Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 25.09.2014, Az.: 10 B 11073/14

Bulgarien; Dublin III VO Bulgarien; Rücküberstellung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
25.09.2014
Aktenzeichen
10 B 11073/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 42558
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Gegenwärtig (Stand: 25. September 2014) sind keine systemischen Mängel im Asylsystem Bulgariens erkennbar, die eine generelle Aussetzung von Rücküberstellungen nach den Dublin-Verordnungen nach Bulgarien gebieten.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anordnung seiner Abschiebung nach Bulgarien im Rahmen eines sog. Dublin-III-Verfahrens.

Der G. geborene Antragsteller ist nach eigenen Angaben ruandischer Staatsangehöriger und reiste am 18. Mai 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 22. Mai 2014 stellte er einen Asylantrag. In der Anhörung bei dem Antragsgegner gab der Antragsteller an, er habe zunächst in der Türkei gelebt. Im November 2012 sei er nach Bulgarien und nach einem halben Jahr weiter nach Ungarn gereist. Nach einem weiteren halben Jahr sei er von Ungarn nach Deutschland gereist.

Die Überprüfung der Fingerabdrücke des Antragstellers im EURODAC-System ergab, dass er am 27. Februar 2013 in Bulgarien und am 7. November 2013 in Ungarn um Asyl nachgesucht hatte. Das Bundesamt richtete daher unter dem 2. Juli 2014 ein Übernahmeersuchen an Bulgarien. Die bulgarischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 18. Juli 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags.

Mit Bescheid vom 18. Juli 2014 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung nach Bulgarien an. Dieser Bescheid wurde dem Antragsteller am 4. August 2014 zugestellt.

Am 8. August 2014 hat der Antragsteller Klage zum Aktenzeichen 10 A 11072/14 erhoben und zugleich um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung macht er geltend, es lägen systemische Mängel des Asylverfahrens in Bulgarien vor. Er sei nach dem Grenzübertritt verhaftet und für 2 Monate und 28 Tage in Haft genommen worden. Nach seiner Entlassung habe er unter erbärmlichen Bedingungen auf der Straße gelebt. Er habe völlig erschöpft versucht, in einem Aufnahmecamp für Flüchtlinge unterzukommen, wo man ihn abgewiesen habe. In Sofia habe er auf der Straße von Essensresten gelebt, die er auf der Straße fand. Er sei erkrankt und habe wieder um Aufnahme in einem Flüchtlingslager gebeten. Erneut sei er abgewiesen worden und habe gesagt bekommen, er müsse sich selbst Medizin kaufen.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung seiner zum Aktenzeichen 10 A 11072/14 erhobenen Klage anzuordnen und

ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Peter G. zu bewilligen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

Die Entscheidung ergeht aufgrund von § 76 Abs. 4 AsylVfG durch den Berichterstatter als Einzelrichter.

Der Antrag ist zulässig, insbesondere gemäß § 34 a Abs. 2 AsylVfG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, soweit sich die Klage gegen die unter Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides angeordnete Abschiebung nach Bulgarien richtet. Er ist jedoch unbegründet.

Das Verwaltungsgericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anordnen, wenn das Interesse des betroffenen Ausländers, von einem Vollzug der Abschiebungsanordnung vorläufig verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse an dem gesetzlich angeordneten Vollzug der Abschiebungsandrohung überwiegt. Hier überwiegt das Interesse der Antragsgegnerin daran, die Abschiebungsanordnung zu vollziehen, denn nach der im vorliegenden Verfahren lediglich gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angeordneten Abschiebung nach Bulgarien.

Die Antragsgegnerin stützt ihre Entscheidungen auf § 27 a und § 34 a AsylVfG. Gemäß § 27 a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von EU-Recht oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung an, wenn der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden soll.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Da der Antragsteller seinen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes nach dem 1. Januar 2014 gestellt hat, sind nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (vom 29.6.2013, Abl. L 180 – Dublin III VO –) die Vorschriften dieser Verordnung anzuwenden. Damit ist Bulgarien nach Art. 25 Abs. 2 bzw. Art. 18 Abs. 1 Buchstabe c Dublin III VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

Nach Auffassung des Gerichts ist eine Überstellung nach Bulgarien zulässig. Der Einwand des Antragstellers, es gebe wesentliche Gründe für die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller dort systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU–Grundrechtecharta mit sich brächten (Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO; vgl. zum Maßstab noch der Dublin II-VO EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – C-411/10 u. a. –, Rn. 81 ff., juris), bleibt ohne Erfolg.

Das gemeinsame europäische Asylsystem gründet sich auf die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechtecharta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (so EuGH- Urteil vom 21.12.11 – a. a. O. –). Diese Vermutung ist zwar widerlegbar, ihre Überwindung aber an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen europäische Asyl-Richtlinien genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedsstaat zu vereiteln. Die Widerlegung der Vermutung wegen systemischer Mängel setzt vielmehr voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (so BVerwG, Beschluss vom 19.3.14 - BVerwG 10 B 6/14 -, juris).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) (vgl. EGMR, Urteil vom 2.4.2013 - 27725/10 -, juris) verpflichten Art. 3 EMRK und das in Art. 4 GR-Charta normierte Verbot der unmenschlichen Behandlung die Mitgliedstaaten dabei nicht, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen.

Ebenso wenig folgt aus diesen Grundrechten eine allgemeine Pflicht, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Ausländern, die von einer Überstellung betroffen sind, gewähren die genannten Regelungen grundsätzlich keinen Anspruch mit dem Ziel, in einem Mitgliedstaat zu verbleiben, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren. Wenn keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die gegen eine Überstellung sprechen, ist auch allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse bedeutend geschmälert würden, falls ein Antragsteller überstellt werden würde, nicht ausreichend, einen Verstoß gegen die zuletzt genannten beiden Vorschriften zu begründen (vgl. EGMR, – a. a. O. –). Die Verantwortlichkeit eines Staates nach Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK wegen der Behandlung eines Ausländers kann allerdings ausnahmsweise begründet sein, wenn dieser vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig ist und behördlicher Gleichgültigkeit gegenübersteht, obwohl er sich in so ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befindet, dass dies mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. EGMR, Urteil vom 21. 01.2011 – 30696/09 –, Rn. 253, juris).

Nach diesem Maßstab hat das Gericht im Rahmen der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung anhand der tatsächlichen Erkenntnislage im Zeitpunkt seiner Entscheidung festzustellen, ob der zuständige Mitgliedstaat, also Bulgarien, trotz möglicher Mängel in der Durchführung des Asylverfahrens seine Verpflichtungen jedenfalls soweit einhält, dass eine Rückführung zumutbar erscheint oder ob dem Antragsteller im Falle seiner Rücküberstellung nach Bulgarien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine entsprechende Gefahr droht.

Gemessen hieran ist weder hinsichtlich der Ausgestaltung des Asylverfahrens noch der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende und Dublin-Rückkehrer in Bulgarien gegenwärtig vom Vorliegen systemischer Mängel im Sinne der Dublin III VO auszugehen.

Soweit der Antragsteller auf den Bericht des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien „Bulgaria as a Country of Asylum – UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria – April 2014“ (UNHCR-Bericht 04/2014) und die darin gegenüber dem Bericht des UNHCR vom 2. Januar 2014 vorgenommene Neubewertung der Situation verweist, sind diese – beiden – Berichte auch Ausgangspunkt der Überlegungen des Gerichts.

In dem Bericht vom Januar 2014 stellte der UNHCR systemische Mängel bei den Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Bulgarien fest, die sich in der Folge eines erheblichen Anstiegs der Zahl der Asylsuchenden in den vorangehenden Monaten verschlechtert hatten. Der UNHCR identifizierte einige Bereiche, in denen dringende Verbesserungen erforderlich waren, und forderte eine einstweilige Einstellung aller Überstellungen von Asylsuchenden gemäß der Dublin-Verordnung nach Bulgarien. Die Mängel beständen im Wesentlichen aus folgenden Punkten:

