Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 23.07.2013, Az.: 2 B 21/13
allgemeines Wohngebiet; Aussetzungsantrag; Baubeginn; Baugebiet; Baugrenze; Bebauungsplan; Befreiung; Gebietserhaltungsanspruch; Gebot der Rücksichtnahme; GFZ; GRZ; Kindertagesstätte; Krippe; Nutzung; planübergreifend; Stellplätze
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 23.07.2013
- Aktenzeichen
- 2 B 21/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 64268
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 30 BauGB
- § 15 BauNVO
- § 4 BauNVO
- § 80a VwGO
- § 80 Abs 6 VwGO
- § 80 Abs 5 VwGO
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen eine Baugenehmigung für eine Kindertagesstätte.
Die Antragstellerin zu 1. ist Miteigentümerin des Grundstücks C.-straße 9, der Antragsteller zu 2. ist Miteigentümer des Grundstücks C.-straße 12. Beide Grundstücke liegen im Ortskern von D. und sind jeweils mit Wohnhäusern bebaut.
Die Beigeladene beantragte beim Antragsgegner am 19. Oktober 2012 eine Baugenehmigung für den Neubau einer Kindertagesstätte auf dem Grundstück Flurstück 103/3 der Flur 10 Gemarkung D., das eine Größe von 7,466 qm hat.
Nach der Betriebsbeschreibung sind insgesamt 90 Betreuungsplätze in 5 Gruppen geplant, davon 2 Krippengruppen mit insgesamt 30 Plätzen und 3 Kindergartengruppen mit 60 Plätzen. Voraussichtlich sollen 20 bis 22 Personen in der Einrichtung beschäftigt sein; als Betreuungszeiten sind als Kernzeit montags bis freitags von jeweils 8.00 bis 16.00 Uhr als Kernzeit sowie Sonderöffnungszeiten von 6.00 bis 19.00 Uhr je nach Bedarf geplant.
Auf dem Baugrundstück befinden sich bereits eine Grundschule mit 150 Schülern sowie ein Jugendzentrum (67 Plätze). Das mit 2 Vollgeschossen und einem Pultdach geplante Gebäude weist im Grundriss zwei Schenkel von knapp 30 m Länge und 12 m Breite bzw. 38 m Länge und ca. 18 m Breite auf; nach Norden schließt sich eine Außenspielfläche von ca. 1300 qm an.
Südlich des geplanten Gebäudes (Grundfläche 964 qm) befindet sich die Turnhalle der Grundschule mit einer Grundfläche von 262 qm, nördlich davon das Jugendzentrum (Grundfläche 494 qm), das baulich mit der ebenfalls nördlich gelegenen Grundschule (Grundfläche 315 qm) verbunden ist. Die Grundschule weist einen befestigten Vorplatz/Zufahrt zur C.-straße mit 240 qm in der äußersten nordwestlichen Ecke des Grundstücks auf. Für die Kindertagesstätte ist auf der nordöstlichen Seite des Grundstücks eine weitere Zufahrt zur C.-straße geplant, die insgesamt 514 qm aufweist und 9 Stellplätze sowie einen Wendebereich vorsieht.
Bei der Ermittlung der „städtebaulichen Eckdaten“ ging der Entwurfsverfasser von einer Zusammenlegung des Flurstücks 101/6 (481 qm, nordwestlicher Rand) mit dem Flurstück 103/3 (7466 qm) aus; für die Hauptanlagen (Grundschule 315 qm, Jugendzentrum 494 qm, Turnhalle 262 qm, Kindertagesstätte 964 qm ) errechnete er eine Grundfläche von 2045 qm, mithin eine GRZ von 0,26 und eine Baugrundfläche von 2.683 qm sowie eine GFZ von 0,34.
Das Baugrundstück liegt in Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 32 „Neuaufstellung Ortskern“, den der Rat der Gemeinde D.in seiner Sitzung am 8. Dezember 1999 beschlossen hat und der am 24. August 2000 im Amtsblatt für den Landkreis Harburg bekannt gemacht wurde. Dieser Plan trifft für das Baugrundstück die Festsetzung WA sowie Schule, sozialen Zwecken dienende Einrichtung und sportlichen Zwecken dienende Einrichtung. Er setzt als Maß der baulichen Nutzung eine GFZ von 0,5, eine GRZ von 0,3 und die Bebauung mit 2 Vollgeschossen fest. Ferner sieht er für das Baugrundstück eine Baugrenze vor. Östlich des Baugrundstücks setzt der Bebauungsplan eine private Grünfläche fest, durch die die Töste verläuft und die Teiche und zwei Biotope aufweist. Noch weiter östlich weist der Plan für die Grundstücke C.-straße 13,11 und 9 ein allgemeines Wohngebiet mit einer GFZ von 0,2 und einer Bebaubarkeit mit einem Vollgeschoß aus, das im Süden von der privaten Grünfläche umschlossen wird und im Norden an die C.-straße grenzt.
Das Grundstück C.-straße 12 liegt außerhalb des Plangebiets gegenüber dem Gebäude der Grundschule.
Die Gemeinde erklärte am 24. Oktober 2012 zu dem Bauvorhaben wie auch zu der Überschreitung der bebaubaren Grundstücksfläche, des Anpflanzgebots von 5 Einzelbäumen, sowie der privaten Grünfläche und der Abweichung von der örtlichen Bauvorschrift. Ferner erklärte sie, in der 2. Änderung des Bebauungsplanes würden die geplanten Abweichungen berücksichtigt.
Mit Bescheid vom 26. März 2013 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung; zugleich erteilte er eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes „Ortskern Neuaufstellung“, soweit die Baugrenze überschritten und soweit die Grünfläche bzw. der Pflanzstreifen bebaut wird. Ferner ließ er Ausnahmen von der örtlichen Bauvorschrift (Dachneigung, Holzverkleidung) zu.
Mit Schreiben vom 14. Mai 2013 legten die Antragsteller gegen die Baugenehmigung Widerspruch ein und beantragten, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs anzuordnen. Eine Begründung kündigten sie nach Gewährung von Akteneinsicht an.
Der Antragsgegner lehnte mit Verfügung vom 29. Mai 2013 eine Aussetzung der Vollziehung ab.
Am 24. Mai 2013 haben sich die Antragsteller an das Gericht gewandt.
