Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.04.2012, Az.: 14 K 336/10

Schulgeldzahlung für ein Auslandsschuljahr als Sonderausgabe bei Vergleichbarkeit von Schulabschlüssen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
17.04.2012
Aktenzeichen
14 K 336/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 38473
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2012:0417.14K336.10.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 20.08.2014 - AZ: X R 17/13

Fundstellen

  • BFH/PR 2013, 7
  • DStR 2014, 6
  • DStRE 2014, 1295-1296
  • IStR 2014, 822-823

Tatbestand

1

Die Kläger sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt.

2

Die Kläger hatten für ihren Sohn M Anspruch auf Kindergeld. In der Zeit von August 2008 bis Juli 2009 verbrachte er in England ein Auslandsschuljahr. Dies wurde dem Kläger von der Gesamtschuldirektorin der Gesamtschule S in O mit einer Bescheinigung vom 25.11.2009 bestätigt. In England besuchte der Sohn der Kläger das Wycliffe College, Stonehouse, Gloucestershire. Für das Sommerhalbjahr 2009 wurde ihm ein Schulzeugnis erteilt, auf das Bezug genommen wird. Bei dem Wycliffe College handelt es sich um eine englische Privatschule, die auf AS- und AL-Prüfungen vorbereitet. Schulabschlüsse wurden im britischen Schulsystem nicht von den Schulen, sondern von im Einzelnen bestimmten Prüfungszentren vergeben. Wie die Schulabschlüsse im Einzelnen und als Hochschulzugangsberechtigung (HZB) in der Bundesrepublik anerkannt wurden, ergibt sich aus den Bewertungsvorschlägen der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (BV).

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Das Wycliffe College hielt das Angebot der Vorbereitung auf die AL- und AS-Prüfungen vor. Die Schulleiterin der Gesamtschule S bestätigte mit einer Bescheinigung vom 27. Juli 2010, dass das Wycliffe College zu einem regulären britischen Abitur (A Level course) führe. Mit einer weiteren Bescheinigung vom 7. Februar 2012 bescheinigte sie darüber hinaus, dass der Sohn der Kläger im August 2009 an der Gesamtschule F in die 11. Klasse wieder eingestiegen sei und bei einem entsprechenden Notenbild auch im 12. Jahrgang hätte einsteigen können. Nach einer vom Gericht eingeholten schriftlichen Auskunft der Gesamtschuldirektorin der Gesamtschule S vom 20.03.2012 besuchte der Sohn der Kläger am Wycliffe College nicht alle Kurse, die in der Fächerbreite dem BV entsprachen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheinigungen und die schriftliche Auskunft verwiesen.

4

Die Kläger hatten im Streitjahr für den Besuch ihres Sohnes am Wycliffe College Schulgeld in Höhe von 8.348 € bezahlt. In ihrer Einkommensteuererklärung 2008 machten sie hiervon 30% (2.504,40 €) als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 Einkommensteuergesetz (EStG) geltend. Der Beklagte erkannte die Schulgeldzahlungen nicht als Sonderausgaben an und setzte die Einkommensteuer entsprechend fest. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.

5

Die Kläger sind der Auffassung, das Wycliffe College führe zu einem regulären britischen Abitur. Damit lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung der Schulgeldzahlungen als Sonderausgaben vor. Am Wycliffe College könnten die Abschlüsse "General Certificate of Education - Advanced Level" (GCE AL) und "General Certification of Education - Advanced Subsidiary Level" (GCE AS) erworben werden. Dies werde auch von der internationalen Schulberatungsstelle bestätigt. Der Abschluss "General Certificate of Secondary Education" (GCSE) sei einem deutschen Realschulabschluss vergleichbar. Soweit im Anschluss daran die Schule weitere zwei Jahre besucht werde, könne der "General Certificate of Education - Advanced Level" erworben werden. Dieser weitere Schulbesuch sei mit der Sekundarstufe II (Oberstufe) in Deutschland vergleichbar. Der "General Certificate of Education - Advanced Level" sei mit der deutschen Hochschulzugangsberechtigung (Abitur) vergleichbar.

6

Aus den Zeugnissen des Wycliffe Colleges für den Sohn der Kläger sei zu entnehmen, dass er Unterrichtsfächer besucht habe, die die Grundvoraussetzungen der Zeugnisanerkennungsstelle erfüllen. Wenn er in den belegten Fächern die AL- und AS-Prüfung abgelegt hätte, hätte er in Deutschland eine Hochschulzugangsberechtigung erlangt. Damit werde der Abschluss von einer inländischen Zeugnisanerkennungsstelle als allgemeinbildender Abschluss anerkannt. Soweit die Finanzverwaltung, insbesondere mit BMF-Schreiben vom 9. März 2009 (IV C 4-S-2221/07/0007) weitere Voraussetzungen aufstelle, ergäben sich diese nicht aus dem Gesetz.

