Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 14.10.2024, Az.: 7 W 4/24

Festsetzung des Geschäftswerts bei unmittelbarer Fortführung des Betriebs durch den Erwerber bei Einbringung des Hofes in eine GbR

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
14.10.2024
Aktenzeichen
7 W 4/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 24436
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2024:1014.7W4.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Sulingen - 29.09.2023 - AZ: 22 Lw 60/23

Amtlicher Leitsatz

Eine unmittelbare Fortführung des Betriebs durch den Erwerber selbst ist auch dann im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GNotKG beabsichtigt, wenn der Hof in eine GbR eingebracht ist, deren Mitgesellschafter der Erwerber ist, und der Erwerber den Betrieb selbst in Arbeitsteilung mit den weiteren Gesellschaftern gemeinschaftlich bewirtschaftet

In der Landwirtschaftssache
betreffend die Übergabe des im Grundbuch von D. eingetragenen Hofes, an der beteiligt sind
pp.
hat das Oberlandesgericht Celle - 7. Zivilsenat (Senat für Landwirtschaftssachen) - durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 14. Oktober 2024 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2 wird die Festsetzung des Geschäftswerts mit Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Rotenburg (Wümme) vom 29. September 2023 geändert.

Der Geschäftswert wird auf 187.540 € festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1 war Alleineigentümer landwirtschaftlicher Grundstücke mit Hofstelle, die er mit notariellem Hofübergabevertrag vom 30. Juni 2023 an den Beteiligten zu 2, seinen Sohn, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertrug. Der Einheitswert des landwirtschaftlichen Grundbesitzes beträgt 46.885 € (91.700 DM). Der Hof ist eingebracht in die H. GbR. Gesellschafter der GbR waren die Beteiligten zu 1 und 2 sowie zwei weitere Landwirte. Für die Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag verwiesen. Mit dem notariellen Vertrag vom 30. Juni 2023 übertrug der Beteiligte zu 1 auch seinen Gesellschaftsanteil an den Beteiligten zu 2.

Nachdem das Landwirtschaftsgericht mit Beschluss vom 29. September 2023 den Hofübergabevertrag genehmigt und dem Beteiligten zu 2 die Kosten auferlegt hatte, hat es mit Beschluss vom 29. September 2023 den Geschäftswert auf den Verkehrswert des landwirtschaftlichen Grundbesitzes in Höhe von 3.612.224,90 € festgesetzt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 2, mit der dieser die Herabsetzung des Geschäftswerts unter Anwendung des landwirtschaftlichen Kostenprivilegs anstrebt. Das Landwirtschaftsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Der Senat entscheidet - gemäß § 81 Abs. 6 Satz 3, § 83 Abs. 1 Satz 5 GNotKG ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter - in der Besetzung gemäß § 2 Abs. 2 LwVG.

III.

Die nach § 83 Abs. 1 Satz 1 GNotKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Der Geschäftswert für das Verfahren zur Genehmigung des Hofübergabevertrages (§§ 16, 17 HöfeO) ist gemäß § 48 Abs. 1, 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 60 Abs. 1 GNotKG auf den vierfachen Einheitswert festzusetzen.

1. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 GNotKG beträgt der Wert des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens im Sinne des Bewertungsgesetzes im Zusammenhang mit der Übergabe oder Zuwendung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs mit Hofstelle an eine oder mehrere natürliche Personen höchstens das Vierfache des letzten Einheitswerts, der zur Zeit der Fälligkeit der Gebühr bereits festgestellt ist, wenn die unmittelbare Fortführung des Betriebs durch den Erwerber selbst beabsichtigt ist und der Betrieb unmittelbar nach Vollzug der Übergabe oder Zuwendung einen nicht nur unwesentlichen Teil der Existenzgrundlage des zukünftigen Inhabers bildet. Nach § 48 Abs. 3 Nr. 1 GNotKG sind die Absätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden, wenn es um die Bewertung eines Hofs im Sinne der Höfeordnung geht.

2. Diese Voraussetzungen liegen vor. Eine unmittelbare Fortführung des Betriebs durch den Erwerber selbst ist auch dann im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GNotKG beabsichtigt, wenn der Hof in eine GbR eingebracht ist, deren Mitgesellschafter der Erwerber ist, und der Erwerber den Betrieb selbst in Arbeitsteilung mit den weiteren Gesellschaftern gemeinschaftlich bewirtschaftet.

a) Die Kostenprivilegierung setzt nach dem Wortlaut von § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GNotKG unter anderem voraus, dass die unmittelbare Fortführung des Betriebs durch den Erwerber selbst beabsichtigt ist. Nach der Gesetzesbegründung ist das der Fall, wenn der Erwerber dem bisherigen Eigentümer unmittelbar als Bewirtschafter nachfolgt. Diese Voraussetzung ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht erfüllt, wenn der Betrieb für eine Übergangszeit an einen Dritten verpachtet wird oder ein Betrieb betroffen ist, der im Zeitpunkt der Vornahme des Geschäfts nicht von dem Eigentümer bewirtschaftet wird, sondern beispielsweise überwiegend verpachtet ist, brachliegt oder anderweitig genutzt wird (vgl. BT-Drs. 17/11471, 169). Der Anwendung des Bewertungsprivilegs steht eine Verpachtung des übergebenen land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs durch den Erwerber aber jedenfalls dann nicht entgegen, wenn das Pachtverhältnis mit einem nahen Familienangehörigen begründet wird und der Erwerber den Betrieb mit dem Pächter in Arbeitsteilung gemeinschaftlich bewirtschaftet (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2024 - V ZB 65/22, NJW 2024, 1423 Rn. 9).