Sie tragen vor, die Baugenehmigung sei schon deshalb rechtswidrig, weil es im Hinblick auf die massive Überschreitung der GRZ sowie der Zulassung von Nebenanlagen und Stellplätzen außerhalb der Baugrenzen an den erforderlichen Befreiungen fehle. Auch die erteilten Befreiungen seien rechtswidrig, weil sie mit den Grundzügen der Planung nicht vereinbar seien. Die massive Verdichtung sei mit der Festsetzung eines Wohngebiets nicht vereinbar. Auch der Befreiungsgrund des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB liege nicht vor; hinter dem Bauvorhaben stünden nur fiskalische Gründe, die Krippenplätze seien gar nicht erforderlich. Ferner stehe ihnen ein Gebietserhaltungsanspruch zu, da die Begründung des Bebauungsplanes ausdrücklich einen Nachbarschutz vorsehe. Dieser Anspruch sei auch verletzt, weil die völlig überdimensionierte Kindertagesstätte hinsichtlich ihrer Lage, ihres Umfangs sowie der Anzahl der Plätze angesichts der konkreten Verhältnisse vor Ort der Eigenart des Baugebiets widerspreche. Die geplante Kindertagesstätte weise eine Grundfläche einschließlich der Nebenanlagen von 1478 qm (964 + 514) auf. Dies entspreche nach den Berechnungen der Beigeladenen etwas mehr als 50% der gesamten Grundfläche, die für Kita, Schule, Turnhalle und Jugendzentrum zusammengenommen für Haupt- und Nebenanlagen zugrunde gelegt werde (2895 qm). Es werde weiter zu einer dramatischen Steigerung des Verkehrsaufkommens, vor allem während der Stoßzeiten, kommen. Das Bauvorhaben verletze auch das Gebot der Rücksichtnahme; insbesondere die Wohnräume des Antragstellers zu 2. würden mit der Zufahrt erheblich belastet. Durch das alte Kopfsteinpflaster der C.-straße komme es zu besonders störenden Verkehrsgeräuschen. Es werde zu permanenten verkehrsbehindernden Begegnungsstaus und dem damit verbundenen Lärm auf der neuen Zufahrtsfläche kommen. Die Beigeladene habe bereits massiv mit der Umsetzung der Baumaßnahmen begonnen
Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der Beigeladenen zum Bau einer Kindertagesstätte erteilte Baugenehmigung anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er trägt vor, die Antragsteller seien nicht in ihren Rechten verletzt; es sei lediglich von nicht drittschützenden Festsetzungen des Bebauungsplanes eine Befreiung erteilt worden, die gerade dem Wohl der Allgemeinheit diene und auch städtebaulich vertretbar sei. Dabei seien auch nachbarliche Interessen gewürdigt worden. Das Wohnobjekt des Antragstellers zu 2. werde durch die Schule vom Bauvorhaben abgeschirmt; auch eine Rechtsverletzung der Antragstellerin zu 1. könne nicht nachvollzogen werden. Ein Kindergarten sei im allgemeinen Wohngebiet zulässig und gebietsverträglich. Die weiteren Festsetzungen des Bebauungsplanes seien nicht drittschützend.
Mit den eigentlichen Bauarbeiten (Betonarbeiten, Fundamentierung u.ä.) sei erst am 15. Juli begonnen worden. Zuvor habe es nur Vorbereitungsmaßnahmen wie Absteckungsarbeiten und oberflächliche Bodenarbeiten gegeben.
Die Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist gerichtet auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die der Beigeladenen am 26. März 2013 erteilte Baugenehmigung.
Maßstab für die Zulässigkeit des Antrages ist insoweit § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 6 VwGO. Nach ständiger Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. z.B. Beschl. v. 8.7.2004 - 1 ME 167/04 - , BauR 2004, 1596; s. schon Beschl. v. 31.1.1994 - 1 M 5091/93 -, NVwZ 1994, 698 = BauR 1994, 358 = BRS 56 Nr. 188) muss der Nachbar bei der Bauaufsichtsbehörde grundsätzlich einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt haben, bevor er in statthafter Weise bei Gericht einen Eilantrag stellen kann.
Gemäß § 80 Abs. 6 VwGO ist der Antrag nach Absatz 5 (in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1) nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn 1. die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder 2. eine Vollstreckung droht.
Hier haben die Antragsteller zwar mit Schreiben vom 14. Mai 2013 einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit ihrem Widerspruch verbunden, zugleich aber beim Antragsgegner Akteneinsicht beantragt und dann „näheren Vortrag“ angekündigt. Mit Schreiben vom 21. Mai 2013 hat der Antragsgegner den Eingang des Widerspruchs bestätigt und erklärt, er werde die Sach- und Rechtslage überprüfen und sich wegen der Akteneinsicht mit den Prozessbevollmächtigten in Verbindung setzen. Darauf haben sich die Antragsteller – ohne die Akteneinsicht oder das Ergebnis einer rechtlichen Prüfung des Antragsgegners abzuwarten – am 24. Mai 2013 an das Gericht gewandt. Beschieden wurde der Aussetzungsantrag vom Antragsgegner erst am 29. Mai 2013, also nach Anrufung des Verwaltungsgerichts. Damit liegen die Voraussetzungen des § 80 Abs.6 Satz 1 VwGO ersichtlich nicht vor, denn der Antragsgegner hat vor Anrufung des Gerichts nicht über den Aussetzungsantrag entschieden; auch der Ausnahmetatbestand des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO ist nicht gegeben, denn der Antragsgegner konnte und durfte über den Aussetzungsantrag noch nicht entscheiden, solange eine weitere Begründung angekündigt war. Die ihm schon vorliegende Begründung bezog sich allein auf das Verfahren zur Änderung des Bebauungsplanes und nicht auf die konkrete Baugenehmigung.
Die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO – drohende Vollstreckung - liegen allenfalls insoweit vor, als sich die Antragsteller gegen das schon im Bau befindliche Gebäude selbst wenden, nicht aber, soweit es um dessen Nutzung geht, die wohl in diesem Jahr nicht mehr zu erwarten ist. Zu dem Zeitpunkt des Baubeginns tragen die Beteiligten unterschiedliche Daten vor, die das Gericht im Aussetzungsverfahren nicht überprüfen kann.
Zur Entbehrlichkeit eines Aussetzungsantrages an die Behörde hat das Nds. Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 3.1.2011 (- 1 ME 146/10- ) ausgeführt:
„Auf dieses Erfordernis kann hier nicht gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO verzichtet werden. Hiernach gilt das Erfordernis vorheriger Befassung der Bauaufsichtsbehörde mit einem Aussetzungsantrag unter anderem dann nicht, wenn "eine Vollstreckung droht". Wegen der nach § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO nur entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift im Falle baurechtlichen Nachbarantrages ist ein solcher Fall nach der Senatsrechtsprechung dann anzunehmen, wenn der Bauherr mit der Ausnutzung des Bauscheins begonnen hat. Allerdings muss man insoweit, worauf das Verwaltungsgericht auf Seite 6 des Beschlussabdrucks zutreffend hingewiesen hat, nach der Senatsrechtsprechung (Beschl. v. 15.4.2010 - 1 ME 22/10 -, NVwZ-RR 2010, 552 = BauR 2010, 1912) differenzieren. Wendet sich der Nachbar - wie hier nach dem Beschwerdevorbringen der Fall - ausschließlich gegen die mit der Nutzung des Vorhabens verbundenen Einwirkungen, droht "Vollstreckung" im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO erst dann, wenn die Aufnahme dieser Nutzung bevorsteht. Schon das dürfte bei Eilantragstellung beim Verwaltungsgericht nicht der Fall gewesen sein. Denn zur Aufnahme der Kinderkrippe "E. " müssen die Gebäude erst einmal verwirklicht und außerdem eine Witterungslage eingetreten sein, welche es gestattet, dass Kleinkinder im Alter von 1 bis 3 bzw. 4 Jahren den in Rede stehenden Lichthof in Gebrauch nehmen. Das ist bei schlechtem Wetter und kalter Witterung nicht, die Aufnahme der als belästigend angesehenen Nutzung mithin erst in geraumer Zeit zu erwarten, so dass ein behördliches Verfahren ohne Schaden eingeleitet und dessen Ergebnis hätte abgewartet werden können.
