Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 09.12.2021, Az.: 7 A 2879/21

Zugang Verpflichtungsangebot beim BAPersBw; Zuschlag bei Verpflichtung zu längerem Dienst

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
09.12.2021
Aktenzeichen
7 A 2879/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 70981
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OVG - 22.01.2022 - AZ: 13 LC 34/22

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die zeitliche Vorgabe des Eingangs der Vereinbarung im Sinne des § 13 USG, wonach die Verpflichtung zu längerem Dienst nur dann wirksam ist, wenn u.a. die Annahme des Verpflichtungsangebots vor dem 15. Tag Reservistendienst im Kalenderjahr beim Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) eingeht, ist nach dem Willen des Gesetzgebers bewusst als Wirksamkeitsvoraussetzung ausgestaltet worden. Geht die Erklärung verspätet ein, verliert der Reservedienst Leistende seine materielle Rechtsposition. Der Reservedienst Leistende kann sich hinsichtlich der Verzögerung nicht mit entlastender Wirkung auf ein Verschulden des Truppenteils berufen.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Zuschlags für die Verpflichtung zu längerem Dienst nach dem Unterhaltssicherungsgesetz.

Der Kläger ist in der Dienstgradgruppe der Unteroffiziere mit Portepee im Dienstgrad Stabsfeldwebel Reservedienst Leistender (RDL) der Bundewehr. Am 3. Dezember 2020 unterzeichnete der Kläger eine Vereinbarung über die Verpflichtung zu längerem Dienst bei der 3. Kompanie des Versorgungsbataillons 141 in Rotenburg, nämlich zur Ableistung von mindestens 33 Tagen Reservedienst. Der Kläger wurde vom 22. Februar 2021 bis zum 16. April 2021 zu einer Reservedienstübung bei seiner Dienststelle herangezogen und leistete Reservedienst von insgesamt 54 Tagen vollständig ab. In der o. g. Verpflichtungserklärung ist ausgeführt, dass die Verpflichtung nur wirksam wird, wenn die Annahme des Verpflichtungsangebots vor dem 15. Tag Reservedienst im laufenden Kalenderjahr beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) eingeht und weiter, dass bei kurzfristig abgeschlossener Verpflichtungsvereinbarung sowohl der zuständige Truppenteil als auch der Verpflichtete dafür Sorge zu tragen haben, dass diese Vereinbarung vor dem 15. Tag Reservedienst im Kalenderjahr beim BAPersBw eingehe, diese ansonsten unwirksam sei. Die von ihm unterzeichnete Verpflichtungserklärung reichte der Kläger am 3. Dezember 2020 bei seiner Dienststelle ein, die nach Gegenzeichnung am 10. Dezember 2020 durch den stellvertretenden Bataillonskommandeur, Herrn Oberstleutnant {D.}, erst am 8. April 2021 bei dem BAPersBw einging. Der Übersendung der Verpflichtungsvereinbarung war seitens der Dienststelle die Mitteilung beigefügt, dass die verspätete Vorlage nicht der Reservist zu verschulden habe, da der zuständige Bearbeiter wegen Covid 19 in Quarantäne war und die Bearbeitung durch dessen Vertretung erfolgte. Die Dienststelle des Klägers bat aus diesem Grund im Sinne des Reservisten zu verfahren und die Auszahlung der Prämie zu veranlassen.

