Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 26.11.2008, Az.: 11 A 1233/08
Altfallregelung (§ 104a AufenthG) - atypischer Fall; Soll-Regelung; Atypik; Lebensunterhalt; Härtefall; Verschulden; Ermessen; intendiert
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 26.11.2008
- Aktenzeichen
- 11 A 1233/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 46031
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2008:1126.11A1233.08.0A
Rechtsgrundlage
- § 104a AufenthG
Amtlicher Leitsatz
Liegen die Voraussetzungen des § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG vor, "soll" eine Aufenthaltserlaubnis "auf Probe") erteilt werden. Ein atypischer Fall, in dem hiervon ausnahmsweise abgesehen werden kann, liegt vor, wenn bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt sicher davon auszugehen ist, dass der Ausländer seinen Lebensunterhalt nach dem 31. Dezember 2009 nicht im Sinne des § 104a Abs. 5 AufenthG durch eigene Erwerbstätigkeit wird sichern können und auch kein Härtefall nach § 104a Abs. 6 AufenthG gegeben ist. Ein fehlendes Verschulden des Ausländers ist dabei grds. ohne rechtliche Bedeutung.
Das der Ausländerbehörde darüber hinaus zustehende Ermessen, ist dahin intendiert, die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis abzulehnen, so dass es insoweit einer weiteren Begründung in der Regel nicht bedarf.
Tatbestand
Die am 5. Juni 1955 bzw. am 25. Juni 1957 geborenen Kläger sind Eheleute. Sie stammen aus dem Kosovo und sind albanischer Volkszugehörigkeit.
Am 3. März 1994 reisten sie in die Bundesrepublik Deutschland ein. Mit Bescheid vom 17. März 1994 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ihre Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte zwar ab, stellte aber fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Jugoslawien vorliegen. Die Beklagte erteilte den Klägern daraufhin am 24. Juli 1995 Aufenthaltsbefugnisse, welche mehrfach, zuletzt bis zum 10. März 2005, verlängert worden sind. Seit dem 27. November 1995 bzw. 13. Mai 1997 verfügten die Kläger auch über unbefristete Arbeitserlaubnisse des Arbeitsamts O..
Mit Bescheiden vom 4. März 2004 widerrief das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Entscheidungen zu § 51 Abs. 1 AuslG und stellte fest, dass auch keine Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen. Die hiergegen gerichteten Klagen sind erfolglos geblieben ( VG Oldenburg, Urteile vom 19. Dezember 2005 - 12 A 1273/04 und 12 A 1274/04 -).
Die am 3. März 2005 gestellten Anträge der Kläger auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbefugnisse lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. September 2006, zugestellt am 11. September 2006, ab, forderte die Kläger zur Ausreise bis zum 31. März 2007 auf und drohte anderenfalls die Abschiebung nach Serbien (Kosovo) an. Den Klägern wurden daraufhin sog. Grenzübertrittsbescheinigungen erteilt, welche mehrfach, zuletzt bis zum 20. September 2007, verlängert worden sind.
Die Kläger und die Beklagte verständigten sich zunächst auf eine Ausreise zum 21. Mai 2007. Am 10. Mai 2007 beantragten die Kläger bei der Beklagten dann jedoch die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden: Sie erfüllten die Voraussetzungen der Nds. Bleiberechtsregelung. Es sei fraglich, ob ihnen angesichts des Gesundheitszustandes der Klägerin zu 1) die Aufnahme einer Arbeit zuzumuten sei. Die Klägerin zu 1) sei auch nur unter bestimmten Voraussetzungen, die nicht erfüllt seien, reisefähig. Es sei zumindest eine neue aktuelle Untersuchung des Gesundheitsamtes notwendig, da sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert habe. Zur Glaubhaftmachung sind Bescheinigungen von Dr. med. D. vom 28. Juni und 24. August 2007 vorgelegt worden. Seit dem 25. September 2007 werden die Kläger geduldet.