Selbst wenn man die bislang verwirklichten Baumaßnahmen als drohende Vollstreckung im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO ansähe, bliebe der Eilantrag unverändert unstatthaft, weil die allerersten Baumaßnahmen erst nach Eilantragstellung am 21. April 2010 durchgeführt worden sind. Dies ergibt sich aus den Ausführungen am Ende der Antragsschrift vom 21. April 2010 (Bl. 7 der GA). Entgegen zuweilen vertretener Annahme (vgl. BW VGH, Beschl. v. 9.3.1992 - 2 S 3215/91 -, ESVGH 42, 241 = BWVBl. 1992, 374; zustimmend Bader, VwGO, Kommentar, 4. Aufl. 2007, § 80 Rdn. 125 sowie Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl. 2009, § 80 Rdn. 185) wird ein Eilantrag auch nicht "zulässig", wenn während des gerichtlichen Verfahrens die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO eintreten. Denn § 80 Abs. 6 VwGO stellt nach herrschender Meinung, welcher der Senat folgt, keine "Zulässigkeits-", sondern eine "Zugangsvoraussetzung" dar. Das heißt, dass die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 VwGO insgesamt erfüllt sein müssen, wenn bei Gericht ein Eilantrag gestellt wird (so zutreffend Sodan/Ziekow-Puttler, VwGO, 3. Aufl., § 80 Rdn. 180; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, § 80 Rdn. 348 und 350 mit zutreffender Kritik an der Entscheidung des BW-VGH vom 9.3.1992 [aaO] in Fußnote 1250). Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift. Satz 2 wird mit der Wendung "Das gilt nicht, wenn … " eingeleitet und hat damit (lediglich) zum Inhalt, vom Erfordernis vorherigen behördlichen Aussetzungsverfahrens könne (nur) dann abgesehen werden, wenn ebenfalls vor Stellung des gerichtlichen Eilantrags - die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO erfüllt waren. Anderenfalls lässt sich das Ziel dieser Vorschrift nicht erreichen, den Nachbarn wirkungsvoll und ernstlich darauf zu verweisen, zur Entlastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit vor deren Anrufung ein behördliches Aussetzungsverfahren zu betreiben und dessen Ergebnis abzuwarten. Dieses Verfahren ist dann auch in vorzüglicher Weise dazu geeignet und bestimmt, eventuell erforderliche Sachverhaltsaufklärungen bereits zu diesem Zeitpunkt vorzunehmen und auf diese Weise den Verwaltungsgerichten ein auch insoweit zureichend aufbereitetes Aktenmaterial zur Verfügung zu stellen.“
Nach diesem Maßstab kann der Aussetzungsantrag zulässigerweise nicht gegen die Nutzung der Kindertagesstätte gerichtet werden, da insoweit noch keine „Vollstreckung“ drohte. Es bleibt – bei Baubeginn vor Anrufung des Gerichts – allein die Errichtung des Baukörpers und dessen Auswirkung auf die Antragsteller zu überprüfen.
Der Antrag hat auch in der Sache keinen Erfolg.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 4. März 2011 ist unbegründet. Die von den Antragstellern gegen die angefochtene Baugenehmigung erhobenen Einwände rechtfertigen nicht die beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs. In Ausübung des ihr durch die §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO eingeräumten Ermessens hält das Gericht den Sofortvollzug der Baugenehmigung aufrecht. Denn es misst dem Interesse der Antragsteller an einer vorherigen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung im Hauptsacheverfahren keinen Vorrang vor dem Interesse der Beigeladenen an einer einstweiligen Ausnutzbarkeit der ihr erteilten Baugenehmigung bei. Maßgebend ist hierfür, dass der Widerspruch der Antragsteller bei der derzeitigen Sachlage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, soweit dieses im Rahmen der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung beurteilt werden kann.
Bei der Überprüfung der von den Antragstellern angefochtenen Baugenehmigung ist das Gericht auf die Prüfung nachbarschützender Vorschriften beschränkt. Für eine erfolgreiche Nachbarklage genügt nicht eine erkannte Rechtswidrigkeit einer erteilten Baugenehmigung, sondern es muss hinzukommen, dass die getroffene Entscheidung eine Vorschrift verletzt, die dem Nachbarn ein subjektives öffentliches Recht verleiht (vgl. dazu Löhr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, Kommentar, 11. Aufl. 2009, § 31 Rn. 56 m.w.N.).
Die Baugenehmigung vom 26. März 2013 verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten.
a) Die Voraussetzungen für einen Abwehranspruch aus dem Gebietsgewährleistungsanspruch (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 -, BRS 55 Nr. 110) sind nicht gegeben. Der Nachbar kann danach unabhängig von einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung ein Vorhaben abwehren, wenn dieses mit der Baugebietsfestsetzung unvereinbar ist und der Nachbar in deren Schutzbereich einbezogen ist.
Zwar hat die Festsetzung von Baugebieten durch Bebauungspläne kraft Bundesrecht grundsätzlich nachbarschützende Funktion (BVerwG vom 16.9.1993 NJW 1994, 1546 [BVerwG 16.09.1993 - BVerwG 4 C 28/91]). Ein Nachbar im Baugebiet soll sich auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden können, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zu Nachbarn durchsetzen. Der Hauptanwendungsfall im Bauplanungsrecht für diesen Grundsatz sind die Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung. Durch sie werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind. Im Rahmen dieses nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll daher jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können. Daraus folgt, dass ein gebietsübergreifender Schutz des Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen grundsätzlich nicht besteht (BVerwG vom 18.12.2007 NVwZ 2008, 427 [BVerwG 18.12.2007 - BVerwG 4 B 55/07]). Berechtigte des Anspruchs auf Bewahrung des Gebietscharakters sind also grundsätzlich nur Eigentümer, deren Grundstücke in demselben festgesetzten oder faktischen Baugebiet liegen wie das Baugrundstück. Es reicht nicht aus, dass sich das Grundstück im Geltungsbereich desselben Bebauungsplans befindet (BayVGH vom 2.10.2003 NVwZ-RR 2004, 248 [VGH Bayern 02.10.2003 - 1 CS 03.1785]).
Hier liegt nur das Grundstück der Antragstellerin zu 1. überhaupt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 32 „Ortskern Neuaufstellung“ der Gemeinde D., das Grundstück des Antragstellers zu 2. hingegen außerhalb, nämlich auf der der Schule gegenüberliegenden Seite der C.-straße. Auch das Grundstück der Antragstellerin liegt in einem gesonderten Baugebiet, das nur für die Grundstücke C.-straße 9,11 und 13 eine gesonderte Festsetzung trifft. Vom Baugebiet der Kindertagesstätte ist dieses Gebiet durch die festgesetzte private Grünfläche und den Fluss Toste getrennt.
In Betracht kommt daher nur ein sog. gebietsübergreifender Erhaltungsanspruch.