Da der Beklagte dies anders beurteilte, versagte er mit Bescheid vom 2. Juni 2021 die Gewährung eines Zuschlags für die Verpflichtung zu längerem Dienst nach § 13 USG für das Kalenderjahr 2021. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die Vereinbarung nicht den gesetzlichen Vorgaben entspräche und die Verpflichtung deshalb nicht wirksam sei. Da der Kläger seinen ersten Tag Reservedienst in dem Kalenderjahr am 22. Februar 2021 antrat, die Verpflichtungserklärung bei dem BAPersBw jedoch erst am 8. April 2021 einging, also nicht vor dem 15. Tag des Reservedienstes, sei die Verpflichtungsvereinbarung nicht wirksam und eine Leistungsgewährung deshalb nicht möglich. Die Auffassung des Dienstleistungstruppenteils, wonach es aufgrund einer dortigen Vertretungssituation zur Verzögerung bei der Bearbeitung gekommen sei, führe zu keiner anderen Beurteilung. Der Gesetzgeber habe sich im Rahmen der Novellierung des USG zum 1. Januar 2020 bewusst dafür entschieden, die Wirksamkeit der Vereinbarung unter anderem vom Zeitpunkt des Eingangs beim BAPersBw abhängig zu machen. Hierbei habe der Verpflichtete selbst dafür Sorge zu tragen, dass die Vereinbarung vor dem 15. Tag des Reservediensts eingehe. Mag auch neben dem Reservisten die Personaladministration dessen Dienstleistungstruppenteils nach innerdienstlichen Vorgaben gehalten sein, eine Ausfertigung der Verpflichtungsvereinbarung unverzüglich an das BAPersBw zu übersenden, so könne sich der Reservist hinsichtlich der Verzögerung nicht auf ein Verschulden des Truppenteils berufen. Einen entsprechenden Hinweis enthalte auch das vom Kläger unterzeichnete Formular der Verpflichtungsvereinbarung. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift, welche der Planungssicherheit der Bundeswehr diene, sei die zeitliche Vorgabe des Eingangs der Vereinbarung bewusst als Wirksamkeitsvoraussetzung ausgestaltet worden. Gehe die Erklärung verspätet ein, verliere der Reservist seine materielle Rechtsposition.

