Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 04.10.2024, Az.: 5 U 228/24

Verfügungsgrund bei einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die angekündigte dauerhafte Deaktivierung eines Facebook-Nutzerkontos

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
04.10.2024
Aktenzeichen
5 U 228/24
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 24627
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2024:1004.5U228.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Bückeburg - 17.05.2023 - AZ: 31 C 56/ 23
LG Bückeburg - 21.06.2024 - AZ: 1 O 38/24

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zu den Voraussetzungen des Vorliegens eines Verfügungsgrundes bei einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die angekündigte dauerhafte Deaktivierung eines Facebook-Nutzerkontos.

  2. 2.

    Die Vorschrift des § 531 Abs. 2 ZPO findet grundsätzlich auch im einstweiligen Verfügungsverfahren Anwendung. Geprüft werden muss in diesem Rahmen dann allerdings immer, ob der fehlende Vortrag nicht auf die Besonderheiten des Eilverfahrens zurückzuführen ist.

  3. 3.

    Zum Streitwert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, mit dem der Antragsteller sich gegen die angekündigte dauerhafte Deaktivierung eines Facebook-Nutzerkontos wendet.

Tenor:

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Bückeburg vom 21. Juni 2024 wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das vorgenannte Urteil abgeändert und die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Bückeburg vom 17. Mai 2023, Az. 31 C 56/ 23, auch insoweit bestätigt, als sie das Landgericht in dem angefochtenen Urteil unter Ziffer 2 seines Tenors aufgehoben und insoweit den Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen hat.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsbeklagte.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren sowie - insoweit unter Abänderung der Wertfestsetzung unter Ziffer 4 des angefochtenen Urteils - für das erstinstanzliche Verfahren wird auf 3.333,33 € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer Sperrung des Facebook-Benutzerkontos des Verfügungsklägers und dessen angekündigte dauerhafte Deaktivierung durch die Verfügungsbeklagte. Der Verfügungskläger behauptet in diesem Rahmen, er habe am 26. April 2023 die Mitteilung erhalten, dass sein bei der Verfügungsbeklagten unterhaltenes Facebook-Nutzerkonto gelöscht werde.

Der Verfügungskläger hat mit Schriftsatz vom 10. Mai 2023 vor dem Amtsgericht Bückeburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt und in diesem Rahmen den Wert für das Verfügungsverfahren mit 5.000 € angegeben. Mit Beschluss vom 17. Mai 2023 hat das Amtsgericht Bückeburg eine einstweilige Verfügung folgenden Inhalts erlassen:

"Durch einstweilige Verfügung, und zwar wegen der Dringlichkeit des Falles ohne mündliche Verhandlung und ohne vorherige Anhörung der antragsgegnerischen Partei wird Folgendes angeordnet:

Der Antragsgegnerin wird verboten, das von dem Antragsteller auf der Plattform "Facebook" unter https://www.Facebook.com/A.S. betriebene Profil dauerhaft zu deaktivieren und die darauf zum Zeitpunkt dieser Maßnahme befindlichen Inhalte offline zu stellen.

[...]".

Gegen die einstweilige Verfügung hat die Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz vom 5. September 2023 Widerspruch erhoben und die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Bückeburg gerügt mit der Argumentation, der Streitwert betrage 10.000 €.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Bückeburg am 23. Februar 2024 hat das Amtsgericht den Streitwert auf vorläufig 7.000 € festgesetzt und das Verfügungsverfahren an das Landgericht Bückeburg verwiesen. Dieses hat mit Urteil vom 21. Juni 2024 die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Bückeburg vom 17. Mai 2023 insoweit bestätigt, "als dem Verfügungsbeklagten ... verboten worden ist, das von dem Verfügungskläger auf Facebook betriebene Profil dauerhaft zu deaktivieren oder zu löschen". Im Übrigen hat es die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts aufgehoben und den Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Verfügungskläger mit Erfolg verlangen könne, der Verfügungsbeklagten die dauerhafte Deaktivierung seines Nutzerkontos zu untersagen. Insoweit bestehe sowohl ein Verfügungsgrund als auch ein Verfügungsanspruch. Soweit der Verfügungskläger hingegen beantrage, der Verfügungsbeklagten zu untersagen, sein Profil offline zu stellen, bestehe kein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Insoweit fehle es nämlich an einem Verfügungsgrund, wobei sich das Landgericht auf das Senatsurteil vom 19. Mai 2022 (5 U 152/21, juris) berufen hat.