Zu dessen Voraussetzungen hat das niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 19.1.2012 (- 1 ME 188/11 -, veröffentlicht in der nds. Rechtsprechungsdatenbank) ausgeführt:
„Danach kann sich der Eigentümer des in dem einen Planbereich / Planteilbereich gelegenen Grundstücks auf die für einen anderen getroffenen Festsetzungen zur Nutzungsart nur/erst dann berufen, wenn und soweit die Gemeinde dies bei der Planaufstellung so gewollt hat. Die Planaufstellungsunterlagen müssen triftige Anhaltspunkte für die Annahme enthalten, der Plangeber habe auch jenem Eigentümer die Befugnis einräumen wollen, eigenen Namens die Einhaltung der Festsetzungen einfordern zu dürfen, welche für einen anderen Planbereich / Planteilbereich gelten. Das kommt dann in Betracht, wenn die Gemeinde so (auch) im Interesse dieses Grundstückseigentümers eine schleichende Verschlechterung des Gebietscharakters verhindern will, der nach den Festsetzungen für sein Grundstück bestimmt worden ist. Sie muss die "benachbarten Festsetzungen" mit anderen Worten mit dem Willen getroffen haben, jeden Grundstückseigentümer zu befähigen, schon im Vorfeld auszuschließen, dass aufgrund planwidrigen Bauens die Verheißungen der Planfestsetzungen zu "seiner Nutzungsart" am Ende doch nicht mehr vollständig genossen werden können. Wegen der Einzelheiten der Erwägungen wird auf den genannten Senatsbeschluss vom 11. Dezember 2003 verwiesen (s. a. B. v. 28.3.2001 - 1 MA 819/01 -, Vnb; B. v. 31.5.2006 - 1 ME 17/06 -, ZMR 2006, 731 = ZfBR 2006, 696 = BauR 2007, 511)."
Für einen gebietsübergreifenden Erhaltungsanspruch sprechen hier die Ausführungen auf Seite 4 der Begründung des Bebauungsplanes:
„Der nordwestliche Bereich des Bebauungsplanes, in dem sich die Kirche sowie die Grundschule und das Jugendzentrum befinden, ist im Flächennutzungsplan der Samtgemeinde D. als Fläche für den Gemeinbedarf mit der Zweckbestimmung Schule, Kirche und sozialen Zwecken dienenden Einrichtungen dargestellt. Der Bebauungsplan setzt hierfür Fläche für den Gemeinbedarf Kirche und kirchlichen Zwecken dienende Gebäude und Einrichtungen sowie Schule und Jugendzentrum mit der Überlagerung allgemeines Wohngebiet (Doppelfestsetzung) fest. Die Einbeziehung der Fläche für den Gemeinbedarf in einem Baugebiet durch Doppelfestsetzung ist in diesem Fall zweckmäßig, damit Art und Maß der der baulichen Nutzung rechtlich eindeutig bestimmt werden können. Durch die Einbeziehung der Fläche für den Gemeinbedarf in das Baugebiet durch Doppelfestsetzung, die nach § 9 BauGB und der Planzeichenverordnung zulässig ist, können Unbestimmtheiten beseitigt und es kann zugleich auch dem Immissions- und Nachbarschutz Rechnung getragen werden. Die Einbeziehung kann jedoch nur in Gebieten erfolgen, in denen die Einrichtungen und Anlagen des Gemeinbedarfs allgemein zulässig sind. Dies ist durch die vorhandenen und beabsichtigten Nutzungen und die damit vorgenommene WA-Gebietsfestsetzung gegeben.“
Das Gericht teilt insoweit die Einschätzung des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller im Schriftsatz vom 5. Juli 2013, dass nach dem Willen des Plangebers die Festsetzung „allgemeines Wohngebiet“ unmittelbar drittschützende Wirkung auch für Grundeigentümer außerhalb des Plangebiets zukommen sollte; diese Wirkung erstreckt sich auch auf die Grundstücke der Antragsteller, die sich in der unmittelbaren Nachbarschaft befinden.
Der Gebietserhaltungsanspruch ist jedoch nicht verletzt, denn das Bauvorhaben ist mit der Baugebietsfestsetzung „allgemeines Wohngebiet“ vereinbar.
In einem allgemeinen Wohngebiet sind Kindertageseinrichtungen als Anlagen für soziale Zwecke gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein zulässig. Tatsächlich weist auch schon die Begründung des Bebauungsplanes Nr. 32 „Neuaufstellung Ortskern“ unter 7.3. auf das Ziel, „den Bau eines Kindergartens im Bereich des Schulgrundstückes zwischen Turnhalle und Jugendzentrum zu ermöglichen“.
Der Gebietserhaltungsanspruch kann nun zwar unter Umständen auch einem an sich der Art nach allgemein zulässigen Vorhaben entgegengehalten werden, wenn dieses sich insbesondere aufgrund seiner Größe bei typisierender Betrachtungsweise als (generell) gebietsunverträglich darstellt (vgl. BVerwG, B.v. 28.2.2008 - 4 B 60/07 - BauR 2008, 954). Davon wird man hier aber nicht ausgehen können.
Bei der Prüfung der Gebietsverträglichkeit ist maßgeblich auf die Auswirkungen abzustellen, die typischerweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art ausgehen, insbesondere nach seinem räumlichen Umfang und der Größe seines Einzugsbereichs, der Art und Weise der Betriebsvorgänge, dem durch das Vorhaben bedingten Verkehr sowie der zeitlichen Dauer der Auswirkungen des Vorhabens und ihrer Verteilung auf die Tages- und Nachtzeiten. Dagegen kommt es bei der Prüfung der Gebietsverträglichkeit nicht auf die konkrete Bebauung in der Nachbarschaft an. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass in einem Baugebiet nach der Baunutzungsverordnung im Grunde auf jedem Baugrundstück die nach dem Katalog der Nutzungsarten der jeweiligen Baugebietsvorschrift zulässige Nutzung soll in Betracht kommen können. Auf dieser Ebene der Zulässigkeitsprüfung stellt sich daher nicht schon die Frage, ob das Vorhaben mit den Anforderungen des § 15 Abs. 1 BauNVO einschließlich des darin verankerten Rücksichtnahmegebotes vereinbar ist. Der Nachbarschutz nach § 15 Abs. 1 BauNVO knüpft an die konkreten örtlichen Gegebenheiten an. Bei dem Kriterium der Gebietsverträglichkeit geht es dagegen um die Vermeidung als atypisch angesehener Nutzungen, die den Gebietscharakter als solchen stören (BVerwG, B.v. 28.2.2008 - 4 B 60/07 - BauR 2008, 954).
