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  • ab 07.07.2021 (aktuelle Fassung)

Abschnitt 4 RFErl - Zuständigkeiten und Regelungen für die Vorbereitung und den Vollzug von Abschiebungen

Bibliographie

Titel
Rechtliche Hinweise und verfahrensmäßige Vorgaben zur Organisation und Durchführung des Rückführungs- und Rücküberstellungsvollzugs (Abschiebung) und zur Beantragung von Abschiebungshaft (Rückführungserlass)
Redaktionelle Abkürzung
RFErl,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
26100

4.1 Zuständigkeiten bei der Vorbereitung der Abschiebung

4.1.1 Kommunale Ausländerbehörden

Die Landkreise, kreisfreien Städte, großen selbständigen Städte, Region Hannover, Landeshauptstadt Hannover und Stadt Göttingen (Ausländerbehörden) nehmen gemäß § 71 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 2 Nr. 1 AllgZustVO-Kom für die sich in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich aufhaltenden ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländer, mit Ausnahme der Ausländerinnen und Ausländer die in einer Landesaufnahmeeinrichtung wohnen oder zu wohnen verpflichtet sind, die Aufgaben nach dem AufenthG und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen wahr. Diese umfasst die Information zur freiwilligen Ausreise und die Vorbereitung der Rückführung einschließlich der Erstellung von Rückübernahmeersuchen. Dazu gehört auch die Prüfung, ob ein besonderer Betreuungsaufwand für die zurückzuführenden Personen vor und während der Abschiebung einschließlich einer weiteren Betreuung und Versorgung im Heimatland notwendig wird. Den Ausländerbehörden obliegt es auch, ggf. die notwendigen Kontakte zur deutschen Auslandsvertretung im Aufnahmestaat und über diese zu den dortigen Behörden und Institutionen zur Aufnahme und Betreuung der zurückzuführenden Person herzustellen.

Die Ausländerbehörden sind auch zuständig für die Beantragung der Abschiebungshaft und die Überwachung, ob für die Dauer der Inhaftierung die Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebungshaft unverändert fortbestehen. Liegen die Voraussetzungen nicht mehr vor, hat die Ausländerbehörde unverzüglich die Aufhebung des Haftbeschlusses zu beantragen. Im Übrigen kann die Behörde gemäß § 424 Abs. 1 Satz 3 FamFG den Vollzug der Abschiebungshaft für eine Dauer von bis zu einer Woche aussetzen.

4.1.2 Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI)

Die LAB NI erfüllt die Aufgabe als zuständige Ausländerbehörde gemäß § 71 Abs. 1 AufenthG für die Ausländerinnen und Ausländer, die in einer Landeseinrichtung wohnen oder zu wohnen verpflichtet sind. Sie ist zudem landesweites Kompetenzzentrum zur Förderung der freiwilligen Rückkehr. Darüber hinaus ist sie zur Unterstützung der in Nummer 4.1.1 genannten Ausländerbehörden zuständig für die

  • Durchführung identitätsklärender Maßnahmen auf Antrag der Ausländerbehörden in Amtshilfe, einschließlich der Organisation und Mitwirkung an Anhörungen durch ausländische Experten zur Feststellung der Identität von ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländern, deren Identität ungeklärt ist; die Unterstützung der Ausländerbehörden bei der Beschaffung von Passersatzpapieren und sonstiger standesamtlicher Urkunden im Rahmen der Amtshilfe,

  • Entgegennahme, Prüfung und Weiterleitung von Rückübernahmeersuchen, an die zuständigen Behörden des zur Rückübernahme verpflichteten Staates, die Führung des erforderlichen Schriftwechsels mit den konsularischen Vertretungen und den zuständigen Behörden, die Überwachung der eingehenden Rückübernahmezusagen und der zugesagten Pässe oder Passersatzpapiere,

  • Beratung und Unterstützung der kommunalen Ausländerbehörden in Rückführungsangelegenheiten,

  • Buchung der Flüge für Abschiebungen, Zurückschiebungen und Überstellungen im Dublin-Verfahren auf dem Luftweg einschließlich Organisation und Flugbuchung für begleitendes medizinisches Personal und Sicherheitsbegleitung,

  • Kontaktaufnahmen, z. B. mit der Bundespolizei, den Fluggesellschaften, den deutschen Auslandsvertretungen oder den Behörden und Einrichtungen im Aufnahmestaat, wenn dieses im Einzelfall unmittelbar vor oder während einer Abschiebung erforderlich wird,

  • Durchführung der Abschiebungen, Zurückschiebungen und Überstellungen nach der Dublin III-Verordnung auf dem Luft- oder dem Landweg einschließlich der Beförderung und Begleitung der abzuschiebenden Personen von deren Wohnung oder aus der Haftanstalt zum Flughafen oder zur Grenzübergabestelle und

  • Erhebung aller Kosten gemäß § 66 AufenthG, die bei den an den Abschiebungen beteiligten Behörden entstanden sind sowie für die Erstellung und Zustellung der Kostenbescheide an die Kostenschuldner.