Der Kläger hat gegen diesen Bescheid am 1. Juli 2021 (eingehend) Widerspruch erhoben. Seiner Ansicht nach sei der Zuschlag des § 13 USG zu gewähren, da dessen Voraussetzungen vorlägen bzw. deren vermeintliches Nichtvorliegen ausschließlich von der Verwaltung der Bundeswehr selbst zu vertreten sei. Hinsichtlich der verzögerten Einreichung der Verpflichtungserklärung beim BAPersBw treffe den Kläger keinerlei Verschulden, da er die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten vollständig erfüllt habe, indem er die Verpflichtungserklärung unterzeichnet am 3. Dezember 2020 bei seiner Dienststelle abgab, diese am 10. Dezember 2020 von der Dienststelle gegengezeichnet und ihm nicht zurückgesandt wurde. Zwar sehe das USG als Wirksamkeitsvoraussetzung den fristgerechten Zugang der Verpflichtungserklärung beim BAPersBw vor, mit der Novellierung des USG sei jedoch nicht eine explizite Pflichtenübertragung auf den Reservedienst Leistenden erfolgt. Dies ergebe sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der zugrundeliegenden Gesetzesbegründung. Eine eigenständige Verpflichtung des Reservedienst Leistenden für den rechtzeitigen Eingang der Verpflichtungserklärung sei nicht ersichtlich. Wäre dies gewollt gewesen, so hätte der Gesetzgeber den Reservedienst Leistenden auch direkt als Verpflichteten für die Erfüllung dieser Voraussetzung genannt, was jedoch nicht erfolgte. Entgegen den Ausführungen des Versagungsbescheides werde eine solche vermeintliche Sorgfaltspflicht auch nicht durch einen entsprechenden Hinweis in der Verpflichtungserklärung begründet. Der dort enthaltene Hinweis, dass bei kurzfristig abgeschlossenen Verpflichtungsvereinbarungen sowohl der zuständige Truppenteil als auch der Verpflichtete dafür Sorge zu tragen habe, dass die Vereinbarung vor dem 15. Tag Reservedienst im Kalenderjahr beim BAPersBw eingehe, diese ansonsten unwirksam sei, beziehe sich ausdrücklich nur auf kurzfristig abgeschlossene Verpflichtungsvereinbarungen. Zu einer solchen zähle die seitens des Klägers bereits am 3. Dezember 2020 und damit etwa elf Wochen vor dem Beginn der Reserveübung und knapp 14 Wochen vor Ablauf der Frist des § 13 Satz 2 USG unterzeichnete Vereinbarung nicht. Es möge berechtigt sein, dass bei kurzfristigen Annahmen vom Verpflichtungsangeboten auch der betreffende Reservedienst Leistende gehalten sei, sich angesichts der Kurzfristigkeit mit einzubringen und ihn daher auch eine gewisse eigene Sorgfaltspflicht neben dem zuständigen Truppenteil treffen solle, um noch rechtzeitig die Voraussetzungen für den von ihm zu beanspruchenden Zuschuss zu gewährleisten. Hiervon abweichend sei vorliegend jedoch nicht von einer Kurzfristigkeit des Abschlusses auszugehen und demnach sei auch keine eigene Sorgfaltspflicht des Klägers begründet worden. Ausweislich der Verpflichtungsvereinbarung treffe diese somit ausschließlich den zuständigen Truppenteil. Angesichts der Tatsache, dass der Truppenteil des Klägers sein Verschulden auch mit der Übersendung einräumte, sei nicht nachvollziehbar, warum dies zu Lasten des Klägers in einer Versagung der Zuschläge münden solle, die ihm zustünden. Er habe überaus rechtzeitig und den Voraussetzungen entsprechend seine Angebotsannahme Anfang Dezember 2020 erklärt und damit alles Mögliche und insbesondere Nötige getan, um die Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen. Da ihm kein Einblick in den Verwaltungsstand und -ablauf gewährt wurde, habe er auch keine Kenntnis von einer möglichen Verzögerung besessen, sodass er keine Veranlassung gehabt habe, selbst tätig zu werden bzw. den Umstand der Notwendigkeit eines eigenen Tätigwerdens überhaupt erkennen zu müssen. Da selbst im Rahmen des ihm am 11. Januar 2021 zugegangen Heranziehungsbescheids für die abgeleistete Reserveübung kein Hinweis erfolgte, dass es zu einer Verzögerung bei der Vorlage der Verpflichtungsvereinbarung beim BAPersBw komme bzw. diese noch nicht dort eingereicht wurde, sei es ihm überhaupt nicht möglich gewesen zu diesem noch rechtzeitigen Zeitpunkt, der Sache selbst nachzugehen und auf eine noch rechtzeitige Einreichung hinzuwirken. Insgesamt habe er deshalb von einem ordnungsgemäßen Verwaltungshandeln seines Truppenteils ausgehen dürfen und hierauf auch vertrauen können. Es mag zutreffend sein, dass es gesetzgeberischer Wille sei, mit der Eingangsfrist nach § 13 Satz 2 USG Planungssicherheit für das BAPersBw zu schaffen. Dies könne aber nicht das grundlegende Verständnis von Rechten und Pflichten im Rahmen verwaltungsrechtlichen Handelns zulasten des einzelnen verschieben. Damit wäre die Tür geöffnet, jegliches - selbst für den Betroffenen unerkanntes und damit nicht zu vertretenes - Nichthandeln der Verwaltung in einer Versagung von zustehenden Zuschlagsleistungen münden zu lassen. Sofern Verschulden eines Verwaltungsteils vorliege, könne dies in der Entscheidung nicht unberücksichtigt bleiben.