Was die generelle Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Gebietscharakter eines allgemeinen Wohngebiets in Bezug auf Beeinträchtigungen der Wohnruhe angeht, ist hier darauf hinzuweisen, dass abends und an den Wochenenden, also während der Zeiten, in denen in einem Wohngebiet stets ein erhöhtes Maß an Wohnruhe verlangt werden kann, ohnehin kein Betrieb stattfindet. Hinsichtlich etwaiger Störungen der Wohnruhe durch die Freiflächennutzung während der Tagzeit unter der Woche ist festzustellen, dass diese von den betroffenen Nachbarn grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen wären, wenn und soweit beim Betrieb die sich aus der Gebietstypik ergebenden Anforderungen unter Berücksichtigung auch der Besonderheiten hinsichtlich des Toleranzgebots bezüglich des Kinderlärms beachtet werden (zum Kriterium der Sozialadäquanz für die Beurteilung der Zulässigkeit von Kinderspielplätzen in reinen wie auch allgemeinen Wohngebieten vgl. bereits BVerwG, U.v. 12.12.1991 - 4 C 5/88 - juris). Außer Frage dürfte hier stehen, dass die Einhaltung dieser Anforderungen ggf. durch entsprechende Vorkehrungen sichergestellt werden könnte. Man wird daher nicht annehmen können, dass das Vorhaben mit Blick auf die Immissionsproblematik eindeutig bereits aufgrund seiner Größe (Anzahl der Betreuungsplätze) als für ein Wohngebiet dieser Art atypisch anzusehen wäre, wobei im Hinblick auf die Wertung der Maximalbelegung als noch gebietstypisch auch die Mitprägung durch die Schulnutzung zu berücksichtigen wäre. Im Ergebnis erscheint mithin im Rahmen der vorläufigen Bewertung eine Beurteilung des Vorhabens als (noch) gebietsverträglich gerechtfertigt (vgl. VG München, Beschluss v. 22.4.1013 – M 8 SN 12.5578 – in juris, zu einer Kita mit insgesamt 136 Betreuungsplätzen).
Soweit vorgetragen wird, die Anlage sei im Einzelfall wegen ihrer Größe, ihres Einzugsbereichs und ihrer Emissionen im vorliegenden allgemeinen Wohngebiet unzumutbar, ist anzumerken, dass soziale Einrichtungen nach dem Wortlaut von § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO gerade nicht der Versorgung des Gebiets dienen müssen (VG Augsburg, Beschluss v. 27.3.2013 – Au 4 S 13.230 – ; VG München, Urteil v. 17.12.2012 – M 8 K 11.6186 - in juris). In Anbetracht des Umstandes, dass die auf dem Grundstück befindliche Grundschule Plätze für 150 Kinder aufweist, ist die Kindertagesstätte mit insgesamt 90 Plätzen, darunter 30 Krippenplätze, von der Größe her nicht gebietsunverträglich.
b) Die weiteren Festsetzung des Bebauungsplanes über das Maß der Bebauung, die Baugrenzen und die örtliche Gestaltungsvorschriften sind für die außerhalb des konkreten Baugebiets wohnenden Antragsteller nicht drittschützend.
Zum Drittschutz von Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzungen innerhalb eines Bebauungsplangebietes hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 23.6.1995 (- 4 B 52/95, in juris) ausgeführt:
„Die Frage, ob die Festsetzungen eines Bebauungsplans betreffend Geschossigkeit, überbaubare Grundstücksfläche und Geschoßfläche nachbarschützende Bedeutung und Funktion im Sinne des Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. September 1993 (a.a.O.) haben, auch wenn mit einer Abweichung von diesen Festsetzungen spürbare Beeinträchtigungen für den Nachbarn nicht verbunden sind, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Die Erwägungen, die den Senat in der Entscheidung vom 16. September 1993 veranlasst haben, den Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung nachbarschützende Funktion unabhängig davon zuzusprechen, ob der Nachbar durch ein baugebietswidriges Vorhaben tatsächlich spürbar beeinträchtigt wird, lassen sich nicht in gleicher Weise auf die Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung übertragen. Zwar gilt auch insoweit, dass der Nachbarschutz auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses beruht. Der Grundstückseigentümer kann deshalb grundsätzlich die Beachtung öffentlich-rechtlicher Baubeschränkungen auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen, weil und soweit er selbst in der Ausnutzung seines Grundstücks solchen Beschränkungen unterworfen ist. Allerdings werden die Planbetroffenen durch die Maßfestsetzungen eines Bebauungsplans nicht in gleicher Weise zu einer "Schicksalsgemeinschaft" verbunden, wie das der Senat für die Festsetzung der Art der Nutzung angenommen hat. Das gilt vor allem für die Frage, ob der Nachbarschutz eine spürbare Beeinträchtigung im jeweiligen Einzelfall voraussetzt. Das hat der Senat für eine baugebietsfremde Nutzungsart deshalb grundsätzlich verneint, weil durch das baugebietswidrige Vorhaben, das zwar für sich gesehen noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung des Nachbarn führen mag, gleichwohl typischerweise eine "schleichende" Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird. Eine solche später nur schwer korrigierbare Entwicklung soll der Nachbar, der sich seinerseits an die Art der vorgeschriebenen Nutzung halten muss, rechtzeitig verhindern können.
Mit dieser Situation sind Abweichungen von den Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung nicht vergleichbar. Sie lassen in aller Regel den Gebietscharakter unberührt und haben nur Auswirkungen auf das Baugrundstück und die unmittelbar anschließenden Nachbargrundstücke. Zum Schutz der Nachbarn ist daher das drittschützende Rücksichtnahmegebot des § 31 Abs. 2 BauGB (vgl. Urteil vom 19. September 1986 - BVerwG 4 C 8.84 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 71; vgl. auch Urteil vom 6. Oktober 1989 - BVerwG 4 C 14.87 - BVerwGE 82, 343 = Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 93 bei Verstoß gegen nicht nachbarschützende Vorschriften eines Bebauungsplans) ausreichend, das eine Abwägung der nachbarlichen Interessen ermöglicht und den Nachbarn vor unzumutbaren Beeinträchtigungen schützt. Ein darüber hinausgehender, von einer realen Beeinträchtigung unabhängiger Anspruch des Nachbarn auf Einhaltung der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung kann dagegen dem Bundesrecht nicht entnommen werden.“
Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzungen ist mithin - über das Gebot der Rücksichtnahme hinaus - nur dann nachbarschützende Wirkung zuzumessen, wenn sich aus der Begründung des Bebauungsplanes ein deutlicher Hinweis in diese Richtung ergibt (vgl. Rieger in Schrödter, Kommentar zum BauGB, § 30 Rn. 39 m.w.N.).
Ein solcher Hinweis ergibt sich aus der Begründung des Planes nicht; vielmehr erwähnt die Planbegründung auf S. 5 lediglich, dass die „Doppelfestsetzung“ Flächen für den Gemeinbedarf und Allgemeines Wohngebiet dem Nachbar- und Immissionsschutz Rechnung tragen soll. Für die weiteren Festsetzungen des Plangebiets finden sich solche Begründungen nicht. Ein beabsichtigter gebietsübergreifender Nachbarschutz ist daher nicht festzustellen.
