Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 17.09.2002, Az.: 4 A 4126/00

Grundrechtsbeeinträchtigung; Hauptwohnung; Nebenwohnung; Verheiratete

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
17.09.2002
Aktenzeichen
4 A 4126/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43679
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

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Der Kläger wehrt sich mit der Klage gegen die Bestimmung seiner G. Wohnung zur Hauptwohnung.

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Der Kläger wohnt mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern in der Wohnung

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XX 5 in G.. Das Melderegister der Stadt G. weist die Wohnung als seine Nebenwohnung aus, während seine Familienangehörigen dort mit Hauptwohnung gemeldet sind. Neben der Wohnung in G. hat der Kläger eine weitere (Eigentums-)

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Wohnung in der XXstraße 79 in S. (Hessen), in der er ein Gutachter-Büro betreibt und die er als Hauptwohnung angemeldet hat.

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Nach Anhörung des Klägers bestimmte die Beklagte seine G. Wohnung durch Bescheid vom 31.01.2000 zur Hauptwohnung und stellte fest, dass die Wohnung in S. Nebenwohnung sei. Zur Begründung führte sie aus, die Hauptwohnung eines verheirateten Einwohners, der nicht dauernd von seiner Familie getrennt lebe, sei die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie. Im Fall des Klägers sei dies die Wohnung in G..

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Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Bezirksregierung B. durch Widerspruchsbescheid vom 19.06.2000 (zugestellt am 22.06.2000) unter vertiefenden Ausführungen zurückwies.

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Am 24.07.2000 (einem Montag) hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, es beständen im Hinblick auf seine Gutachter-Tätigkeit zwingende berufliche Gründe für die Anerkennung der Wohnung in S. als Hauptwohnung.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 31.01.2000 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung B. vom 19.06.2000 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen, wobei sie im Wesentlichen auf die bisherigen Ausführungen Bezug nimmt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, so dass der Kläger keinen Anspruch auf ihre Aufhebung hat. Die Beklagte hat die Wohnung XX 5 in G. zu Recht zur Hauptwohnung des Klägers bestimmt.

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Hat eine Person mehrere Wohnungen im Inland, so ist die vorwiegend benutzte Wohnung die Hauptwohnung (§ 8 Abs. 1 S. 1 des Nds. Meldegesetzes - NMG - i. d. F. der Neubekanntmachung vom 25.01.1998, Nds. GVBl. S. 56). Hauptwohnung ist bei einer verheirateten Person, die nicht dauernd getrennt von ihrer Familie lebt, die von der Familie vorwiegend benutzte Wohnung (§ 8 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 NMG). In Zweifelsfällen ist die vorwiegend benutzte Wohnung dort, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen liegt (§ 8 Abs. 1 S. 3 NMG). Nebenwohnung ist jede weitere Wohnung einer Person (§ 8 Abs. 2 NMG). Die Regelung entspricht derjenigen in § 12 des Melderechtsrahmengesetzes

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- MRRG -vom 24.06.1994 (BGBl. I S. 1430) in der z. Zt. des Erlasses des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung B. geltenden Fassung der Änderung durch Art. 3 § 7 des Gesetzes vom 15.07.1999 (BGBl. I S. 1618).

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Da der Kläger verheiratet ist und von seiner Familie nicht dauernd getrennt lebt, ist seine Hauptwohnung nach den genannten Regelungen die von der Familie vorwiegend benutzte Wohnung. Dies ist die Wohnung in G., denn diese ist die einzige Wohnung seiner Familienangehörigen, die die Wohnung in S. nicht nutzen. Ein Zweifelsfall, in dem es gemäß § 8 Abs. 1 S. 3 NMG auf den Schwerpunkt der Lebensbeziehungen ankäme, ist vorliegend nicht gegeben.

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Ausnahmen sieht das Gesetz nicht vor, so dass es nicht auf die Frage ankommt, ob der Kläger seine Gutachter-Tätigkeit in Hessen nur ausüben kann, wenn er dort eine Hauptwohnung bewohnt. Im Übrigen entspricht die Behauptung des Klägers, er sei aus beruflichen Gründen auf die Anerkennung der Wohnung in S. als Hauptwohnung angewiesen, nicht den Tatsachen. Das Regierungspräsidium G. hat unter dem 13.07.2000 gegenüber der Bezirksregierung B. zum Ausdruck gebracht, für die Tätigkeit als Gutachter sei nicht die Frage des Hauptwohnsitzes, sondern allein entscheidend, dass der Kläger den Sitz seiner beruflichen Niederlassung in S. habe.

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Die gesetzlichen Regelungen in § 12 MRRG und in § 8 NMG verletzen Grundrechte des Klägers nicht. Art. 6 GG wird bereits deshalb nicht berührt, weil das Zusammenleben des Klägers und seiner Familie durch die melderechtlichen Regelungen nicht beeinträchtigt wird. Eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit des Klägers (Art. 12 Abs. 1 GG) ist nach dem oben Gesagten nicht ersichtlich. Im Übrigen sind Unzuträglichkeiten, die sich aus der Anknüpfung anderer (hier: hessischer) Rechtsvorschriften an die Hauptwohnung ergeben, bei der Ausgestaltung und Auslegung dieser Rechtsvorschriften zu berücksichtigen. Die melderechtlichen Regelungen verletzen auch nicht das Eigentums-Grundrecht des Klägers (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG), denn sie schränken seine Möglichkeiten, die Eigentumswohnung in S. zu nutzen, nicht ein. Schließlich ergeben sich verfassungsrechtliche Bedenken auch nicht im Hinblick auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG). Der Gesetzgeber kann sich im Melderecht typisierender Regelungen bedienen und hat bei der Ausgestaltung dieser Materie ein weites Ermessen. Das Melderecht erfüllt Ordnungsaufgaben, die im Wesentlichen im öffentlichen Interesse liegen, und berührt den Einzelnen allenfalls geringfügig. Das Gericht folgt im Hinblick auf die Frage von Grundrechtsverletzungen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 16.03.1998 - 1 B 25.88 -, Buchholz, 402.43 § 12 MRRG Nr. 2 - zu Art. 6 GG - sowie Urt. v. 04.05.1999 - 1 C 25.98 -, NJW 1999, 2688 - zu Art. 2 Abs. 1 GG -).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.