Mit Bescheid vom 29. Juli 2021 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen des § 13 USG lägen nicht vor, da die Verpflichtungsvereinbarung keine Wirksamkeit habe entfalten können, weil der Eingang der Vereinbarung nicht vor dem 15. Tag, sondern erst am 46. Tag des Reservedienstes im Kalenderjahr erfolgte. Insbesondere der Umstand, dass die verspätete Übermittlung der Vereinbarung nicht durch den Kläger, sondern durch dessen Dienststelle erfolgte, führe zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Mit der Neuregelung des Zuschlags für die Verpflichtung zu längerem Dienst durch Art. 22 des Bundeswehr-Einsatzbereitschaftstärkungsgesetzes (BwEinsatzBerStG) habe sich der Gesetzgeber dafür entschieden, die Wirksamkeit der Vereinbarung unter anderem vom Zeitpunkt des Eingangs beim BAPersBw abhängig zu machen. Hierbei habe der Verpflichtete selbst dafür Sorge zu tragen, dass die Vereinbarung vor dem 15. Tag des Reservedienstes eingehe. Mag auch neben dem Reservedienst Leistenden die Dienststelle nach innerdienstlichen Vorgaben gehalten sein, eine Ausfertigung der Verpflichtungsvereinbarung unverzüglich an das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr zu übersenden, so könne sich der Kläger hinsichtlich der Verzögerung nicht mit entlastender Wirkung auf ein Verschulden des Truppenteils berufen. Die zeitliche Vorgabe des Eingangs der Vereinbarung sei bewusst als Wirksamkeitsvoraussetzung ausgestaltet worden. Gehe die Erklärung verspätet ein, verliere der Reservist seine materielle Rechtsposition. Aufgrund dieser Rechtsnatur komme selbst bei unverschuldetem Versäumnis rechtzeitiger Vorlage eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 32 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) grundsätzlich nicht in Betracht. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz komme nach Treu und Glauben in Form der Nachsichtgewährung nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht. Ein solcher sei indes nicht ersichtlich. Insbesondere das Vorbringen des Klägers, dass er nach Annahme des Angebots schon mangels eigener Ausfertigung der Verpflichtungsvereinbarung oder Einblickmöglichkeit in den Stand des Verfahrens keine Einflussmöglichkeit gehabt habe, führe nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung, da er die Möglichkeit gehabt habe, sich über den fristgerechten Eingang der Verpflichtungsvereinbarung bei dem Beklagten zu erkundigen. Auch der Hinweis auf dem vom Kläger unterzeichneten Formblatt, dass bei kurzfristig abgeschlossenen Verpflichtungsvereinbarungen sowohl der zuständige Truppenteil als auch der Verpflichtete dafür Sorge zu tragen haben, dass die Vereinbarung vor dem 15. Tag des Reservedienstes im Kalenderjahr beim BAPersBw eingehe, sei nicht geeignet, die gesetzliche Wirksamkeitsvoraussetzung des Zugangszeitpunkts bei der Rechtsanwendung zu unterlaufen. Insbesondere lasse die Formulierung des Hinweises nicht den alleinigen Schluss zu, dass bei nicht kurzfristig abgeschlossenen Verpflichtungsvereinbarungen allein der Dienstleistungstruppenteil für die zeitgerechte Übermittlung verantwortlich sei. Nach dem Wortsinn könne man gleichermaßen den Standpunkt vertreten, dass der Reservedienst Leistende in diesem Falle für den zeitgerechten Eingang verantwortlich sei. Letztlich komme es jedoch hierauf bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Verpflichtungsvereinbarung auch nicht an, weil die Anspruchsvoraussetzung des Zugangs bis spätestens am 14. Tag des Reservedienstes im Kalenderjahr im Falle des Klägers nicht erfüllt wurde. Zwar sei es richtig, dass im Gesetzeswortlaut des § 13 USG selbst nicht klargestellt werde, dass der Reservedienst Leistende für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen Sorge zu tragen habe. Allerdings ergebe sich dies schon aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben, welcher auch im öffentlichen Recht Anwendung finde. Hiernach habe der Anspruchsinhaber selbst dafür Sorge zu tragen, dass die Anspruchsvoraussetzungen eintreten. Bediene er sich dabei der Hilfe Dritter, habe er ein Verschulden dieser wie sein eigenes Verschulden zu vertreten. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 13 USG stehe dem Kläger kein Anspruch auf den Zuschlag für die Verpflichtung zu längerem Dienst für das Jahr 2021 zu. Vielmehr stehe ihm der mit Änderungsbescheid vom 21. April 2021 gewährte Zuschlag für längeren Dienst nach § 12 USG zu, der dem Kläger in Form des Höchstbetrages von 700,00 € auch bereits ausgezahlt wurde.