Auch die Überschreitung der im Bebauungsplan Nr. 32 festgesetzten Baugrenzen verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (zuletzt OVG Lüneburg, Beschluss v. 31.10.2007 - 1 ME 277/07 - , Nds. VBl. 2008, 76) , dass Baugrenzen nicht - wie etwa Festsetzungen über die Art der Nutzung - von Gesetzes wegen uneingeschränkt Nachbarschutz entfalten, also mithin nicht allein schon auf die Feststellung eines entsprechenden Verstoßes auch Nachbarschutz zu gewähren ist. Vielmehr kommt der Festsetzung einer rückwärtigen Baugrenze nur dann nachbarschützende Wirkung zu, wenn dies dem Willen des Plangebers entspricht (so z. B. OVG Lüneburg, Beschl. v. 20.6.2000 - 1 M 2011/00 -, BauR 2000, 1844 = BRS 63 Nr. 188 u. v. 15.11.2006 - 1 ME 194/06 -, NdsVBl. 2007, 136 im Anschluss an die Rspr. d. BVerwG v. 19.10.1995 - 4 B 215.95 -, BauR 1996, 82 = BRS 57 Nr. 219 u. Beschl. v. 23.6.1995 - 4 B 52.95 -, ZfBR 1995, 329 = BRS 57 Nr. 209), und zwar in bewusster Abkehr von der Rechtsprechung des Ba.-Wü. VGH, etwa Beschluss vom 23. Oktober 1997 - 5 S 1596/97 -, BRS 59 Nr. 126 (vgl. in diesem Zusammenhang umfänglich und differenzierend auch Schmaltz, Zur drittschützenden Wirkung von Festsetzungen eines Bebauungsplanes in: Planung und Plankontrolle, Otto Schlichter zum 65. Geburtstag 1995, insbesondere S. 595 ff.). Straßenseitige Baugrenzen und Baulinien hingegen dienen ausschließlich städtebaulichen Belangen, so dass sie allgemein nicht als nachbarschützend angesehen werden (vgl. Rieger, a.a.O., § 30 Rn. 42). Den Ausführungen in der Begründung des Bebauungsplanes (S.11 – Flächen für den Gemeinbedarf) ist nicht zu entnehmen, dass die Baugrenzen außerhalb des Plangebiets wohnende Nachbarn schützen sollen.
b) Auch eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme zulasten der Antragstellerin liegt nicht vor, und zwar auch dann nicht, wenn mit die Nutzung des Gebäudes mit in die Prüfung einbezieht.
Das sog. "Gebot der Rücksichtnahme" findet in - wie hier - qualifiziert beplanten Bereichen nach § 30 Abs. 1 BauGB über § 15 Abs. 1 BauNVO (siehe hierzu BVerwG vom 5.8.1983 BVerwGE 67, 334; BVerwG vom 18.5.1995 DVBl. 1996, 40 = NVwZ 1996, 379) bzw. bei der Gewährung von Befreiungen bezüglich nicht nachbarschützender Vorschriften gemäß § 31 Abs. 2 BauGB über das Tatbestandsmerkmal der "Würdigung nachbarlicher Interessen" Eingang in die bauplanungsrechtliche Prüfung. Das Gebot der Rücksichtnahme (grundlegend BVerwG vom 25.7.1977 BVerwGE 52, 122; siehe z.B. auch BVerwG vom 26.5.1978 BVerwGE 55, 369; BVerwG vom 5.8.1983 BVerwGE 67, 334; BVerwG v. 20.4.2000 BauR 2001, 212; vgl. auch Seidel, Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Nachbarschutz, NJW-Schriftenreihe, RdNr. 356 ff.) soll einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten. Es vermittelt insofern Drittschutz, als die Baugenehmigungsbehörde hierdurch gezwungen wird, in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Belange eines erkennbar abgrenzbaren Kreises Dritter zu achten. Die insofern vorzunehmende Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist, was sich nach der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke beurteilt (vgl. z.B. BVerwG vom 20.4.2000 BauR 2001, 212). Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmeberechtigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, die er mit dem Vorhaben verfolgt, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (z.B. BVerwG vom 13.3.1981 DÖV 1981, 672). Den Anforderungen, die sich aus diesem Gebot ergeben, ist z.B. dann nicht mehr genügt, wenn das Vorhaben zwangsläufig Zu- und Abgangsverkehr mit sich bringt, der der Nachbarschaft nicht zumutbar ist (BVerwG vom 20.4.2000 BauR 2001, 212).
In der Rechtsprechung (vgl. z.B. BVerwG vom 13.3.1981 BRS 38 Nr. 186; BVerwG vom 20.9.1984 DVBl 1985, 122; BVerwG vom 23.5.1986 BRS 46 Nr. 176) ist zudem anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes auch dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft z.B. befindliches Wohngebäude "eingemauert" oder "erdrückt" wird. Ob dies der Fall ist, hängt ganz wesentlich von der konkreten Situation im Einzelfall ab. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigten, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Verhinderung einer unzumutbaren einmauernden oder erdrückenden Wirkung auch zum Regelungszweck der landesrechtlichen Abstandsflächenbestimmungen gehört und daher mit Blick auf planungsrechtliche Anforderungen zumindest aus tatsächlichen Gründen das Rücksichtnahmegebot im Regelfall dann nicht verletzt ist, wenn die Abstandsflächenvorschriften eingehalten werden (BVerwG vom 7.12.2000 DVBl. 2001, 645).
Zur Nachbarverträglichkeit einer Kindertagesstätte hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 3.1.2011 (- 1 ME 146/10- ) ausgeführt:
„Die Nachbarverträglichkeit von Kindertagesstätten - die Kinderkrippe für Kleinkinder im Alter von 1 bis 3 bzw. 4 Jahren stellt einen Unterfall der Kindertagesstätte dar - beurteilt sich vielmehr nach einer wertenden Betrachtung der Situation, in die die in ihrer Nutzung konkurrierenden Grundstücke gestellt sind; Orientierungswerte spielen dabei eher eine untergeordnete Rolle (vgl. zum Nachstehenden: Rojahn, ZfBR 2010, 752; OVG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2008 - 2 BS 171/08 -, BauR 2009, 203 sowie v. 2.7.2009 - 2 BS 72/09 -, BauR 2010, 56 - diese betreffen ein und dieselbe Kindertagesstätte mit unterschiedlich starken Gruppen -; OLG Celle, Beschl. v. 27.6.1997 - 4 U 47/94 -, MDR 1997, 1023 = NdsRpfl. 1997, 311; Dietrich/Kahle, DVBl. 2007, 18; Macht/Scharrer, DÖV 2009, 657; Guckelberger, UPR 2010, 241). Dazu ist auszuführen: Die Orientierungswerte der TA-Lärm können schon deshalb nicht angewandt werden, weil ihre Nr. 1 Satz 2 lit. h) "Anlagen für soziale Zwecke" von ihrem Anwendungsbereich ausnimmt. Dieser Ausschluss wurde ausdrücklich mit dem Ziel und dem Hintergrund aufgenommen, dass Kindertagesstätten als Anlagen für soziale Zwecke im Sinne der Baunutzungsverordnung anzusehen sind. Wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung, gerade nicht getrennt von Wohngebieten errichtet und betrieben zu werden, sondern - wie etwa auch Spielplätze - in solche Wohngebiete eingebettet, sollten sie nicht dem Grundgedanken der TA-Lärm unterfallen, störende von lärmempfindlicher Nutzung fernzuhalten, d. h. beide räumlich zu trennen. Aus diesem Grunde scheidet zugleich eine immissionsschutzrechtliche Betrachtung nach Nr. 2 der so genannten Freizeitlärm-Richtlinie (v. 8.1.2001, NdsMBl. 2001, 201) aus. Denn der letzte Satz ihrer Nr. 1 nimmt Kinderspielplätze - mit Ausnahme so genannter Abenteuerspielplätze - vom Begriff der in den vorangegangenen Sätzen dieser Bestimmung aufgeführten Freizeitanlagen aus.
