrale Bewegungsstörung eher ein Lernhindernis darstellt, das nicht nur eine Beeinträchtigung der Motorik, sondern der gesamten Persönlichkeit beinhaltet. Nicht eine Krankheit müsse behandelt werden, sondern eine Lernstörung solle mit besonderen Fördermaßnahmen überwunden werden. Ziel ist eine physiologische Funktion, die ebenso den Bereich der Motorik (Erwerb motorischer Fähigkeiten wie Sitzen, Stehen, Gehen, Laufen) wie auch den intellektuellen und sozial-emotionalen Lernbereich sowie den lebenspraktischen Bereich betrifft. Insgesamt wird die maximale Unabhängigkeit von Hilfsmitteln und Personen angestrebt, d. h. die Fähigkeit eines spastisch gelähmten Kindes, sich in einer altersspezifischen Umgebung zu orientieren und selbständig organisieren zu können (vgl. Rochel und Weber, Konduktive Förderung nach Petö, Der Kinderarzt 1990, 779; Forschungsbericht: Konduktive Förderung für cerebral geschädigte Kinder - Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung -, vorgelegt von Weber und Rochel im Oktober 1992). Die Therapie wird durch Konduktoren durchgeführt, bei denen es sich um Absolventen eines vierjährigen Studiums an der Petö-Hochschule in Ungarn handelt. Im Vordergrund der stark praxisbezogenen Ausbildung steht die pädagogische Ausrichtung (vgl. Forschungsbericht, a. a. O.). Dem Institut "Schritt für Schritt" in Hamburg steht ein Ärzteteam zur Seite. Die Therapie als solche wird in eigener Verantwortung von den Konduktoren durchgeführt.
Der Kläger nahm ab dem 6. Januar 1998 an der konduktiven Bewegungstherapie nach Petö im Institut "Schritt für Schritt" teil. Für die sechswöchige Therapie fielen Kosten in Höhe von 6.946,-- DM an (vgl. Bl. 15 Gerichtsakte).
In seinem Bericht vom 8. Januar 1998 stellte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie des Gesundheitsamtes des Beklagten aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 5. Januar 1998 fest, dass dieser aufgrund seiner spastischen Diplegie an einer wesentlichen, nicht nur vorübergehenden vorwiegend körperlichen Behinderung im Sinne der §§ 39, 40 BSHG leide. Auch von seiner Seite könne nur zur Durchführung der geplanten Therapie im Hamburger Institut geraten werden. Preiswertere Alternativen zu der gewählten Einrichtung seien im näheren Umkreis U. nicht vorhanden.
Mit Bescheid vom 12. Januar 1998 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Eingliederungshilfe ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Petö-Methode in Deutschland von den Krankenkassen noch nicht als förderungswürdig anerkannt worden sei. Deshalb habe auch die Krankenversicherung eine Kostenzusage abgelehnt. Die Maßnahme könne nur dann aus Sozialhilfemitteln finanziert werden, wenn das genannte Institut für die Petö-Methode von fachlich (medizinisch oder pädagogisch) kompetenter Stelle anerkannt und der Behandlungs- oder Pflegesatz im Rahmen einer Vereinbarung mit einem überörtlichen Sozialhilfeträger genehmigt worden wäre. Dabei müsste es sich auch um eine reine Eingliederungshilfemaßnahme handeln, um die Leistungspflicht der Krankenkasse auszuschließen.
Mit Schreiben vom 26. Januar 1998 legte der Kläger Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid des Beklagten ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 1998 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung gab er an, dass es sich bei der bezeichneten Therapie um eine Maßnahme handele, die eindeutig zum Leistungskatalog eines Krankenversicherungsträgers gehöre. Somit sei die Krankenkasse vorrangig zuständig. Als Hilfeart nach dem Bundessozialhilfegesetz komme Krankenhilfe in Betracht. Da nach Auskunft des Leiters des H. Instituts "Schritt für Schritt" die Methode von den gesetzlichen Krankenkassen nicht als förderungswürdig anerkannt werde, bestehe keine Verpflichtung, die Kosten zu übernehmen. Dies sei nur dann gegeben, wenn die Methode anerkannt sei und kein Krankenschutz bestehe. Da krankengymnastische Therapien zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehörten, komme Eingliederungshilfe nicht in Betracht.
Der Kläger hat am 10. März 1998 Klage erhoben.