Der Kläger hat gegen den Widerspruchsbescheid am 25. August 2021 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Der Kläger habe seinen Dienstleistungstruppenteil nicht um einen Gefallen gebeten, das Formblatt an das BAPersBw weiterzuleiten, sondern dies sei vielmehr regelmäßige Praxis gewesen. Der Kläger habe davon ausgehen können, dass, wie bisher, das Formblatt ordnungsgemäß an das BAPersBw weitergeleitet werde. Der Kläger habe nicht zu vertreten, dass das Büro der Dienststelle wegen der Corona-Epidemie zeitweise nicht besetzt war. Wegen der Corona-Epidemie habe ohnehin ein Ausnahmezustand hinsichtlich der Einhaltung von Fristen geherrscht, ohne dass der Kläger habe erkennen können, dass ausgerechnet seine Dienststelle die Weiterleitung des Formblattes vergessen bzw. verzögern würde. Der Kläger habe auch gar keine Veranlassung gehabt, sich bei der Dienststelle erkundigen zu müssen, ob das Formblatt weitergeleitet worden sei, weil er nicht habe wissen können, dass das Büro nicht besetzt war. Mit der Übergabe des Formblatts auf seiner Dienststelle habe der Kläger alles getan, um dieses dem BAPersBw rechtzeitig zukommen zu lassen. Er habe deswegen darauf vertrauen dürfen, dass die Dienststelle das Formblatt wie jedes Jahr ordnungsgemäß weiterleiten würde.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 2. Juni 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2021 aufzuheben und dem Kläger einen restlichen Zuschlag für die Verpflichtung zu längerem Dienst nach § 13 USG für das Kalenderjahr 2021 in Höhe von noch 770,00 € zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt er zur Vermeidung von Wiederholungen auf seinen Widerspruchsbescheid Bezug. Insbesondere lasse der eindeutige Wortlaut des § 13 USG keine andere Auslegung zu. Wie dem Gesetzeswortlaut zu entnehmen sei, stelle der Eingang der Verpflichtungsvereinbarung beim BAPersBw vor dem 15. Tag des Reservedienstes eine materielle Anspruchsvoraussetzung dar. Da der Eingang der Vereinbarung und somit die Annahme des Verpflichtungsangebotes nicht vor dem 15. Tag, sondern erst am 46. Tag des Reservedienstes des Klägers erfolgte, habe die Verpflichtungsvereinbarung für den Zeitraum der Übung vom 22. Februar 2021 bis zum 16. April 2021 keine Wirksamkeit im Sinne des § 13 USG entfalten können. Der Gesetzgeber habe sich im Rahmen der Neuregelung des Zuschlags für die Verpflichtung zu längerem Dienst bewusst dafür entschieden, die Wirksamkeit der Vereinbarung unter anderem vom fristgerechten Eingang der Verpflichtungserklärung beim BAPersBw abhängig zu machen. Jeder Reservedienst Leistende habe daher eigenverantwortlich Sorge zu tragen, dass eine Ausfertigung der Verpflichtungsvereinbarung vor dem 15. Tag des Reservedienstes beim BAPersBw eingehe. Hinsichtlich einer Verzögerung könne sich ein Reservist dabei nicht auf ein Verschulden des Truppenteils berufen. Selbst der diesbezügliche Vortrag der Dienststelle des Klägers führe nicht zu einer anderen Bewertung. Der verspätete Eingang führe vielmehr zwangsläufig zum Verlust der materiellen Rechtsposition.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Vorliegend konnte das Gericht nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihren Verzicht auf die mündliche Verhandlung erklärt haben.