Selbst wenn man Kindertagesstätten als nicht genehmigungspflichtige Anlagen im Sinne des § 22 Abs. 1 BImSchG ansähe, wäre zur Beurteilung der Nachbarverträglichkeit einer solchen Anlage eine auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen abstellende Prüfung durchzuführen, ob die damit verbundenen Immissionen die Grenze des Zumutbaren überschreiten. Das ist danach zu beurteilen, ob sich diese (namentlich Lärm-) Einwirkungen nach Zeit, Dauer und Intensität im Rahmen dessen halten, was bei Würdigung der konkreten Verhältnisse dem Nachbarn noch zuzumuten ist. Maßgeblich sind danach insbesondere der durch den An- und Abfahrtsverkehr verursachte Lärm, derjenige, den die bestimmungsgemäße Nutzung einer Kindertagesstätte verursacht, die Tageszeiten, zu denen das geschieht, sowie die Frage, ob diese Nutzung als sozialadäquat und mit der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des in Rede stehenden Gebiets zu vereinbaren anzusehen ist (vgl. zu den vorstehenden Gesichtspunkten BVerwG, Urt. v. 30.4.1992 - 7 C 25.91 -, BVerwGE 90, 163 = DVBl. 1992, 1234 = UPR 1992, 381 = BRS 54 Nr. 188). In diesem Zusammenhang kommt den Wertungen, die der Gesetzgeber in der Baunutzungsverordnung getroffen hat, eine besondere Bedeutung zu (vgl. dazu jüngst auch BVerwG, Urt. v. 16.9.2010 - 4 C 7.10 -, Juris). Insoweit ist zu beachten, dass Anlagen für soziale Zwecke in einer ganzen Reihe von Baugebieten zulässig sind. So hat das Oberverwaltungsgericht Hamburg in den beiden zitierten Beschlüssen es sogar für zulässig erachtet, je nach Gruppenstärke Kindertagesstätten (hier: bis maximal 22 Kinder) als Ausnahme sogar in reinen Wohngebieten zuzulassen (vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1990). Nun ist zwar zu berücksichtigen, dass bei Nutzungsarten, die mehreren der in den §§ 2 bis 9 BauNVO geregelten Baugebieten zugewiesen sind, ihre "Gebietsverträglichkeit" zu prüfen ist (vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 28.2.2008 - 4 B 60.07 -, ZfBR 2008, 379 = BauR 2008, 954 = UPR 2008, 265 = NVwZ 2008, 768). Auch unter diesem Gesichtspunkt sprechen die tatsächlichen Umstände gegen die Antragstellerin. Denn erörtert das Oberverwaltungsgericht Hamburg (a.a.O.) - allerdings mit Blick auf großstädtische Verhältnisse -, ob Kindertagesstätten mit einer Größe von maximal 22 Teilnehmern sogar in einem reinen Wohngebiet entsprechenden Quartier zulässig sein können, wird man für den nicht ganz so großstädtischen Bereich von W eine Kinderkrippe mit 2 x 15, das heißt insgesamt 30 zu betreuenden Kleinkindern in einem Bereich, der - wie selbst die Antragstellerin meint - angesichts seiner Lage als Misch- oder sogar Kerngebiet anzusehen ist, beim hier streitigen Vorhaben nicht von einer gebietsuntypischen Anlage für soziale Zwecke sprechen können. Gerade wegen der Einbettung in einen Bereich, der auch zum Wohnen genutzt wird, ist die Annahme der Antragsgegnerin sehr realistisch, An- und Abfahrtsverkehr werde nicht über das Maß hinaus angezogen und verursacht werden, das in einem Misch-/Kerngebiet als gebietstypisch anzusehen ist.
Den vom Verwaltungsgericht und der Antragstellerin ausführlich traktierten Orientierungswerten der TA-Lärm kommt hier keine mit ausschlaggebende Bedeutung zu, weil diese - wie oben ausgeführt - sich wegen des Zwecks, den Anlagen sozialer Zwecke erfüllen, gerade selbst keine Bedeutung beimisst. Für Kindertagesstätten heißt dies, dass die mit ihnen mehr oder minder notwendig verbundenen Auswirkungen wie An- und Abfahrtsverkehr sowie Lautäußerungen der Kleinkinder von den Bewohnern eines solchen Gebiets "nun einmal" nach der Wertung des Baunutzungsverordnungs-Gesetzgebers hinzunehmen sind. Insofern gilt nichts anderes als beispielsweise für den in § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO geregelten Fall, dass in einem Gebiet, welches vorwiegend dem Wohnen dient, seiner Versorgung dienende Läden sowie Schank- und Speisewirtschaften zugelassen werden. Das führt zwar zu Störungen, ist jedoch im Interesse naher Versorgung hinzunehmen. Dasselbe gilt im Hinblick auf gebietstypische Anlagen für soziale Zwecke.
Die mit ihnen verbundenen Einwirkungen sind daher ungeachtet eventuell bestehender Lärm-Orientierungswerte hinzunehmen. Insoweit gilt nichts anderes, als es beispielsweise für die Pflicht gilt, Einstellplätze innerhalb eines Wohngebiets hinzunehmen. Deren Nutzung mag im Einzelfall zu einer Überschreitung der Orientierungswerte führen. Das ist jedoch wegen der vom Baunutzungsverordnungs-Gesetzgeber gewollten Nebeneinander von Wohnen und Garagen im Prinzip hinzunehmen (vgl. Senatsbeschl. v. 27.3.2007 1 ME 102/07 -, NdsVBl. 2007, 199 sowie v. 21.10.2009 - 1 ME 192/09 -, DVBl. 2009, 1530; s. auch Beschl. v. 4.1.2010 - 1 LA 304/07 -, V.n.b.; vgl. nochmals BVerwG, Urt. v. 16.9.2010 - 4 C 7.10 -, JURIS).
Auf dieser Linie liegt zudem die Rechtsprechung des Senats zur Nachbarverträglichkeit von Spielplätzen. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. Urt. v. 12.12.1991 - 4 C 5.88 -, BRS 52 Nr. 47 = NJW 1992, 1779; Beschl. v. 3.3.1992 - 4 B 70.91 -, BRS 54 Nr. 43 = NVwZ 1992, 884) sind Kinderspielplätze nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. insbes. Urt. v. 26.3.1996 - 6 L 5539/94 -, OVGE 46, 371; vgl. auch Senatsbeschl. v. 3.2.2004 - 1 LA 31/03 -, V.n.b.) auf die unmittelbare Nähe zur Wohnbebauung angewiesen und stellen sogar in einem reinen Wohngebiet deren nicht nur sinnvolle, sondern auch städtebaurechtlich zulässige Ergänzung dar. Denn Spielplätze sind für eine altersgemäße Entwicklung von Kindern und Jugendlichen wünschenswerte, wenn nicht sogar erforderliche Einrichtungen, um diesen einen Aufenthalt im Freien zu ermöglichen, bei dem der natürliche Bewegungsdrang ausgelebt und zugleich Sozialverhalten eingeübt werden kann. Nur im Einzelfall kann eine solche ebenfalls sehr lärmträchtige Einrichtung daher unzulässig sein.