Dagegen richten sich die Berufungen beider Parteien.

Von einer Darstellung des Sach- und Streitstands im Übrigen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

B.

Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten hat keinen Erfolg. Die Berufung des Verfügungsklägers ist hingegen zulässig und begründet.

I.

Entgegen der Argumentation der Verfügungsbeklagten auf Seiten 35 f. ihres Schriftsatzes vom 23. August 2024 genügt die Berufungsbegründung des Klägers den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 und 3 ZPO und ist daher - mangels weiterer Zulässigkeitsbedenken - zulässig. Diesbezügliche Bedenken (vgl. zu der diesbezüglichen Problematik statt vieler z.B. BGH, Beschluss vom 7. Mai 2020 - IX ZB 62/18, juris Rn. 11) sind nicht ansatzweise erkennbar: Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Bückeburg teilweise aufgehoben und den diesbezüglichen Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen mit der Begründung, dass der Verfügungskläger insoweit einen Verfügungsgrund weder hinreichend dargetan noch glaubhaft gemacht habe. Genau gegen diese Argumentation wendet sich - ausführlich - der Verfügungskläger in seiner Berufungsbegründung. Dass - wie die Verfügungsbeklagte moniert - der Verfügungskläger insoweit mindestens teilweise auf Argumente zurückgreift, die er bereits erstinstanzlich gehalten hat, ist zwangsläufig, wenn - wie hier der Verfügungskläger der Auffassung ist - das erstinstanzliche Gericht diese (erstinstanzliche) Argumentation nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt hat, und macht eine Berufung - selbstverständlich - nicht unzulässig.

II.

Die (auch im Berufungsrechtszug von Amts wegen zu prüfende) internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt aus Art. 17 Abs. 1c, Abs. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (vgl. z.B. OLG Dresden, Urteil vom 12. Dezember 2023 - 4 U 1049/ 23, juris Rn. 23; OLG Karlsruhe, Urteil vom 4. Februar 2022 - 10 U 17/20, juris Rn. 96).

III.

Für den im einstweiligen Verfügungsverfahren verfolgten Anspruch besteht ein Verfügungsgrund.

1. Der Senat vermutet, dass die Differenzierung des Landgerichts in seinem angefochtenen Urteil zwischen dem "Offline-Stellen" einerseits und der "Deaktivierung" andererseits seinen Grund darin hatte, dass Ersteres den Zeitraum der "vorläufigen Sperrung" betrifft und Letzteres den der endgültigen Sperrung. Auch nach dieser Maßgabe vermag der Senat aber nicht zu erkennen, dass hier im Ergebnis eine unterschiedliche Entscheidung zu erfolgen hat.

a) Bzgl. der "Deaktivierung", also den Aspekt der endgültigen Sperrung, hat das Landgericht unter Ziffer 1 b) der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils auszugsweise Folgendes ausgeführt:

"Vorliegend folgt eine solche Dringlichkeit bereits aus dem Umstand, dass die Verfügungsbeklagte angekündigt hat, das Nutzerkonto des Verfügungsklägers binnen 180 Tagen dauerhaft zu deaktivieren, was einer Vertragsbeendigung gleichkommt. Dem Verfügungskläger drohte mithin der unwiederbringliche Verlust seines Profils und seiner darauf in den vergangenen 16 Jahren getätigten Äußerungen, wollte man ihn auf das ordentliche Verfahren verweisen. Denn unter Berücksichtigung eines gewöhnlichen Verfahrensganges (zumal angesichts der erforderlichen Zustellung einer Klage im Ausland und den damit einhergehenden verlängerten Fristen) erscheint es ausgeschlossen, dass der Verfügungskläger binnen einer Frist von 180 Tagen ab Deaktivierung ein Urteil in der Hauptsache erstreiten könnte. Eine Verweisung auf das ordentliche Verfahren käme insoweit einer Rechtsverweigerung gleich (so auch OLG München NJW 2018, 3115 [OLG München 24.08.2018 - 18 W 1294/18] Rn. 49 f.; OLG Schleswig NJOZ 2023, 1584 Rn. 7; Zöller/Vollkommer, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 940 ZPO, Rn. 6)."