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 2. Juni 2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2021 ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf den Zuschlag für die Verpflichtung zu längerem Dienst nach § 13 USG für das Jahr 2021.

Nach § 13 USG erhalten Reservedienst Leistende, die sich vor dem ersten Tag eines Reservedienstes aufgrund eines entsprechenden Angebots verpflichtet haben, in einem Kalenderjahr mindestens 33 Tage Reservedienst zu leisten, nach Erfüllung der Verpflichtung einen Zuschlag von 35,00 € je Tag, höchstens jedoch 1.470,00 € im Kalenderjahr. Eine Verpflichtung ist hierbei nur dann wirksam, wenn erstens die Annahme des Verpflichtungsangebots vor dem 15. Tag Reservistendienst im Kalenderjahr beim Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) eingeht und zweitens im Kalenderjahr nicht bereits Leistungen nach § 12 USG gewährt worden sind.

Diese Voraussetzungen des § 13 USG liegen indes nicht vor, da die Verpflichtungsvereinbarung keine Wirksamkeit entfalten konnte, weil der Eingang der Vereinbarung nicht vor dem 15. Tag, sondern erst am 46. Tag des Reservistendienstes im Jahr 2021 erfolgte. Dabei führt der Umstand, dass die verspätete Übermittlung der Vereinbarung nicht durch den Kläger, sondern durch dessen Dienststelle erfolgte, zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Mit der Neuregelung des Zuschlags für die Verpflichtung zu längerem Dienst durch Art. 22 des Bundeswehr-Einsatzbereitschaftstärkungsgesetzes (BwEinsatzBerStG) hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, die Wirksamkeit der Vereinbarung unter anderem vom Zeitpunkt des Eingangs beim BAPersBw abhängig zu machen. Hierbei hat der Verpflichtete selbst dafür Sorge zu tragen, dass die Vereinbarung vor dem 15. Tag des Reservistendienstes bei dem BAPersBw eingeht. Ohne Bedeutung ist dabei, dass neben dem Reservedienst Leistenden die Dienststelle des Reservedienst Leistenden nach innerdienstlichen Vorgaben gehalten ist, eine Ausfertigung der Verpflichtungsvereinbarung unverzüglich an das BAPersBw zu übersenden. Denn der Reservedienst Leistende – hier der Kläger – kann sich hinsichtlich der Verzögerung nicht mit entlastender Wirkung auf ein Verschulden des Truppenteils berufen.

Die zeitliche Vorgabe des Eingangs der Vereinbarung ist nach dem Willen des Gesetzgebers bewusst als Wirksamkeitsvoraussetzung ausgestaltet worden. Geht die Erklärung verspätet ein, verliert der Reservedienst Leistende seine materielle Rechtsposition. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nach Treu und Glauben in Form der Nachsichtgewährung nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht. Ein solcher Ausnahmefall liegt indes nicht vor. Ein solcher ist weder darin zu sehen, dass der Kläger nach Annahme des Angebots schon mangels eigener Ausfertigung der Verpflichtungsvereinbarung oder Einblickmöglichkeit in den Stand des Verfahrens keine Einflussmöglichkeit gehabt habe, da er selbstverständlich jederzeit die Möglichkeit hatte, sich (rechtzeitig) bei seiner Dienststelle oder dem BAPersBw zu informieren, ob die Verpflichtungsvereinbarung zwischenzeitlich eingegangen ist oder sich eine eigene Ausfertigung der Verpflichtungsvereinbarung aushändigen zu lassen, um diese nötigenfalls dem BAPersBw zukommen zu lassen. Auch das Vorbringen des Klägers wegen der Corona-Epidemie habe ohnehin ein Ausnahmezustand hinsichtlich der Einhaltung von Fristen geherrscht, ohne dass der Kläger habe erkennen können, dass ausgerechnet seine Dienststelle die Weiterleitung des Formblattes vergessen bzw. verzögern würde und er habe gar keine Veranlassung gehabt, sich bei der Dienststelle erkundigen zu müssen, ob das Formblatt weitergeleitet worden sei, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Zwar mag es zutreffen, dass der Kläger nicht wusste, dass das Büro seiner Dienststelle zeitweilig nicht besetzt war. Dem Kläger kann aber schlechterdings nicht entgangen sein, dass aufgrund der herrschenden pandemischen Lage, große Teile des öffentlichen Lebens nur verlangsamt stattfanden oder gar stillstanden. In dieser Situation hatte der Kläger im wohlverstandenen Eigeninteresse hinreichend Anlass, sich über den fristgemäßen Zugang der Verpflichtungsvereinbarung beim BAPersBw Kenntnis zu verschaffen. Dem hat er sich verschlossen.

