Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 28.09.2017, Az.: L 11 AS 1067/15

Antragserfordernis; geldwerte Leistung; Minderung; Sachleistung; Sanktion; Verfassungsmäßigkeit

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
28.09.2017
Aktenzeichen
L 11 AS 1067/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54273
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 11.05.2015 - AZ: S 49 AS 801/14

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Gegen eine 100 %-Sanktion (U 25) bestehen bei entsprechender Erhöhung der KdUH-Anteile der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 23. Mai 2013 - B 4 AS 67/12 R -) angesichts der Möglichkeit der Gewährung von Sachleistungen bzw. geldwerter Leistungen (§ 31a Abs 3 SGB II) keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
2. Sachleistungen bzw. geldwerte Leistungen nach § 31a Abs 3 Satz 2 SGB II sind - ebenso wie die Leistungen nach § 31a Abs 3 Satz 1 SGB II - nicht von Amts wegen sondern nur auf Antrag zu erbringen. Dementsprechend führt das Unterlassen einer Entscheidung von Amts wegen über Ansprüche nach § 31a Abs 2 Satz 2 SGB II nicht zur Rechtswidrigkeit der Sanktionsentscheidung.

Tenor:

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 11. Mai 2015 (S 49 AS 801/14) wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich in der Sache gegen den Sanktionsbescheid vom 21. Januar 2014 (100 % ige Sanktion für den Zeitraum 1. Februar bis 30. April 2014). Der Beklagte hat den Widerspruch wegen fehlenden Nachweises der Bevollmächtigung von Rechtanwalt I.  als unzulässig verworfen.

Die in einer Bedarfsgemeinschaft lebende, 1991 geborene Klägerin, ihre Mutter und die 2001 geborene Schwester bezogen im streitgegenständlichen Zeitraum ergänzende Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitslose - (SGB II) von dem Beklagten (vgl. für die Monate Dezember 2013 bis Mai 2014: Bewilligungsbescheid vom 26. November 2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 18. Dezember 2013, 2. Januar 2014 und 13. Januar 2014).

Mit Bescheid vom 17. Juni 2013 hatte der Beklagte in der Zeit vom 1. Juli bis 30. September 2013 eine erste Sanktion (Beschränkung auf die Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung) festgestellt.

Mit Schreiben vom 11. November 2013 (zugestellt am 18. November 2013) nahm der Beklagte die Zuweisung der Klägerin in eine Maßnahme zur Aktivierung zur beruflichen Wiedereingliederung gemäß § 16 Abs 1 SGB II i.V.m. § 45 Abs 1 SGB III vor. Es handelte sich um die Maßnahme J. mit zwei Präsenztagen pro Woche. Maßnahmebeginn war der 27. November 2013 um 10.00 Uhr, Maßnahmeende sollte der 26. Mai 2014 sein. In der Rechtsfolgenbelehrung wies der Beklagte darauf hin, dass das Arbeitslosengeld II bereits einmal aufgrund eines Pflichtverstoßes auf die Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt worden sei (Bescheid vom 21. Juni 2013). Lehne die Klägerin ohne wichtigen Grund die Teilnahme an der nun angebotenen Eingliederungsmaßnahme ab, trete sie diese nicht an, breche sie die Maßnahme ab oder werde sie wegen maßnahmewidrigen Verhaltens aus der Maßnahme ausgeschlossen, entfalle das Arbeitslosengeld II gemäß § 31a Abs 2 Satz 2 i.V.m. § 31 Abs 1 Nr 3 SGB II vollständig. Die Minderung dauere drei Monate und beginne mit dem Kalendermonat nach Zugang des Sanktionsbescheides. Der Beklagte informierte auch über die Möglichkeit der Reduzierung des Sanktionszeitraumes und darüber, dass ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden können bzw. zu erbringen seien, wenn minderjährige Kinder in der Bedarfsgemeinschaft leben.

Die Klägerin trat die Maßnahme nicht an. Der Beklagte hörte sie mit Schreiben vom 23. Dezember 2013 zum möglichen Eintritt einer Sanktion an und wies in dem Schreiben darauf hin, dass es sich um eine wiederholte Pflichtverletzung handele und die Regelleistungen um 100 % gemindert würden. Es bestehe die Möglichkeit der Verkürzung des Sanktionszeitraums und die Möglichkeit, die Kosten der Unterkunft bei nachträglicher regelmäßiger Mitwirkung wieder zu zahlen. Außerdem wies er darauf hin, dass ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen - insbesondere in Form von Lebensmittelgutscheinen - gewährt werden könnten und zwar konkret in Höhe von 176,- Euro monatlich. Das Anhörungsschreiben wurde der Klägerin am 30. Dezember 2013 zugestellt. Sie äußerte sich nicht.

Der Beklagte erließ am 21. Januar 2014 den Sanktionsbescheid, mit dem er feststellte, dass wegen der wiederholten Pflichtverletzung (vorangegangene Pflichtverletzung am 24. Mai 2013) der Anspruch auf Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Februar bis 30. April 2014 vollständig entfalle. Es seien betroffen der Regelbedarf und die Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Eine Begrenzung der Minderung auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung sei hier nicht möglich. Eine Verkürzung des Minderungszeitraums auf 6 Wochen sei nach Abwägung der Interessen nicht gerechtfertigt. In dem Bescheid wies der Beklagten darauf hin, die Klägerin habe bisher die Gewährung von Gutscheinen nicht beantragt. Deshalb würden zunächst keine ergänzenden Sachleistungen gewährt. Diese könnten jedoch auf Antrag noch während des gesamten Minderungszeitraums erbracht werden. Ein Ansprechpartner wurde benannt.

Gegen diesen am 22. Januar 2014 abgesandten Bescheid legte der Prozessbevollmächtigte für die Klägerin am 31. Januar 2014 Widerspruch ein. Er zeigte in dem Widerspruchsschreiben die anwaltliche Vertretung der Klägerin an und versicherte ordnungsgemäße Bevollmächtigung anwaltlich. Weiter  heißt es wörtlich: „…, auf Verlangen wird ein Original der Vollmacht nachgereicht“. Der Beklagte forderte den Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 4. Februar 2014 - wie in anderen Widerspruchsverfahren, die der Prozessbevollmächtigte für die Bedarfsgemeinschaft (in der Vergangenheit) führte - auf, die Vertretungsvollmacht mit konkretem Widerspruchsgegenstand (Datum des angefochtenen Bescheides), Datum der Bevollmächtigung und Vollmachtgeber bis zum 28. Februar 2014 vorzulegen. Sollte die Vertretungsvollmacht bis zum vorgenannten Datum nicht oder nicht in vorgenannter Form vorliegen, könne der Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen werden. Außerdem wurde der Prozessbevollmächtigte gebeten, den Widerspruch zu begründen, damit auf die Beanstandungen eingegangen werden könne. Eine Durchschrift des Schreibens wurde der Klägerin übersandt. Eine Vollmacht ging nicht ein. Der Beklagte verwarf den Widerspruch mit Bescheid vom 19. März 2014 als unzulässig. Trotz Aufforderung sei die Bevollmächtigung nicht nachgewiesen worden. Daher sei der Widerspruch als unzulässig zu verwerfen.

Aufgrund von Änderungen bei der Einkommensanrechnung (Einkommen der Mutter der Klägerin) ergingen Änderungsbescheide am 19. Februar 2014 (für den Monat Februar 2014), 19. März 2014 (für den Monat März) und 29. April 2014  (für den Monat April) sowie aufgrund einer Änderung bei den Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) am 31. März 2014 (für die Monate März bis Mai 2014) jeweils unter Berücksichtigung des Minderungsbetrages. Am 14. April 2014 erging unter Berücksichtigung des Vorbringens des Prozessbevollmächtigten ein weiterer Änderungsbescheid/Abhilfebescheid für die Monate Februar bis April 2014, in dem eine Anrechnung von Einkommen sowie eine Berücksichtigung der gesamten KdUH als Bedarfe der Mutter und Schwester vorgenommen wurde. Der Bescheid enthielt den Hinweis, für die Klägerin errechne sich aufgrund der Sanktion (Sanktionsbescheid vom 21. Januar 2014) in diesen Monaten kein Auszahlungsbetrag auf Leistungen nach dem SGB II. Der Änderungsbescheid vom 14. April 2014 in Gestalt des Bescheides vom 29. April 2014 wurde bestandskräftig.

Das von der Klägerin am 11. April 2014 angestrengte einstweilige Rechtsschutzverfahren gegen den Sanktionsbescheid, in dem der Bevollmächtigte am 24. April 2014 u.a. darauf hinwies, er habe keine Aufforderung erhalten, die Vollmacht vorzulegen, endete erfolglos (Beschlüsse des Sozialgerichts (SG) Braunschweig vom 11. Mai 2014 und des erkennenden Senats vom 21. Juli 2014 - L 11 AS 527/14 B ER mit Ausführungen zur fehlenden Begründetheit des Widerspruchs/des Antrags).

Am 16. April 2014 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor dem SG Braunschweig Klage erhoben. Er hat wiederum ordnungsgemäße Bevollmächtigung anwaltlich versichert und angekündigt, auf Verlangen ein Original der Vollmacht nachzureichen. Im Schreiben vom 5. Juni 2014 hat er zur Begründung geltend gemacht, der Hinweis auf Sachleistungen/ Gutscheine und darauf, dass diese erbracht werden könnten, wenn der Betroffene darauf angewiesen sei, reiche nicht aus. Die Gutscheine/Sachleistungen müssten auf Antrag erbracht werden. Auch sei vor Eintritt der Sanktion keine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung erfolgt. Nachdem der Beklagte nochmals auf die fehlende Vollmacht im Widerspruchsverfahren hingewiesen und die fehlende Bevollmächtigung für das Klageverfahren gerügt hat, hat der Prozessbevollmächtigte am 22. Dezember 2014 eine von der Klägerin unterschriebene Vollmacht für „Widerspruch Sanktion vom 29.04.14 + Klage" ohne Datum übersandt. Nach Hinweis darauf, dass diese nicht das anhängige Klageverfahren betreffe, hat der Prozessbevollmächtigte am 12. Februar 2015 eine Vollmacht für das Verfahren „S 49 AS 801/14" ohne Datum übersandt.

Das SG hat aufgrund des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2015 mit Urteil vom selben Tag die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Beklagte habe den Widerspruch zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Der Widerspruch sei aber auch aus materiellen Gründen zurückzuweisen gewesen. Es habe sich um eine wiederholte Pflichtverletzung gehandelt. Wichtige Gründe, die eine Nichtteilnahme rechtfertigen könnten, seien nicht vorgetragen worden. Der Klägerin sei die Maßnahme auch mit zutreffender Rechtsfolgenbelehrung angeboten worden.

Gegen dieses ihr am 23. Mai 2015 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 18. Juni 2015 eingelegten Berufung. In der Berufungsbegründung vom 30. September 2015 trägt der Prozessbevollmächtigte nun auch im Hauptsacheverfahren vor, eine Vollmacht sei im Widerspruchsverfahren nicht angefordert worden. Darüber hinaus sei das Verhalten des Beklagten von § 13 SGB X nicht gedeckt. Denn die Behörde dürfe nur bei sachlich gerechtfertigten Zweifeln eine Vollmacht verlangen. Hier bestehe kein sachlicher Grund, an der Vollmacht zu zweifeln. Die Vollmachtsanforderung sei willkürlich und damit nicht rechtens. In der Sache bezieht er sich auf sein Vorbringen im Klageverfahren.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 11. Mai 2015 sowie den Bescheid des Beklagten vom 21. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2014 aufzuheben,

2. die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils sowie der angefochtenen Bescheide. Er ist weiterhin der Auffassung, dass seine Vollmachtsanforderung rechtmäßig war und mangels Vorlage der Vollmacht der Widerspruch als unzulässig zu verwerfen war. Hilfsweise weist er darauf hin, dass die Sanktionsentscheidung auch in der Sache zutreffend war.

Außer den Gerichtsakten haben die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet.

Entgegen der Auffassung des SG und des Beklagten war der Widerspruch vom 31. Januar 2014 gegen den Sanktionsbescheid nicht unzulässig. Der Prozessbevollmächtigte hat zeitnah geltend gemacht, er habe das Schreiben, in dem er zur Vorlage der Vollmacht aufgefordert wurde, nicht erhalten. Der Beklagte kann den Zugang nicht nachweisen.

Der Umstand, dass der Beklagte den Widerspruch als unzulässig verworfen und somit im Widerspruchsbescheid keine materiell-rechtliche Überprüfung vorgenommen hat, steht einer materiell-rechtlichen Überprüfung des Ausgangsbescheides im gerichtlichen Verfahren nicht entgegen. Insbesondere war die Klage nicht bereits deshalb unzulässig, weil es an einem Vorverfahren im Sinne des § 78 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fehlt. Ein Vorverfahren ist nämlich bereits schon dann durchgeführt, wenn der Widerspruch erfolglos geblieben ist, was hier der Fall ist. Aus welchen Gründen die Behörde dem Widerspruch den Erfolg versagt hat, ist nicht von Bedeutung. Das Vorverfahren ist also auch durchgeführt, wenn - wie hier - der Widerspruch (rechtsfehlerhaft) als unzulässig verworfen wurde (BSG, Urteil vom 24. November 2011 - B 14 AS 151/10 R - juris Rn. 9 m.w.N; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 78 Rn. 2 m.w.N. auch zur Gegenauffassung).

Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Entscheidung des SG erweist sich insoweit als zutreffend, als es mit hilfsweisen Erwägungen zur materiellen Rechtslage die Klage als unbegründet abgewiesen hat.

Streitgegenstand ist die isolierte Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Sanktion, da die anwaltlich vertretene Klägerin ausschließlich den Sanktionsbescheid mit der reinen Anfechtungsklage angegriffen hat und nicht auch die Umsetzungs- und Änderungsbescheide vom 19. Februar, 19. März und 31. März in Gestalt der Änderungsbescheide vom 14. und 29. April 2014. Dies ist zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R –, juris Rn. 20: Wird nur die Feststellung einer Pflichtverletzung und Minderung angefochten und nicht ein nachfolgender Umsetzungsbescheid, so steht dessen nachträglicher Korrektur bei einem Erfolg der Anfechtungsklage gegen den Minderungsbescheid nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X die Zeitgrenze des § 48 Abs 4 Satz 1 iVm § 44 Abs 4 SGB X sowie § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen. Denn die Feststellung der Obliegenheitsverletzung und die Änderung der Leistungsbewilligung sind materiell so aufeinander bezogen, dass die rechtzeitige Anfechtung des Minderungsbescheides ein Aufhebungsbegehren im Hinblick auf den Umsetzungsverwaltungsakt einschließt, um einer effektiven Rechtsschutzgewährung im Lichte des Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) Rechnung zu tragen (vgl insoweit zur Rechtslage nach dem SGB III: BSG Urteil vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R - BSGE 95, 8 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1, RdNr 9; BSG Urteil vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R - SozR 4-1500 § 95 Nr 1 RdNr 5 ff).

Der Sanktionsbescheid - der nicht bereits die Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X enthalten muss (vgl. BSG a.a.O.) - erweist sich als rechtmäßig. Der Beklagte hat zutreffend den Eintritt einer vollständigen Minderung des Leistungsanspruchs (100%-Sanktion) festgestellt.

Nach § 31 Abs 1 Nr 3 SGB II verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis eine zumutbare Maßnahme zur Wiedereingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben. Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

Die erwerbsfähige leistungsberechtigte Klägerin hat ihre Pflichten im Sinne des § 31 Abs 1 SGB II verletzt, da sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit, die ihr mit Schreiben vom 11. November 2013 angeboten wurde, nicht angetreten hat. Einen wichtigen Grund für ihr Verhalten hat die Klägerin nicht angegeben. Er ist auch ansonsten nicht erkennbar.

§ 31a SGB II regelt die Rechtsfolgen, die bei Pflichtverletzungen eintreten. § 31a Abs 2 SGB II betrifft erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Diese Tatbestandsvariante trifft im hier streitigen Zeitraum auf die Klägerin zu. Nach § 31a Abs 2 SGB II ist das Alg II bei einer Pflichtverletzung nach § 31 SGB II auf die für die Bedarfe nach § 22 SGB II zu erbringenden Leistungen beschränkt. Bei wiederholter Pflichtverletzung nach § 31 SGB II entfällt das Alg II vollständig. Eine wiederholte Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Sie liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt. Erklären sich erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nachträglich bereit, ihren Pflichten nachzukommen, kann der Träger unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ab diesem Zeitpunkt wieder die für die Bedarfe nach § 22 SGB II zu erbringenden Leistungen gewähren. Nach § 31a Abs 3 SGB II kann der Träger auf Antrag bei einer Minderung des Alg II um mehr als 30 Prozent des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen. Er hat diese Leistungen zu erbringen, wenn Leistungsberechtigte mit minderjährigen Kindern in einem Haushalt leben.

Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten ist die Zuweisung im Schreiben vom 11. November 2013 konkret (Teilnahme an der Maßnahme J. mit zwei Präsenztagen pro Woche, vom 27. November 2013 bis 26. Mai 2014) und auch die Belehrung über die Rechtsfolgen auf den konkreten Fall der Klägerin bezogen. Denn sie ist über die verschärften Rechtsfolgen eines wiederholten Pflichtverstoßes, mit denen sie als unter 25jährige Leistungsberechtigte rechnen musste, informiert worden. Der Beklagte hat den vorangegangenen Pflichtverstoß benannt, wenn auch ein Schreibfehler hinsichtlich des Bescheiddatums (21. Juni 2013 statt 17. Juni 2013) enthalten war. Dieser ist in Anbetracht der im Übrigen hinreichenden und zutreffenden Konkretisierung unschädlich. Der Beklagte hat auch auf die Möglichkeit der Reduzierung der Dauer der Sanktion bei Nachholung sowohl im Zuweisungsschreiben vom 11. November 2013 als auch im Anhörungsschreiben vom 23. Dezember 2013 hingewiesen und auch im Sanktionsbescheid dazu Stellung genommen, warum keine Verkürzung möglich war (die Klägerin hat nach Erlass des Sanktionsbescheides die Teilnahme nicht nachgeholt). Dies ist ausreichend. Zur weiteren Begründung bezieht sich der Senat gemäß § 153 Abs 2 SGG ergänzend auf die Begründung des SG im angefochtenen Urteil (Seite 4 vorletzter Absatz bis Seite 7 1. Absatz), der er folgt.

Der Beklagte hat auf die Möglichkeit zur Erbringung ergänzender Sachleistungen oder geldwerter Leistungen bereits im Zuweisungsschreiben vom 11. November 2013 ausdrücklich hingewiesen: „Bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 Prozent des maßgeblichen Regelbedarfs können ggf. ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden. Diese sind zu erbringen, wenn minderjährige Kinder in der Bedarfsgemeinschaft leben".

Auch im Anhörungsschreiben vom 23. Dezember hat der Beklagte die Rechtsfolgen angekündigt und auf die Möglichkeit der Verkürzung der Sanktion und der Erbringung von Sachleistungen im Wert von 176,-- Euro hingewiesen.  Schließlich hat der Beklagte auch in dem angefochtenen Bescheid nochmals auf die Möglichkeit der Erbringung von Sachleistungen und nun unter Benennung eines Ansprechpartners auf die erforderliche Antragstellung hingewiesen.

Entgegen einer in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung (vgl. etwa: Knickrehm/Hahn in Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017,  § 31a, Rn 41; Lauterbach in Gagel, SGB II, Stand 6/2017, § 31a Rn 25; Berlit in: LPK-SGB II, 6. Aufl. 2017, § 31a Rn. 42, 50f; Loose in GK-SGB II, Stand 10/14, § 31a Rn 38.2; Sonnhoff in juris-PK, § 31a SGB II, Rn 51; jeweils m.w.N.) war der Beklagte trotz des Umstandes, dass die minderjährigen Schwester mit im Haushalt lebte, nicht verpflichtet, bereits im Sanktionsbescheid (oder gleichzeitig bzw. zeitnah durch gesonderten Bescheid) über die Erbringung von Sachleistungen bzw. geldwerten Leistungen ohne Antragstellung nach § 31a Abs 3 Satz 2 SGB II zu entscheiden (wie hier: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04. März 2014 – L 20 AS 3422/13 B ER –, juris; Loose in in GK-SGB II, Stand 10/2011, § 31a Rn 38 ; Burkiczak in BeckOK Sozialrecht, § 31a SGB II, Rn 13f; Dauber in Mergeler/Zink, Stand: Januar 2016, § 31a Rn 27 jeweils m.w.N.).

Der Wortlaut der mit Wirkung vom 1. April 2011 in Kraft getretenen Fassung des § 31a Abs 3 Satz 2 SGB II begründet keinen Verzicht auf das Antragserfordernis. Satz 2 lautet: Der Träger hat Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn Leistungsberechtigte mit minderjährigen Kindern in einem Haushalt leben. Satz 1 regelt: Bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs kann der Träger auf Antrag in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen. Durch den Verweis auf Satz 1 wird deutlich, dass nur die Ermessensentscheidung des Satzes 1 durch die gebundene Entscheidung ersetzt werden sollte (vgl. Dauber, a.a.O). Dies ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien.  Die bis 31. März 2011 in § 31 Abs 3 Satz 7 SGB II enthaltene Sollvorschrift sollte zum Schutz des Existenzminimums Minderjähriger in der Bedarfsgemeinschaft als Verpflichtung ausgestaltet werden (Bundestagsdrucksache - BT-Drs. 17/3404, S.112). Es soll vermieden werden, dass wegen der Sanktion die für den Lebensunterhalt des im Haushalt lebenden Kindes bestimmten Mittel zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhaltes eingesetzt werden (BT-Drs. 17/4095, S. 34). Es besteht - auch unter Berücksichtigung des in § 37 Abs 1 SGB II enthaltenen Antragserfordernis für alle gebundenen und Ermessens-Leistungen nach dem SGB II - kein Anhalt für die Annahme einer über den Gesetzeswortlaut hinausgehenden Pflicht des SGB II-Leistungsträgers, von Amts wegen (d.h. ohne den entsprechenden Antrag des Betroffenen) die Sachleistungen bzw. geldwerten Leistungen zu gewähren. Auch ist nicht nachvollziehbar, warum dem sanktionierten Hilfebedürftigen im Falle des Zusammenlebens mit einem Minderjährigem in einem Haushalt - anders als im Falle des Alleinlebens oder Zusammenlebens mit einem Erwachsenen - kein Antrag auf Sachleistungen bzw. geldwerter Leistungen zumutbar sein soll.

Die Klägerin hat - trotz entsprechender mehrfacher Hinweise - keinen Antrag auf Gewährung von Sachleistungen oder geldwerten Leistungen gestellt. Da nach dem oben Ausgeführten kein Anspruch auf eine von Amts wegen zu treffende Entscheidung über Sachleistungen bzw. geldwerte Leistungen nach § 31a Abs 3 Satz 2 SGB II besteht, sondern diese nur auf Antrag zu gewähren sind, führt das Unterlassen einer Entscheidung hierüber auch nicht zur Rechtswidrigkeit des Sanktionsbescheids (so Burkiczak, a.a.O. und wohl auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04. März 2014 – L 20 AS 3422/13 B ER –, juris, Rn 26; a.A.: Berlit , a.a.O., Rn 42; Sonnhoff a.a.O.; differenzierend:  Loose in GK-SGB II, Stand 10/14, § 31a Rn 38.3; Dauber, a.a.O.). Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob diese Entscheidung zeitgleich oder nur zeitnah zur Sanktionsentscheidung zu treffen wäre.

Wie der Senat bereits in seinem Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vom 21. Juli 2014 - L 11 AS 527/14 B ER - dargelegt hat, handelt es sich bei der vorliegend streitbefangenen Pflichtverletzung um eine wiederholte Pflichtverletzung, so dass die Alg II-Zahlungen vollständig für die Zeit vom 1. Februar bis 30. April 2014 entfielen. Eine solche nachfolgende verschärfte Sanktion ist nur statthaft, wenn die vorausgehende rechtmäßig verfügt und zumindest vollziehbar ist (vgl. Berlit a.a.O., § 31a Rn 17 m.w.N.). Dies ist von Amts wegen zu prüfen. Der die erste Sanktion feststellende Bescheid vom 17. Juni 2013 ist bestandskräftig und vollzogen worden. Zwar kann ein Widerspruch gegen die verschärfte Sanktion als Antrag nach § 44 SGB X zu werten sein, wenn auch die Rechtswidrigkeit der vorangehenden Sanktion gerügt wird (Berlit, a.a.O.). Die anwaltlich vertretene Klägerin hat jedoch weder im Widerspruchs- noch im einstweiligen Rechtsschutz- oder Klage- und Berufungsverfahren Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorangehenden Sanktion geäußert, so dass ein solcher Überprüfungsantrag vorliegend nicht gestellt worden bzw. anzunehmen ist.

Gem. § 31 Abs 1 SGB II mindert sich der Auszahlungsanspruch mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt. Der Minderungszeitraum beträgt 3 Monate. Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, kann der Träger die Minderung des Auszahlungsanspruchs in Höhe der Bedarfe nach den §§ 20 und 21 unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auf sechs Wochen verkürzen. Die Feststellung der Minderung ist nur innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung zulässig.

Diese Vorgaben hat der Beklagte hier mit dem angefochtenen Bescheid vom 21. Januar 2014 für die Zeit vom 1. Februar bis 30. April 2014 umgesetzt. Er hat auch mit hinreichenden Ermessenserwägungen die Verkürzung auf sechs Wochen abgelehnt.

Somit ist die Feststellung des Eintritts einer 100%igen Sanktion, da es sich um eine wiederholte Pflichtverletzung handelte, nach Maßgabe des SGB II (d.h. einfachgesetzlich) nicht zu beanstanden. Ebenso wenig bestehen im vorliegenden Fall (100%ige Sanktion bei gleichzeitiger Erhöhung der KdUH-Leistungen für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft) durchgreifende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelung (im Ergebnis ebenso: Bayerisches LSG, Urteile vom 20. Juli 2016, L11 AS 162/16 und 163/16 m.w.N.).

Zu einer Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. zu diesem sich aus Art 1 Abs 1 und 20 Abs 1 Grundgesetz - GG - ergebenen Grundrecht: BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09 -, BVerfGE 125, 175) ist es hinsichtlich der Unterkunftskosten im vorliegenden Fall bereits deshalb nicht gekommen, weil der Beklagte die Leistungen für KdUH - der Rechtsprechung des BSG folgend (Urteil vom 23. Mai 2013 - B 4 AS 67/12 R) und damit abweichend vom Kopfteilprinzip - während des Sanktionszeitraums für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft genau in dem Umfang erhöht hat wie sie der Klägerin sanktionsbedingt gekürzt wurden (vgl. Bescheid vom 14. April 2014). Es ist im Ergebnis zu keiner auf der streitbefangenen Minderung beruhenden Unterdeckung gekommen. Vielmehr waren sämtliche Kosten der Wohnung der Bedarfsgemeinschaft durchgängig gedeckt.

Ausgewirkt hat sich die streitbefangene Sanktion im vorliegenden Fall ausschließlich auf die Regelbedarfsleistungen der Klägerin (Minderung um 100 % bei gleichzeitigem Hinweis auf Sachleistungen bzw. geldwerte Leistungen).

Dass die sanktionsbedingte Minderung des Regelbedarfsanspruchs um 30 % nicht verfassungswidrig ist, ist bereits höchstrichterlich entschieden (BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R –, BSGE 119, 17). Dem schließt sich der erkennende Senat vollinhaltlich an. Ebenso wenig ist die im vorliegenden Verfahren streitbefangene weitergehende Minderung verfassungswidrig. Vielmehr wird eine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. hierzu erneut: BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 a.a.O.) infolge der Sanktion dadurch vermieden, dass der Grundsicherungsträger bei einer Minderung um mehr als 30 % des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs auf Antrag des Hilfeempfängers in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen kann (§ 31a Abs 3 Satz 1 SGB II). Soweit im Haushalt des Hilfeempfängers minderjährige Kinder leben, besteht sogar ein gebundener Anspruch auf entsprechende Sach- bzw. geldwerte Leistungen (§ 31a Abs 3 Satz 2 SGB II). Hierauf ist die Klägerin wiederholt hingewiesen worden (s.o.).

Selbst wenn im politischen Raum das bedingungslose Grundeinkommen diskutiert wird, steht dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber generell - und damit auch bei der Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen - ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dem entspricht der Grundsatz einer nur zurückhaltenden verfassungsrechtlichen Kontrolle der diesbezüglichen einfachgesetzlichen Regelungen (vgl. hierzu im Einzelnen: Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09 -, BVerfGE 125, 175, Rn 133ff. mit umfangreichen weiteren Nachweisen). Der Gesetzgeber ist daher nicht gehindert, auch die Gewährung existenzsichernder Leistungen an Voraussetzungen zu knüpfen (vgl. hierzu etwa: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 07. Juli 2010 – 1 BvR 2556/09 –).Weder das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum noch das Sozialstaatsprinzip erfordert eine voraussetzungslose Sicherung des Existenzminimums (vgl. BSG Urteil vom 12. Mai 2017 - B 7 AY 1/16 R - Rn 29, 30 m.w.N. - zu § 1a Asylbewerberleistungsgesetz - AsylbLG - in der bis zum 28. Februar 2015 geltenden Fassung).

Dass das Sanktionsrecht des SGB II hinsichtlich der Minderungshöhe für unter 25-jährige Leistungsbezieher strenger ist als für ältere Leistungsbezieher (vgl. im Einzelnen: § 31a Abs 1 bzw. 2 SGB II), bewegt sich ebenfalls noch innerhalb des dem Gesetzgeber zustehenden weiten Gestaltungsspielraums. Diese Sonderregelung für unter 25-jährige verstößt insbesondere nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art 3 GG. Schließlich hat der Gesetzgeber diese Sonderregelungen für junge Leistungsbezieher damit begründet, dass es „dringend erforderlich“ sei, „bei jungen Menschen von vornherein der Langzeitarbeitslosigkeit entgegenzuwirken“. Dies soll - nach Vorstellung des Gesetzgebers - einerseits durch zusätzliche Leistungen zur Vermittlung in Beschäftigung, Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit und andererseits durch ein härteres Sanktionsrecht erreicht werden (vgl. im Einzelnen: Entwurf eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 5. September 2003, BT-Drs. 15/1516, S. 61 - zu § 31 Abs 4 SGB II alter Fassung). Die in Teilen der Kommentarliteratur an der Wirksamkeit bzw. Sinnhaftigkeit dieses Konzepts geäußerten Zweifel (etwa: Valgolio in: Hauck/Noftz, K § 31a Rn 43f; Lauterbach in: Gagel, SGB II/SGB III, Stand: 2017, § 31a SGB II Rn 18; Sonnhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 31a Rn 35ff) sind zwar an sich nachvollziehbar, vermögen aber nicht die Verfassungswidrigkeit der geltenden Vorschriften zu begründen. Denn der dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen zustehende  Gestaltungspielraum  eröffnet diesem auch die Wahlmöglichkeit zwischen mehreren denkbaren politischen bzw. erzieherischen Konzepten (als Grundlage der gesetzlichen (Neu-)Regelung) zu wählen. Dass in der juristischen Kommentarliteratur vereinzelt oder möglicherweise sogar überwiegend andere erzieherische Konzepte für unter 25-jährige als wirksamer angesehen werden, begründet noch nicht die Verfassungswidrigkeit des vom Gesetzgeber gewählten Weges. Unabhängig davon sieht die geltende Rechtslage nicht allein härtere Sanktionen für junge Leistungsbezieher vor, sondern auch Abmilderungen ausschließlich für junge Leistungsbezieher. So besteht nach § 31b Abs 1 Satz 4 SGB II nur für unter 25-jährige Leistungsempfänger die Möglichkeit zur Verkürzung des 3-monatigen Minderungszeitraums (§ 31b Abs 1 Satz 3 SGB II) auf sechs Wochen. Zu dieser ausschließlich junge Leistungsbezieher begünstigenden Regelung hat der erkennende Senat bereits entschieden, dass insoweit keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung älterer Leistungsbezieher vorliegt (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 03. April 2017 – L 11 AS 19/17 –, Rn 34 - zitiert nach juris; Revision anhängig beim BSG unter dem Az. B 14 AS 11/17 R).

Nach alledem ist die im vorliegenden Verfahren streitbefangene Sanktion (100%ige Sanktion bei gleichzeitiger Erhöhung der KdUH-Leistungen für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft) nicht zu beanstanden. Insbesondere schließt sich der erkennende Senat den u.a. vom SG Gotha an der Verfassungsmäßigkeit von Sanktionen geäußerten Bedenken (Vorlagebeschluss vom 02. August 2016 – S 15 AS 5157/14 –) nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 160 Abs 2 Nr. 1 SGG. Der Senat misst der Frage, ob - entgegen seiner Auffassung - über die Ansprüche nach § 31a Abs 3 Satz 2 SGB II ohne Antrag des Betroffenen von Amts wegen zu entscheiden ist und das Unterlassen einer solchen gleichzeitigen Entscheidung zur Rechtswidrigkeit des Sanktionsbescheides führt, grundsätzliche Bedeutung zu.