Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 15.03.2013, Az.: 10 WF 86/13

Mutwilligkeit der Rechtsverteidigung gegen die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen i.R.d. Bewilligung von Prozesskostenhilfe; Bindung des Rechtsmittelgerichts an eine bereits ergangene rechtskräftige isolierte Kostenentscheidung nach der Rechtsprechung des BGH

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
15.03.2013
Aktenzeichen
10 WF 86/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 34023
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2013:0315.10WF86.13.0A

Fundstellen

  • FamFR 2013, 282
  • FamRZ 2013, 1754
  • JurBüro 2013, 312-313

Amtlicher Leitsatz

Bei der für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe anzustellenden Beurteilung der Mutwilligkeit der Rechtsverteidigung im Hinblick auf unterlassene rechtzeitige Auskunftserteilung durch den Unterhaltsverpflichteten ist das Rechtsmittelgericht nach dem vom BGH (Beschluß vom 7. März 2012 - XII ZB 391/10 - FamRZ 2012 964 ff. = NJW 2012, 1964 ff = MDR 2012, 1247 ff. = juris) entwickelten Grundsatz auch an die inzwischen eingetretene Rechtskraft der nach Erledigung der Hauptsache ergangenen isolierten Kostenentscheidung gebunden, die dem Antragsgegner gemäß § 243 Satz 2 Nr. 2 FamFG die gesamten Verfahrenskosten auferlegt.

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I.

Der Antragsgegner ist im vorliegenden Verfahren von seinen beiden minderjährigen, durch das örtliche Jugendamt als Beistand vertretenen Töchtern im sog. Vereinfachten Verfahren auf Festsetzung des Mindestunterhalts in Anspruch genommen worden. Er ist seiner Inanspruchnahme entgegengetreten und hat für das erstinstanzliche Verfahren um Verfahrenskostenhilfe (VKH) nachgesucht. Nach Erteilung von weiteren umfangreichen Auskünften durch den Antragsgegner haben die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.

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Das Amtsgericht hat mit zwei parallelen Beschlüssen vom 14. Februar 2013 zum einen über die Kosten des Verfahrens entschieden und diese dem Antragsgegner auferlegt. Zum anderen hat es ihm die nachgesuchte VKH versagt. Beide Entscheidungen sind entscheidend darauf gestützt, daß der Antragsgegner durch unzureichende rechtzeitige Auskunftserteilung Veranlassung für die Antragstellerinnen zur Verfahrenseinleitung gegeben habe, was nach dem in § 243 Satz 2 Nr. 2 FamGKG enthaltenen Grundsatz hier zur Auferlegung der Verfahrenskosten führen müsse und zugleich einer VKH-Bewilligung durchgreifend entgegenstehe.

3

Gegen beide, ihm jeweils am 20. Februar 2013 zu Händen seines Verfahrensbevollmächtigten zugestellten Beschlüsse hat der Antragsgegner unter dem Schriftsatzdatum (Donnerstag, den) 7. März 2013 am 11. März 2013 beim Amtsgericht sofortige Beschwerden eingelegt. Damit begehrt er zum einen die Änderung der Kostenentscheidung hin zur vollständigen Auferlegung der Kosten auf die Antragstellerinnen und verfolgt zum anderen - bezogen auf das vorliegende Beschwerdeverfahren - sein VKH-Gesuch weiter.

4

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluß vom 11. März 2013 nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Der originär berufene Einzelrichter hat die Sache auf den Senat übertragen.

5

Der Senat hat im parallelen Beschwerdeverfahren 10 WF 85/13 die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen die isolierte Kostenentscheidung mit Beschluß vom heutigen Tage wegen Versäumung der - insoweit gemäß § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO zwei Wochen betragenden - Beschwerdefrist als unzulässig verworfen.

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II.

Die hier zu bescheidende sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen die amtsgerichtliche Versagung der nachgesuchten VKH ist zwar zulässig, insbesondere fristgerecht innerhalb der Monatsfrist gemäß § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 569 Abs. 1 Satz 1, 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO eingelegt worden.

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Sie kann jedoch in der Sache keinen Erfolg haben.

8

Denn der Senat ist bei der Prüfung der vom Amtsgericht für die Versagung der VKH herangezogenen Gesichtspunkte an die zwischenzeitlich rechtskräftig gewordene diesbezügliche Beurteilung im Rahmen der - auf die Regelung der Kosten beschränkten - Hauptsacheentscheidung gebunden.

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1. Nach ausdrücklicher Rechtsprechung des Bundegerichtshofes (BGH, Beschluß vom 7. März 2012 - XII ZB 391/10 - FamRZ 2012 964 ff. = NJW 2012, 1964 ff = MDR 2012, 1247 ff. = juris) ist das Rechtsmittelgericht bei der für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) bzw. VKH anzustellenden Beurteilung der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder -verteidigung grundsätzlich an die inzwischen eingetretene Rechtskraft einer Hauptsacheentscheidung gebunden.