-Es bestehe für Dublin-Rückkehrer keine Garantie einer substantiellen Prüfung ihres Asylantrages, sie würden bei ihrer Rückkehr meistens inhaftiert.
-Das Verfahren zur Aufnahme eines Asylantrages an der Grenze werde im entscheidenden Maße infolge mangelnder Qualifikation der grenzbehördlichen Mitarbeiter behindert, es komme zu gewaltsamen Zurückweisungen.
-Schutzsuchende an der Grenze oder in der Haft würden als illegal Eingereiste und abzuschiebende Personen behandelt. Sie erhielten keine ausreichenden Informationen und oft keine oder zumindest keine ausreichend zügige Möglichkeit, sich registrieren zu lassen und einen Asylantrag zu stellen, was zu monatelanger Haft führe und die Gefahr der Abschiebung ohne weitere Prüfung berge.
-Der Zugang zur Registrierung und zur Stellung eines Asylgesuchs werde insgesamt wegen Personalmangels signifikant verzögert und dauere bis zu 6 Monaten, auch das Asylverfahren dauere sehr lange.
-Die Entscheidungen über die Asylgesuche wiesen in ihren Begründungen oft keinen Unterschied zwischen den Darstellungen der Asylsuchenden bei der Anhörung und der eigentlichen Entscheidungsbegründung auf.
-Asylsuchende hätten keinen garantierten Zugang zu Rechtsberatung und rechtlicher Unterstützung im Verfahren.
-Die Lebensbedingungen in sieben Aufnahmeeinrichtungen seien erbärmlich. Diese seien überfüllt, es werde staatlicherseits keine Nahrung bereitgestellt, es gebe keine Kochgelegenheiten, keine Heizung, kein fließend warmes Wasser und keinen geregelten Zugang zu medizinischer Versorgung. Die sanitären Anlagen seien in einem inakzeptablen Zustand und es gebe keine ausreichende Möglichkeit, Wäsche zu waschen. Es seien keine kindgerechten Einrichtungen und keine Möglichkeiten für (Freizeit-)Aktivitäten vorhanden. Das System zur Betreuung unbegleiteter Kinder funktioniere ebenso wenig wie die Versorgung von Personen mit besonderen Bedürfnissen. Es bestünden keine ausreichenden Verständigungsmöglichkeiten zwischen dem Personal und den Flüchtlingen. In den wenigen Fällen, in denen Sozialarbeiter oder Psychologen zur Verfügung stünden, fehle es an Dolmetschern. Am Schlimmsten seien die Zustände in der Aufnahmeeinrichtung in Harmanli, die als geschlossene Einrichtung geführt werde. Die wenigen Hilfsangebote kämen von privaten Spendern oder Organisationen und würden vom Roten Kreuz verteilt, sie seien insgesamt gesehen ineffektiv.
-Für Personen mit Schutzstatus gebe es kein Integrationsprogramm. Für viele bestehe die Gefahr, obdachlos zu werden. Die Arbeitsmöglichkeiten seien angesichts der ökonomischen Situation in Bulgarien sehr begrenzt. Die medizinische Versorgung sei sehr lückenhaft.
-Es sei nicht sicher, ob die bulgarischen Behörden den ausländerfeindlichen Tendenzen in der Bevölkerung ausreichend entgegentreten und entsprechende Straftaten ahnden würden.

In seiner Neubewertung vom 1. April 2014 stellt der UNHCR allerdings zahlreiche Verbesserungen fest, die bei den Aufnahmebedingungen und den Asylverfahren in Bulgarien seit Anfang des Jahres erzielt wurden.

Erhebliche Anstrengungen der bulgarischen Behörden und Einrichtungen hätten seit Beginn des Jahres zu einer Verbesserung der Konditionen für Asylbewerber geführt. Die Mehrzahl der Asylbewerber sei bis Ende 2013 nach Bulgarien gereist, danach sei der Zustrom von Asylbewerbern sowie Personen, die insbesondere die bulgarisch-türkische Grenze überschritten hätten, deutlich zurückgegangen. Die Lebensbedingungen in den Zentren hätten sich im Vergleich zu der im Dezember 2013 beobachteten Situation signifikant verbessert. Besonders gelte dies für die Einrichtung in Harmanli, wo sich teilweise mehr als 1000 Personen aufgehalten hätten. Der Zugang zu medizinischer Erstversorgung, Registrierung der Asylbewerber, Unterbringung der Männer und Frauen sowie die finanziellen monatliche Unterstützung sei etabliert. Der UNHCR gebe seit Dezember 2013 in Harmanli, seit Januar 2014 in drei weiteren Zentren zwei heiße Mahlzeiten pro Tag aus, der SAR habe seit Februar die Verantwortung für alle Zentren übernommen. Die generelle medizinische Versorgung habe sich verbessert, nachdem Ärzte und Schwestern vom SAR rekrutiert worden seien (Seite 8). Versorgungslücken gebe es durchaus für Asylsuchende mit speziellen Anforderungen (Seite 8).