4.2 Zuständigkeiten während des Vollzuges der Abschiebung

Die Zuständigkeit der LAB NI für die Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen umfasst

  • bei Landabschiebungen die Festlegung des Termins, des Zeitpunktes der Abholung unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Fahrzeit zur Grenzübergabestelle,

  • bei Flugabschiebungen nach Mitteilung des konkreten Abschiebungstermins die Festlegung des Zeitpunktes der Abholung unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Fahrzeit zum Flughafen,

  • die Ermittlung des voraussichtlichen Einsatzkräftebedarfs der LAB NI für die Abholung der abzuschiebenden Personen und deren Transport,

  • die Bereitstellung der erforderlichen Fahrzeuge und Transportkapazitäten einschließlich der Bereitstellung von geeigneten Behältnissen für den Gepäcktransport im Bedarfsfall,

  • die Abholung der Ausreisepflichtigen aus der Wohnung, einer Gemeinschaftsunterkunft oder einer Haftanstalt (Abschiebungshafteinrichtung oder Strafhaft), wobei es der LAB NI auch obliegt, die Ausreisepflichtigen aufzufordern, sich der Abschiebung zu stellen

  • den Transport von Personen und Gepäck zum Flughafen oder zur Grenzübergabestelle,

  • die Übergabe der ausreisepflichtigen Personen an die Bundespolizeidienststelle am Flughafen oder an die Behörden des Aufnahmestaates bei Landabschiebungen,

  • das Bereithalten eines Bargeldbetrages, um im Bedarfsfall der oder dem Ausreisepflichtigen einen angemessenen Betrag zur Organisation ihrer oder seiner Weiterreise im Heimatland auszahlen zu können; der Bargeldbetrag dient nur dem Zweck, die Abschiebung sicherzustellen; es gelten folgende Höchstbeträge: 50,00 EUR pro erwachsener Einzelperson, 150,00 EUR pro Familie; Überstellungen nach der Dublin III-Verordnung sind grundsätzlich von dieser Regelung ausgenommen,

  • die Organisation des Rücktransports der ausreisepflichtigen Person im Fall einer gescheiterten Abschiebung auf dem Luftweg oder einer gescheiterten Übergabe an die Behörden des Aufnahmestaates,

  • die Dokumentation und statistische Erfassung der Abschiebungsersuchen, der Abschiebungsversuche, differenziert nach den jeweiligen Gründen für eine Stornierung oder einen Abbruch einer Maßnahme, sowie der durchgeführten Abschiebungen,

  • die Erhebung der durch die Abschiebungsmaßnahme entstandenen Kosten sowie die Übersendung der erforderlichen Nachweise an die Kostenstelle zur dortigen Zusammenstellung der entstandenen Kosten sowie

  • in den Fällen, in denen keine Vertreterin oder kein Vertreter der kommunalen Ausländerbehörde während des Abschiebungsvollzuges anwesend oder telefonisch erreichbar ist, die Entscheidung über den Abbruch der Maßnahme aus Gründen, die nicht die originäre Zuständigkeit der Polizei betreffen.

Die Polizei leistet regelmäßig Vollzugshilfe

  • beim Transport der Ausreisepflichtigen in oder durch andere Bundesländer, in denen Verwaltungsvollzugsbeamte der LAB NI über keine Befugnisse zur Anwendung des unmittelbaren Zwangs verfügen,

  • in Fällen, in denen aufgrund der Gefahrenprognose polizeiliche Unterstützung erforderlich werden könnte, z. B. bei zu erwartendem Widerstand und

  • sofern eine Rückführung oder Rücküberstellung mit eigenen Kräften seitens der LAB NI nicht durchführbar ist.

Die LAB NI stellt hierfür an die Polizei ein schriftliches Vollzugshilfeersuchen (§ 52 Abs. 1 NPOG). Dieses Vollzugshilfeersuchen ist unverzüglich nach Erhalt des von der Flugbuchungsstelle übersandten Abschiebungsauftrags zu stellen.

Im Rahmen der von der Polizei zu leistenden Vollzugshilfe entscheidet die Polizei über den Einsatzkräftebedarf und die polizeilichen Maßnahmen, die zur Erfüllung der Vollzugshilfe erforderlich sind. Wird die Polizei im Rahmen der Vollzugshilfe ersucht, die vollständige Durchführung der Abschiebung zu übernehmen, ohne dass Verwaltungsvollzugsbeamtinnen und Verwaltungsvollzugsbeamte an der Maßnahme beteiligt sind, so sind der zuständigen Polizeidienststelle alle für die Durchführung der Maßnahme erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Diese Informationen sind unmittelbar nach Erhalt des von der Flugbuchungsstelle übersandten Abschiebungsauftrags zu übermitteln. Bei Überstellungen auf dem Landweg sind diese Informationen unverzüglich nach Terminierung für die Übergabe weiterzuleiten.

Außer Kraft am 1. Januar 2027 durch Nummer 10 Satz 1 des Runderlasses vom 7. Juli 2021 (Nds. MBl. S. 1158)