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Die Kläger beantragen,

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den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 22. April 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. November 2010 dahingehend zu ändern, dass Schulgeldzahlungen in Höhe von 2.504,40 € als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG berücksichtigt werden,sowie die Notwendigkeit der Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

11

Der Beklagte ist der Auffassung, dass das Wycliffe College zwar zu einem inländischen Abschluss an einer öffentlichen Schule als gleichwertig anerkannten allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss führe. Der Sohn der Kläger habe jedoch nicht die entsprechenden Kurse belegt gehabt, die Voraussetzung für einen Abschluss seien, der zu einem vergleichbaren inländischen Abschluss führe. Dementsprechend sei von der für die Ausstellung einer Bescheinigung zuständigen Gesamtschuldirektorin auch keine entsprechende Bescheinigung ausgestellt worden.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

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1. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG sind 30% des Entgelts, höchstens 5.000 €, das der Steuerpflichtige für ein Kind, für das er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 oder auf Kindergeld hat, für dessen Besuch einer Schule in freier Trägerschaft oder einer überwiegend privat finanzierten Schule entrichtet, mit Ausnahme des Entgelts für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung als Sonderausgabe abzugsfähig. Voraussetzung ist ferner, dass die Schule in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat belegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, und die Schule zu einem von dem zuständigen inländischen Ministerium eines Landes, von der Kultusministerkonferenz der Länder oder von einer inländischen Zeugnisanerkennungsstelle anerkannten oder einem inländischen Abschluss an einer öffentlichen Schule als gleichwertig anerkannten, allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss führt. Der Besuch einer anderen Einrichtung, wie auf einem Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss im Sinne des Satzes 2 ordnungsgemäß vorbereitet, steht einem Schulbesuch im Sinne des Satzes 1 gleich.

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2. Die Voraussetzungen für die Anerkennung der von den Klägern geleisteten Schulgeldzahlungen liegen nicht vor.

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a) Die mit der Anerkennung der Vergleichbarkeit des Schulabschlusses verbundene schulrechtliche Beurteilung erfolgt durch die Kultusministerien der Bundesländer, die Kultusministerkonferenz oder eine inländische Zeugnisanerkennungsstelle. Die Entscheidung erfolgt für die Finanzämter mit bindender Wirkung (vgl. BFH, Urteil vom 14.12.2004 XI R 32/03, BStBl II 2005, 516). Die Bindungswirkung ergibt sich aus § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung - AO - (Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rz. 1453; Stephan, in: Littmann/Bitz/Pust § 10 Rdnr. 377; Schaffhausen/Plenker, DStR 2009, 1123 (1124f)). Ein eigenes Prüfungsrecht der Finanzbehörden besteht nicht (Kirchhof/Söhn/Mellinghof, EStG, § 10 Rz. L 52).

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In Niedersachsen gibt es keine inländische Zeugnisanerkennungsstelle. Zuständig für die Prüfung und Feststellung der Vergleichbarkeit der Abschlüsse nach schulrechtlichen Kriterien sind die jeweiligen Schulleiterinnen und Schulleiter.

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b) Die Kläger haben keine von den genannten Institutionen erteilte Bescheinigung vorgelegt, aus der sich ergibt, dass das Wycliffe College zu einem anerkannten oder einem inländischen Abschluss an einer öffentlichen Schule als gleichwertig anerkannten allgemein bildenden oder berufsbildenden Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss führt. Da nach dem Gesetz für die Bescheinigung des adäquaten Schulabschlusses ausschließlich die dafür im Gesetz genannten zuständigen staatlichen Stellen berufen sind, konnte der Beklagte auch nicht durch die Erklärung, dass die Voraussetzungen der Vergleichbarkeit des Schulabschlusses vorliegen, auf die Vorlage der Bescheinigung verzichten.

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c) Das Gericht teilt zwar die Auffassung der Kläger, dass es nach dem Gesetz darauf ankomme, dass die Schule zu einem gleichwertigen oder als gleichwertig anerkannten Abschluss führt bzw. darauf vorbereitet, nicht aber darauf, ob der Schüler die belegten Kurse tatsächlich besucht hat und der Besuch der Kurse erfolgreich war. Erforderlich wäre aber zumindest, dass alle Kurse belegt wurden, die für die Erlangung des Abschlusses notwendig hätten belegt werden müssen. Diesen Nachweis haben die Kläger nicht erbracht. Aus der Auskunft der Gesamtschuldirektorin der Gesamtschule S vom 20.03.2012 ergibt sich vielmehr, dass der Sohn der Kläger am Wycliffe College nicht alle hierfür erforderlichen Kurse belegt hatte. Insofern konnte den Klägern der Sonderausgabenabzug auch nicht durch die Anerkennung des Beklagten über die Vergleichbarkeit des Schulabschlusses zugestanden werden, unabhängig davon, dass nach dem Gesetz für die Bescheinigung des adäquaten Schulabschlusses ausschließlich die dafür im Gesetz genannten zuständigen staatlichen Stellen berufen sind.

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d) Die Kläger haben zwar im Einzelnen dargelegt, welche Kurse ihr Sohn an dem College besuchte und was Voraussetzung für einen Abschluss ist. Gleichwohl kann das Gericht trotz dieser Angaben nicht selbstständig über die Anerkennung des Schulabschlusses entscheiden, da dies, wie dargelegt, ausschließlich den im Einzelnen benannten zuständigen Stellen vorbehalten bleibt.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).