Mit Bescheid vom 20. März 2008, zugestellt am 31. März 2008, lehnte die Beklagte den Antrag der Kläger auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen ab. Zur Begründung ist im Wesentlichen angeführt worden: Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Nds. Bleiberechtsregelung scheide schon deshalb aus, weil der Lebensunterhalt der Kläger nicht ohne Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen gesichert sei. Die Voraussetzungen der Altfallregelung des § 104a AufenthG seien zwar grundsätzlich erfüllt. Es handele sich aber lediglich um einen sog. Soll-Anspruch. Ein Ausnahmefall sei gegeben, wenn der Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert sei und keine begründeten Anhaltspunkte dafür bestünden, dass dies in Zukunft der Fall sein werde. Es stehe dann bereits fest, dass die Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert werden könne. So liege der Fall hier. Die Kläger seien auch in der Vergangenheit keiner Beschäftigung nachgegangen, obwohl sie unbeschränkte Arbeitserlaubnisse gehabt hätten. Es bestehe auch aktuell keine Aussicht auf Beschäftigung. Die Klägerin zu 1) könne nach eigenen Angaben wegen ihrer Erkrankung nicht ohne den Kläger zu 2) bleiben. Außerdem hätten sie lediglich einfache Deutschkenntnisse und keine Rentenanwartschaften erworben. Es sei auch nicht ersichtlich, dass sich Verwandte zur Unterhaltszahlung verpflichten würden.
Am 30. April 2008 haben die Kläger Klage erhoben.
Auf ihren gleichzeitig gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat die Kammer mit Beschluss vom 19. Mai 2008 - 11 B 1235/08 - die Beklagte im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Kläger bis zur Entscheidung über die Klage zu dulden.
Die Kläger tragen im Wesentlichen vor: Nach § 104a AufenthG werde eine Aufenthaltserlaubnis schon nach dem Wortlaut der Bestimmung unabhängig von der Sicherung des Lebensunterhalts erteilt. Ein "Soll"-Anspruch bedeute, dass die Aufenthaltserlaubnis im Regelfall zu erteilen und eine Abweichung nur ausnahmsweise möglich sei. Die Beklagte berücksichtige auch nicht ausreichend, aus welchem Grunde sie auf öffentliche Leistungen angewiesen seien. Die Klägerin zu 1) leide an Angstzuständen, schweren Depressionen, heftigen Kopfschmerzen und Schwindelanfällen. Sie sei daher auf die ständige Anwesenheit des Klägers zu 2) angewiesen. Allein aus diesem Grunde sei er an einer Arbeitsaufnahme gehindert. Insoweit wurde zur Glaubhaftmachung eine Bescheinigung von Dr. D. vom 31. März 2005 vorgelegt. Die mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hätten sie mithin nicht verschuldet. Die Klägerin zu 1) sei so schwer erkrankt sei, dass Zweifel an ihrer Reisefähigkeit bestünden.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 20. März 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihnen Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert im Wesentlichen: Aus der Gesetzesbegründung werde deutlich, dass ein Sonderfall vorliege, in dem von der Soll-Regelung des § 104a AufenthG abgewichen werden könne, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass eine Inanspruchnahme öffentlicher Mittel auch in Zukunft erfolge, so dass die Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert werden könne. Die Kläger hätten auch in der Zeit, in der sie Aufenthaltstitel besessen hätten, keine Bemühungen um eine wirtschaftliche Integration unternommen. Auf ein Verschulden komme es nicht an. Das gesetzgeberische Ziel sei die Vermeidung einer dauerhaften Zuwanderung in die Sozialsysteme. Der Kläger zu 2) habe lediglich in der Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2003 auf ihrem Bauhof gearbeitet, nachdem ihm die Kürzung von Sozialleistungen angedroht worden sei. Sonst sei er trotz einer seit langem bestehenden uneingeschränkten Arbeitserlaubnis nicht erwerbstätig gewesen. Es sei auch nicht erkennbar, dass sich der Zustand der Klägerin zu 1) durch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis verbessern würde. Es bestehe zudem kein überzeugender Ursachenzusammenhang zwischen der Krankheit der Klägerin zu 1) und der Erwerbslosigkeit des Klägers zu 2). Bei der Beschäftigung auf ihrem Bauhof sei eine Abwesenheit des Klägers zu 2) offenbar möglich gewesen. Zudem sei auf die nur einfachen Deutschkenntnisse, die lang andauernde Arbeitslosigkeit und fehlende Qualifikation hinzuweisen, die es unmöglich machten, ein Einkommen in Höhe des Sozialhilfebedarfs zu erzielen. Es sei auch ausgeschlossen, dass sie noch ausreichende Rentenanwartschaften zur Sicherung des Lebensunterhalts erwerben könnten. Die Klägerin zu 1) sei reisefähig, wie sich aus einer Bescheinigung ihres Gesundheitsamtes vom 19. Mai 2008 ergebe.