Zur Begründung trägt er vor, dass sowohl seine Krankenkasse als auch die Beihilfestelle die Kostenübernahme für die therapeutische Behandlung nach der Petö-Methode abgelehnt hätten. Die gegen die ablehnenden Entscheidungen eingelegten Widersprüche seien ebenfalls erfolglos geblieben. Da die Durchführung der Therapie auch von dem Gesundheitsamt des Beklagten für erforderlich gehalten worden sei, müsse der Beklagte die Kosten der Therapie übernehmen. Nach einer Stellungnahme seiner Kinderärztin habe er aufgrund der inzwischen im Institut "Schritt für Schritt" durchgeführten Therapie deutliche Entwicklungsfortschritte erzielt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 12. Januar 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 1998 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten für die konduktive Bewegungsförderung nach Petö im Institut für ganzheitliche Kindesentwicklung "Schritt für Schritt" in der Zeit vom 6. Januar bis zum 12. Februar 1998 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, dass für den Kläger überwiegend Heilbehandlung notwendig sei und es sich bei der Petö-Methode um eine Heilbehandlungsmaßnahme handele. Insofern komme allein Krankenhilfe in Frage. Da die Methode von den Krankenkassen nicht als förderungswürdig anerkannt werde, bestehe auch für ihn keine Verpflichtung, die Kosten zu übernehmen. Eine Kostenübernahme komme nur in Betracht, wenn die Methode anerkannt sei und kein Versicherungsschutz bestehe.
Nach der Widerspruchsentscheidung der Postbeamtenkrankenkasse vom 19. März 1998 ist die Kostenübernahme deswegen abgelehnt worden, weil es sich bei der Petö-Methode um eine überwiegend pädagogische Maßnahme handele. Soweit auch physiotherapeutische Komponenten enthalten seien, sei eine Kostenübernahme abzulehnen gewesen, da diese nicht von Heilbehandlern im Sinne der Beihilfevorschriften durchgeführt werden würden. Auch das Zentrale Beihilfezentrum der Deutschen Post AG hat mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 1998 mit ähnlicher Begründung den Widerspruch der Mutter des Klägers gegen den ablehnenden Beihilfebescheid zurückgewiesen.
Nach dem Bericht der Kinderärztin des Klägers vom 7. Juli 1998 hat dieser nach der Therapie im Institut "Schritt für Schritt" deutliche Entwicklungsfortschritte sowohl im motorischen als auch im sprachlichen und sozialen Bereich gemacht. Die Kinderärztin hat dazu ausgeführt, dass der Kläger jetzt in der Lage sei, an einer Hand und am Rollator zu laufen. Es gelinge ihm für kurze Zeit, seine Spitzfußhaltung fast vollständig auszugleichen. Er bewältige Treppen und bemühe sich zunehmend, bestimmte Anforderungen des täglichen Lebens selbständig auszuführen. Er sei im gesamten Verhalten aufgeschlossener, lasse sich nicht mehr so leicht frustrieren und habe eine fast altersgerechte Sprachentwicklung erreicht. Insofern sei durch den Kläger selbst hinreichend der Nutzen dieser Therapiemethode belegt worden.
Die Kammer hat Forschungsberichte verschiedener Institute herangezogen, die aufgrund von Studien über die Petö-Förderung ergangen sind. Dabei handelt es sich u.a. um den Forschungsbericht "Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Konduktiven Förderung nach Petö bei Kindern mit Zerebralparesen im Kindergarten- und Vorschulalter", der von dem Institut für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München im Kinderzentrum München erstellt worden ist und auf einem in der Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 30. April 2001 im Auftrage des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen e.V. und des Arbeiterersatzkassenverbandes e.V. durchgeführten Modellprojekt beruht. Weiter ist der Bericht des Zentrums für Frühbehandlung und Frühförderung gemeinnützige BetriebsGmbH in Köln "Konduktive Förderung von cerebralbewegungsgestörten Kindern im Vorschulalter" beigezogen worden, dem ein von Dezember 1996 bis 1999 im Auftrage des Bundesministeriums für Gesundheit im Kinderzentrum durchgeführtes Projekt zugrunde liegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die beigezogenen Forschungsberichte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und auch begründet.
Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die in der Zeit vom 6. Januar bis 12. Februar 1998 im Institut für ganzheitliche Kindesentwicklung "Schritt für Schritt" in H. durchgeführte konduktive Bewegungsförderung nach Petö im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 39 f. BSHG (in der bis zum 1.7.2001 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 23.3.1994, BGBl. I S. 646, 2975).
Der Anspruch des Klägers ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht im Rahmen der Krankenhilfe nach § 37 BSHG, sondern im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 39 BSHG zu prüfen. Der Kläger gehört nach den Feststellungen des Gesundheitsamtes des Beklagten vom 8. Januar 1998 aufgrund seiner spastischen Diplegie zu dem Personenkreis der wesentlich körperlich Behinderten im Sinne von §§ 39, 40 BSHG. Hilfen, die zur Beseitigung oder Milderung der Behinderung oder ihrer Folgen dienen, sind Maßnahmen der Eingliederungshilfe (§ 39 Abs. 3 Satz 1 BSHG). Dass der Kläger wegen seiner Behinderung auch Krankengymnastik erhält und somit Leistungen, die zu dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören und dementsprechend von seiner privaten Krankenkasse und der Beihilfestelle übernommen werden, führt nicht dazu, dass hier nur Krankenhilfe nach § 37 BSHG in Betracht käme. Denn während zu der von der Krankenversicherung übernommenen Krankenbehandlung auch bestimmte Leistungen an Behinderte zählen, enthält das Bundessozialhilfegesetz hinsichtlich des Personenkreises der Behinderten mit den Vorschriften über die Eingliederungshilfe Spezialregelungen im Verhältnis zur Krankenhilfe mit der Folge, dass die Eingliederungshilfe gegenüber der Krankenhilfe vorrangig ist (LPK-BSHG, 5. Aufl., § 37 Rdnr. 37; Schellhorn/Jirasek/Seipp, Kommentar zum BSHG, 15. Aufl., § 39 Rdnr. 46).
Auch für die Eingliederungshilfe gilt der Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 BSHG, so dass Leistungen der Krankenkasse bzw. Beihilfestelle den Leistungen nach § 39 BSHG vorgehen. Im vorliegenden Fall haben sowohl die Krankenkasse als auch die Beihilfestelle es abgelehnt, die Kosten für die beantragte Bewegungsförderung nach Petö zu tragen. Den Widerspruchsentscheidungen der Postbeamtenkrankenkasse vom 19. März 1998 und des Zentralen Beihilfezentrums der Deutschen Post AG vom 31. März 1998 lässt sich entnehmen, dass die Kostenübernahme deshalb abgelehnt worden ist, weil die Petö-Methode eine überwiegend pädagogische Maßnahme darstelle, die der Beseitigung einer Lernstörung diene und, soweit sie auch physiotherapeutische Komponenten enthalte, diese jedenfalls nicht von Heilbehandlern im Sinne der Beihilfevorschriften durchgeführt würden. Auch das Landessozialgericht Niedersachsen hat mit Urteil vom 20. Januar 1999 (L 4 KR 171/98) entschieden, dass die konduktive Förderung nach Petö keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sei. Insbesondere sei die Förderung nach Petö kein verordnungsfähiges Heilmittel, weil ihr Schwerpunkt nicht im medizinischen Bereich liege. Schwerpunkt der Maßnahme sei vielmehr die pädagogische Ausrichtung. Da der Kläger somit tatsächlich keine vorrangigen Leistungen erhält, kann er nicht auf die Erstattung der Behandlungskosten durch die Krankenkasse oder Beihilfestelle verwiesen werden, so dass der Nachranggrundsatz einem Anspruch auf Eingliederungshilfe nicht entgegensteht.
Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist Personen, die wie der Kläger nicht nur vorübergehend körperlich wesentlich behindert sind, Eingliederungshilfe zu gewähren. Nach § 39 Abs. 3 BSHG ist es Aufgabe der Eingliederungshilfe, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den Behinderten in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört vor allem, dem Behinderten die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihm die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder ihn soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Gemäß § 39 Abs. 4 BSHG wird Eingliederungshilfe gewährt, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, vor allem nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
Die Förderung nach Petö, für die der Kläger, der zum Zeitpunkt der Therapie noch nicht im schulpflichtigen Alter war, die Kostenübernahme begehrt, könnte den heilpädagogischen Maßnahmen für Kinder nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 a BSHG zuzuordnen sein. Dies ist aber deshalb zweifelhaft, weil die Petö-Förderung Elemente der Heil- und Sozialpädagogik mit Elementen der dem Leistungskatalog der Krankenkassen unterfallenden Leistungen wie der Krankengymnastik, Logotherapie und Ergotherapie verbindet und somit nicht ausschließlich dem pädagogischen Bereich unterfällt. Allerdings werden in § 40 BSHG auch nur beispielhaft die hauptsächlich in Betracht kommenden Maßnahmen aufgeführt. Die genannten Maßnahmen sind daher weit zu fassen, um dem Bestreben des Gesetzes, jede zweckdienliche Hilfe zu gewähren, Rechnung zu tragen (BVerwG, Urt. v. 31.8.1966 - BVerwG V C 185.65 -, FEVS 13, 368 = BVerwGE 25, 28; BVerwG, Urt. v. 16.11.1972 - BVerwG V C 88.72 -, FEVS 21, 81). Darüber hinaus muss jede Maßnahme, die erforderlich ist, um die Aufgabe der Eingliederungshilfe nach § 39 Abs. 3 und 4 BSHG zu erfüllen, durchgeführt werden (LPK-BSHG, a. a. O., § 40 Rdnr. 34).