Nach dem Bericht des UNHCR vom 1. April 2014 hat sich auch die Behandlung von Personen, die gemäß Dublin-Verordnung nach Bulgarien überstellt werden, verbessert (zum Folgenden S. 13 f.). Wenn zu einem Asylantrag einer Person, die gemäß Dublin-Verordnung nach Bulgarien überstellt worden sei, noch keine Entscheidung in der Sache vorliege, werde das Asylverfahren unter der Voraussetzung, dass die Person einer Fortsetzung ihres Asylverfahrens in Bulgarien zustimme, prinzipiell an der Stelle wiederaufgenommen, an der es unterbrochen worden sei. Es existierten keine zusätzlichen Anforderungen und eine Untersuchung in der Sache sei gewährleistet. Sofern die überstellte Person eine Fortsetzung ihres Asylverfahrens in Bulgarien wünsche, werde abhängig vom Stand ihres Verfahrens diese Person höchstwahrscheinlich in ein Zentrum der staatlichen Flüchtlingsagentur überstellt und habe dort die gleichen Rechte wie andere Asylsuchende. Wenn die Prüfung des Antrags ausgesetzt worden sei und der Antragsteller es versäume, innerhalb von drei Monaten nach dieser Aussetzung vor der staatlichen Flüchtlingsagentur zu erscheinen, werde das Verfahren des Antragstellers (nicht sein Antrag) laut Gesetz in Abwesenheit beendet. In der Praxis werde jedoch bei einer Rückkehr im Zuge einer Überstellung gemäß Dublin-Verordnung der Zugang zu einer Anhörung in der Sache gewährleistet, sofern eine solche nicht schon stattgefunden habe.

Wenn der Asylantrag der gemäß Dublin-Verordnung nach Bulgarien zurückgekehrten Person bereits individuell geprüft und endgültig und rechtskräftig abgelehnt worden sei, werde diese Person erneut in das Land gelassen, jedoch als Asylsuchende/r behandelt, dessen/deren Antrag auf internationalen Schutz endgültig abgelehnt wurde, sofern er/sie keinen Folgeantrag stelle.

Nur Asylsuchende, deren Anträge endgültig abgelehnt wurden und die keinen Folgeantrag stellten, dürften zum Zweck der Abschiebung in einer Haftanstalt der Direktion für Einwanderung inhaftiert werden.

Daten der staatlichen Flüchtlingsagentur und der Grenzpolizei zufolge seien zwischen dem 1. Januar und dem 27. März 2014 elf Asylsuchende und zwei Personen, die humanitären Schutz genössen, von Ungarn, Schweden und der Schweiz gemäß der Wiederaufnahmebestimmung der Dublin-Verordnung nach Bulgarien überstellt worden (Seite 13). In einem Fall sei ein Asylsuchender über die endgültige Ablehnung seines Asylantrags nach seiner Überstellung gemäß Dublin-Verordnung nach Bulgarien informiert und zum Zweck der Abschiebung in eine Haftanstalt der Direktion für Einwanderung geschickt worden. Die Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz sei gemäß Artikel 76 Absätze 4 bis 6 des bulgarischen Asyl- und Flüchtlingsgesetzes in Abwesenheit getroffen worden.

Die anderen Personen seien nicht in Gewahrsam genommen, sondern an Aufnahmezentren der staatlichen Flüchtlingsagentur überstellt worden, wo mit ihrer Zustimmung ihre Fälle wiederaufgenommen worden seien. Die überstellten Personen hätten Zugang zu schriftlichen Informationen über das Asylverfahren und erhielten (erneut) einen Registrierungsnachweis zum Schutz gegen Refoulement.

Zum 31. März 2014 seien 1.628 eingehende Ersuche anhängig, die Informationen (195) und/oder Überstellungen von Personen entsprechend der Wiederaufnahme- (614) und Übernahmebestimmungen (819) der Dublin-Verordnung an die bulgarische staatliche Flüchtlingsagentur durch andere Dublin-Staaten beträfen (Seite 14; zu den deutschen Übernahmeersuchen siehe Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage vom 20. Mai 2014, BT-Drs. 18/1446, S. 6). Die Anzahl eingehender Gesuche an Bulgarien gemäß Dublin-Verordnung könne sich in den kommenden Monaten erhöhen. Eine erneute Überlastung des Aufnahmesystems durch die tatsächliche Überstellung jener Personen, deren Dublin-Gesuche anhängig seien, könne nur durch die bis Ende April 2014 erfolgte effektive Aufstockung der Aufnahmekapazität der staatlichen Flüchtlingsagentur auf 6.000 Personen möglicherweise verhindert werden.