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Gegenstand des Verfahrens ist bei verständiger Würdigung (§ 88 VwGO) die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach den Vorschriften des 5. Abschnitts des Zweiten Kapitels des AufenthG. Die Kläger haben sich zwar in erster Linie auf die Nds. Bleiberechtsregelung i.V.m. § 23 Abs. 1 AufenthG bzw. die Altfallregelung (§ 104a AufenthG) berufen. Auch ein Titel nach letzterer Regelung gilt aber als solcher nach dem genannten Abschnitt (§ 104a Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz AufenthG). Darüber hinaus machen die Kläger die Reiseunfähigkeit der Klägerin zu 1) und damit die Unmöglichkeit der freiwilligen Ausreise (§ 25 Abs. 5 AufenthG) geltend. In solchen Fällen sind alle Vorschriften zu prüfen, die ein humanitäres Aufenthaltsrecht gewähren können (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 - 1 C 43.06 - InfAuslR 2008, 71 [BVerwG 04.09.2007 - BVerwG 1 C 43.06]<72>; OVG Lüneburg, Beschluss vom 29. Juli 2008 - 8 PA 46/08 - juris <Rn. 5> m.w.N.).
Die so verstandene Klage ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen.
1.
Ein solcher ergibt sich nicht aus § 23 Abs. 1 AufenthG i.V.m. der Nds. Bleiberechtsregelung (Runderlass des Nds. Innenministeriums vom 6. Dezember 2006, Nds. MBl. 2007, 43). Nach deren Nr. 2.1 ist Voraussetzung, dass am maßgeblichen Stichtag, dem 30. September 2007 (vgl. Nr. 6.1), der Lebensunterhalt durch ein eigenes sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gesichert war. Bei Erwerbsunfähigen musste der Lebensunterhalt durch Verpflichtungserklärungen gem. § 68 AufenthG gesichert sein (Nr. 2.3).
2.
Es besteht auch kein Anspruch nach der Altfallregelung des § 104a AufenthG. Dabei geht das Gericht mit den Beteiligten davon aus, dass die Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 der Bestimmung vorliegen.
Die Kläger haben am insoweit maßgeblichen Stichtag, dem 1. Juli 2007, zwar keine förmliche Duldung besessen. Ausreichend ist aber, dass gem. § 60a Abs. 2 AufenthG ein Anspruch auf eine Duldung bestanden hat (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 30. September 2008 - 11 S 2088/08 - juris <Rn. 6>; Funke/Kaiser in: GK-AufenthG, Stand. April 2008, Rn. 8 zu § 104a). Zu dem genannten Zeitpunkt stand ein Abschiebungstermin nicht fest (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 1997 - 1 C 3.97 - BVerwGE 105, 232 [BVerwG 25.09.1997 - 1 C 3/97]<238> ) . Die Kläger haben sich seit dem 10. Mai 2007 auf die Nds. Bleiberechtsregelung und die Reiseunfähigkeit der Klägerin zu 1) berufen. Dies hat die Beklagte zunächst überprüft. Ab dem 25. September 2007 haben sie dann auch wieder förmliche Duldungen erhalten.
Auch haben sich die Kläger vom 1. Juli 1999 bis 1. Juli 2007 ununterbrochen mit einer Duldung, Aufenthaltsgestattung oder Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten. Zu den aufgeführten Aufenthaltserlaubnissen zählen auch Aufenthaltsbefugnisse nach dem AuslG, welche ebenfalls aus humanitären Gründen erteilt worden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 a.a.O., S. 77 f.). Die Kläger haben allerdings seit dem 11. September 2006 (Zustellung des Bescheides vom 8. September 2006, welcher zum Wegfall der sog. Weitergeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG geführt hat) zunächst sog. Grenzübertrittsbescheinigungen erhalten; eine förmliche Duldung ist erst am 25. September 2007 wieder erteilt worden. Nach der Rechtsprechung der Kammer (vgl. Urteil vom 22. August 2008 - 11 A 750/08 -; auch: Funke/Kaiser a.a.O, Rn. 13) können in entsprechender Anwendung des § 85 AufenthG aber Zeiten, die die Dauer eines Jahres nicht überschreiten, unberücksichtigt bleiben. Dies erscheint hier gerechtfertigt. In der hier maßgeblichen Zeit bis zum 1. Juli 2007 war der Aufenthalt gut 10 1/2 Monate nicht förmlich geduldet. Die Kläger haben sich nicht der Kontrolle der Beklagten entzogen. Ihnen ist zunächst im Bescheid der Beklagten vom 8. September 2006 eine lange Ausreisefrist bis zum 31. März 2007 eingeräumt worden, die dann - entsprechend einer getroffenen Übereinkunft über die freiwillige Ausreise - zunächst bis Ende Mai 2007 verlängert worden ist. Die in diesem Zusammenhang erteilten sog. Grenzübertrittsbescheinigungen sind weiter verlängert worden, als die Beklagte den am 10. Mai 2007 gestellten Antrag der Kläger auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen überprüft hat. Nach den oben aufgeführten Grundsätzen hatten die Kläger seither einen Anspruch auf Erteilung von Duldungen.
