Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 07.06.2013, Az.: 2 A 160/12

Abfall; Außenbereich; Ermessensreduzierung auf Null; Rechtsverletzung; tatsächlich öffentlicher Weg; Untere Waldbehörde; Wegsperre; Wegsperre; Zaun

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
07.06.2013
Aktenzeichen
2 A 160/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64480
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Verpflichtung des Beklagten, als Untere Waldbehörde gegen die von der Beigeladenen vorgenommene Einzäunung von zwei Flurstücken im „D. Wäldchen“ einzuschreiten.

Die Beigeladene ist Eigentümerin der Flurstücke 99/14 und 99/3, die am südwestlichen Rand des sog. „D. Wäldchens“ liegen. Sie grenzen im Nordwesten an den D. Weg an, im Süden an das Flurstück 104/7, auf dem sich der Mühlenteich befindet, von dem aus der Klostergraben bis zum D. Weg verläuft. Im Nordosten schließt sich Wald an. Die Beigeladene ist ferner Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Am E. 5, das wiederum an das Grundstück des Mühlenteiches angrenzt. Auf den beiden Flurstücken der Beigeladenen zu 1. befindet sich ein unbefestigter Weg, der an einem Denkmal für Gefallene des 1. Weltkrieges vorbeiführt.

Mit Schreiben vom 11. Juni 2011 wandte sich der Kläger zu 1. an die Hansestadt Lüneburg und teilte dieser mit, jemand habe im D. Wäldchen in der Südwestecke einen etwa 2 m hohen Stahlgitterzaun errichtet und den Wald auf einer Fläche von etwa 500 m² dadurch eingezäunt. Dieses dreieckige Waldstück liege mit 35 m Länge am D. Weg, etwa gegenüber der Einmündung des D. F. weges. Einige kleinere Bäume (Eichenwald) seien kürzlich gefällt worden, während etwa acht größere Eichen noch stünden. Jetzt seien Baumaschinen angerückt und palettenweise Betonpflastersteine abgeladen worden. Durch das Wäldchen führe schräg von der G. Landstraße zum D. Weg ein gerader Waldweg, den er - der Kläger zu 1. - und viele andere Anwohner der G. Landstraße und angrenzender Gebiete seit Jahrzehnten zu Fuß oder per Fahrrad als Abkürzung auf dem Weg in die Stadt genutzt hätten. Der Waldweg sei jetzt am südlichen Ende abgeschnitten, so dass die Anwohner um das eingezäunte Stück herum einen schlechten und auch gefährlichen Ersatzweg benutzen müssten. Außerdem halte der Zaun im Nordosten nur wenig Abstand von dem dortigen Gefallenendenkmal und schneide dessen Zuwegung, den mit Feldsteinen eingefassten sog. Ehrenhof, in unwürdiger Weise ab. Der Zaun und weitere Bauvorhaben seien baurechtswidrig, da sie sich in einer Außenbereichsfläche, insbesondere in einem Waldstück, befänden und keinem privilegierten Vorhaben dienten. Das Grundstück sei eindeutig dem Außenbereich (§ 35 BauGB) zuzuordnen: Der Bebauungszusammenhang ende mit den Häusern am E. 1 bis 5. Die Bebauung auf der Westseite des D. Weges bestehe nur aus einem einzelnen Haus und der niedrigen Mauer; sie könne auch schon wegen der Breite des D. Weges keinen Bebauungszusammenhang vermitteln.

Die Hansestadt Lüneburg vermerkte unter dem 29. Juli 2011, aus bauplanungsrechtlicher Sicht befinde sich der markierte Bereich außerhalb des Bebauungszusammenhangs und sei gemäß § 35 BauGB als Außenbereich zu beurteilen.

Nach Akteneinsicht beantragte der Kläger zu 1., die Beseitigung des Zaunes an der Nordwestseite und der Nordostseite der Flurstücke 99/3 und 99/14 anzuordnen.

Das von der Beklagten eingeschaltete Forstamt Göhrde erklärte mit Stellungnahme vom 8. September 2011, auf der eingezäunten Fläche stünden unmittelbar angrenzend am Zaun vier starke Eichen in Reihe, in einem Abstand von rd. 10 m folgten weitere sechs starke Eichen leicht versetzt in Reihe. Im Gegensatz zur angrenzenden Waldfläche seien Unterwuchs bzw. Unterstand nicht vorhanden, lediglich der Girsch breite sich flächendeckend aus. Im Bereich des neu gebauten Zaunes sei der Boden aufgefüllt worden, vereinzelt seien in diesem Bereich noch Wurzelstöcke von nicht näher zu identifizierenden Sträuchern vorgefunden worden. Direkt am D. Weg sei außerdem noch ein Eichenstubben mit einem Durchmesser von ca. 35 cm zu sehen gewesen. Ob der o.g. 10 m breite Raum zwischen den beiden Eichenreihen früher ebenfalls mit Waldbäumen bestockt gewesen sei und auf der gesamten Fläche Unterstand aus Spitzahorn, Linden und Eschen vorgekommen sei, könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur noch vermutet werden. Aufgrund der starken Frequentierung durch Spaziergänger in früheren Jahren und der ausgeführten gärtnerischen Tätigkeiten sei diese Fläche zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr eindeutig als Wald im Sinne des Niedersächsischen Gesetzes über den Wald und die Landschaftsordnung anzusprechen. Auch der fehlende Waldrand und das nicht mehr aufgrund der Größe und Baumdichte vorhandene Waldbinnenklima deuteten darauf hin. Auch die Luftbildauswertung gebe keine eindeutigen Hinweise, ob es sich bei besagter Fläche um Wald bzw. keinen Wald handele.

Mit e-mail vom 5. Oktober 2011 wandte sich der Landkreis Lüneburg an die Hansestadt Lüneburg und teilte mit, nach Prüfung der Sachlage komme die Untere Waldbehörde zu dem Ergebnis, dass es sich hier um Wald im Sinne des NWaldLG handele und das freie Betretensrecht dieses Waldteiles, auch wenn er im privaten Eigentum sei, erheblich und unangemessen durch den Stabgitterzaun eingeschränkt werde. Durch die Entfernung von kleineren Bäumen und Sträuchern (Unterholz), der Pflanzung von Gartenpflanzen sowie Bodenmodellierung und der hergerichteten Zaunanlage werde eine Umwandlung in Garten vorgenommen. Diese Umnutzung inklusive der Zaunanlage sei in dieser Form nicht zulässig. Die Hansestadt Lüneburg werde gebeten, den Rückbau des Zaunes anzuordnen. In Anbetracht der Standdauer des Jägerzauns könne der Stabgitterzaun auf die Höhe des jetzigen Jägerzauns verlegt werden.

Mit Schreiben vom 23. November 2011 wandte sich die Äbtissin des Kloster Lüne an die Hansestadt Lüneburg und teilte dieser mit, durch das mutwillige Ziehen von Stauhölzern sowie Verstopfen des Mönches würden ihre vier Klosterbrunnen sowie die Bewässerung ihrer Gärten nicht mehr mit Wasser versorgt. Ein Verstopfen der Freispiegelleitung durch Schlamm und Modder sei immer wieder die Folge und könne jedes Mal nur mit Spülen der Leitung (Spülwagen) wieder in Funktion gesetzt werden. Aus gegebenem Anlass teile sie der Hansestadt Lüneburg nunmehr auf diesem Wege mit, das seit Abschluss der Einfriedung die durch Vandalismus begründeten Manipulationen der Abwasser- und Zuwasserwehre (Mönch) für die Nutzwasserleitung nicht mehr aufgetreten seien. Auch sei ein unrechtmäßiges Abladen bzw. Verbringen von Hausmüll, Unrat und Abfall so nicht mehr möglich und trage zu einem sauberen Bild im Klosterbereich bei. Die Einfriedung sehe sie als stabile Lösung an, die mit einer immer grünen Bepflanzung versehen werde.

Mit Bescheid vom 30. November 2011 lehnte die Hansestadt Lüneburg den Antrag auf Erlass einer bauordnungsrechtlichen Anordnung ab. Zur Begründung führte sie aus, der in der H. -I. -Straße wohnende Kläger zu 1. sei kein Nachbar im baurechtlichen Sinne. Die Entfernung des Wohngrundstückes des Klägers zu dem Pfad betrage ungefähr 1,6 km Luftlinie. Bei dieser Entfernung könne sich der Kläger nicht mehr darauf berufen, durch die Auswirkungen des Zauns in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt zu werden. Zudem habe der Kläger kein subjektiv-öffentliches Recht auf Durchsetzung des NWaldLG. Dieses Gesetz sei vorliegend nicht anwendbar, da die eingezäunten Flächen nicht eindeutig als Wald qualifiziert werden könnten. Darüber hinaus ergebe sich ein subjektiv-öffentliches Recht weder aus § 25 NWaldLG noch aus § 23 NWaldLG. Das Betretensrecht des § 23 NWaldLG finde seine Grenze in einer für die Grundbesitzenden unzumutbaren Nutzung. Dass die bisherige Nutzung für die Grundstückseigentümerin unzumutbar gewesen sei, davon müsse hier ausgegangen werden. Unzumutbar sei die Belästigung, wenn die Störung nach der in der Bevölkerung vorherrschenden Auffassung nicht hinzunehmen sei. Die Beigeladene zu 1. habe den Zaun errichtet um zu verhindern, dass von dem Weg aus Unrat in ihren Garten geworfen werde. Eine mutwillige Verschmutzung ihres Gartens müsse die Beigeladene nicht dulden. Eine weniger einschneidende Maßnahme sei nicht ersichtlich. Schließlich liege auch keine Einengung des Ermessens auf Null vor. Dem Kläger sei es durchaus zuzumuten, die öffentlichen Verkehrswege zu nutzen.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger zu 1. gegen die Hansestadt Lüneburg am 19. April 2012 Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten erhoben, die am heutigen Tage entschieden wird (2 A 60/12).

Mit Schreiben vom 16. Juni 2012 wandten sich die Kläger an den Beklagten und beantragten ein Einschreiten gegen den Zaun der Beigeladenen; dazu erklärte der Kläger zu 2., er selbst nutze den Waldweg ebenfalls mit dem Fahrrad etwa 2 x in der Woche.

Mit Bescheid vom 4. September 2012 lehnte der Beklagte ein Einschreiten als Untere Waldbehörde ab. Zur Begründung führte er aus, ein Einschreiten stehe nach § 31 NWaldLG in seinem Ermessen. Es sei nur eine kleine Fläche von ca. 600 bis 800 qm eingezäunt; das Befahren sei mit einem geringen Umweg noch möglich. In Anlehnung an die bauordnungsrechtliche Regelung (Nr.6.1. der Anlage zu § 69 NBauO) werde auf ein Einschreiten bei der Einzäunung verzichtet.

Dagegen haben die Kläger am 20. September 2012 Klage erhoben.

Sie tragen vor, die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, weil sie das Recht auf freies Betreten der Landschaft in einem Naherholungsgebiet missachteten. Sie ließen nicht erkennen, dass der Beklagte seine Aufgaben zum Schutz des Waldes wahrnehme. Ferner verkenne der Beklagte, dass der Waldeigentümer nach langjähriger Duldung tatsächlich öffentliche Wege nicht mehr beliebig sperren könne. Nur beim Entstehen neuer Wege sei der Waldeigentümer berechtigt, diese zu sperren. Der hier gesperrte Weg werde seit Jahrzehnten von den Anwohnern genutzt; dies habe auch die Beigeladene etwa 10 Jahre lang geduldet. Nunmehr müssten die Anwohner einen abknickenden Umweg nehmen, der wegen aus dem Boden herausragender Granitsteine besonders gefährlich sei.

Die Kläger beantragen,

die Bescheide des Beklagten vom 4. September 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Beseitigung des Zauns an der Nordwestseite und der Nordostseite der Flurstücke 9973 und 99/14 der Flur 41 Gemarkung Lüneburg anzuordnen,

hilfsweise, den Beklagten zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, dass NWaldLG gebe nicht die Gewährleistung eines bestimmten Zugangs zum Wald, sondern setze nur die allgemeine Zugänglichkeit voraus. Sei eine Waldfläche über andere Wege erreichbar und der Zugang damit in zumutbarer Weise gewährleistet, so bestehe kein subjektives Recht auf Entfernung von Sperren. Die Kläger könnten weiterhin auf dem abknickenden Weg in den Wald gelangen. Die Eigentümerin sei auch berechtigt, den bestehenden weg der Nutzung wieder zu entziehen.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, den Klägern sei es zuzumuten, den geänderten Weg zu benutzen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Die Kläger haben gegen Beklagten einen Anspruch auf Einschreiten gegen den von der Beigeladenen errichteten Zaun.

Anspruchsgrundlage ist § 31 Abs. 4 NWaldLG (vom 21.3.2002, GVBl. S. 112); danach kann die Behörde die zur Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustandes erforderlichen Anordnungen treffen, wenn Verbote, Zäune, sperren und sonstige Hindernisse mit Absatz 1 nicht vereinbar sind.

Nach dem Wortlaut könnte für potenzielle Besucher nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung in Betracht kommen. Allerdings verlangt die ausdrücklich genannte individualrechtliche Formulierung insbesondere des § 23 Abs. 1 NWaldLG für das Betretensrecht eine stärkere Ermessensbindung der Behörde. Diese Vorschrift - im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG (Handlungsfreiheit) – ist rechtsschützend auszulegen. Der fehlende privatrechtliche Anspruch - in Verbindung mit erheblicher individueller rechtlich zu schützender Betroffenheit eines Waldbesuchers und einer (in § 31 Abs. 4 NWaldLG nicht erwähnten) ausdrücklichen Geltendmachung des Schutzbegehrens bei der Waldbehörde sind besonders zu berücksichtigen. Daher wird im Allgemeinen das Ermessen nahezu auf Null reduziert sein, also zu einer Pflicht der Behörde zum Einschreiten führen (vgl. Möller, Waldrecht und Umweltrecht in Niedersachsen, 2. Aufl. 2003, Band II, Seite 400, Rn. 46.2.4).

Die Kläger sind hier erheblich in eigenen Rechten betroffen.

Gemäß § 23 Abs. 1 NWaldLG darf jedermann den Wald und die übrige freie Landschaft betreten und sich dort erholen. Auf Wegen in der freien Landschaft, die keine öffentlichen Straßen im Sinne des Straßenrechts sind, darf mit Fahrrädern ohne Motorkraft und mit Krankenfahrstühlen gefahren werden ( §§ 25 und 26 NWaldLG). Gemäß § 31 NWaldLG dürfen Eigentümer und Besitzer von Grundstücken die Ausübung der Rechte nach den §§ 1 und 2 nur verbieten oder durch Zäune oder andere Mittel verhindern oder wesentlich erschweren, soweit und solange dies für im Einzelnen in den Ziffern 1 bis 8 genannten Zwecke erforderlich ist.

Mit diesen Bestimmungen wird das Spannungsfeld zwischen den Rechten des Waldbesitzers und den Rechten des erholungssuchenden Waldbesuchers beschrieben. Dabei stellt sich die in § 23 Abs. 1 NWaldLG beschriebene Rechtsposition nicht nur als Reflex der Duldensverpflichtung des Waldbesitzers dar, sondern vermittelt dem erholungssuchenden Waldbenutzer auch eine subjektive geschützte Rechtsposition. Deren rechtliche Tragweite ist allerdings eingeschränkt. Sie beinhaltet nach einhelliger Rechtsauffassung kein unbeschränktes subjektives Recht für Fußgänger, Radfahrer und Reiter, die Rechtmäßigkeit von Sperren und Betretensverboten behördlich und gerichtlich überprüfen zu lassen. Vielmehr sind folgende Abstufungen anerkannt: Die gerichtliche Geltendmachung der Verletzung der Betretungsbefugnis durch die Allgemeinheit wäre als unzulässige Popularklage anzusehen. Auch die Geltendmachung der Interessen bestimmter Personen auf ungehindertes Betreten des Waldes ist unzulässig. Selbst derjenige, der dem Kreis potentieller Rechtsinhaber angehört, ist gemäß § 42 VwGO nicht befugt, den ungestörten Zugang zum Wald einzuklagen. Vielmehr ist nach dem geltenden Rechtsschutzsystem erforderlich, dass eine Verletzung der Betretensbefugnis nicht nur abstrakt denkbar ist, sondern dass mit ihr auch konkret gerechnet werden muss. Der Kläger muss sich aus der Zahl möglicher Anspruchsberechtigter sichtbar herausheben, er muss etwa dartun können, dass gerade er ein schutzwürdiges Interesse daran hat, den durch eine bestimmte Sperre oder ein bestimmtes Verbotsschild gesperrten Wald zum Zwecke der Erholung zu betreten. Nur wer ein derartiges Interesse anhand objektiver Umstände hinreichend dartun kann, ist befugt, das Einschreiten der Forstbehörden einzuklagen (VGH Mannheim, Urt. v. 18.1.1983 - 5 S 2090/82 -, Jagdrechtliche Entscheidungen XIII Nr. 14; Kolodziejcok/Recken, Naturschutz, Landschaftspflege und einschlägige Regelungen des Jagd- und Forstrechts, Komm., Loseblattausgabe, Stand: April 2002, Erläuterungen Nr. 13 ff zu § 14 BWaldG; Tesmer, LWaldG, Komm., 2. Aufl. 1981, Vorbem. Nr. 2 vor § 23 LWaldLG). Darüber hinaus umfasst das subjektive Betretensrecht nicht die Gewährleistung eines bestimmten Zugangs zu Wald und Flur, sondern setzt nur die allgemeine Zugänglichkeit voraus. Ist also trotz Absperrungen und Verbotsschildern eine Waldfläche über andere Wege erreichbar und damit der Zugang zu diesem Wald in zumutbarer Weise weiterhin möglich, fehlt es an einem subjektiven Recht, gerichtlich die Aufhebung einzelner Sperren durchzusetzen (so ausdrücklich: VG Berlin, Beschl. v. 7.8.1985 - 1 A 255/85 -, NuR 1986 S. 39; VG Lüneburg, Urt. v. 4.7.2002 - 2 A 251/01 -).

Nach diesen Maßstäben, an denen das erkennende Gericht in Anknüpfung an seine Entscheidung aus dem Jahr 2002 festhält, sind die Kläger anspruchsberechtigt, da sie geltend machen, regelmäßig den nunmehr eingezäunten Waldweg benutzt und damit zu dem abgesperrten Wald- bzw. Landschaftsteil Zugang genommen zu haben. Geht man davon aus, dass „jedermann“ nicht wirklich jeder sein kann, sondern nur ein tatsächlich konkret betroffener Nutzungswilliger (so ausdrücklich Möller, Waldrecht und Umweltrecht in Niedersachsen, 2. Aufl. 2003, Band II S. 399), so sind diese Anforderungen hier erfüllt.

Anders als in dem im Jahr 2002 entschiedenen Fall geht es hier nicht um eine bloße Wegsperre, mit der der Zugang zu einem dahinter gelegenen Waldstück erschwert wird; vielmehr hat die Beigeladene ihr gesamtes Grundstück, das bislang Teil des „D. Wäldchens“ war, durch eine Zaun unzugänglich gemacht. Die Kläger müssen sich auch nicht darauf verweisen lassen, den „abknickenden“ Alternativweg zu benutzen, der zwar tatsächlich nur ein kleiner Umweg ist; es geht jedoch nicht nur um die Weiterfahrt in die Lüneburger Innenstadt, sondern auch um das Betreten des nunmehr vollständig abgesperrten Waldstücks einschließlich des ursprünglich vorhandenen Zugangs zum Denkmal für die Gefallenen des 1. Weltkriegs. Im Urteil vom 4. Juli 2002 hatte das Gericht ausgeführt:

„Ist dem Kläger also letztlich ein Betreten der einzelnen Waldstücke wenn auch nicht auf jedem von ihm gewünschten Weg aber doch in zumutbarer Weise möglich, fehlt es weiterhin - was die Entscheidung der Kammer selbständig trägt - auch an einem schützenswerten Interesse, den Wald gerade über einen gesperrten Weg zu betreten. Der Kläger hat nicht dargelegt, weshalb er darauf angewiesen sein sollte, die zahlreichen von ihm im Einzelnen angeführten Waldstücke gerade auf diesem gesperrten Weg zu betreten. Ein schützenswertes Interesse, das ihn von anderen Erholungssuchenden unterscheidet, ist nicht erkennbar.“

Demgegenüber vermag der erkennende Einzelrichter hier ein schützenswertes Interesse der Kläger am Betreten des abgesperrten Teils des „D. Wäldchens“ zu bejahen, da dieser Bereich zu einem wichtigen Naherholungsgebiet gehört, unmittelbar an eine öffentliche Straße, den D. Weg, grenzt und seine Nutzung für die Kläger nicht nur wegen des Weges, sondern auch wegen des Zugangs zum Denkmal und des Blicks auf den Klosterteich besonderen Wert hat.

Daneben haben die Kläger auch einen Anspruch auf Befahren des gesperrten Wegstückes nach § 25 Abs. 1 NWaldLG. Nach dieser Regelung ist das Fahren mit Fahrrädern ohne Motorkraft auf tatsächlich öffentlichen Wegen gestattet. Tatsächlich öffentliche Wege sind private Straßen und Wege, die mit Zustimmung oder Duldung der Grundeigentümerin, des Grundeigentümers oder der sonstigen berechtigten Person tatsächlich für den öffentlichen Verkehr genutzt werden; dazu gehören Radwege, Fahrwege, Reitwege und Freizeitwege.

Tatsächlich öffentliche Wege sind Wege, die von jedermann für alle oder einzelne Benutzungsarten benutzt werden können und für die der Eigentümer ausdrücklich oder stillschweigend die Benutzung durch einen allgemein bezeichneten Personenkreis zugelassen hat. Die in § 25 Abs. 1 Satz1 NWaldLG enthaltene freiwillige Duldung durch den Grundeigentümer wird im Hinblick auf die einschränkend anknüpfenden Regelungen des Betretensrechts hinsichtlich der Fortsetzung zu einer Pflicht. Denn sobald der Grundbesitzer den Weg durch Zustimmung oder Duldung für die Benutzungsart zum tatsächlich öffentlichen Weg hat werden lassen, lagert sich aufgrund des öffentlich-rechtlichen Betretensrechts (Gestattung für Besucher) die Duldungspflicht in der Weise über das Verfügungsrecht des befugten Grundbesitzers, dass er den Weg hinsichtlich der zugelassenen Benutzungsarten nur mit den Gründen des § 31 NWaldLG sperren kann, teilweise dabei nur mit Genehmigung der Waldbehörde (vgl. Möller, a.a.O., S. 414).

Bei dem hier streitigen Waldweg handelt es sich um einen seit mehreren Jahrzehnten der Öffentlichkeit zugänglichen Weg, der zumindest von Radfahrern und Fußgängern genutzt wurde. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

Die Beigeladene ist mithin nicht mehr berechtigt, über die Wegenutzung frei zu verfügen und den Weg aus eigenem Entschluss der Öffentlichkeit wieder zu entziehen.

In welchem Umfang Verbote und Sperren durch die Beigeladene zulässig sind, ist in § 31 NWaldLG geregelt. Derzeit ist nicht ersichtlich, dass einer der dort geregelten Tatbestände erfüllt ist.

Soweit die Beigeladene geltend macht, Passanten würden immer wieder Abfall auf ihr Grundstück werfen oder dort hinterlassen, ist gegenwärtig schon nicht ersichtlich, dass die Sperrung des Weges deswegen erforderlich (s. § 31 Abs. 1 Satz 1 NWaldLG) ist. Jedenfalls sind zur Verhinderung eines solchen Fehlverhaltens zunächst weniger einschneidende Maßnahmen – wie z. B. das Aufstellen von Hinweisschildern – zu ergreifen. Im Übrigen reicht eine Verschmutzung, die das nach allen Erfahrungen bei der Benutzung eines in freier Landschaft gelegenen Weges „normale“ Maß nicht überschreitet, nicht für ein Verbot oder eine Sperrung aus (vgl. VGH Baden-Württemberg, B. v. 27.08.1991 - 5 S 1217/91 -, juris Rn. 4 = NVwZ-RR 1992, 61). Bei der Frage, wann Verschmutzungen dem Grundeigentümer unzumutbar sind, ist auch zu berücksichtigen, dass nicht der Eigentümer, sondern die zuständige öffentlich-rechtliche Körperschaft zum Einsammeln auf dem Grundstück anfallenden Abfalls verpflichtet ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, B. v. 27.08.1991, a. a. O.). Nach der Wertung des Gesetzgebers (§ 31 Abs. 1 Nr. 4) sollen Sperren zulässig sein zur Vermeidung von erheblichen verbotswidrigen Abfallablagerungen an Badeteichen und Grillplätzen; dass die Abfallablagerungen hier eine derartige Dimension erreicht hätten, ist nicht ersichtlich. Insbesondere finden sich in den Akten des Beklagten keinerlei Hinweise darauf, dass es diesbezügliche Anzeigen oder Beschwerden gegeben hätte. Das Schreiben der Äbtissin an die Hansestadt Lüneburg ist erst nach Errichtung des Zauns ergangen, ohne dass zuvor Beschwerden erfolgt wären.

Das dem Beklagten nach § 31 Abs. 4 NWaldLG eröffnete Ermessen ist hier auf Null reduziert; für eine solche, nach der gesetzlichen Regelung ohnehin regelmäßig anzunehmende Ermessenreduzierung (s.o.) spricht hier, dass der Kläger anderweitiger Schutz ihrer Rechte nicht möglich ist, nachdem auch schon die Hansestadt Lüneburg als Bauaufsichtsbehörde unter Verkennung der bauplanungsrechtlichen Rechtslage, die die Errichtung von Zäunen im Außenbereich grundsätzlich nicht gestattet, ein Einschreiten abgelehnt hat. Die Beklagte ist als untere Waldbehörde ohnehin gehalten zu überprüfen, ob – was nach den Ausführungen des Forstamtes Göhrde und der Ansicht der Beigeladenen, dass es sich um „Park- und Gartenland“ handeln würde – nahe liegt, eine bisher nicht genehmigte Waldumwandlung im Sinne von § 8 NWaldLG vorgenommen wurde; dann wäre sie nach § 8 Abs. 8 gehalten, eine unverzügliche Wiederaufforstung anzuordnen. Zudem ist die Einzäunung des alten Waldbestandes in unmittelbarer Nähe des Klosters Lüne derartig massiv und öffentlichkeitswirksam erfolgt, dass eine Untätigkeit der zum Schutz des Waldes verpflichteten Behörde sicherlich andere Grundeigentümer zur Nachahmung motivieren würde. Schließlich ist – wie schon ausgeführt – der Zaun entgegen den Ausführungen des Beklagten auf Seite 3 seines Bescheides vom 4. September 2012 („Nähe zur Wohnbebauung“) ganz offensichtlich baurechtswidrig, da der Zaun keinem privilegierten Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB dient und als sonstiges Vorhaben öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB (natürliche Eigenart der Landschaft und ihr Erholungswert) beeinträchtigt. In der Vergangenheit ist die Bauaufsichtsbehörde des Beklagten bei derartigen Konstellationen regelmäßig eingeschritten. Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, warum die Beigeladene anders behandelt werden sollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor (§ 124 a Abs. 1 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO).