Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 06.09.2017, Az.: L 3 KA 105/16
Zulässigkeit der Feststellungsklage im sozialgerichtlichen Verfahren gegen die Streichung von Eintragungen aus dem Arztregister in der vertragsärztlichen Versorgung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 06.09.2017
- Aktenzeichen
- L 3 KA 105/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 43059
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 16.08.2016 - AZ: S 24 KA 435/15
Rechtsgrundlagen
- § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG
- § 78 Abs. 2 SGG
- § 96 Abs. 1 SGG
- § 6 Abs. 2 Ärzte-ZV
Amtlicher Leitsatz
Ausnahmsweise kann eine Feststellungsklage (hier: anstelle einer Anfechtungsklage gegen die Berichtigung des Arztregisters) statthaft sein, wenn sie die einzige Möglichkeit ist, um die Rechtmäßigkeit eines erst im Verlauf des Gerichtsverfahrens erlassenen Bescheids prüfen zu können.
Redaktioneller Leitsatz
Aus der Ärzte-ZV ergibt sich die Verpflichtung der KÄV, nicht mehr zutreffende Tatsachenentscheidungen aus den Registerakten zu entfernen und zur Korrektur bzw. Anpassung der jeweiligen Eintragungen.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 16. August 2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Streichung von Eintragungen aus dem Arztregister.
Die Klägerin nahm seit 1999 als Fachärztin für Psychiatrie an der vertragsärztlichen Versorgung in E. teil.
Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) übersandte im Oktober 2015 auf Nachfrage an die Klägerin einen Auszug aus dem Arztregister des Zulassungsbezirks F., wonach deren Approbation (erteilt am 3. Juli 1995 durch den Regierungspräsidenten Köln) seit dem 2. Juli 2004 ruhe und deren Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung am 20. September 2006 ende (Grund: Entzug gemäß § 27 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte(Ärzte-ZV)). Im Anschluss beantragte die Klägerin, beide Eintragungen aus dem Arztregister zu streichen, weil sie unzutreffend seien. Dies lehnte die Beklagte unter Hinweis auf die Bestandskraft entsprechender Gerichtsentscheidungen ab (Schreiben vom 24. November 2015).
Die Klägerin hat daraufhin am 8. Dezember 2015 Feststellungsklage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben und dort zusammengefasst geltend gemacht, dass die Beklagte die Eintragungen (Ruhen der Approbation seit dem 2. Juli 2004, Beendigung der Zulassung seit dem 20. September 2006) manipuliert habe; insbesondere gebe es dazu keine bestätigenden Gerichtsentscheidungen.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. August 2016 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Streichung der von ihr beanstandeten Eintragungen.
Gegen diesen Gerichtsbescheid (zugestellt am 19. August 2016) wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung vom 15. September 2016. Sie hält die Entscheidung des SG für verfahrensfehlerhaft.
Auf Nachfrage des Senats hat die Beklagte einen aktualisierten Auszug aus dem Arztregister F. übersandt. Danach hat die Beklagte die dort über die Klägerin festgehaltenen Eintragungen mittlerweile durch Bescheid vom 5. Dezember 2016 geändert (jetzt: Ruhen der Approbation seit dem 21. August 2008; Beendigung der Zulassung seit dem 29. Januar 2014). Hintergrund ist, dass - jeweils unter Anordnung des Sofortvollzugs - der Niedersächsische Zweckverband zur Approbationserteilung (NiZza) erneut das Ruhen der Approbation der Klägerin angeordnet (Bescheid vom 21. August 2008) und der Berufungsausschuss Niedersachsen für die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit der Klägerin ebenfalls erneut die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung entzogen (Beschluss vom 29. Januar 2014) hat.
Die Klägerin beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 16. August 2016 aufzuheben,
2. festzustellen, dass die Eintragungen zum Ruhen der Approbation und zur Beendigung der Zulassung im Arztregister F. rechtswidrig sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat ihre Klage zu Recht abgewiesen.
1. Gegenstand des Verfahrens ist das anhaltende (Feststellungs-)Begehren der Klägerin, die über sie in den Registerakten des Arztregisters F. festgehaltenen und mittlerweile aktualisierten Eintragungen (Ruhen der Approbation seit dem 21. August 2008; Beendigung der Zulassung seit dem 29. Januar 2014) auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen. Dabei geht sie allem Anschein nach davon aus, dass die Beklagte die Eintragungen aus dem Arztregister unverzüglich streichen wird, wenn deren Rechtswidrigkeit durch die Sozialgerichtsbarkeit festgestellt werden sollte. Das ist für sie deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie so früh wie möglich wieder als Vertragsärztin tätig werden möchte.
2. Der so verstandene Antrag der Klägerin ist als Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Dem steht auch nicht der grundsätzliche Vorrang einer auf die Streichung der Eintragungen aus dem Arztregister gerichteten Gestaltungsklage (vgl dazu Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 55 Rn 19 ff) entgegen, weil die Feststellungsklage der Klägerin hier ausnahmsweise einen aus ihrer Sicht weitergehenden Rechtsschutz ermöglicht. Denn da die Mitteilung eines Registerauszugs nach § 8 Abs 2 Ärzte-ZV ein Bescheid ist, wäre eine hiergegen gerichtete Anfechtungsklage mangels Vorverfahrens (§ 78 SGG) unzulässig. Die Nachholung des Vorverfahrens wäre angesichts der im gerichtlichen Verfahren geänderten Auffassung der Beklagten allerdings bloße Förmelei (Bundessozialgericht (BSG) SozR 4100 § 136 Nr 4) und würde überdies angesichts des eindeutigen Wortlauts von § 96 Abs 1 SGG nicht dazu führen, dass der neue Verwaltungsakt vom 5. Dezember 2016 im Rahmen der Anfechtungsklage geprüft werden könnte. Dem prozessualen Begehren der Klägerin ist in dieser besonderen Situation am besten mit einer Feststellungsklage gedient. Die insoweit zulässige Feststellungsklage kann in der Sache aber keinen Erfolg haben. Die mittlerweile in den Registerakten des Arztregisters F. aktualisierten Eintragungen über die Klägerin sind rechtmäßig.
3. Nach dem Wortlaut der Ärzte-ZV führt die (jeweils zuständige) KÄV für jeden Zulassungsbezirk neben dem Arztregister die sogenannten Registerakten (§ 1 Abs 1 der Ärzte-ZV). Dort werden im Wesentlichen die Daten festgehalten, die ein Arzt seinem Antrag auf Eintragung in das Arztregister beifügen muss (vgl hierzu § 4 Abs 2 bis 4 der Ärzte-ZV). Außerdem werden in die Akten diejenigen Tatsachen eingetragen, die für die Zulassung, ihr Ruhen, ihren Entzug oder ihr Ende von Bedeutung sind. Derartige Eintragungen werden von Amts wegen oder auf Antrag des Arztes, einer KÄV, einer Krankenkasse oder eines Landesverbands der Krankenkassen vorgenommen, wobei der Arzt vor einer beantragten (nicht aber vor einer von Amts wegen durchzuführenden) Eintragung zu hören ist (§ 6 Abs 2 der Ärzte-ZV). Dabei können die in das Arztregister eingetragenen Tatsachen auch wieder gestrichen werden; hierüber entscheidet der Vorstand der jeweiligen KÄV oder die durch Satzung dazu bestimmte Stelle (§ 8 Abs 1 der Ärzte-ZV), und zwar durch Bescheid (§ 8 Abs 2 Ärzte-ZV). Ob die Mitteilungen der Beklagten vom 24. November 2015 als Bescheid(e) über die Ablehnung einer Streichung von Angaben des Arztregisters angesehen werden können, mag zweifelhaft sein, kann vorliegend aber auf sich beruhen. Zumindest sind die dort über die Klägerin mittlerweile aktualisierten Eintragungen (Ruhen der Approbation seit dem 21. August 2008; Beendigung der Zulassung seit dem 29. Januar 2014) inhaltlich zutreffend.
Bei dieser Bewertung hat der Senat zunächst berücksichtigt, dass die Eintragungen, die die Beklagte ursprünglich aufgrund der ihr von den Zulassungsgremien übersandten Beschlüsse über die Beendigung der vertragsärztlichen Zulassung der Klägerin von Amts wegen in die Registerakten des Arztregisters F. vorgenommen hatte (Ruhen der Approbation seit dem 2. Juli 2004, Beendigung der Zulassung seit dem 20. September 2006), nicht ersatzlos weggefallen, sondern nur durch neue und im Wesentlichen gleichlautende Entscheidungen ersetzt worden sind.
Das betrifft zum einen die von der Bezirksregierung Weser-Ems zu Lasten der Klägerin veranlasste Ruhensanordnung vom 2. Juli 2004. Unter Aufhebung dieser Anordnung hat der NiZzA durch Beschluss vom 21. August 2008 erneut das Ruhen der Approbation der Klägerin angeordnet. Diese erneute Anordnung ist zudem unter Abweisung der von der Klägerin dagegen erhobenen Rechtsmittel (Verwaltungsgericht (VG) Oldenburg, Urteil vom 12. März 2010 - 7 A 2608/08; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (OVG), Beschluss vom 27. Mai 2010 - 8 LA 91/10) bestandskräftig geworden. Zum anderen betrifft das den vom Berufungsausschuss Niedersachsen zu Lasten der Klägerin veranlassten Zulassungsentzug, den der Ausschuss später durch den weiteren Beschluss vom 29. Januar 2014 - dann allerdings auf der Grundlage der erneuten Ruhensanordnung - bestätigt hat. Dieser Beschluss ist ebenfalls unter Abweisung des von der Klägerin dagegen erhobenen Rechtsmittels (Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 25. Februar 2015 - L 3 KA 2/14) bestandskräftig geworden.
Ergänzend dazu hat der Senat berücksichtigt, dass sowohl die Ruhensanordnung durch den NiZza als auch der Zulassungsentzug durch den Berufungsausschuss Niedersachsen für sofort vollziehbar erklärt worden ist. Derartige Anordnungen sind für die davon Betroffenen verbindlich und haben im Fall der Klägerin ua zur Folge gehabt, dass sie ab dem sofort vollziehbaren Entzug ihrer vertragsärztlichen Zulassung nicht mehr berechtigt gewesen ist, vertragsärztliche Leistungen zu erbringen oder für diese Honorar zu beanspruchen (vgl hierzu Pawlita in: jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 95 Rn 542). Hieraus folgt, dass die von der Beklagten im Arztregister F. mittlerweile aktualisierten Eintragungen nicht nur dem Grunde nach, sondern auch in zeitlicher Hinsicht zutreffend sind: Die Approbation der Klägerin ruht tatsächlich seit dem 21. August 2008 und ihre Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ist seit dem 29. Januar 2014 entzogen.
Bei einer solchen Konstellation beschränkt sich die aus § 6 Abs 3 der Ärzte-ZV ergebende Verpflichtung der KÄV, nicht mehr zutreffende Tatsachenentscheidungen aus den Registerakten zu entfernen (vgl hierzu BSG, Urteil vom 16. März 1973 - 6 RKa 40/71 - juris Rn 11), auf eine Korrektur bzw Anpassung der jeweiligen Eintragungen. Hieran besteht wegen des mit dem Arztregister verbundenen (und bezweckten) Öffentlichkeitsprinzips ein schutzwürdiges Interesse. Übertragen auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt heißt das, dass sich aus den maßgeblichen Registerakten weiterhin ergeben muss, dass und ab wann die der Klägerin 1995 erteilte Approbation ruht bzw die ihr erteilte Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung entzogen worden ist. Diesen Vorgaben entspricht der von der Beklagten vorgelegte und mittlerweile an den aktuellen Sachstand angepasste Aktenauszug aus dem Arztregister F.; die dort festgehaltenen Eintragungen können daher von der Klägerin nicht mit Erfolg beanstandet werden.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), sind nicht ersichtlich.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm den §§ 47, 52 Abs 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG) und bemisst sich - mangels konkreter Anhaltspunkte für eine Streitwertbemessung - anhand des Regelstreitwerts.