Dass die konduktive Förderung nach Petö grundsätzlich zur Behandlung cerebralbewegungsgestörter Kinder geeignet ist und damit eine geeignete Eingliederungshilfemaßnahme darstellt, ergibt sich aus den vorliegenden Forschungsergebnissen insbesondere des Kinderzentrums München und des Zentrums für Frühbehandlung und Frühförderung in Köln, die beide auf mehrjährigen Studien beruhen. Die Studien zeigen auf, dass durch die konduktive Förderung nach Petö insbesondere in Bezug auf die feinmotorischen Fertigkeiten sowie die Selbständigkeit der Kinder im Alltagsbereich (Körperhygiene, Anziehen, Essen) ganz erhebliche Fortschritte erzielt worden sind. Dabei wird hervorgehoben, dass gerade die Finger-Handfunktionen im Alltag der Kinder eine herausragende Stellung einnehmen, da diese Fertigkeiten in der Schule bis zu 60 % aller Aktivitäten darstellen. Auch die Flüssigkeit der Bewegungsabläufe und die Leichtigkeit der Bewegungsausführung konnten mit Hilfe der Petö-Methode verbessert werden. Weitere signifikante Fortschritte wurden in der Sprachentwicklung und Wahrnehmungsverarbeitung sowie bei der seriellen Reizverarbeitung" (Konzentration, Kurzzeitgedächtnis, Umsetzung in motorisches Handeln) festgestellt. Beide Forschungen kommen daher zu dem Ergebnis, dass die konduktive Förderung als Zusatzangebot zu den herkömmlichen Behandlungsmethoden wie Krankengymnastik nach Bobath oder Vojta etabliert werden sollte.
Die konduktive Bewegungsförderung nach Petö ist im vorliegenden Fall auch für den Kläger notwendig und geeignet gewesen, um die Ziele der Eingliederungshilfe zu erreichen, d. h. die Folgen seiner Behinderung zu mildern und ihm auf diese Weise eine möglichst selbständige Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Insbesondere fällt der Kläger nach seinem Krankheitsbild unter den Kreis der Behinderten, für den nach den vorliegenden Forschungsergebnissen die Petö-Förderung besonders sinnvoll ist.
Die den Kläger behandelnde Kinderärztin hat in ihrer Stellungnahme vom 19. Dezember 1997 für den Kläger die konduktive Bewegungstherapie nach Petö empfohlen, da durch die bisherigen therapeutischen Bemühungen (Krankengymnastik nach Bobath), die auf freies Laufen des Klägers zielten, aufgrund der zunehmenden Spitzfußstellung nur kleine Fortschritte erzielt werden konnten. Auch die Krankengymnastin des Klägers empfahl in ihrer Bescheinigung vom 30. Dezember 1997 die Therapie im Institut für ganzheitliche Kindesentwicklung "Schritt für Schritt", da sich der Kläger in einer entscheidenden Lauflernphase befinde und seine motorische Entwicklung aufgrund der angeborenen Behinderung nicht altersentsprechend sei. Der Facharzt des Gesundheitsamtes des Beklagten hat aufgrund der bei dem Kläger festgestellten Diagnose ebenfalls die Durchführung der Therapie befürwortet und gleichzeitig festgestellt, dass kostengünstigere Alternativen zu der Petö-Förderung nicht vorhanden seien.
Abgesehen von den positiven Prognosen zeigt im Übrigen die erfolgreiche Durchführung der Therapie, dass diese geeignet gewesen ist, die Folgen der Behinderung des Klägers zu mildern. Die Kinderärztin des Klägers hat dazu in ihrem Bericht vom 7. Juli 1998 ausgeführt, dass der Kläger aufgrund der Therapie deutliche Entwicklungsfortschritte im motorischen, sprachlichen und sozialen Bereich gemacht habe. Er sei in der Lage, an der Hand und am Rollator zu laufen, könne seine Spitzfußhaltung fast vollständig ausgleichen, bewältige Treppen und bemühe sich zunehmend, bestimmte Anforderungen des täglichen Lebens selbständig auszuführen. Er sei im gesamten Verhalten aufgeschlossener, lasse sich nicht mehr so leicht frustrieren und habe eine fast altersgerechte Sprachentwicklung erreicht. Auch die Mutter des Klägers hat in den mündlichen Verhandlungen bestätigt, dass der Kläger durch die Petö-Förderung erhebliche Fortschritte gerade im Hinblick auf das freie Laufen und Sitzen gemacht habe.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.