Auf dieser Grundlage kommt der UNHCR nunmehr zu dem Schluss, dass eine generelle Aussetzung aller Dublin-Überstellungen nach Bulgarien nicht mehr gerechtfertigt sei, und empfiehlt (nurmehr) eine individuelle Prüfung insbesondere im Hinblick auf Asylsuchende mit besonderen Bedürfnissen oder Vulnerabilitäten, ob eine Überstellung mit der Verpflichtung der Staaten zum Schutz der Grundrechte der Asylbewerber vereinbar wäre. Als gesunder, junger Mann gehört der Antragsteller nicht zu einer der Gruppen besonders schutzbedürftiger Personen im Sinne von Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU.

Gleichwohl spricht der Bericht eine Reihe von nach wie vor bestehenden deutlichen Defiziten an und spricht diesbezüglich etliche Empfehlungen aus. Insbesondere ist in dem Bericht ausgeführt, es solle sichergestellt werden, dass

-die Regierung Bulgariens angesichts der verstärkten Grenzkontrollen an der bulgarisch-türkischen Grenze besondere Anstrengungen unternehme, dort auf die Einhaltung der fundamentalen Rechte, einschließlich des Non-Refoulment-Grundsatzes, zu achten und den Schutzsuchenden dort einen Zugang zu einem fairen und effektiven Asylverfahren zu gewähren. Die Grenzpolizei solle Schutzsuchende entsprechend informieren und es müsse sichergestellt werden, dass die Mitarbeiter ausreichend geschult seien, insbesondere im Umfang mit unbegleiteten Kindern und im Verfahren zur Identitätsfeststellung.
-Personen, die wegen unerlaubter Einreise, unerlaubten Aufenthalts oder weil sie keine Identitätspapiere hätten vorweisen können, inhaftiert worden seien und noch keinen Asylantrag gestellt hätten, innerhalb von 25 Stunden in ein Aufnahmelager überstellt würden.
-in den zwei Aufnahmeeinrichtungen (Voenna Rampa, Vrazdebna), in denen noch keine akzeptablen Zustände hinsichtlich Unterbringung, sanitärer Anlagen und Zugang zur medizinischer Versorgung herrschten, entsprechende weitere Anstrengung unternommen würden.
-im Registrierungs-, Aufnahme- und Asylverfahren ein Erkennungsverfahren für Menschen mit besonderen Bedürfnissen und im Umgang mit unbegleiteten Kindern eingerichtet werde.
-für Schutzsuchende Informationen in einer ihnen verständlichen Sprache bereitgestellt würden.
-in den Aufnahmelagern und zur Bearbeitung der Asylverfahren und der Übernahmegesuche nach der Dublin-VO weitere Mitarbeiter eingestellt und geschult würden.
-für Flüchtlinge mit Schutzstatus ein Integrationsprogramm erstellt werde, das diese vor Obdachlosigkeit und Verarmung bewahre, sowie Familienzusammenführungen und Zugang zur medizinischer Versorgung und Bildung insbesondere für Kinder ermögliche.

Soweit der Antragsteller solche Empfehlungen und die ihnen zugrunde liegenden Feststellungen als Beleg dafür anführt, dass das Asylsystem in Bulgarien so fragil sei, dass es bei einer Wiederaufnahme der Rücküberstellungen nach den Dublin-Verordnungen wieder kollabieren werde, trägt der Bericht des UNHCR diesen Schluss nach Auffassung des Gerichtes nicht. Ein bloß möglicher, unter ungünstigen Umständen denkbarer Kollaps des Asylsystems stellt keinen systemischen Mangel dar, der den Antragsteller einer zu erwartenden menschenunwürdigen Behandlung aussetzt.