Auch der Hinweis auf dem vom Kläger unterzeichneten Formblatt, dass bei kurzfristig abgeschlossenen Verpflichtungsvereinbarungen sowohl der zuständige Truppenteil als auch der Verpflichtete dafür Sorge zu tragen habe, dass die Vereinbarung vor dem 15. Tag des Reservedienstes im Kalenderjahr beim BAPersBw eingehe, ist nicht geeignet, die gesetzliche Wirksamkeitsvoraussetzung des Zugangszeitpunkts bei der Rechtsanwendung zu unterlaufen. Insbesondere lässt die Formulierung des Hinweises nicht den vom Kläger vertretenen alleinigen Schluss zu, dass bei nicht kurzfristig abgeschlossenen Verpflichtungsvereinbarungen allein der Dienstleistungstruppenteil für die zeitgerechte Übermittlung verantwortlich sei. Nach dem Wortsinn lässt sich vielmehr gut vertreten, dass der Reservedienst Leistende in diesem Falle für den zeitgerechten Eingang verantwortlich ist. Zwar trifft es zu, dass im Gesetzeswortlaut des § 13 USG selbst nicht klargestellt wird, dass der Reservedienst Leistende für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen Sorge zu tragen hat. Allerdings folgt schon aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben, welcher auch im öffentlichen Recht Anwendung findet, dass ein Anspruchsinhaber selbst dafür Sorge zu tragen hat, dass die Anspruchsvoraussetzungen eintreten. Bedient er sich dabei der Hilfe Dritter, hat er ein Verschulden dieses Dritten wie sein eigenes Verschulden zu vertreten.

Der Einzelrichter teilt indes nicht die Auffassung des Beklagten, dass aufgrund der Rechtsnatur des § 13 USG selbst bei (angenommenen) unverschuldetem Versäumnis rechtzeitiger Vorlage eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 32 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) grundsätzlich nicht in Betracht komme. Welcher Auffassung der Vorzug zu geben ist, kann aber dahingestellt bleiben, da die Voraussetzungen des § 32 VwVfG jedenfalls nicht erfüllt waren.