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2. Nichts anderes kann aber gelten, wenn es für die Entscheidung über PKH/VKH maßgeblich auf die Beurteilung einer vergleichbaren Frage ankommt und über diese eine zwischenzeitlich bestandskräftige Entscheidung vorliegt. Im Streitfall hat das Amtsgericht für die Bewilligung der nachgesuchten VKH entscheidend darauf abgestellt, daß der Antragsgegner seiner für Unterhaltssachen in § 243 Satz 2 Nr. 2 FamFG ausdrücklich auch unter kostenrechtlicher Sanktionierung statuierten Verpflichtung zur rechtzeitigen und vollständigen Auskunftserteilung nicht nachgekommen ist und die sich daraus ergebene Kostensanktion nicht durch eine Bewilligung von VKH unterlaufen werden darf. Diese grundlegende Erwägung wird auch vom Senat in ständiger Rechtsprechung geteilt (vgl. Beschluß vom 12. August 2011 - 10 WF 299/10 - FamRZ 2012, 47 = MDR 2011, 1235 f. = JurBüro 2011, 653 f. = FuR 2012, 42 ff. = BeckRS 2011, 20901 = juris). Sie entspricht gefestigter Auffassung in Literatur und Rechtsprechung für die vergleichbare Situation, daß eine Berufung/Beschwerde zwar Aussicht auf Erfolg aufweist, dies aber allein auf neuem Vorbringen beruht, das bereits erstinstanzlich möglich und geboten war, und in der die in § 97 Abs. 2 ZPO enthaltene Kostensanktion ebenfalls eine VKH-Bewilligung ausschließt (vgl. etwa Zöller29-Geimer, ZPO § 119 Rz. 54a a.E.; OLG Karlsruhe - Beschluß vom 5. März 1998 - 2 WF 146/97 - FamRZ 1990. 726 f. - Leitsatz 2; OLG Jena - Beschluß vom 17. August 1998 - 7 U 461/98 - MDR 1999, 257; OLG Bamberg - Beschluß vom 10. Mai 1999 - 7 UF 48/99 - FamRZ 2000, 1024 - Leitsatz; OLG Frankfurt - Beschluß vom 17. Januar 2002 - 1 UF 98/01 - MDR 2002, 843 f. - Leitsatz ; OLG Stuttgart - Beschluß vom 5. Oktober 2005 - 13 U 214/04 - Justiz 2006, 229 - Leitsatz; OLG Brandenburg - Beschluß vom 22. März 2006 - 9 UF 243/05 - FamRZ 2006, 1549 - Leitsatz).

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Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen die Versagung von VKH könnte insofern allein dann Erfolg haben, wenn im Streitfall die tatsächlichen Voraussetzungen für eine auf § 243 Satz 2 Nr. 2 FamFG gestützte Kostenentscheidung zu Lasten des Antragstellers nicht vorlägen. Über eben diese Frage ist jedoch in der Hauptsache bereits bestandskräftig entschieden; dem Senat ist insofern eine gegenteilige Beurteilung allein im Rahmen der VKH-Entscheidung verschlossen.

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3. Im Streitfall liegt schließlich auch keine der beiden nach der besagten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu beachtenden Ausnahmen vor, in denen eine Abweichung von dem zuvor unter 1. behandelten Grundsatz geboten ist. Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn eine zweifelhafte Rechtsfrage verfahrensfehlerhaft in das PKH/VKH-Verfahren verlagert worden wäre oder wenn das erstinstanzliche Gericht die Entscheidung verzögert hätte und die Erfolgsaussicht in der Zwischenzeit entfallen wäre. Beides ist vorliegend nicht der Fall.

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Zum einen stellt der Antragsgegner selbst die vom Amtsgericht zugrunde gelegte rechtliche Annahme in keiner Weise in Frage, daß nämlich eine unterlassene vollständige Auskunftserteilung des Unterhaltspflichtigen bereits für sich zu dessen Kostentragung und damit zugleich zur Versagung der Verteidigungs-VKH für ihn führen kann. Er nimmt vielmehr allein für den Streitfall das Vorliegen der entsprechenden tatsächlichen Voraussetzungen in Abrede. Insofern geht es vorliegend entscheidend gar nicht um eine Rechtsfrage, sondern allein um tatbestandliche Feststellungen.

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Zum anderen hat sich hinsichtlich der hier allein entscheidenden Frage, ob der Antragsgegner rechtzeitig und vollständig Auskunft erteilt hatte, im Laufe des Verfahrens keinerlei tatsächliche Änderung ergeben, so daß es auf eine etwaige Verzögerung der amtsgerichtlichen Entscheidung über die VKH-Bewilligung im Sinne eines beachtlichen Sonderfalles nicht weiter ankommen kann.