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat nach Überprüfung an.

b) Entsprechendes gilt auch für den "Offline-Stellen-Teil", also die bloß vorläufige Sperrung. Auch insoweit wird der Verfügungskläger durch das streitgegenständliche Verhalten der Verfügungsbeklagten in seiner Rechtsstellung beeinträchtigt, weil er seinen vertraglich eingeräumten Account nicht nutzen kann. Die unverzügliche Wiedereinräumung dieses vertraglich versprochenen Nutzungsrechts kann natürlich noch weniger zeitnah in einem Hauptsacheverfahren durchgesetzt werden, als die nach dem Ablauf von 180 Tagen angekündigte endgültige Deaktivierung des Accounts.

2. Soweit das Landgericht sich - in Bezug auf den "Offline-Stellen-Teil" des Verfügungsantrages - für seine Auffassung, dass ein Verfügungsgrund nicht bestehe, auf das Senatsurteil vom 19. Mai 2022 (5 U 152/21, juris) berufen hat, geht das fehl. Jenem Verfahren lag zugrunde, dass die dortige Verfügungsbeklagte einen bestimmten Post des dortigen Verfügungsklägers gelöscht und Teilfunktionen des Nutzerkontos des Verfügungsklägers für die Zeitdauer von 3 Tagen in den sogenannten read-only-Modus versetzt hatte. Vor Zustellung der Antragsschrift im dortigen einstweiligen Verfügungsverfahren war die vorübergehende Kontosperrung von 3 Tagen bereits abgelaufen und der dort streitgegenständliche Post nach einer internen Überprüfung anhand der "Gemeinschaftsstandards" von Seiten der dortigen Verfügungsbeklagten wieder eingestellt worden. Bezogen auf jenen Einzelfall hatte der Senat seine Ausführungen in dem genannten Urteil getroffen. Mit jenem Lebenssachverhalt ist der vorliegende nicht vergleichbar.

3. Soweit die Verfügungsbeklagte auf Seite 6 ihrer Berufungsbegründung vom 23. August 2024 argumentiert, dass die vom Landgericht (für einen Teil des streitgegenständlichen Anspruchs) vertretene Auffassung, eine Dringlichkeit ergebe sich aus dem drohenden unwiederbringlichen Verlust der Daten des Verfügungsklägers, deshalb unzutreffend sei, weil mit einer Deaktivierung eines Nutzerkontos nicht automatisch und in jedem Fall ein unwiederbringlicher Verlust sämtlicher Daten des Verfügungsklägers einhergehe, greift das nicht durch.

a) Dahinstehen kann, ob dieses Vorbringen der Verfügungsbeklagten materiell-rechtlich erheblich wäre, wenn es prozessual zu berücksichtigen wäre.

b) Denn jedenfalls ist Letztgenanntes hier nicht der Fall. Denn das Landgericht hat mit Tatbestandswirkung gem. § 314 Satz 1 ZPO auf Seite 3 seines angefochtenen Urteils das Gegenteil ausgeführt ("Die Deaktivierung eines Nutzerkontos entspricht dabei einer vollständigen und auf Dauer angelegten Aufhebung der Nutzungsmöglichkeit eines Kontos; sie entspricht der Vertragsbeendigung"). Einen Tatbestandsberichtigungsantrag gem. § 320 Abs. 1 ZPO hat die Verfügungsbeklagte nicht gestellt. Die nunmehrige gegenteilige - nicht unstreitige - Behauptung der Verfügungsbeklagten ist demgemäß als zweitinstanzliches Verteidigungsvorbringen nicht zu berücksichtigen, da Zulassungsgründe im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO nicht ersichtlich und von Seiten der Verfügungsbeklagten auch nicht geltend gemacht worden sind.

4. Soweit die Verfügungsbeklagte argumentiert, dass vorliegend eine "den Erlass einer die Hauptsache vorwegnehmenden Leistungsverfügung" gegeben sei, für deren Erlass jedoch strenge Anforderungen bestehen würden (z. B. Seite 20 f. des Schriftsatzes vom 5. September 2023, Bl. 88 f. d.A.), vermag sich der Senat dieser rechtlichen Argumentation nicht anzuschließen.

Das Begehren des Verfügungsklägers ist eindeutig auf ein Unterlassen von bestimmten Handlungen gerichtet. Zwar kann im Einzelfall die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung auch die Vornahme möglicher zumutbarer Handlungen zur Beseitigung umfassen (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 28. Juli 2015 - VI ZR 340/14, juris Rn. 15). Ob das hier überhaupt der Fall ist, kann dahinstehen. Denn auch in einem solchen Fall würde ein Unterlassungsanspruch nicht zu einer "die Hauptsache vorwegnehmenden Leistungsverfügung" werden. Es entspricht vielmehr der ständigen gerichtlichen Praxis, Unterlassungsanordnungen in einstweiligen Verfügungsverfahren zu erlassen (vgl. z.B. für den Bereich des Ehrenschutzrechtes: Senat, Beschluss vom 21. Juni 2024 - 5 W 62/24, juris Rn. 8), was der Gesetzgeber im Übrigen für bestimmte Rechtsgebiete auch schon so gesetzlich vorgegeben hat (vgl. z.B. § 12 Abs. 1 UWG).

5. Soweit die Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2024 argumentiert hat, dass dem Verfügungskläger eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit zur Last zu legen sei, weil er selber im nahen zeitlichen Anschluss an die streitgegenständliche Androhung der Verfügungsbeklagten gepostet habe, zukünftig seinen Account nur noch eher sporadisch nutzen zu wollen, kann dahinstehen, ob der Verfügungskläger dies im Folgenden überhaupt tatsächlich so praktiziert hat. Denn auch ein solches Verhalten hätte keine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit zur Folge gehabt (vgl. dazu im Überblick: MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 935 Rn. 18 f.). Der Verfügungskläger hat vielmehr das Verfahren zügig betrieben.

IV.

Dem Verfügungskläger steht der mit der einstweiligen Verfügung begehrte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 249 BGB zu.

1. Zwischen den Parteien besteht ein Nutzungsvertrag.

2. Dass sie zu der beabsichtigten dauerhaften Deaktivierung des Nutzerkontos des Verfügungsklägers berechtigt ist, hat die Verfügungsbeklagte nicht in prozessual beachtlicher Weise dargelegt.

a) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein wichtiger Grund für die dauerhafte Deaktivierung des Nutzerkontos vorliegt, liegt bei der Verfügungsbeklagten (vgl. z.B. OLG Dresden, Urteil vom 12. Dezember 2023 - 4 U 1049/23, juris Rn. 37).

b) Auf Ziffer 4.2 ihrer Nutzungsbedingungen kann sich die Verfügungsbeklagte insoweit im Ergebnis nicht stützen.

aa) In der Instanz-Rechtsprechung wird die Regelung in Ziffer 4.2 der Nutzungsbedingungen der Verfügungsbeklagten - wohl einhellig - als wirksam erachtet (vgl. z.B. OLG Dresden, Urteil vom 12. Dezember 2023 - 4 U 1049/23, juris Rn. 30 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 4. Februar 2022 - 10 U 17/20, juris Rn. 137 ff.; OLG Brandenburg, Urteil vom 25. Januar 2022 - 3 U 119/20, juris Rn. 43 ff.). Der Senat muss sich dazu nicht verhalten, da es im Ergebnis nicht darauf ankommt.

bb) Nach Ziffer 4.2 deren Nutzungsbedingungen ist die Kündigung grundsätzlich nur nach dem erfolglosen Ablauf einer gewährten Abhilfefrist oder nach einer erfolglosen Abmahnung zulässig.

(1) Dass vorliegend das Eine oder Andere erfolgt ist, hat die Verfügungsbeklagte erstinstanzlich nicht geltend gemacht. Sie hat vielmehr in erster Instanz überhaupt keinen Vortrag dazu gehalten, dass und aus welchen Gründen sie die dauerhafte Deaktivierung des Nutzerkontos des Verfügungsklägers beabsichtigt (vgl. insbesondere Ziffer 6 des Schriftsatzes der Verfügungsbeklagten vom 5. September 2023 (Bl. 75 d.A.).

(2) Soweit die Verfügungsbeklagte nunmehr mit Schriftsatz vom 23. August 2024 (S. 19 f., Bl. 136 f. d. E-Akte) in Bezug auf einzelne angebliche Verstöße des Verfügungsklägers gegen die Gemeinschaftsstandards der Verfügungsbeklagten eine vorherige Abmahnung behauptet, ist das aus prozessualen Gründen nicht zu berücksichtigen:

(a) Diese erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Tatsachenbehauptung der Verfügungsbeklagten ist nicht unstreitig (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 13. Januar 2015 - VI ZR 551/13, juris Rn. 5). Der Verfügungskläger hat diese Behauptung der Verfügungsbeklagten in seinem Schriftsatz vom 16. September 2024 bestritten (S. 10 f., Bl. 394 f. d. E-Akte).

(b) Zulassungsgründe im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO sind nicht ersichtlich.

(aa) Entgegen der Argumentation der Verfügungsbeklagten findet die Vorschrift des § 531 Abs. 2 ZPO auch im einstweiligen Verfügungsverfahren Anwendung. Zwar ist es richtig, dass dies von einem Teil der Literatur verneint wird (Rimmelspacher in MüKoZPO, 6. Aufl., § 531 Rn. 3; Dötsch, MDR 2010, 1429, 1431). Die ganz überwiegende Auffassung in der Rechtsprechung und Literatur beurteilt das aber anders (z. B. OLG Köln, Urteil vom 14. Juli 2017 - 6 U 197/16, juris Rn. 94; OLG Celle, Beschluss vom 27. März 2017 - 13 U 199/16, juris Rn. 109; OLG Karlsruhe, Urteil vom 22. Januar 2014 - 6 U 118/13, juris Rn. 28; OLG Hamburg, Urteil vom 28. November 2002 - 3 U 77/02, juris Rn. 13; Zöller/Heßler, ZPO, 35. Aufl., § 531 Rn. 1; Althammer in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 531 Rn. 1; Göertz in Anders/Gehle, ZPO, 82. Aufl., § 531 Rn. 3).

Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Denn dem Gesetzeswortlaut ist für die Gegenauffassung nichts zu entnehmen. Geprüft werden muss in diesem Rahmen dann allerdings immer, ob der fehlende Vortrag nicht auf die Besonderheiten des Eilverfahrens zurückzuführen ist; dem kann dadurch Rechnung getragen werden, dass an den Vortrag zur fehlenden Nachlässigkeit (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO) keine hohen Anforderungen gestellt werden (vgl. z.B. auch OLG Köln, a.a.O.). Allerdings ist vorliegend auch vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich, dass der fehlende Vortrag nicht auf Nachlässigkeit beruht:

- Es entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Parteien grundsätzlich gehalten sind, sämtliches ihnen zur Verfügung stehendes Angriffs- und Verteidigungsvorbringen bereits in erster Instanz zu halten und sie sich grundsätzlich gerade nicht darauf verlassen können, dass ihr Begehren bereits aufgrund anderen Tatsachen- bzw. Rechtsvorbringens Erfolg hat (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 15. April 2016 - V ZR 42/15, juris Rn. 28). Nach dieser Maßgabe hat die Verfügungsbeklagte auf eigenes (Prozess-)Risiko gehandelt, als sie in dem letzten Absatz auf Seite 7 ihres Schriftsatzes vom 5. September 2023 ausgeführt hat, dass sie im Hinblick auf andere von ihr angestellte rechtliche Erwägungen von einer näheren Darstellung der angeblichen Vertragsverstöße des Verfügungsklägers absehe. Insoweit kann sich die Verfügungsbeklagte auch nicht mit Erfolg darauf stützen, dass sie in dem vorgenannten Schriftsatz "um gerichtlichen Hinweis gebeten hat, sollte das Gericht einen entsprechenden Vortrag für erforderlich halten". Solange das erkennende Gericht Letztgenanntes nicht - wie hier nicht der Fall - ausdrücklich verneint (s. dazu auch den nachfolgenden Spiegelstrich), handelt eine Partei auf eigenes (prozessuales) Risiko, wenn sie dennoch darauf vertraut, dass sie bereits schon aufgrund anderen Angriffs- bzw. Verteidigungsvorbringens Erfolg haben wird.

- Soweit die Verfügungsbeklagte argumentiert, dass sie schon deshalb nicht "nachlässig" i.S.v. § 531 Abs. 2 ZPO gehandelt habe, weil das Landgericht in dem angefochtenen Urteil - zumindest bezogen auf einen Teil des geltend gemachten Anspruchs - zu erkennen gegeben habe, dass es auf die Frage eines Verfügungsanspruchs mangels Vorliegen eines Verfügungsgrundes schon nicht ankomme, ist das rechtsirrig: Denn dieser "Hinweis" erst im landgerichtlichen Urteil war nicht geeignet, das Vortragsverhalten der Verfügungsbeklagten in erster Instanz zu beeinflussen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 19. März 2009 - IX ZR 96/08, juris Rn. 3).

cc) Soweit die Verfügungsbeklagte auf Seiten 30 f. ihrer Berufungsbegründung (Bl. 147 f. d. E-Akte) unter Bezugnahme auf den Wortlaut von Ziffer 4.2 ihrer Nutzungsbedingungen argumentiert, dass eine vorherige Abmahnung vorliegend entbehrlich gewesen sei (vgl. dazu z.B. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 4. Februar 2022 - 10 U 17/20, juris Rn. 142 f.), greift das im Ergebnis nicht durch.

(1) Dahinstehen kann, wie es rechtlich zu würdigen ist, dass die Verfügungsbeklagte auf Seiten 30 f. ihrer Berufungsbegründung selber keine Subsumtion ihrer diesbezüglichen Aussage unter die einzelnen Posts des Verfügungsklägers vorgenommen, sondern stattdessen lediglich auf Entscheidungen anderer Gerichte verwiesen hat, die offenbar in dem ihnen jeweils zur Entscheidung obliegenden Einzelfällen von einer ausnahmsweisen Entbehrlichkeit einer Abmahnung ausgegangen sind.

(2) Denn jedenfalls ist auch dieses erstmalige zweitinstanzliche Verteidigungsvorbringen der Verfügungsbeklagten prozessual nicht zu berücksichtigen. Denn auch der Inhalt der einzelnen von Seiten der Verfügungsbeklagten nunmehr vorgetragenen angeblichen Posts des Verfügungsklägers ist nicht unstreitig. Der Verfügungskläger hat nämlich mit Schriftsatz vom 16. September 2024 in Bezug auf sämtliche der nunmehr von Seiten der Verfügungsbeklagten herangezogenen Posts vorgetragen, dass diese jeweils in einem bestimmten, weiter gefassten Kontext zu verstehen bzw. auszulegen seien, und hat den jeweiligen ergänzenden (tatsächlichen) Kontext vorgetragen. Damit aber liegt kein unstreitiger neuer Tatsachenvortrag vor, auf dessen Grundlage der Senat sodann (ausschließlich) rechtliche Prüfungen anstellen könnte. Auch hier ist der Verfügungsbeklagten wieder vorzuhalten (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO), dass sie es versäumt hat, die angeblichen Vertragsverstöße des Verfügungsklägers bereits in erster Instanz darzustellen.

3. Die Verletzungshandlung der Verfügungsbeklagten indiziert die Wiederholungsgefahr (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 4. Dezember 20218 - VI ZR 128/18, juris Rn. 9 f.). Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hat die Verfügungsbeklagte nicht abgegeben.

C.

I.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

II.

Den Streitwert für das Berufungsverfahren sowie - insoweit in Abänderung der erstinstanzlichen Festsetzung durch das Landgericht - setzt der Senat auf 3.333,33 € fest.

Soweit die Verfügungsbeklagte auf Seiten 17 f. ihres Schriftsatzes vom 5. September 2023 (Bl. 85 f. d.A.) unter Bezugnahme auf (angebliche) frühere Senatsentscheidungen ausgeführt hat, dass "das Oberlandesgericht Celle in Fällen, in denen es um die begehrte Wiederherstellung eines Facebook-Nutzerkontos nach dessen Deaktivierung geht, regelmäßig von einem Streitwert von 10.000 € ausgeht", greift das im Ergebnis nicht durch:

Ein - so von der Beklagten benannter - "Beschluss vom 20. März 2023 - 5 W 60/22" existiert nicht. Richtig ist dagegen, dass der Senat in seinem - nicht veröffentlichten - Beschluss vom 5. Juli 2023 - 5 W 23/23 Folgendes ausgeführt hat:

"Es entspricht nämlich der ständigen - dem Prozessbevollmächtigten des Klägers sowie der Beklagten bekannten - Rechtsprechung des Senats, Anträge auf - wie hier - Wiederherstellung eines Nutzerprofils mit 10.000 € zu bemessen".

Ungeachtet des Umstands, dass hier nicht die Wiederherstellung des Nutzerprofils streitgegenständlich ist, sondern die (vorbeugende) Unterlassung der dauerhaften Deaktivierung, hält der Senat nach Überprüfung an einer derart generellen Streitwertfestsetzung, die die Betrachtung des Einzelfalls nicht zulassen würde, nicht länger fest:

Maßgeblich für die Streitwertfestsetzung in Verfahren wie dem vorliegenden ist gemäß § 3 ZPO immer das Interesse des jeweiligen (Verfügungs-)Klägers an dem Erfolg seines Antrags. Ein solches Interesse lässt sich aber zwangsläufig nicht generell festlegen; vielmehr sind immer die Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu prüfen.

Vorliegend ist nach dieser Maßgabe zu bedenken, dass der Verfügungskläger selber vorgetragen hat, dass er künftig nur noch ergänzend und sporadisch auf Facebook posten, indes sein 16 Jahre altes Nutzerprofil nicht endgültig schließen wolle (vgl. auch LGU Seite 4). Demgemäß hat der Verfügungskläger in seiner Antragsschrift den Gegenstandswert selber mit (lediglich) 5.000 € angegeben. Solche - frühzeitigen - Angaben zum Streitwert sind zwar für die erkennenden Gerichte nicht bindend, ihnen kommt in der Regel jedoch ein erhebliches Gewicht bei der Frage der Streitwertbemessung zu (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2012 - X ZR 110/11, juris Rn. 4). Unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalles geht der Senat mithin davon aus, dass der Verfügungskläger vorliegend ein eher geringes Interesse an seinem Verfügungsantrag hat. Dieses Interesse würde der Senat in einem Hauptsacheverfahren mit 5.000 € bewerten. Da es der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht, für ein - wie hier - einstweiliges Verfügungsverfahren hiervon im Regelfall einen Abschlag von einem Drittel vorzunehmen, ergibt sich für das vorliegende Verfügungsverfahren ein Streitwert von 3.333,33 €.