Diese Rechtsprechung ist auf Kindertagesstätten zu übertragen. Diese Einrichtungen dienen insbesondere dazu, berufstätigen Eltern, erst recht Alleinerziehenden die Unterbringung von Kleinkindern mit dem Ziel zu ermöglichen, einem Beruf nachzugehen. Dies soll möglichst wohnortnah geschehen. Der die TA-Lärm mitbeherrschende Trennungsgrundsatz (vgl. § 50 BImSchG) trägt die Einordnung als Anlage für soziale Zwecke mithin gerade nicht.
Allenfalls in Ausnahmefällen steht daher dem Eigentümer eines in einem Misch-/Kerngebiet gelegenen Grundstücks gegen eine Kindertagesstätte dieser doch vergleichsweise geringen Größe ein Abwehranspruch zu. Solche Gesichtspunkte streiten hier nicht zum Vorteil der Antragstellerin. Der mit dem Vorhaben verbundene An- und Abfahrtsverkehr ist vergleichsweise gering. Außerdem ist die Zufahrt und sind die Einstellplätze so angeordnet, dass Belästigungen der Antragstellerin ausgeschlossen, zumindest entscheidend minimiert sind.
Unzumutbare Belästigungen kann die Antragstellerin insbesondere nicht aus der Positionierung des so genannten Lichthofs und dem Umstand herleiten, dass dieser mit einem ihrer Auffassung nach nicht lärmdämmenden Boden und ohne Abdeckung errichtet werden soll, und ihr Schlafzimmer unmittelbar benachbart ist. Zum letztgenannten Gesichtspunkt (Lage des Schlafzimmers der Antragstellerin) ist anzuführen, dass sich die typischen Nutzungszeiten von Schlafzimmer einerseits und Kindertagesstätte andererseits nicht überschneiden. Nach der zur Genehmigung gestellten Betriebsbeschreibung soll die Kindertagesstätte der Beigeladenen in der Zeit von 7.00 bis 16.00 Uhr betrieben werden. Das sind schon keine Nachtzeiten mehr; selbst mit der sogenannten Ruhezeit (6 bis 8 Uhr) gibt es nur dem ersten Anschein nach eine kleine Überschneidung. Praktisch wird diese aber nicht, weil die Kleinkinder erst ab 7 Uhr gebracht werden dürfen und bis 8 Uhr daher in aller Regel "Sammeln", nicht aber Nutzung des Lichthofs angesagt sein wird. Selbst wenn ein Durchschnittsnutzer - auf diesen ist im Rahmen der baurechtlichen Beurteilung abzustellen; besondere persönliche Empfindlichkeiten und Vorlieben sind nicht zu berücksichtigen - den Mittagsschlaf bevorzugen würde, wäre dieser hier jedenfalls im Wesentlichen trotz des so genannten Lichthofs möglich. Denn nach dem Betriebskonzept soll von 12.00 bis 13.00 Uhr das Mittagessen eingenommen und um 13.00 Uhr eine Mittagspause begonnen werden. Es ist keineswegs unrealistisch, dass bei Kindern dieses geringen Alters diese Zeiten jedenfalls von einem erheblichen Teil der Kinder eingehalten werden.
Es dürfte zwar zutreffen, dass Lärm, den Kleinkinder im Lichthof verursachen werden, auf dem Grundstück der Antragstellerin zu vernehmen sein wird und dass dies die bisher vorhandene Wohnsituation verändern mag. Das ist für sich allein jedoch noch kein tragfähiger Grund, das streitige Vorhaben mit Erfolg abwehren zu können. Das ergibt sich - wie oben dargelegt - unter anderem aus der Wertung des Baunutzungsverordnungs-Gesetzgebers, solche Einrichtungen gerade im Interesse sonstiger Bewohner dieses Gebiets wohnquartiernah zuzulassen. Das gilt erst recht unter dem Gesichtspunkt der Gebietsverträglichkeit für einen Bereich, der "nur" als Misch- oder gar als Kerngebiet anzusehen ist.“
Nach diesen Maßstäben erweist sich das Bauvorhaben – die Errichtung einer Kindertagesstätte mit insgesamt 90 Plätzen im Ortskern von D. – nicht als rücksichtslos.
Bei der zu treffenden Abwägung ist zu berücksichtigen, dass das Baugrundstück von Anfang an von der Gemeinde als Fläche für den Gemeinbedarf vorgesehen war und sich dort bereits eine Grundschule mit 150 Plätzen und einer Turnhalle sowie ein Jugendzentrum befinden. In unmittelbarer Nachbarschaft westlich des Baugrundstücks befindet sich ferner ein Gemeindehaus, südöstlich eine Kirche. Angesichts dieser planungsrechtlichen Situation – schon der Bebauungsplan aus dem Jahre 2000 weist in seiner Begründung aus S. 11 auf die Absicht hin, zwischen Schule und Turnhalle einen Kindergarten zu errichten – erscheinen die Belange der Antragsteller als wenig schutzwürdig, zumal die Kindertagesstätte mit Krippe gerade den Bedürfnissen der umliegenden Wohngebiete dienen soll. Im Verhältnis zur vorhandenen Grundschule ist die Kindertagesstätte auch keineswegs überdimensioniert. Die Bedarfsplanung der Beigeladenen kann in Übrigen nicht zum Gegenstand einer nachbarlichen Anfechtungsklage gemacht werden; im Baugenehmigungsverfahren steht der Zweck eines Bauvorhabens nicht zur Prüfung an.
Für das Bauvorhaben spricht weiter, dass das „Freigelände“ durch die Baukörper von Schule und Jugendzentrum, zum Teil auch durch den Baukörper der Kindertagesstätte selbst von den Grundstücken der Antragsteller abgeschirmt ist. Besonders nachteilig wirkt sich demgegenüber für den Antragsteller zu 2. aus, dass die Zufahrt der Kindertagesstätte mit ihren 9 Stellplätzen unmittelbar gegenüber dessen Grundstück in die C.-straße mündet und er damit in besonders herausgehobener Weise mit dem Verkehrslärm belastet wird. Nach Maßgabe der o.g. Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ist das Vorhaben entsprechend der Wertung des Baunutzungsverordnungs-Gesetzgebers, nach der Kindertagesstätten zur wohnortnahen Versorgung gerade in allgemeine Wohngebiete und neuerdings sogar in reine Wohngebiete gehören, ebenso wie der damit zwangsläufig verbundene Verkehrslärm grundsätzlich von den Nachbarn hinzunehmen; das konkrete Bauvorhaben ist hier auch nicht rücksichtslos, insbesondere im Hinblick auf die bestehende Prägung des Gebietes durch die vorhandene Schule. Eine Änderung der Zufahrt – soweit überhaupt möglich – würde die Belastung zudem nur zu anderen Anwohnern verschieben.
Im Übrigen wäre – darauf verweist der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 23. Juli 2103 zu Recht – einem erhöhten Verkehrsaufkommen und einer Lärmentwicklung – mit Regelungen nach dem Straßenverkehrsrecht (Tempozonen u.ä.) zu begegnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.