Liegen die Voraussetzungen des § 104a AufenthG vor, "soll" die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Dies bedeutet, dass diese in der Regel zu erteilen ist und nur bei atypischen Umständen hiervon abgesehen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2005 - 1 C 18.04 - BVerwGE 124, 326 [BVerwG 22.11.2005 - BVerwG 1 C 18/04]<331> ) .
Nach dem nicht zweifelhaften Wortlaut wird die Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG "abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1" AufenthG erteilt. Dies bedeutet, dass eine Sicherung des Lebensunterhalts nicht erforderlich ist. Nur in den Fällen, in denen ausreichende Einkünfte bestehen, wird die Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG erteilt (§ 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Anderenfalls wird sie bis zum 31. Dezember 2009 "auf Probe" ausgestellt (§ 104a Abs. 5 Satz 1 AufenthG). Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung kann dann allerdings nur erfolgen, wenn der Lebensunterhalt zu diesem Zeitpunkt überwiegend eigenständig durch Erwerbstätigkeit gesichert war oder ab dem 1. April 2009 nicht nur vorübergehend eigenständig gesichert ist (§ 104 Abs. 5 Satz 2 AufenthG). Nach § 104a Abs. 5 Satz 3 AufenthG müssen dabei Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Lebensunterhalt überwiegend gesichert sein wird. Für Härtefälle bestehen in § 104a Abs. 6 AufenthG Sonderregelungen.
Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/5065, S. 203) ist vor diesem Hintergrund ein atypischer Fall anzunehmen, wenn bereits abzusehen ist, dass eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht erfolgen kann, also davon auszugehen ist, dass die "Probe" nicht bestanden wird. Im Einzelnen ist Folgendes ausgeführt worden:
"Bei Ausländern, bei denen bereits zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 die Sicherung des Lebensunterhalts ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nicht gewährleistet ist, kommt der das Ermessen bindenden Formulierung in Absatz 1 "soll erteilt werden" eine besondere Bedeutung zu. Ist bereits zu diesem Zeitpunkt der Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert und liegen auch keine begründeten Anhaltspunkte dafür vor, dass zukünftig die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel entfällt, ist damit ein hinreichender Grund gegeben, von dem im Regelfall ermessensbindenden "soll" abzuweichen, denn es ist mit den Zielen des § 104a nicht vereinbar, Ausländern eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn bereits bei Erteilung feststeht, dass eine Verlängerung nicht erfolgen kann."
Dies korrespondiert mit der gesetzgeberischen Absicht, dass auch die Altfallregelung eine dauerhafte Zuwanderung in die Sozialsysteme nicht ermöglichen soll (a.a.O., S. 202). Hieraus ergibt sich allerdings auch, dass bloße Zweifel nicht genügen, denn das System der Legalisierung nach § 104a AufenthG ist gerade auf Probe angelegt. Eine negative Prognose ist deshalb nur in extremen Ausnahmefällen gerechtfertigt, in denen sicher "feststeht") davon auszugehen ist, dass der Lebensunterhalt zum 31. Dezember 2009 nicht im erforderlichen Umfang gesichert sein und auch keiner der in § 104a Abs. 6 AufenthG aufgeführten Härtefälle vorliegen wird (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 16. April 2008 - 11 S 100/08 - juris <Rn. 7>; Beschluss vom 29. Juli 2008 - 11 S 158/08 - juris, <Rn. 14>; Funke/Kaiser, a.a.O. Rn. 64). Auf ein Verschulden des Ausländers kommt es hierbei nach Auffassung der Kammer allerdings grundsätzlich nicht an. Der Gesetzgeber hat in § 104a Abs. 5 und 6 die Lebensunterhaltssicherung und die Härtefälle, in denen hiervon abzusehen ist, abschließend geregelt (vgl. Funke/Kaiser a.a.O., Rn. 88; Albrecht in: Storr u.a., AufenthG, 2. Aufl. 2008, Rn. 38 zu § 104a). § 104a Abs. 6 Satz 2 AufenthG enthält nämlich keine Beispielsfälle, die durch einen Zusatz "insbesondere" gekennzeichnet worden wären, sondern eine abschließende katalogartige Aufzählung.
Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung kann mit einer (überwiegenden) Lebensunterhaltssicherung der Kläger aus eigener Erwerbstätigkeit Ende 2009 nicht gerechnet werden; auch ein Härtefall im Sinne des § 104a Abs. 6 AufenthG ist nicht ersichtlich.
Die Kläger sind über 50 Jahre alt und leben seit 1994 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie haben die gesamte Zeit ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland Sozialleistungen in Anspruch genommen und sind nicht erwerbstätig gewesen. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten hat der Kläger zu 2) auf ihrem Bauhof lediglich für den Zeitraum eines Jahres gemeinnützige Arbeit verrichtet, nachdem ihm die Kürzung von Sozialleistungen angedroht worden war. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass die Kläger bereits seit 1995 wegen ihrer Flüchtlingsanerkennung über Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen verfügt und auch Arbeitserlaubnisse besessen haben. Die Kläger haben zudem - wie auch die mündliche Verhandlung ergeben hat - nur einfache Kenntnisse der deutschen Sprache. Auch angesichts der sonst fehlenden Einbindung in den Arbeitsmarkt scheint es derzeit praktisch unmöglich, einen Arbeitsplatz zu erhalten. Die Kläger berufen sich zudem darauf, dass die Klägerin zu 1) ausweislich mehrerer ärztlicher Atteste psychisch erkrankt sei und deshalb nicht arbeiten könne. Nach einer Bescheinigung von Dr. med. H. vom 9. Oktober 2001 (Bl. 109 der Beiakte B) ist die Klägerin zu 1) auch aus orthopädischen Gründen dauerhaft arbeitsunfähig. Sie tragen zudem - auch noch in der mündlichen Verhandlung - vor, dass die Klägerin zu 1) wegen ihres psychischen Leidens auf die Anwesenheit des Klägers zu 2) angewiesen sei (vgl. auch Bescheinigung von Dr. med. D. vom 31. März 2005) und auch er deshalb nicht arbeiten könne.
Die im Beschluss der Kammer zum einstweiligen Rechtsschutzantrag der Kläger geäußerte Erwartung, dass die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels zu einer Besserung der psychischen Situation der Klägerin zu 1) beitragen könne und der Kläger zu 2) unter Berücksichtigung der nunmehrigen Abhängigkeit des Aufenthaltstitels von der eigenständigen Lebensunterhaltssicherung eine Erwerbstätigkeit anstreben werde, hat sich bisher nicht bestätigt. Die mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung verbundene Aufforderung, entsprechende Bemühungen um einen Arbeitsplatz bis zum 1. November 2008 nachzuweisen, haben die Kläger innerhalb der ihnen gesetzten Frist nicht beantwortet. Erst in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 2) erstmals eine Bescheinigung über seine Vorstellung bei einer Zeitarbeitsfirma am 24. November 2008 vorgelegt. Dies bewertet das Gericht nach den zeitlichen Abläufen nicht als ernsthaften Versuch einen Arbeitsplatz zu erhalten. Wie in der mündlichen Verhandlung deutlich wurde, stellt der Kläger zu 2) auch weiter die Schwierigkeiten einer Arbeitsaufnahme wegen der Erkrankung der Klägerin zu 1) in den Vordergrund. Nachhaltige Überlegungen der Kläger, wie diese Problematik bewältigt werden kann (etwa durch Fremdbetreuung), sind nicht erkennbar.
Ein Härtefall im Sinne des § 104a Abs. 6 AufenthG wird nicht vorliegen. Nach Satz 2 Nr. 4 der Bestimmung ist auch bei erwerbsunfähigen Personen erforderlich, dass der Lebensunterhalt einschließlich einer erforderlichen Betreuung und Pflege in sonstiger Weise ohne Leistungen der öffentlichen Hand dauerhaft gesichert ist. Ein Verschulden der Betroffenen ist hierbei mithin ebenfalls unerheblich.
Liegt somit ein atypischer Fall vor, kann die Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich dennoch nach Ermessen erteilt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2005 a.a.O.; VGH Mannheim, Beschluss vom 29. Juli 2008 a.a.O., Rn. 7 und 15). Eine solche Entscheidung hat die Beklagte bisher zwar nicht ausdrücklich getroffen. Nach Maßgabe des Zweckes der Ermächtigung (§ 114 Satz 1 VwGO) ist das behördliche Ermessen jedoch hier in den atypischen Fällen dahingehend intendiert, den Antrag nach der Altfallregelung abzulehnen, so dass es im Regelfall - so auch hier - keiner besonderen behördlichen Erwägungen mehr bedarf (vgl. allgemein: BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1997 - 3 C 22.96 - BVerwGE 105, 55 [BVerwG 16.06.1997 - 3 C 22/96]<57 f.>). Hierfür spricht bereits die schon angeführte Gesetzesbegründung, nach der in den Fällen, in denen absehbar keine Lebensunterhaltssicherung möglich sein wird, von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgesehen werden soll. Auch sind im Normalfall keine Erwägungen erkennbar, die zu Gunsten des Ausländers sprechen und mit der Zielsetzung des § 104a AufenthG zu vereinbaren sind bzw. nicht schon bei der Beurteilung, ob ein atypischer Fall vorliegt, zu berücksichtigen wären. Ob ein Integrationsgespräch oder der Abschluss einer Integrationsvereinbarung (§ 104a Abs. 4 AufenthG) förderlich sind (vgl. dazu VGH Mannheim, a.a.O.), ist bereits im Rahmen der zu treffenden Prognose über die künftige Lebensunterhaltssicherung zu untersuchen. Wenn - anders als hier - eine realistische Chance besteht, dass die genannten Maßnahmen zur Sicherung des Lebensunterhalts führen, ist nach den obigen (strengen) Grundsätzen mithin bereits die Annahme eines atypischen Falles ausgeschlossen. Auch ein fehlendes Verschulden der Betroffenen ist insoweit nicht zu berücksichtigen. Dies würde der bereits dargestellten gesetzgeberischen Intention, über die Altfallregelung abweichend von den in § 104a Abs. 6 AufenthG abschließend aufgeführten Härtefällen keine Zuwanderung in die Sozialsysteme zu ermöglichen, zuwiderlaufen. Auch der lange rechtmäßige Aufenthalt der Kläger als Flüchtlinge kann insoweit keine Berücksichtigung finden. Die Altfallregelung dient nicht der Verlängerung von Aufenthaltsrechten aus anderen Gründen und soll keine zweite Chance zur Integration eröffnen. Der Grad der Verwurzelung ist nämlich bereits im Rahmen von Verlängerungsentscheidungen (hier: § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG) zu berücksichtigen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 20. November 2007 - 8 ME 108/07 - <juris>; OVG Münster, Beschluss vom 30. Juli 2008 - 18 B 602/08 - <juris>).
3.
Es besteht auch kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG.
Nach dieser Vorschrift kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, auch abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist.
