Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 11.05.1999, Az.: 5 U 14/99
Schadensersatz wegen Verletzung des Behandlungsvertrages; Eintritts einer Parese (Lähmung) nach Operation einer Schleimbeutelentzündung (Bursitis); Schlüssiges Vorbringen einer Druckschädigung; Verjährungsunterbrechung eines Feststellungsanspruchs durch Leistungsklage
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 11.05.1999
- Aktenzeichen
- 5 U 14/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 29139
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1999:0511.5U14.99.0A
Rechtsgrundlagen
- § 823 Abs. 1 BGB
- § 847 BGB a.F.
- § 209 BGB
Fundstellen
- MedR 1999, 532
- NJW-RR 2000, 903 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2000, 21-22
- VersR 2000, 976 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Unschlüssigkeit einer Druckschädigung durch zu geringen Druck - Keine Verjährungsunterbrechung eines Feststellungsanspruchs durch Leistungsklage
Tatbestand
Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen einer Parese (Lähmung) des rechten Armes, die nach seiner am 06.09.1994 im Krankenhaus der Beklagten zu 1) durch die Beklagte zu 2) vorgenommenen Operation einer Schleimbeutelentzündung (Bursitis) im Bereich des rechten Ellenbogens aufgetreten ist.
Der Kläger hat behauptet, die Läsion der drei Hauptnerven des rechten Armes sei Folge einer fehlerhaft angelegten oder defekten Druckmanschette für die pneumatische Blutsperre.
Die Beklagten haben demgegenüber den Nervenschaden auf eine nicht vorhersehbare bei dem Kläger vorbestehende klinisch bislang stumme Neuropathie zurückgeführt.
Das Landgericht hat - sachverständig beraten - die Zahlungsklage auf 20.000,00 DM Schmerzensgeld und 19.998,00 DM Verdienstausfall zurückgewiesen, weil der Kläger den Beweis nicht habe erbringen können, dass der Gesundheitsschaden auf eine defekte oder unsachgemäß angelegte Druckmanschette beruhe.
Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren und zusätzlich die Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche Zukunftsschäden weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Deliktische und vertragliche Schadensersatzansprüche gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 BGB bzw. aus positiver Vertragsverletzung des Behandlungsvertrages im Zusammenhang mit der Operation der Schleimbeutelentzündung bestehen nicht.
Zu Recht hat das Landgericht unter Auswertung aller vorhandener medizinischer Untersuchungen über die Ursachen für das Beschwerdebild des Klägers im Zusammenhang mit dem gestützt auf die neurologische Untersuchung durch Prof. Dr. B, E Krankenhaus O vom 08.11.1994 überzeugenden medizinischen Erläuterungen des Gerichtssachverständigen nicht feststellen können, dass eine von den Beklagten zu vertretende Fehlleistung die Nervschädigung hervorgerufen hat.
Die Berufung vermag dem nichts Erhebliches entgegenzusetzen. Sie gibt lediglich zu folgenden ergänzenden Hinweisen Anlass:
Der von dem Gutachter festgestellte ungewöhnlich niedrigere Druck bei Anlegen der Manschette streitet keinesfalls für eine schadensursächliche (Fehl-)Behandlung und schon gar nicht für eine als grob einzustufende ärztliche Fehlleistung. Der Sachverständige bezieht die Bewertung als "ungewöhnlich" auf die Gewährleistung eines blutarmen Operierens. Die Operation ist aber unstreitig erfolgreich verlaufen. Etwaige Komplikationen bei der Bursitisoperation infolge dieses Drucks sind nicht ersichtlich und werden auch nicht einmal angedeutet. Für eine Druckschädigung von Nerven durch einen für die Operation unterdurchschnittlich niedrigen Druck - wie die Berufung glauben machen möchte - fehlt es an jeglichem Anhalt. Das Vorbringen ist - da es sich auch dem Kläger zufolge um eine Druckschädigung handeln soll - in sich nicht schlüssig. Fehlt es einerseits an Anzeichen für eine ursächliche Fehlbehandlung und besteht andererseits nach den elektrophysiologischen
Untersuchungsergebnissen ein deutlicher Hinweis auf eine stumme Neuropathie - wenn auch unklarer Genese -, so scheidet ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus. Er hat - womit er belastet ist - zumindest nicht den Beweis eines Behandlungsfehlers und eines vorwerfbar behandlungsbedingten Ursachenzusammenhangs mit seinen Beschwerden führen können.
Auf die Grundsätze eines Anscheinsbeweises, die im Arzthaftungsrecht ohnehin nur ganz eingeschränkt Anwendung finden (vgl. nur Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 8. Aufl., Rdn. 495 ff m.v.w.Nw.), kann er sich mangels Typizietät des von ihm behaupteten Geschehensverlaufs nicht berufen.
Ebensowenig ist für eine Verschuldensvermutung nach den Grundsätzen durch die Behandlungsseite voll zu beherrschenden Risiken kein Raum, da - wie ausgeführt - gerade nicht feststellbar ist, dass die Schädigung im Zusammenhang mit dem technisch-operativen Bereich stehen kann.
Auf die zweitinstanzlich erstmals erklärte Bereitschaft, zur Ursachenabklärung eine Probeexzision vornehmen zu lassen, kommt es nach alledem nicht an.
Haftungsbegründende Aufklärungsversäumnisse sind schließlich ebenfalls nicht zu erkennen oder sonst schlüssig dargetan. Auf nicht vorhersehbare bzw. erkennbare Schadensrisiken kann nicht hingewiesen werden.
Das Feststellungsbegehren ist im Übrigen verjährt; die in nicht verjährter Zeit erhobene Leistungsklage begründet bezüglich des Feststellungsanspruchs keine Unterbrechungswirkung gemäß § 209 BGB. Auf die Grundsätze der sog. Schadenseinheit kann sich der Kläger nicht berufen, da für die Frage der Verjährungsunterbrechung der Streitgegenstand maßgeblich ist. Die nunmehr erhobenen Ansprüche beträfen die Ersatzpflicht von Zukunftsschäden mithin einen neuen Streitgegenstand im Verhältnis zu den bislang lediglich geltend gemachten Leistungsanträgen (vgl. BGH VersR 1988, 401 ff). Die von der Berufung herangezogene Rechtsprechung BGHZ 103, 298 ff, 301 [BGH 25.02.1988 - VII ZR 348/86] betrifft eine andere Fallgestaltung, bei der zunächst eine unbezifferte Feststellungsklage erhoben worden war.
Dr. B W