Im Übrigen setzt sich der UNHCR mit dem gegenwärtigen Belastungsstand der Aufnahmeeinrichtungen und auch mit einem durch die Wiederaufnahme der Rücküberstellungen zu erwartenden Anstieg der Flüchtlingszahlen durchaus auseinander; er kommt aber gerade nicht zu dem Ergebnis, dass der nächste Kollaps des Asylsystems in Bulgarien schon unmittelbar bevorstehe. Derartige Einschätzungen hat der UNHCR – soweit ersichtlich – auch seither nicht veröffentlicht.

Auch im Übrigen sieht das Gericht keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, die Feststellungen des UNHCR anzuzweifeln.

Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) bestätigt in einem Operating Plan to Bulgaria vom 25. Februar 2014 nach dem Besuch einer Expertenkommission in Bulgarien vom 17. bis 21. Februar 2014 ebenfalls Verbesserungen der Situation (zitiert nach VG Berlin, Beschluss vom 1.4.2014 – 23 L 122.14 A – , zitiert nach juris). Die Registrierungskarten würden innerhalb eines Tages ausgegeben (Seite 15). Die Produktivität des SAR bei der Bewältigung der Asylverfahren sei durch den erheblichen Ausbau des Personals in sichtbarer Weise gesteigert worden (Seite 8). Grundsätzlich würde über die – bevorzugt behandelten – Anträge syrischer Antragsteller binnen zwei bis drei Monaten entschieden. Die Bedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen seien bemerkenswert verbessert worden, blieben aber ungleich (Seite 9). Auch Asylsuchende, die nicht mehr in den Aufnahmezentren lebten, was am 27. März 2014 für 3.358 Personen zutreffe, seien registriert und hätten Zugang zu den Leistungen in den Aufnahmezentren.

Auch dieser Bericht zeigt noch Schwachpunkte im Asylsystem auf, die aber nicht die Schwelle systemischer Mängel erreichen, die eine generelle Aussetzung der Rücküberstellungen rechtfertigen würden. Das Aufnahmesystem bleibe überlastet. Schwierigkeiten bestünden insbesondere für besonders schutzbedürftige Personen. In allen Einrichtungen sei aber – entweder durch eigenes Personal oder die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ – eine medizinische Versorgung sichergestellt (Seite 10). Ärzte ohne Grenzen bereite sich auf die Beendigung der Arbeit in Harmanli, Voenna Rampa und Vrazdebhna bis Ende Mai 2014 vor und suche in Zusammenarbeit mit der bulgarischen staatlichen Flüchtlingsagentur SAR Allgemeinmediziner, die die Bewohner der Zentren medizinisch versorgen können.

Tatsächlich hat die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ ihre Projekte zur medizinischen Versorgung von Asylbewerbern mittlerweile den bulgarischen Behörden übergeben, nachdem diese die zuvor dramatischen Versorgungsmängel weitgehend behoben haben (vgl. Bericht vom 5.5.2014, https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/article/aerzte-ohne-grenzen-uebergibt-projekte-fuer-asylbewerber, abgerufen am 30.7.2014).

Auch dass die Nichtregierungsorganisationen Pro Asyl und Amnesty International sowie das Bordermonitoring Bulgaria Projekt unter Hinweis auf immer noch menschenunwürdige Bedingungen für Asylsuchende in Bulgarien weiterhin fordern, von Rücküberstellungen nach den Dublin-Verordnungen dauerhaft abzusehen, stellt die tatsächlichen Feststellungen des UNHCR nicht in Frage.

Pro Asyl verweist in einem Bericht vom 23. Mai 2014 (Flüchtlinge in Bulgarien: misshandelt, erniedrigt, gefoltert – http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/ fluechtlinge_ in_bulgarien_misshandelt_erniedrigt_im_stich_gelassen –, abgerufen am 30.7.2014) darauf, dass irregulär einreisende Asylsuchende systematisch inhaftiert würden. An den Grenzen würden Flüchtlinge daran gehindert, bulgarisches Territorium zu betreten, um Schutz zu suchen (sog. Push-back). Flüchtlinge, die nach Deutschland geflohen seien, hätten mehrtägige Inhaftierungen von Familien ohne Schutz vor Kälte und teilweise systematischen Nahrungsentzug geschildert. Amnesty International berichtet in einem undatierten Bericht (EUR 15/002/2014 – http://www.amnesty.org/en/library/
asset/EUR15/002/2014/en/ 7a706247-94ac-4e65-a2e5-c7f8804c02bd/eur150022 014en.pdf –, abgerufen am 30.7.2014) ebenfalls, dass irregulär einreisende Asylsuchende systematisch inhaftiert würden und es an den Grenzen zu Push-backs komme. Diese Missstände betreffen allerdings nicht die Rücküberstellung von Asylsuchenden nach den Dublin-Verordnungen, denen weder die Zurückweisung an der Grenze noch eine Inhaftierung wegen illegalen Grenzübertritts droht.