Dies ergibt sich hier insbesondere nicht aus einer Reiseunfähigkeit der Klägerin zu 1). Maßgeblich ist für dieses sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergebende inlandsbezogene Ausreisehindernis, ob die beachtliche Wahrscheinlich besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers schon unmittelbar durch die (freiwillige) Ausreise und die Abschiebung selbst oder die damit verbundenen Handlungen bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Ausländer in den Verantwortungsbereich der Behörden seines Heimatlandes gelangt, wesentlich verschlechtert, d.h. die Maßnahme deutlich über die körperlichen oder psychischen Folgen hinausgeht, die eine (zwangsweise) Rückführung für jeden Ausländer zeitigt und diese auch nicht durch Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 20. August 2008 - 11 ME 1/08 - <juris>; Beschluss vom 25. Januar 2006 - 10 LA 124/04 - <Seite 4>; OVG Münster, Beschluss vom 1. September 2004 - 18 B 2560/03 - <juris>; Beschluss vom 18. August 2004 - 19 B 1687/04 - <juris>; VGH Mannheim, Beschluss vom 15. Oktober 2004 - 11 S 2297/04 - <juris>; Beschluss vom 10. Juli 2003 - 11 S 1622/02 - InfAuslR 2003, 423 <424>) . Nicht in die Betrachtung mit einzubeziehen ist die voraussichtliche Entwicklung nach der Einreise in das Heimatland. Denn die Frage, ob dort eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Ausländers zu befürchten ist, ist als sog. zielstaatsbezogener Aspekt im Rahmen der § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu prüfen. Hierfür zuständig ist nach Stellung eines Asylantrages allein das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, welches insoweit mit bindender Wirkung auch für die Beteiligten (negativ) entschieden hat (§§ 24 Abs. 2, 42 Satz 1 AsylVfG; BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 - 1 C 14.05 - InfAuslR 2007, 4 [BVerwG 27.06.2006 - BVerwG 1 C 14.05]<5>; OVG Lüneburg, Urteil vom 17. April 2007 - 10 LC 262/05 - juris <Rn. 37>).
Nach der amtsärztlichen Bescheinigung vom 15. Mai 2008 ist die Klägerin zu 1) reisefähig, obwohl sie sich wegen einer depressiven Störung mit begleitender körperlicher Symptomatik in fachärztlicher Therapie befindet und mit dem Antidepressivum Citalapram behandelt wird. In der amtsärztlichen Bescheinigung wird dann darüber hinaus zwar ausgeführt, dass die Fortführung der fachärztlichen und pharmakologischen Behandlung im Heimatland sicherzustellen sei. Dies ist jedoch offensichtlich auf die Situation nach der Rückkehr und damit einen hier nicht zu prüfenden zielstaatsbezogenen Aspekt bezogen. In einer Stellungnahme vom 3. Mai 2007 (Bl. 142 der Beiakte A) gegenüber der Lufthansa führt ein Amtsarzt der Beklagten aus, dass bei einer ärztlichen Begleitung der Klägerin zu 1) während der Reise keine wesentlichen Probleme zu erwarten seien. Nichts anders ergibt sich aus der weiteren amtsärztlichen Bescheinigung vom 13. Juni 2006. Auch danach wird die Klägerin zu 1) bei gleicher Diagnose als reisefähig angesehen. Dabei wird zwar ausgeführt, dass unter den Bedingungen der Abschiebung und den im Kosovo herrschenden Verhältnissen eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu erwarten sei, dem dort unmittelbar nach Ankunft durch fachärztliche Hilfe und pharmakologische Behandlung entgegengewirkt werden müsse. Auch insoweit wird eine medizinische Versorgung mithin erst nach der Rückkehr ins Heimatland für notwendig gehalten.
Aus den ärztlichen Bescheinigungen, die die Kläger vorgelegt haben, ergibt sich im Ergebnis nichts anderes. In dem Bericht von Dr. med. D. vom 28. Juni 2007 ist sogar ausgeführt, dass eine Reiseunfähigkeit nicht attestiert werden könne. Erst durch die veränderte Situation im Heimatland und eine möglicherweise nicht finanzierbare medikamentöse Behandlung könnten Probleme auftauchen. In der Bescheinigung des erwähnten Arztes vom 24. August 2007 werden lediglich erhebliche Zweifel an der Reisefähigkeit geäußert, weil die Ungewissheit über die aufenthaltsrechtliche Situation zu einer Verschlechterung der Symptomatik geführt habe; es wird aber keine abschließende Beurteilung getroffen. Soweit darin angeführt wird, die psychische Situation im Kosovo werde mit Sicherheit dekompensieren, handelt es sich um einen zielstaatsbezogenen hier nicht zu prüfenden Aspekt. Diese ärztlichen Bescheinigungen sind bei der amtsärztlichen Beurteilung vom 15. Mai 2008 auch berücksichtigt worden (vgl. Bl. 176 der Beiakte A).
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 1, 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, da die Voraussetzungen, unter den von der "Soll"-Regelung des § 104a AufenthG abgewichen werden kann, und die Anforderungen, die an eine daran anschließende behördliche Ermessensentscheidung zu stellen sind, ober- und höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt wurden.