b) Nach diesen Grundsätzen unterfällt die fortgesetzte Bewirtschaftung des in eine GbR eingebrachten Hofes durch den Übernehmer, der den Hof nach der Übernahme - wie hier - selbst in Arbeitsteilung mit den weiteren Gesellschaftern gemeinschaftlich bewirtschaftet, ebenfalls dem Kostenprivileg des § 48 Abs. 1 GNotKG.

aa) Dass der Hof in eine GbR eingebracht ist, führt nicht zu der Unanwendbarkeit des Kostenprivilegs (aA Korintenberg/Tiedtke, GNotKG, § 48 Rn. 15; wohl auch HK-NotarR/Storch, GNotKG, § 48 Rn. 16). Richtig ist zwar, dass die Anwendung des Kostenprivilegs ausscheiden müsste, wenn Übernehmerin die GbR selbst wäre, weil das Gesetz nur die Übergabe an eine oder mehrere natürliche Personen privilegiert (vgl. LG Stralsund, Beschluss vom 21. Oktober 2019 - 6 OH 15/18, BeckRS 2019, 63362; BeckOK KostR/Soutier [1.7.2024], § 48 GNotKG Rn. 23; Korintenberg/Tiedtke, GNotKG, § 48 Rn. 29, 42). Hier ist Übernehmer aber eine natürliche Person, weil der Beteiligte zu 1 die Grundstücke an seinen Sohn übergibt.

bb) Die unmittelbare Fortführung des Betriebs durch den Erwerber wird nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass nach § 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der Gesellschaftszweck in der Bewirtschaftung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes liegt und nach § 9 die Gesellschafter zur Geschäftsführung nur gemeinsam berechtigt sind. Bei einer überwiegenden Verpachtung, dem Brachliegen oder einer anderweitigen (landwirtschaftsfremden) Nutzung wird das mit der Kostenprivilegierung verfolgte Ziel der Erhaltung und Fortführung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe in Familienbesitz (vgl. BT-Drs. 17/11471, 169) verfehlt. Damit ist die hier gegebene Konstellation nicht vergleichbar, weil der Hof in Familienbesitz bleibt und von dem Übernehmer - wenn auch mit anderen zusammen, aber in gleicher Weise wie von dem Übergeber zuvor - selbst weiter bewirtschaftet wird. Wie der Bundesgerichtshof in dem Zusammenhang mit der Verpachtung des Hofes durch den Übernehmer an einen nahen Familienangehörigen klargestellt hat, schadet eine arbeitsteilige gemeinschaftliche Bewirtschaftung mit einer anderen Person selbst dann nicht, wenn nicht der Übernehmer, sondern die andere Person den Betrieb hauptverantwortlich (dort als Pächter) führt.

cc) Der Entstehungsgeschichte lässt sich nicht entnehmen, dass die Kostenprivilegierung nur dem einzelunternehmerisch tätigen Landwirt zugutekommen soll. Vielmehr steht es mit dem Ziel der Erhaltung und Fortführung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe in Familienbesitz (vgl. BT-Drs. 17/11471, 169) in Einklang, die Übergabe eines in eine GbR eingebrachten Hofes an den Übernehmer, der den Hof nach der Übernahme selbst in Arbeitsteilung mit den weiteren Gesellschaftern gemeinschaftlich bewirtschaftet, in das Kostenprivileg des § 48 Abs. 1 GNotKG einzubeziehen. Das trägt der Entwicklung der Betriebsstrukturen in der Landwirtschaft Rechnung, weil landwirtschaftliche Betriebe zunehmend in Form von Personengesellschaften geführt werden. Nach dem Agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung 2023 waren 2020 rund 10,9 % aller landwirtschaftlichen Betriebe als Personengesellschaft organisiert und entscheiden sich immer mehr Landwirtinnen und Landwirte für diese Rechtsform zur Organisation ihres Unternehmens (vgl. Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2023 S. 14).

dd) Schließlich spricht für diese Sichtweise, dass der Gesetzgeber mit der Kostenprivilegierung eine übermäßige Belastung der Landwirtschaft mit Notarkosten bei Hofnachfolgeregelungen, welche die Gefahr in sich birgt, dass der Hofinhaber von einer rechtzeitigen Hofnachfolgeregelung absieht, vermeiden wollte (vgl. BT-Drs. 11/2343, 6 zu § 19 Abs. 4 KostO; BGH, Beschluss vom 22. Februar 2024 - V ZB 65/22, NJW 2024, 1423 Rn. 13). Diesem Ziel liefe es zuwider, fiele die Übergabe eines in eine GbR eingebrachten Hofes an den Übernehmer, der den Hof nach der Übernahme selbst in Arbeitsteilung mit den weiteren Gesellschaftern gemeinschaftlich bewirtschaftet, nicht unter das Kostenprivileg des § 48 Abs. 1 GNotKG, weil dann ein erheblicher Teil der landwirtschaftlichen Betriebe in Familienbesitz von vornherein aus dem Anwendungsbereich ausschiede.

c) Die weitere Voraussetzung des § 48 Abs. 1 GNotKG - der Betrieb bildet unmittelbar nach Vollzug der Zuwendung einen nicht nur unwesentlichen Teil der Existenzgrundlage des zukünftigen Inhabers - liegt vor.

IV.

Gemäß § 83 Abs. 3 GNotKG ist das Verfahren gebührenfrei; eine Kostenerstattung findet nicht statt.