Amnesty International berichtet weiter über einen Besuch in Bulgarien im März 2014, in dem unter anderem die Aufnahmezentren Voenna Rampa, Vrazhdebna und Harmanli besichtigt worden sind. Dabei wurden in allen Aufnahmezentren Verbesserungen festgestellt. Der SAR habe alle in Zelten untergebrachten Asylsuchenden in – teilweise renovierten – Gebäuden untergebracht, neue Gebäude für Frauen mit Kindern eröffnet und die Anzahl der zur Verfügung stehenden Toiletten und Duschen erhöht. Es würden zwei warme Mahlzeiten am Tag angeboten und Personal zur Bearbeitung von Asylanträgen sei in allen drei Aufnahmezentren präsent gewesen. Insofern bestätigt der Bericht weitgehend die vom UNHCR beschriebenen Verbesserungen. Soweit darüber hinaus in Voenna Rampa und Vrazhdebna Verschlechterungen dadurch festgestellt worden sind, dass die Bauarbeiten unter laufendem Betrieb durchgeführt worden seien, enthält der Bericht auch die Aussicht, dass Bauarbeiten bis zum 25. April 2014 beendet sein sollten. Ein dauerhafter systemischer Mangel ist in den festgestellten Beeinträchtigungen deshalb nicht zu sehen.

Soweit Amnesty International weiter berichtet, dass Flüchtlingen die medizinische Versorgung durch Krankenhäuser oder Ärzte verwehrt oder erschwert worden sei, bezieht sich der Bericht auf zwei Interviews mit Flüchtlingen, in denen unter anderem ein Familienvater schildert, dass er drei Krankenhäuser habe aufsuchen müssen, bis er vorgelassen worden sei. Unabhängig davon, dass die geschilderten Sachverhalte nicht genau datiert sind, beschreiben diese Schilderungen Einzelfälle, die nicht erkennen lassen, dass die im Januar festgestellten systemischen Mängel unverändert fortbestehen und stellen insbesondere nicht die Einschätzung von Ärzte ohne Grenzen in Frage, dass sich die Situation „beispielhaft“ verbessert habe, wenn auch noch vereinzelt Probleme aufträten (Bericht vom 5.5.2014 – a. a. O. –).

Das Bordermonitoring Bulgaria Project (http://bulgaria.bordermonitoring.eu/files/2014/ 07/ Hristova-et.al-Trapped-in-Europes-Quagmire.pdf) weist darauf hin, dass Asylsuchende sich bei niedergelassenen Allgemeinmedizinern registrieren lassen müssen. Das habe Beeinträchtigungen des Zugangs zu freier medizinischer Versorgung zur Folge, weil Asylsuchende auf die Regularien des nationalen Gesundheitssystems nicht ausreichend hingewiesen würden. Im September 2013 seien so 400 Flüchtlinge ohne medizinische Versorgung gewesen. Unabhängig davon, dass in dem Bericht ausdrücklich erwähnt wird, dass neuere Informationen nicht zur Verfügung stehen, wird darin nicht festgestellt, dass der Anspruch auf medizinische Versorgung bei einem Wechsel der Aufnahmeeinrichtung dauerhaft verloren geht. Auch insofern beschreibt diese Beobachtungen keine systemischen Mängel im Sinne größerer Funktionsstörungen, sondern bestimmte Einzelfallproblematiken, die mit geringem Aufwand an Beratung und Steuerung gelöst werden können.

Soweit in dem Bericht auch die medizinische Versorgung anerkannter Asylberechtigter, die in Aufnahmeeinrichtungen leben, bemängelt wird (S. 16), ist schon nicht absehbar, ob der Antragsteller zu dieser Gruppe gehören wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Da die Rechtsverfolgung aus den vorstehenden Gründen keine für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinreichenden Erfolgsaussichten bietet (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO), ist der Antrag auf Prozesskostenhilfe abzulehnen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).