Nach § 32 Abs. 1 VwVfG ist demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf dessen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wobei das Verschulden eines Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen ist. Nach § 32 Abs. 2 VwVfG ist ein derartiger Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen und die versäumte Handlung nachzuholen. Der Kläger hat zwar hier die sich aus § 13 USG für den Eingang der Verpflichtungsvereinbarung bei dem BAPersBw ergebende Frist versäumt, da diese nicht vor dem 15. Tag Reservistendienst dort eingegangen ist. Selbst wenn man hier die Auffassung verträte, dass der verspätete Zugang nicht vom Kläger verschuldet sei und man weiterhin den vom Kläger eingelegten Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 2. Juni 2021 auch als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auslegte, wäre dem Kläger gleichwohl die Wiedereinsetzung nicht zu gewähren gewesen. Die Zweiwochenfrist des § 32 Abs. 2 VwVfG, binnen derer der Antrag auf Wiedereinsetzung zu stellen und die versäumte Handlung nachzuholen ist, beginnt mit dem Wegfall des Hindernisses, d. h. mit dem Zeitpunkt, in dem dem Betroffenen die Fristversäumung und der Wegfall des Hindernisses bekannt wurde oder bekannt hätte sein können und müssen, wenn er die erforderliche Sorgfalt bei der Beachtung und Prüfung der Erfordernisse der Fristwahrung angewandt hätte und er demgemäß frühestens in der Lage war, den Wiedereinsetzungsantrag zu stellen (Kopp/Ramsauer, VwVfG21., § 32 Rn. 43). Diese Frist von zwei Wochen hat der Kläger indes nicht gewahrt. Dem Kläger ist der Bescheid vom 2. Juni 2021 nach seinen eigenen Angaben (Beiakte 001 Bl. „3D“) am 5. Juni 2021 – einem Sonnabend – zugegangen. In diesem Bescheid wurde der Kläger davon in Kenntnis gesetzt, dass die Verpflichtungserklärung nicht bis zum 15. Tag der Reservedienstleistung bei dem BAPersBw eingegangen ist. Da das Fristende der zwei Wochen an sich auf Sonnabend, den 19. Juni 2021 fiel (§ 31 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB), konnte der Kläger gemäß § 31 Abs. 3 VwVfG noch bis einschließlich Montag, den 21. Juni 2021 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellen. Selbst wenn man, wie ausgeführt, den Widerspruch des Klägers vom 28. Juni 2021 gegen den Ausgangsbescheid vom 2. Juni 2021 auch als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wertet, ist die Zweiwochenfrist nicht gewahrt, weil der Widerspruch des Klägers bei dem Beklagten erst am 1. Juli 2021 eingegangen ist (Beiakte 001, Bl. „3D“).

Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen (§ 32 Abs. 2 Satz 4 VwVfG) lagen ebenfalls nicht vor. Nach § 32 Abs. 2 Satz 4 VwVfG kann bzw. muss (zu Letzterem: Kopp/Ramsauer, VwVfG21., § 32 Rn. 50) die Behörde Wiedereinsetzung von Amts wegen gewähren, wenn die versäumte Rechtshandlung innerhalb der für einen Antrag geltenden Frist nachgeholt wird und Wiedereinsetzungsgründe entweder glaubhaft gemacht wurden oder der Behörde – wie hier – ohnehin bekannt sind. Damit ist eine Wiedereinsetzung auch dann möglich, wenn der Betroffene von der Versäumung der Frist keine Kenntnis hatte. Der Betroffene braucht in diesem Fall auch dann keinen Antrag zu stellen, wenn er nachträglich von der Verspätung Kenntnis erlangt; aus demselben Grund ist in diesem Fall auch ein verspäteter Wiedereinsetzungsantrag unschädlich (Kopp/Ramsauer, VwVfG21., § 32 Rn. 47). Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen scheiterte hier indes daran, dass die versäumte Rechtshandlung – hier der Eingang der Verpflichtungsvereinbarung beim BAPersBw – nicht innerhalb der für einen Antrag geltenden Frist von zwei Wochen nachgeholt wurde. Nach § 13 USG muss die Verpflichtungsvereinbarung um Wirksamkeit zu erlangen vor dem 15. Reservistentag bei dem BAPersBw eingehen. Der Kläger hat seinen Reservistendienst im Jahr 2021 am 22. Februar 2021 begonnen, sodass die Verpflichtungsvereinbarung vor dem 8. März 2021 hätte eingehen müssen. Eingegangen ist die Verpflichtungsvereinbarung bei dem BAPersBw jedoch erst am 8. April 2021, womit die versäumte Rechtshandlung nicht innerhalb der für den Antrag geltenden Frist von zwei Wochen nachgeholt wurde, sodass trotz Kenntnis der Behörde und fehlender Kenntnis des Klägers von diesem Umstand, eine Wiedereinsetzung von Amts wegen ausschied.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung war gemäß §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen.