Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.02.2022, Az.: 7 K 11202/18
Gewinnermittlung bei Erhalt von verdeckten Rabatten eines Lieferanten
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 25.02.2022
- Aktenzeichen
- 7 K 11202/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2022, 40662
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 8 Abs. 1 EStG
Fundstelle
- DStRE 2023, 1198
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin verdeckte Rabatte von einem Lieferanten erhalten hat, die sie nicht in die Gewinnermittlung aufgenommen hat.
Die Klägerin war im Streitjahr 2007 ledig. Sie ist Apothekerin und betreibt eine Apotheke und erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Einkommensteuergesetz (EStG). Sie ermittelte den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG. Die Klägerin ist im Rahmen ihrer Apotheke berechtigt, Zytostatika (Krebsmittel) herzustellen.
Sie war daneben an den Firmen O KG und O Service KG als alleinige Kommanditisten beteiligt. Die als Komplementärin fungierenden GmbHs waren vermögenslos an der KG beteiligt.
Die Klägerin stand in den Jahren 2007 bis 2009 mit der Firma E S.A. in Geschäftsbeziehungen und bezog von dieser Firma Medikamente und Grundstoffe für die Herstellung von Zytostatika. Nach den Buchführungsunterlagen der Firma E S.A. und dem verbuchten Wareneinkauf in den Unterlagen der Klägerin hat diese im Jahr 2007 Medikamente im Wert von ... Euro und im Jahre 2008 im Wert von ... Euro von der Firma E S.A. bezogen.
Mit der Steuererklärung 2007, die am 10. Februar 2009 beim Beklagten einging, erklärte die Klägerin einen Gewinn aus dem Betrieb der Apotheke von ... Euro. Der Beklagte veranlagte die Klägerin antragsgemäß mit dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheid vom 12. Mai 2009. Nach Durchführung einer Außenprüfung für den Prüfungszeitraum 2007 bis 2011 erließ der Beklagte einen geänderten Steuerbescheid für 2007, den die Klägerin mit Einspruch anfocht. Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 22. März 2016 als unbegründet zurück. Klage erhob die Klägerin nicht.
Nach Abschluss des Einspruchsverfahrens übersandte das Finanzamt X dem Beklagten eine Kontrollmitteilung, nach welcher der Klägerin Einnahmen aus verdeckten Rabatten von ... Euro im Rahmen ihrer Apotheke erzielt habe. Der Kontrollmitteilung lagen Ermittlungen des Finanzamtes X gegen den Apotheker A, den Steuerberater B und Herrn C zu Grunde. Herr A hat im Oktober 2006 die Firma E S.A. in Luxemburg gegründet, welche Medikamente an Apotheken in Deutschland geliefert hat. Zur Verdeckung der den deutschen Apothekern zu gewährenden Rabattzahlungen wurde darüber hinaus die M S.A. in Luxemburg gegründet. Die Apotheker schlossen mit der M S.A. Scheinverträge über Beratungs- bzw. Marketingleistungen ab, die die M S.A. entgelten sollte. Bei den Zahlungen der M S.A. hat es sich tatsächlich aber um die Auszahlung von Rabatten für den Bezug von Medikamenten von der E S.A. gehandelt.
Die Firma E S.A. habe nach den Feststellungen des Finanzamtes X auch der Klägerin verdeckte Rabatte gewährt, die an einer nach luxemburgischen Recht gegründete Kapitalgesellschaft, der B s.a.r.l. gezahlt worden sei. Diese Gesellschaft sei der Klägerin als wirtschaftliche Eigentümerin zuzurechnen.
Nach Eingang der Kontrollmitteilung des Finanzamtes X nahm das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Ermittlungen gegen die Klägerin auf.
Das Finanzamt X und das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen trafen dabei folgende Feststellungen:
Durch die Neuregelung des § 78 Abs. 3 Arzneimittelgesetz aufgrund der Einführung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Wirkung zum 1. April 2007 wurden pharmazeutische Unternehmen verpflichtet, einen einheitlichen Abgabepreis von Arzneimitteln gegenüber Großhändlern und Apotheken sicherzustellen. Rabatte auf den Abgabepreis durch das pharmazeutische Unternehmen an Großhändler und Apotheken waren seit dem 1. April 2007 nicht mehr zulässig.
Nach den Feststellungen des Finanzamtes X sei von den Herren A, B und C ein Modell zur Umgehung des Rabattverbotes entwickelt worden. Die Firma E S.A. hat Zahlungen für Beratung und Marketing als Betriebsausgaben geltend gemacht. Diese Zahlungen machten zwischen 85 % bis 93% des Rohgewinns aus. Den Zahlungen lagen Scheinverträge mit deutschen Apothekern oder mit luxemburgischen Gesellschaften zu Grunde. Ziel dieser Gestaltung war es, den Beteiligten Apotheken über die fingierten Beratungs- und Marketingverträgen die nach Änderung des Arzneimittelgesetzes nicht mehr zulässigen Rabatte auf den Wareneinkauf zu vermitteln. Die Beteiligten Apotheken konnten wählen, ob die als Honorare für Beratung bzw. Marketing bezeichneten Zahlungen direkt an die Apotheken gezahlt werden sollten oder diese an von den Initiatoren gegründeten luxemburgischen Kapitalgesellschaften überwiesen werden sollten. Die Prüfungsfeststellungen sind durch entsprechende Selbstanzeigen und Aussagen beteiligter Apotheker belegt.
Die folgenden luxemburgischen Gesellschaften waren neben der Firma E S.A. an diesem System beteiligt, dessen zivilrechtliche Eigentümer/Gesellschafter die Herren B und C sind:
- F SA.
- C s.a.r.l.
- M SA.
Die F S.A, ist zudem zivilrechtliche Eigentümerin/Gesellschafterin der gegründeten luxemburgischen Firma B s.a.r.l..
Am ... 2007 wurden der Klägerin die folgenden Unterlagen per Email zugesendet:
- Anleitung zur Bestellung bei der E S.A. und ein Bestellformular:
Auf dieser Anleitung sind Telefonnummer und telefonische Erreichbarkeitszeiten, Faxnummer und Anschrift der E S.A. vermerkt. Des Weiteren sind als Ansprechpartner Herr A für pharmazeutische Rückfragen und B für betriebswirtschaftliche Rückfragen genannt.
- Abbucherlaubnis zugunsten der E S.A. für erfolgte Medikamentenbestellungen
- Vereinbarung(svertrag) im Entwurf zwischen dem "Großhändler" und der "Apotheke" über Medikamentenlieferungen
- Vertrag im Entwurf zwischen der Firma M S.A. und der "Apotheke" über Beratungsleistungen, die von der "Apotheke" an die Firma M SA zu erbringen sind.
Die F S.A. hat schriftlich am ... 2007 eine notariell beurkundete, unwiderrufliche Erklärung darüber abgegeben, dass sie sich verpflichtet "ohne Widerrede an den Inhaber dieser Originalerklärung [dem Schriftstück, auf dem die unwiderrufliche Erklärung abgedruckt ist] die oben genannte Gesellschaft mit dem Namen: B s.a.r.l. zum Preis von zwölftausendfünfhundert Euro (12.500 €) zu verkaufen. Die F S.A. verpflichtet sich, alle entsprechenden Erklärungen und Verträge für die Übertragung zu unterschreiben, damit der Verkauf abgewickelt werden kann. Der Käufer stellt die F S.A. von allen entstehen den Kosten frei."
Die unwiderrufliche Erklärung ist von Herrn C als Vertreter der F SA. unterschrieben worden.
Diese unwiderrufliche Erklärung wurde bei einer im Rahmen des gegen die Klägerin eingeleiteten Strafverfahrens durchgeführten Durchsuchungsmaßnahme am ... 2016 in deren Wohnung in Kopie sichergestellt. Diese Kopie befand sich in einem Originalbriefumschlag mit Poststempel vom ... 2007 des Steuerbüros B und Partner und war unter dem Zusatz "persönlich/vertraulich" an die Privatanschrift der Klägerin adressiert.
Der Kontrollmitteilung des Finanzamts X vom ... 2016 war als Anlage 5 ein an die Apotheke ... adressiertes Schreiben mit dem folgenden Inhalt beigefügt:
"Sehr geehrte Frau ...,
in der Anlage übersende ich Ihnen folgende Unterlagen:
- Jahresabschluss zum 31.12. 2007
- kommerzieller Mietvertrag
- die Mietschlussrechnung
- die Gebührenrechnung
- Unwiderrufliche Erklärung
Mit der Bitte um Gegenzeichnung und anschließender Rücksendung
Wir bitten Sie, je eine Ausfertigung zu unterzeichnen und uns zuzusenden.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung".
Die unwiderrufliche Erklärung wurde am ... 2007 über den Anschluss der ... GmbH, dessen Gesellschafter-Geschäftsführer, der jetzige Ehemann der Klägerin ist, an das Steuerbüro Y und Partner gefaxt. Bereits am ... 2007 ist auf dem Bankkonto der B eine Zahlung der M S.A. i.H.v. ... Euro eingegangen.
Ein Herr Z hat im Jahre 2014 die Anteile an der B erworben. Herr Z wurde aufgrund eines Amtshilfeersuchens hinsichtlich des eingeleiteten Strafverfahrens gegen die Klägerin durch die Steuerfahndungsstelle der Finanzämter X am ... 2016 vernommen und dessen Räumlichkeiten wurden durchsucht. Herr Z erklärte, dass er die Klägerin nicht kenne und die Verhandlungen über den Erwerb der Anteile mit Herrn C geführt habe. Herr C habe Herrn Z gefragt, ob dieser nicht eine luxemburgische Firma haben wolle, da er gerade eine frei habe. Die B s.a.r.l. habe laut Herrn Z zum Zeitpunkt seines Erwerbs dieser Gesellschaft keinen aktiven Geschäftsbetrieb unterhalten.
Laut dem zunächst vorliegenden Kontrollmaterial des Finanzamts X vom ... 2016 seien folgende Zahlungen von der M S.A. an die B s.a.r.l. geleistet worden:
... 2007: ... Euro
... 2008 (Tag der Anweisung zur Überweisung des Geldes): ... Euro
Zuvor sei laut dem Kontrollmaterial des Finanzamts X ein Zahlungsfluss von der E SA. über die C s.a.r.l. an die M SA. (und letztlich an die B s.a.r.l.) zu verzeichnen.
Laut dem Bericht des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen vom ... 2017 ergeben sich die laut den Textziffern 8 bis 17 die folgenden Einzelfeststellungen:
8. Die Ermittlungen erfolgten im Rahmen eines gegen die Steuerpflichtige eingeleiteten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens.
9. Die Stpfl. hat in ... unter anderem die Apotheke betrieben und Zytostatika vertrieben, die sie auch von der Fa. E SA. in Luxemburg bezog (2007: rd. ... TEUR, 2008: rd. ... TEUR). Danach bezog die O KG, deren Kommanditistin die Stpfl. war, solche Medikamente (2008: rd. ... TEUR, 2009: rd. ... TEUR).
10. Die E S.A. war Ende 2006 von einem Apotheker [Herrn A] und seiner Ehefrau gegründet worden. Hintergrund dieser Gründung kann gewesen sein, dass durch Einschaltung eines ausländischen Händlers das seit dem 01. April 2007 geltende Rabattverbot des "Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung" zu umgehen. Ab dem 01. April 2007 konnten inländische Zulieferer einer deutschen Apotheke keine Rabatte mehr gewähren, was den Gewinn der Apotheken schmälerte.
11. Das Finanzamt X hat festgestellt, dass die E S.A. über Beraterverträge Zahlungen über eine C s.a.r.l. (Gesellschafter B und C) u.a. an eine Fa. B s.a.r.l. geleistet hat. Nach Auffassung des FA X handelt es sich dabei nicht um Dienstleistungsentgelte, sondern um verdeckte Rabattgewährung aus dem Bezug von Zytostatika bei der E S.A.
12. Durch eine Kontrollmitteilung ist bekannt geworden, dass die M S.A. der Apotheke ..., z. Hd. ... am ... 2007 auf Grund einer unbekannten Vereinbarung unter der Nummer "01-2007" eine Gutschrift über ... Euro erteilt hat, die nicht der Luxemburgischen Umsatzsteuer unterlegen haben soll.
13. Zu einem unbekannten Zeitpunkt hat C (Gesellschafter der M SA) der Stpfl. verschiedene Unterlagen an deren Geschäftsadresse in der ... gesandt, u.a. eine "Unwiderrufliche Erklärung [sic. ]". Im Rahmen der strafprozessualen Maßnahmen wurde festgestellt, dass das Steuerbüro B und Partner am ... 2007 der Stpfl. an deren Privatadresse eine "Unwiderrufliche Erklärung" gesandt hat, der nach sich eine F SA. mit Sitz in Luxemburg verpflichtet, die von ihr gehaltenen Geschäftsanteile an einer B s.a.r.l. ohne Widerrede zu einem festgelegten Preis an den Inhaber der Originalerklärung zu verkaufen. Der Ehemann der Stpfl. hat diese Erklärung am ... 2007 dem Steuerbüro .... gefaxt, was seinerzeit für die Stpfl. beratend tätig war.
Bereits am ... 2007 war vom Telefonanschluss der Apotheke der Anschluss des Steuerbüros B angerufen worden.
14. Die B s.a.rl. soll in 2014 nicht über einen eingerichteten Geschäftsbetrieb verfügt, sondern "brach" gelegen haben.
15. Es ist mithin davon auszugehen, dass die Stpfl. zumindest in den Jahren 2007 bis ca. 2009 wirtschaftliches Eigentum i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO an der B s.a.r.l. besaß und ihr die Einkünfte daraus zuzurechnen sind. Es ist zudem davon auszugehen, dass es sich bei dem Beratervertrag zwischen der B s.a.r.l. und der M SA. - der nur undatiert im Entwurf vorliegt - um ein Scheingeschäft i.S.d. § 41 Abs. 2 AO handelt, das ein anderes Geschäft verdeckt, nämlich die für die bezogenen Medikamente gewährten Rabatte. Diese mindern die Anschaffungskosten im Zeitpunkt der Gutschrift, spätestens im Zeitpunkt der Zahlung.
16. Am ... 2007 sollen der B s.a.r.l./Apo ... von der M S.A. ... Euro und zu einem unbekannten Zeitpunkt (nach dem ... 2008) ... Euro überwiesen worden sein. Der bisherige Gewinn der Stpfl. ist um diese Beträge zu erhöhen.
17. Da die Zahlung in 2007 auch Rabatte aus 2006 enthalten kann, als die Apotheke noch Medikamente der deutschen Apotheke des später an der E S.A. beteiligten Apothekers bezog, stehen die Rabatte nicht offensichtlich in einem Missverhältnis zum Wareneinkauf- zumal der auch den Bezug durch die O KG betreffen kann.
Der Beklagte erließ einen nach § 173 Abs.1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuer mit Datum vom ... 2017. Die Klägerin legte mit Schreiben vom ... 2017 Einspruch gegen den geänderten Steuerbescheid ein.
Zur Begründung wurde vorgetragen, dass das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen nicht positiv festgestellt habe, dass der Klägerin die "Unwiderrufliche Erklärung" im Original vorgelegen habe und dass die Zahlung i.H.v. .... Euro tatsächlich erfolgt, von der Klägerin vereinnahmt und nicht der Besteuerung unterworfen worden sei. Somit sei der angefochtene Bescheid aufzuheben.
Am ... 2018 ist beim Finanzamt weiteres Kontrollmaterial vom Finanzamt X (Betriebsprüfungsstelle) eingegangen, wonach die M S.A. an die B s.a.r.l. im Jahr 2008 insgesamt ... Euro und im Jahr 2009 insgesamt ... Euro gezahlt habe. Des Weiteren wurde mitgeteilt, dass bereits im Jahr 2016 eine Selbstanzeige eines weiteren an diesem Rabattsystem beteiligten inländischen Apothekers eingegangen sei.
Am ... 2018 erfuhr das Finanzamt von den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft X bezüglich des Rabattmodells. Laut telefonischer Aussage der zuständigen Staatsanwältin gebe es hinsichtlich des Rabattsystems zwei Fallvarianten über die Auszahlung der Rabatte an die inländischen Apotheker. Entweder seien die Rabatte "offen" von der M S.A. aufgrund von Scheinrechnungen über Beratungsleistungen unmittelbar an die inländischen Apotheken gezahlt und von den Apotheken auch in Deutschland versteuert worden. Das Rabattverbot sei insoweit zwar umgangen, jedoch seien die vereinnahmten Beträge ordnungsgemäß versteuert worden. Die zweite Variante sei vermutlich von den Initiatoren entwickelt worden, um die Rabattzahlungen vor dem Fiskus zu verheimlichen. Dafür seien weitere luxemburgische Gesellschaften (Vorratsgesellschaften), wie vorliegend die B s.a.r.l., gegründet und die Zugriffsrechte auf diese Vorratsgesellschaften seien verschleiert worden (vorliegend: unwiderrufliche Erklärung zum Anteilskauf). Dies ergebe sich unter anderem aus einer Selbstanzeige eines anderen an diesem Rabattmodell beteiligten deutschen Apothekers (A).
Laut dieser Selbstanzeige habe die E S.A. die Medikamente zu "normalen" Preisen (konform der Arzneimittelpreisverordnung) an den A verkauft und im Gegenzug Provisionen für den Medikamenteneinkauf angeboten, worüber es laut dem A keinen schriftlichen Vertrag gegeben habe. Alle an diesem System beteiligten Apotheken hätten ihre Provisionen von der M S.A. aus Luxemburg erhalten sollen, sobald diese Apotheken der M S.A. eine (Schein-) Rechnung z.B. über Dokumentationen, Studien etc. geschrieben hätten. Dieses Modell habe der Umgehung des seit dem ... 2007 bestehenden Rabattverbotes von Arzneimitteln gedient.
Dem A sei von der Seite A/B die Beteiligung einer luxemburgischen Kapitalgesellschaft in Form eines "Optionsscheins" angeboten worden, in welche die Provisionen hätten transferiert werden sollen. Im Jahr 2007 habe der A diesbezüglich einen Umschlag mit entsprechenden Unterlagen von der Seite A/B erhalten.
Die angefallenen Provisionen seien zunächst von der E S.A. im Ergebnis an einen Treuhänder, Herrn ... (Vater des B) ausgezahlt worden, welcher das Geld auf das inländische Konto des A weitergeleitet habe. Auf welchem Wege Herr ... das Geld von der E SA. erhalten habe, wisse der A nicht. Diese Auszahlungen der ersten beiden Provisionsansprüche, bei denen es sich jeweils um mittlere sechsstellige Beträge gehandelt habe, seien formal in zwei "Darlehen" umgewandelt worden. Die entsprechenden Darlehensverträge seien dem A unterschriftsreif und bereits von Herrn ... unterschrieben vorgelegt worden. Gleichzeitig habe Herr ... jeweils eine Verzichtserklärung in Bezug auf den Darlehensrückforderungsanspruch unterschrieben, sodass die Darlehensverträge wirkungslos gewesen seien. Bedingung für die Auszahlung des zweiten Provisionsanspruchs sei von Herrn B jedoch gewesen, dass der A den Optionsschein an ihn zurückgebe, was im Jahr 2009 auch erfolgt sei. Spätere Provisionsansprüche seien letztlich an eine AG in der Schweiz gezahlt worden, an der der A über den Treuhänder ... beteiligt gewesen sei. Die Provisionsansprüche des A seien aufgrund seines umfangreichen Medikamenteneinkaufs so hoch gewesen, dass es seiner Apotheke in dieser Größenordnung weder in der Wertigkeit noch von den Ressourcen her möglich gewesen wäre, Gegenleistungen zu erbringen, die diese Provisionen hätten auslösen können.
Am ... hat der Vertreter der Klägerin schriftlich um Sachstandsmeldung bezüglich des Einspruchs vom ... gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 vom ... gebeten.
Nachdem der Beklagte nach Auffassung der Klägerin über die Einsprüche ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes nicht zeitnah entschieden hatte, erhob sie mit Schreiben vom ... 2018, Eingang beim Finanzgericht am ... 2018, (Untätigkeits-) Klage gemäß § 46 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Vom Finanzamt X (Steuerfahndungsstelle) sind am ... 2018 und am ... 2018 Emails mit Chatverläufen der Handys von Herrn A und Herrn B an das Finanzamt übersendet worden. Zum einen ergibt sich daraus ein im Kalender von A für Ende Januar eingetragener Termin mit "Frau ... Tel. ....". Zum anderen hat A am ... 2014 an Herrn B folgendes geschrieben: "Frau ... hat mich nochmal gebeten, dass du dich mit Lebensgefährten wegen Auflösung Gesellschaft in Verbindung setzt (Name ..., Telefon ...)".
Des Weiteren hat C die folgenden drei Nachrichten am ... 2016 nacheinander an Herrn B geschrieben:
"Haben die Steuerfahndung im Haus wegen Frau ..."
"Von ... "
"Keine Ahnung, die Vorbesitzerin der B "
Mit Fax vom ... 2018 teilte das Finanzamt dem Vertreter der Klägerin die beabsichtigte Verböserung hinsichtlich der Einkommensteuerbescheide 2008 und 2009 aufgrund der durch die Kontrollmitteilung des Finanzamts X vom ... 2018 bekannt gewordenen Zahlungen der M S.A. an die B s.a.r.l. mit.
Dieser entgegnete mit Schreiben vom ... 2018, dass nach dortiger Kenntnis die Klägerin weder Inhaberin noch wirtschaftlich Berechtigte der B s.a.r.l. gewesen sei. Des Weiteren wurde um Aufschlüsselung der einzelnen Zahlungsbeträge für die Jahre 2008 und 2009 sowie um Übersendung des vorliegenden Kontrollmaterials gebeten.
Am ... 2018 ist dem Finanzamt eine weitere Selbstanzeige eines weiteren an diesem Rabattmodell beteiligten, inländischen Apothekers durch das Finanzamt X (Steuerfahndungsstelle) zugesendet worden.
Am ... 2018 ist dem Finanzamt weiteres Kontrollmaterial seitens des Finanzamts X (Betriebsprüfungsstelle) übermittelt worden. Demnach seien die Ermittlungen des Finanzamts X, welche in der ersten Kontrollmitteilung hinsichtlich der Klägerin vom ... 2016 resultierten, durch eine Steuer-CD aufgenommen worden. Laut einer Aktennotiz auf dieser Steuer-CD habe es einem bestimmten Personenkreis ermöglicht werden sollen, über Kaufoptionen einen Geschäftsanteil von 100% an luxemburgischen Firmen zu erwerben. Über dieses Optionsmodell sei es den Inhabern der Kaufoption möglich gewesen, die Briefkastenfirmen ("B-Firmen") zu erwerben und über die dorthin ausgekehrten Rabatte zu verfügen.
Die Zuordnung der B s.a.r.l. als Rabattvehikel der Klägerin ergebe sich aus einer Überweisungsliste der Steuer-CD aus dem Jahr 2007 (liege dem Finanzamt bereits vor), auf welcher auf Seite 3 eine Zahlung an die Apotheke ... i.H.v. ... Euro ausgewiesen sei. Die Steuer-CD weise zudem in einem Ordner LU/M unter anderem eine Excel-Datei ... aus. Nach Auffassung des Finanzamts X (Betriebsprüfungsstelle) handele es sich dabei um das Berechnungsprogramm der Rabatte. In dieser Tabelle werde neben anderen Apotheken, die auf direktem Weg verschleierte Rabatte -im Inland versteuerte- erhielten, auch die Apotheke ... aufgelistet. Dies sei ein eindeutiger Hinweis darauf, dass die Klägerin Zahlungen von der M SA. erhalten habe, die mit Wareneinkäufen bei der E S.A. in Zusammenhang stünden. Zudem handele es sich laut Auskunft des Bundeszentralamts für Steuern bei der B s.a.rl. ebenso wie bei anderen "B-Firmen" um rechtlich existente, aber wirtschaftlich inaktive Briefkastenfirmen.
Mit Schreiben des Finanzamts vom ... 2018 wurden dem Vertreter der Klägerin eine Aufschlüsselung der ... Einzelbeträge sowie ... entsprechende Kontoauszüge übersendet, woraus sich die von der M S.A. an die B s.a.r.l. in den Jahren 2008 und 2009 gezahlten Beträge ergeben. Des Weiteren wurde dem Vertreter der Klägerin mitgeteilt, dass sich die Zurechnung der Einkünfte durch das Innehaben der unwiderruflichen Erklärung durch die Klägerin ergebe und die Zwischenschaltung einer luxemburgischen Kapitalgesellschaft, welche keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausübe, einen Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO darstelle.
Der Beklagte hat nach Klageerhebung über den Einspruch für das Jahr 2007 durch Einspruchsentscheidung vom ... 2019 entschieden und den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Die Beteiligten gehen zu Recht davon aus, dass die Einspruchsentscheidung zum Gegenstand des Klageverfahrens wurde und das Verfahren fortgesetzt wird.
Die Klägerin ist auch nach Ergehen der Einspruchsentscheidung der Auffassung, dass der angefochtene nach einer Fahndungsprüfung ergangene geänderte Einkommensteuerbescheid rechtswidrig sei. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb sei nicht aufgrund der von der Fahndung getroffenen Feststellung zu erhöhen. Voraussetzung für die Inanspruchnahme eines Steuerpflichtigen im Rahmen verlängerter Festsetzungsfristen gemäß § 169 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 AO sei, dass dem Steuerpflichtigen für diesen erweiterten Zeitraum eine Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO nachgewiesen werde. Nach Auffassung des Beklagten sei die Klägerin in den Jahren 2007 bis 2009 wirtschaftliche Eigentümerin der in Luxemburg ansässigen B s.a.r.l. gewesen. Dabei stützte sich der Beklagte für die wirtschaftliche Zurechnung aus dem innehaben einer "Unwiderruflichen Erklärung", die zur Übernahme der Geschäftsanteile zu einem festgelegten Preis berechtige. Ungeachtet der Frage, ob das Innehaben einer solchen Erklärung eine wirtschaftliche Zuordnung gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO erlaube und letztlich den Tatbestand der Steuerhinterziehung herbeiführen könne, habe der Beklagte nicht positiv festgestellt, dass der Klägerin die "Unwiderruflichen Erklärung" im Original vorgelegen habe. Soweit der Beklagte behauptet, dass der "B s.a.r.l./Apo ..." von der M S.A. ein Betrag von ... € überwiesen worden sein solle, sei eine tatsächliche Zahlung, die die Klägerin vereinnahmt und nicht der Besteuerung unterworfen habe, nicht festgestellt worden. Vielmehr sei die Klägerin zu keinem Zeitpunkt Inhaberin oder wirtschaftlich Berechtigte der B gewesen, sodass ihr auch deren Einnahmen nicht zugerechnet werden könnten. Die Ausführungen des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen erschöpfte sich in Mutmaßungen, die indessen nicht geeignet sein, die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zu ersetzen.
Die Klägerin trug mit Schreiben vom ... 2018 vor, dass sie selbst bei der Annahme, dass sie die unwiderrufliche Erklärung innegehabt hätte, die Einkünfte nicht zugerechnet werden könnten, da die Vereinbarung eines Optionsrechts zur Begründung von wirtschaftlichem Eigentum grundsätzlich nicht ausreiche (BFH-Urteil vom 25. August 1993, Az. XI R 6/93).
Die Option sei auch nicht ausgeübt worden, Anteile an der B s.a.r.l. seien nicht auf die Klägerin übertragen worden.
Nach Erlass der Einspruchsentscheidung vom ... 2019 trug die Klägerin mit Schreiben vom ... 2019 ergänzend vor:
Streitig sei weiterhin die Zurechnung von Zahlungen zwischen zwei Kapitalgesellschaften luxemburgischen Rechts zu den Einkünften der Klägerin. Die vorgenommene Erhöhung des Gewinns aus der Apotheke um ... € sei rückgängig zu machen. Nach Auffassung des Beklagten handelt es sich um Zahlungen an die luxemburgische B, die der Klägerin zuzurechnen seien. Diese Auffassung sei unzutreffend. Der Beklagte stütze seine Beurteilung auf die Ermittlungen anderer Finanzbehörden über den Zahlungsverkehr zwischen der P und der B. Im Rahmen dieser Ermittlungen habe der Beklagte auch Kenntnis davon erlangt, dass der A an der Entwicklung und Durchführung eines Modells zur Umgehung von Rabattverboten im Medikamentenhandel beteiligt gewesen seien sollen.
Die Klägerin habe sich aber an einem solchen Modell nicht beteiligt. Sie sei auch nicht wirtschaftliche Eigentümerin der B gewesen. Der Beklagte berufe sich für die Frage des wirtschaftlichen Eigentums zu Unrecht auf eine "Unwiderrufliche Erklärung", nach der die Klägerin zur jederzeitigen Übernahme der Geschäftsanteile an der B zu einem festgelegten Preis berechtigt gewesen sei. Eine solche Erklärung sei nach der ständigen Rechtsprechung des BFH jedoch nicht geeignet, der Klägerin wirtschaftliches Eigentum an den Anteilen an der luxemburgischen Kapitalgesellschaft B zu vermitteln. Danach gehe das wirtschaftliche Eigentum an einer Kapitalgesellschaft auf einen Erwerber über, wenn der Käufer des Anteils aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des rechtsgerichtete Position erworben habe, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden könne, die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (insbesondere das Gewinnbezugsrecht und das Stimmrecht) sowie das Risiko einer Wertminderung oder die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sein. Bereits nach diesen wenigen Grundsätzen scheitere eine wirtschaftliche Zuordnung zu der Klägerin, da das bloße innehaben einer unwiderruflichen Erklärung kein bürgerlich- rechtliches Rechtsgeschäft verkörpere und die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte nicht auf die Klägerin übergegangen seien. Entgegen der Darstellung des Beklagten handele es sich auch nicht um eine notariell beurkundete Erklärung, sondern lediglich um die notarielle Beglaubigung der Unterschrift auf der Originalerklärung.
Die "Unwiderrufliche Erklärung" vom ... 2007 vermittle weder Stimmrechte, noch Gewinnbezugsrechte. Für welche Zwecke der Anteilseigner die B in den Streitjahren eingesetzt habe, und welche Kapitalfluss und Ausschüttung dort stattgefunden haben mögen, sei der Klägerin nicht bekannt. Es liege im Streitfall auch kein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 AO vor, weil es an einer Zwischenschaltung von Basisgesellschaften in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft in niedrig besteuerten Ausland fehle, weil die Klägerin nicht Gesellschafterin der B gewesen sei. Mangels Beteiligung bzw. wirtschaftlichen Eigentums der Klägerin an der luxemburgischen B könne ein - wie vom Beklagten behaupteter - Rechtsmissbrauch im Streitfall nicht vorliegen.
Die Klägerin habe auch als Inhaberin der "Unwiderrufliche Erklärung" vom ... 2007 ohne vorherige Übertragung der Anteile keine Möglichkeit gehabt, eine Ausschüttung aus der B herbeizuführen. Eine Übertragung der Anteile sei aber nicht erfolgt. Wie ihr dann Zahlungen von Dritten an diese Gesellschaft als eigene Einkünfte zugeflossen sein sollen, bleibe unklar. Die ausführliche Darstellung des Modells zur Vereinnahmung von Rabatten durch den Beklagten sei zwar interessant, zeige aber keine tatsächliche Beteiligung der Klägerin an diesem Modell auf. Wie der Beklagte zutreffend ausführe, treffe ihn die objektive Beweislast für das Vorliegen von Umständen, welche die Annahme einer Steuerumgehung rechtfertigten. Die Klägerin treffe allerdings, entgegen der Annahme des Beklagten, keine sich aus § 90 Abs. 2 AO ergebende, erweiterte Mitwirkungspflicht, da ein Negativbeweis nicht gefordert werden könne.
Die Mutmaßungen des Beklagten über einen "gewollten" oder "typischen" Geschehensablauf fänden in dem tatsächlichen Geschehensablauf keine Stütze. Soweit der Beklagte der Klägerin noch immer die Beteiligung an einem Rabattmodell unterstelle, möge er dieses beweisen.
Der Beweis sei aber nicht erbracht. Der Beklagte könne nicht nachweisen, dass die Klägerin zu irgendeinem Zeitpunkt im Besitz der unwiderruflichen Erklärung im Original gewesen sei. Denn eine solche Erklärung räume nur die Möglichkeit ein, Anteile an einer Gesellschaft zu erwerben. Die Klägerin, die sich nicht an dem von dem Beklagten dargestellten Rabattsystem beteiligt habe, habe keine Anteile an der Gesellschaft gehalten. Einfluss auf die Gesellschaft habe sie nicht ausüben können. Auch habe die Klägerin keinen Einfluss darauf, wer was wo auf irgendwelche Listen geschrieben habe.
Die Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe aufgrund der Berechtigung durch den Optionsschein weitere Zahlungen von ... € von Herrn ... erhalten, gehe fehl. Der Beklagte verkenne, dass ein Optionsschein zum Erwerb von Anteilen nicht zur Verfügung über irgendwelche Mittel der betreffenden Gesellschaft berechtige. Der Beklagte möge auch beweisen, dass die Klägerin die Rabatte in der Gesellschaft geparkt habe und diese letztlich an sie ausgekehrt worden seien. Ein solcher Nachweis sei bisher nicht erfolgt. Im Übrigen ergebe sich der Beklagte einmal mehr in Spekulationen.
Die Vermutung des Beklagten, die Initiatorin des Rabattmodells hätten sich im Jahre 2014 mit der Klägerin in Verbindung gesetzt, um über die Auflösung der B s.a.r.l. zu beraten, sei falsch. Es habe sich dabei vielmehr um das Vorgehen bei der Auflösung der eigenen Gesellschaft des jetzigen Ehemanns der Klägerin, nämlich der "... GmbH" gehandelt.
Nach allem seien die Zahlungen, die in den Streitjahren von der M S.A. an die B s.a.r.l. geleistet worden seien, der Klägerin nicht als eigene Einkünfte zuzurechnen.
Die Klägerin beantragt,
den angefochtenen Steuerbescheid vom ... 2017 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom ... 2019 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist zur Begründung seines Antrags auf die Einspruchsentscheidung.
Mit Schreiben vom ... 2019 trägt der Beklagte weiter vor:
Für die Frage, ob das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil bei Vorliegen einer Erwerbsoption auf den Käufer übergehe, sei nach der Rechtsprechung nicht anhand des formal Erklärten oder formal-rechtlich Vereinbarten, sondern anhand des wirtschaftlich Gewollten und des tatsächlich Bewirkten zu beurteilen. Die Klägerin sei als wirtschaftliche Eigentümerin der B s.a.r.l. anzusehen. Vorliegend sei wirtschaftlich zwischen der Klägerin und den Initiatoren des Rabattmodells gewollt gewesen, dass die Klägerin verdeckte Rabattzahlungen für die bei der E S.A. bezogenen Medikamente über die M S.A. durch die B s.a.r.l. beziehe. Dass die Klägerin nicht zivilrechtliche Eigentümerin der Gesellschaft geworden sei, diene ausschließlich der Verschleierung dieser Rabattzahlungen. Durch das innehaben der unwiderruflichen Erklärung hätte die Klägerin jederzeit Zugriff auf die Gesellschaft gehabt, sodass sie als wirtschaftliche Eigentümerin zu qualifizieren sei.
Der Beklagte vertritt des Weiteren die Auffassung, dass die Klägerin die unwiderrufliche Erklärung im Original zum Zeitpunkt der Durchsuchungsmaßnahme nicht mehr im Besitz gehabt habe könne, da 100% der Anteile an der B s.a.r.l. bereits Ende 2014 zivilrechtlich von der F S.A., vertreten durch C Johannes, an einen Herrn Z zu einem Preis von ... Euro verkauft worden sei.
Des Weiteren führt der Beklagte aus, dass die Behauptung der Kläger, die Initiatorin hätten im Januar 2016 Kontakt mit den Klägern aufgenommen, um über die Auflösung der ... GmbH zu sprechen sei nicht plausibel. Die Beratung bezüglich dieser Gesellschaft sei durch den Prozessbevollmächtigten erfolgt. Eine Beratung mit den Initiatoren des Rabattmodells sei daher nicht anzunehmen. Vielmehr sei nach Auffassung des Beklagten eindeutig ersichtlich, dass es bei der Kontaktaufnahme um die Abwicklung der B s.a.r.l. gegangen sei.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat die Zahlungen der M S.A. an die B s.a.r.l. in Höhe von ... Euro zu Recht der Klägerin zugerechnet und den Gewinn aus dem Betrieb der Apotheke insoweit erhöht.
Der Senat ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Streitfalls davon überzeugt, dass sich die Klägerin an den von den A, B und C entwickelten System zur Vereinnahmung von Arzneimittelrabatten, die nach deutschem Recht nicht mehr hätten gewährt werden dürfen, in der Form beteiligt hat, dass die ihr zustehenden Rabatte im Ergebnis an die B s.a.r.l. gezahlt wurden. Diese Zahlungen sind der Klägerin zuzurechnen und sind bei der Ermittlung des Gewinns aus der Apotheke gewinnerhöhend zu berücksichtigen.
Der Einkommensteuer unterliegen alle Einkünfte, die der Steuerpflichtige im Rahmen der in § 2 Abs.1 EStG aufgeführten Einkunftsarten erzielt. Einkünfte sind die Vermögensmehrungen, die nach § 2 Abs.2 EStG als Gewinn oder als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln sind. Gewinn ist der sich durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs.1 EStG ergebende Ertrag oder der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs.3 EStG). Das EStG enthält keinen gemeinsamen Oberbegriff für Erträge, Betriebseinnahmen und Einnahmen (vgl. hierzu Tipke, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 1980, 1; Kirchhof in Kirchhof/Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 2 Anm.A 52). Lediglich die Einnahmen sind in § 8 Abs.1 EStG als Güter in Geld oder Geldeswert definiert. Unbeschadet der unterschiedlichen Methoden zur Ermittlung der Einkünfte und der hieraus sich ergebenden systembedingten Ungleichbehandlung von Betriebsvermögen und Privatvermögen ist die Frage, ob der einem Steuerpflichtigen zugewendete Vermögenswert sein steuerpflichtiges Einkommen erhöht, schon im Hinblick auf das für das Einkommensteuerrecht maßgebende Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 3.November 1982 1 BvR 620/78, 1335/78, 1104/79 und 363/80, BVerfGE 61, 319, 344, und Beschluss vom 22.Februar 1984 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214, 223, jeweils m.w.N.) für alle Einkunftsarten nach einheitlichen Maßstäben zu entscheiden. Denn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird von der Höhe des zugeführten Vermögenswertes beeinflusst; unerheblich ist, innerhalb welcher Einkunftsart sich der Vermögenszuwachs vollzieht. Hiervon ist die höchstrichterliche Rechtsprechung auch schon bisher ausgegangen.
Es besteht zwischen den Begriffen Betriebseinnahmen und Einnahmen weitgehende Übereinstimmung (vgl. Urteil vom 29.Juni 1982 VIII R 6/79, BFHE 136, 238, BStBl II 1982, 755, unter 1 a m.w.N.). Die Rechtsprechung hat sich deshalb schon bisher für die Umschreibung der gesetzlich nicht definierten Betriebseinnahmen an die Begriffsbestimmung des § 8 Abs.1 EStG angelehnt, der seinem Wortlaut nach lediglich für die Einkunftsarten des § 2 Abs.1 Nr.4 bis 7 EStG von Bedeutung ist und als Betriebseinnahmen alle Zugänge in Geld oder Geldeswert bezeichnet, die durch den Betrieb veranlasst sind (vgl. BFH-Urteile vom 21.November 1963 IV 345/61 S, BFHE 78, 475, BStBl III 1964, 183; vom 13.Dezember 1973 I R 136/72, BFHE 111, 108, BStBl II 1974, 210; vom 16.Januar 1975 IV R 180/71, BFHE 115, 202, BStBl II 1975, 526; vom 18.März 1982 IV R 183/78, BFHE 136, 76 [BFH 09.03.1982 - VIII R 160/81], BStBl II 1982, 587; vom 9.Mai 1985 IV R 184/82, BFHE 143, 466, BStBl II 1985, 427; vom 17.April 1986 IV R 115/84, BFHE 146, 419, BStBl II 1986, 607, und vom 3.Dezember 1987 IV R 41/85, BFHE 151, 446, BStBl II 1988, 266). Diese Begriffsbestimmung ist auch im Rahmen der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich von Bedeutung (Urteil in BFHE 111, 108, BStBl II 1974, 210).
Somit sind nach der Rechtsprechung des BFH - der sich der Senat anschließt - unter Betriebseinnahmen (Erwerbsbezüge) in Anlehnung an § 8 Abs. 1 und § 4 Abs. 4 EStG alle Zugänge in Geld oder Geldeswert zu verstehen, die durch den Betrieb veranlasst sind (BFH in ständiger Rechtsprechung; z.B. Urteile vom 14. März 1989 I R 83/85, BFHE 156, 462, BStBl II 1989, 650; vom 13. März 1991 X R 24/89, BFH/NV 1991, 537; vom 9. Oktober 1996 XI R 35/96, BFHE 181, 309, BStBl II 1997, 125). Betrieblich veranlasst ist ein solcher Wertzuwachs, wenn er in einem nicht nur äußerlichen, sondern sachlichen, wirtschaftlichen Zusammenhang zum Betrieb steht (BFH in BFHE 156, 462, BStBl II 1989, 650; in BFH/NV 1991, 537, 538; s. auch Urteil vom 1. Oktober 1993 III R 32/92, BFHE 172, 445, BStBl II 1994, 179).
Die Klägerin bezog in den Jahren 2007 bis 2009 Arzneimittel von der Firma E S.A. mit Sitz in Luxemburg. Die Gesellschaft war Teil des von den Herren A, B und C entwickelten System zur Vereinnahmung von Arzneimittelrabatten, die nach deutschem Recht nicht mehr hätten gewährt werden dürfen. Die Klägerin räumt selbst ein, dass die A, B und C ein entsprechendes Modell zur Umgehung des in Deutschland geltenden Verbots von Rabatten auf Arzneimittel entwickelt haben. Dies ist zur Überzeugung des Senats auch durch die Erklärungen und Selbstanzeigen anderer deutscher Apotheker ausreichend belegt. Die Klägerin bestreitet lediglich, dass sie sich an diesem System beteiligt habe. Diese Aussage bewertet der Senat jedoch als reine Schutzbehauptung.
Der Senat ist überzeugt, dass die Klägerin sich mit den Initiatoren des Umgehungsmodells einvernehmlich dahingehend verständigt hat, dass sie für die Bereitschaft, Medikamente bei der Firma E S. A. zu beziehen, entsprechende Zahlungen als verdeckten Rabatt erhalten sollte. Dafür spricht, dass die Initiatoren des Umgehungsmodells sich gerade mit dem Ziel, dass seit 2007 geltende deutsche Rabattverbot zu umgehen, an deutsche Apotheker gewandt hatten. Dementsprechend stellten die Initiatoren der Klägerin auch alle notwendigen Unterlagen, insbesondere die "Unwiderufliche Erklärung" zum Erwerb der Anteile an der B s.a.r.l. zur Verfügung. Folglich ist auch eine Durchschrift der unwiderruflichen Erklärung im Rahmen der Durchsuchung bei der Klägerin aufgefunden worden. Nach dieser Kontaktaufnahme hat die Klägerin auch begonnen, Medikamente bei der Luxemburger Firma zu bestellen. Der Senat kann für die Aufnahme der Geschäftsbeziehungen zu der E S.A. keine anderen wirtschaftlichen Gründe als die Möglichkeit zum Bezug der Medikamente unter Einräumung von Rabatten, welche von inländischen Großhändlern nicht mehr gewährt werden durften, erkennen. Die bei der Firma E S.A. erworbenen Medikamente hätte die Klägerin - wie in den Jahren vor 2007 und nach 2009 - auch von inländischen Großhändlern beziehen können. Die Behauptung der Klägerin, sie habe die fraglichen Medikamente nur bei der Firma E S.A. beziehen können, ist sachlich falsch. Es handelte sich um Medikamente, die bei jedem Großhändler erworben werden konnten. Wäre die Aussage der Klägerin zutreffend, hätten alle Apotheken, die Zytostatika herstellen, die Grundstoffe bei der Firma E S.A. beziehen müssen. Die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit der Firma E S.A., die nach den offiziellen Rechnungen - wie deutsche Großhändler - keine Rabatte gewährte, lässt sich zu Überzeugung des Senats nur dadurch erklären, dass die Initiatoren des Umgehungsmodells der Klägerin die Gewährung von - in der Vergangenheit üblichen - Rabatten für die erworbenen Arzneimittel zugesagt hatten.
Daher ist es aus Sicht des Senats auch schlüssig, dass in den aufgefundenen Buchführungsunterlagen der M S.A. die Zahlungen an die B s.a.r.l. unter dem Namen der Klägerin und der Bezeichnung "Apotheke ..." erfasst wurden. Die entsprechende Bezeichnung der Zahlungen als solche an die Klägerin stellt nach Auffassung des Senats ein schwerwiegendes Indiz dafür dar, dass die Klägerin sich tatsächlich an dem angebotenen Rabattmodell beteiligt hatte. Der Einwand der Klägerin, möglicherweise sei ihr Name von den Initiatoren missbraucht worden, um ihrerseits Zahlung an sich selbst zu verschleiern, kann nicht überzeugen.
Bei der Bewertung der Bezeichnung der Zahlungen als solche an die Klägerin in der Buchführung der M S.A. ist in den Blick zu nehmen, dass die Überweisungen an die B s.a.r.l. nur in dem Zeitraum von 2007 bis 2009 erfolgt sind und die Klägerin nur in diesem Zeitraum Medikamente von der Firma E S.A. erworben hatte. Diese zeitliche Konkurrenz weist nach Auffassung des Senats hinreichend deutlich darauf hin, dass zwischen dem Warenbezug bei der Firma E S.A. und der Zahlungen an die B s.a.r.l. ein Zusammenhang besteht. Wäre der Einwand der Klägerin bezüglich eines missbräuchlichen Verwendens ihres Namens durch die Initiatoren des Rabattsystems zutreffend, hätten die Zahlungen auch in den späteren Zeiträumen erfolgen müssen, in denen die Klägerin nicht mehr bei der Firma E S.A. Waren bezogen hatte. Nach der Beendigung der Geschäftsbeziehung der Klägerin zur Firma E S.A. hat die B s.a.r.l. ausweislich ihrer eigenen Buchführung auch keine weiteren Zahlungen - auch nicht von dritter Seite - erhalten. Auch dies bestätigt, dass zwischen der Geschäftsbeziehung der Klägerin zur Firma E S.A. ein unmittelbarer Zusammenhang zu den Zahlungen an die B s.a.r.l. bestand. Der Senat teilt daher die Auffassung des Beklagten, dass es sich bei diesen Zahlungen um verdeckte Rabatte handelt.
Ebenso bestätigt der Umstand, dass die Initiatoren im Jahr 2014 wieder Kontakt mit der Klägerin aufgenommen haben, um eine Übertragung der Anteile an der B s.a.r.l. an einen Kaufinteressenten zu ermöglichen, dafür, dass die Initiatoren und die Klägerin gemeinschaftlich davon ausgingen, dass die Klägerin faktisch über die B s.a.r.l. verfügen konnte.
Nochmals bestätigt wird diese Würdigung des Senats durch die elektronische Korrespondenz am ... 2016 zwischen den Initiatoren des Rabattmodells:
"Haben die Steuerfahndung im Haus wegen Frau ..."
"Von Frau ..- "
"Keine Ahnung, die Vorbesitzerin der B "
Auch nach dieser Aussage gingen die Beteiligten also davon aus, dass die B s.a.r.l. faktisch der Klägerin zuzurechnen ist.
Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass der Umstand, dass bei der Durchsuchung in den Unterlagen der Klägerin nicht mehr das Original der unwiderruflichen Erklärung vorhanden war, dafür spricht, dass sie diese im Zusammenhang mit dem Verkauf der Anteile an der B s.a.r.l. herausgeben musste.
Die Behauptung der Klägerin, bei der Kontaktaufnahme im Jahre 2014 sei es um die ... GmbH gegangen, ist nicht glaubwürdig. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass die steuerliche und wirtschaftliche Betreuung der GmbH durch den örtlichen Steuerberater erfolgt ist. Inwiefern die Initiatoren des Rabattmodells, mit der die Klägerin seit dem Jahr 2009 nach eigenem Bekunden gar keinen Kontakt mehr hatte, in Angelegenheiten der ... GmbH eingeschaltet werden sollten, erschließt sich dem Senat nicht.
Ob diese Umstände dafür ausreichen, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Klägerin tatsächlich im steuerlichen Sinne als wirtschaftliche Eigentümerin der Gesellschaft anzusehen ist, kann dahinstehen. Für die Beweiswürdigung des Senats ist in diesem Zusammenhang lediglich von Bedeutung, dass die Initiatoren davon ausgingen, die Beteiligung nur nach Kontaktaufnahme mit der Klägerin veräußern zu können und diese als Vorbesitzerin der Gesellschaft angesehen wird. Somit ist für den Senat ausreichend nachgewiesen, dass sich die Klägerin am Rabattsystem in der Form beteiligt hat, dass die ihr nach der einvernehmlichen Übereinkunft mit den Initiatoren des Rabattmodells zustehenden Rabatte auf ihren Wunsch hin an die B s.a.r.l. ausgezahlt werden sollte. Mit der Anweisung, die Rabatte an die B s.a.r.l. auszuzahlen, hat sie im steuerlichen Sinne über die Gelder verfügt.
Diese Würdigung bedeutet, dass die Zahlungen von der M S.A. nicht für Beratungsleistungen der B s.a.r.l. erbracht wurden. Eine Beratungsleistung oder Marketingleistung hat die B s.a.r.l. gegenüber der M S.A. tatsächlich nicht erbracht. Vielmehr handelt es sich um die verdeckte Zahlung von Rabatten, die die Firma E S.A. der Klägerin einvernehmlich eingeräumt hat.
Der Änderung des Steuerbescheids 2007 steht die Festsetzungsverjährung nicht entgegen, weil die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre beträgt. Die Klägerin hat zur Überzeugung des Senats vorsätzlich Steuern hinterzogen.
Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine Änderung der Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beträgt gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO in der Regel vier Jahre und verlängert sich gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO im Fall einer Steuerhinterziehung auf zehn Jahre. Sie beginnt nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung beim Finanzamt eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist.
Hierfür müssen die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung vorliegen. Der Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO setzt voraus, dass der Täter den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige Angaben macht.
Ob eine Steuerhinterziehung vorliegt, bestimmt sich nach § 370 AO, da § 169 AO diesbezüglich keine Legaldefinition enthält. Wie sich aus der Gesetzesüberschrift ergibt, handelt es sich bei § 370 AO um eine Strafvorschrift.
Die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO i.V.m. § 370 AO sind nicht nach den Vorschriften der StPO, sondern nach den Vorschriften der AO und der FGO festzustellen. Bei nicht behebbaren Zweifeln führt jedoch der Grundsatz "in dubio pro reo" dazu, dass die Feststellung der Steuerhinterziehung durch ein reduziertes Beweismaß --mithin im Wege der Schätzung-- unzulässig ist. Das Gericht muss vielmehr gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO die volle Überzeugung erlangen, dass die Voraussetzungen der Steuerhinterziehung dem Grunde nach vorliegen. Anders als bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO darf dem Steuerpflichtigen die Verletzung von Mitwirkungspflichten nicht zum Vorwurf gemacht werden. Dies gilt auch für die Verletzung der erweiterten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten gemäß § 90 Abs. 2 AO (Senatsurteil vom 7. November 2006 VIII R 81/04, BFHE 215, 66, BStBl II 2007, 364; BFH-Urteil vom 12. Juli 2016 II R 42/14, BFHE 254, 105, BStBl II 2016, 868; Senatsbeschluss vom 20. September 2007 VIII B 66/07, BFH/NV 2007, 2246; vgl. auch BFH-Urteil vom 11. Dezember 2012 IX R 33/11, BFH/NV 2013, 1057).
Danach sind die im Steuerrecht vorkommenden Begriffe des Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrechts materiell-rechtlich wie im Strafrecht zu beurteilen. Dagegen ist die Frage, ob diese Tatbestandsmerkmale tatsächlich erfüllt sind, nicht nach den Vorschriften der Strafprozessordnung, sondern nach den Verfahrensvorschriften der Abgabenordnung und der Finanzgerichtsordnung zu prüfen, da es sich lediglich um eine strafrechtliche Vorfrage im Rahmen einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids handelt (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570 [BFH 05.03.1979 - GrS - 5/77]; Senatsurteil in BFHE 240, 195, BStBl II 2013, 526 [BFH 15.01.2013 - VIII R 22/10]).
Hängt die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids von der Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) und somit vom Vorliegen einer Steuerhinterziehung ab, müssen zur Rechtmäßigkeit des Bescheids die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 370 AO erfüllt sein (Senatsurteil vom 16. Januar 1973 VIII R 52/69, BFHE 108, 286, BStBl II 1973, 273; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. März 1979 GrS 5/77, BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570; BFH-Urteile vom 8. September 1994 IV R 6/93, BFH/NV 1995, 573; vom 2. April 1998 V R 60/97, BFHE 186, 1, BStBl II 1998, 530; BFH-Beschluss vom 8. November 2000 XI B 38/00, BFH/NV 2001, 478; BFH-Urteil vom 15. Januar 2013 VIII R 22/10, BFHE 240, 195, BStBl II 2013, 526).
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Klägerin die gewährten Rabatte bewusst und gewollt nicht in ihrer Steuererklärung angegeben hat. Die Klägerin hatte sich dazu entschieden, die ihr aufgrund der Wareneinkäufe bei der E S.A. zustehenden Rabatte nicht auf ein auf ihren Namen laufendes Konto überweisen zu lassen, sondern sie hatte mit den Initiatoren vereinbart, dass diese Zahlungen an die B s.a.r.l. geleistet werden sollen. Dies ist mit der Absicht geschehen, die Rabatte nicht der deutschen Besteuerung zu unterwerfen. Somit liegt eine vorsätzliche Steuerhinterziehung vor, sodass die Festsetzungsfrist zehn Jahre beträgt.
Die Klägerin hat die Steuererklärung für 2007 im Februar 2009 beim Beklagten eingereicht. Die Festsetzungsfrist endete somit mit Ablauf des Jahres 2019. Der streitige Änderungsbescheid ist am ... 2017 ergangen, sodass die Festsetzungsfrist eingehalten wurde.
Die Änderung des Steuerbescheids 2007 konnte auch nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfolgen. Die Zahlung der verdeckten Rabatte war dem Beklagte weder bei der Durchführung der ursprünglichen Veranlagung noch im Zeitpunkt der Änderung des Steuerbescheids vom ... 2015, welche aufgrund der auch für das Jahr 2007 durchgeführten Außenprüfung ergangen sind, bekannt. Es handelt sich bei der Zahlung der verdeckten Rabatte um eine neue Tatsache, deren Berücksichtigung zu einer höheren Steuer führt. Die Änderungssperre des § 173 Abs. Abs. 2 AO greift im Streitfall nicht ein, weil die Klägerin eine vorsätzliche Steuerhinterziehung begangen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).