Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 26.06.2017, Az.: 1 Ss (OWi) 15/17

Ausnahmen vom Sonntagsfahrverbot wegen Beförderung von Speisequark

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
26.06.2017
Aktenzeichen
1 Ss (OWi) 15/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 35929
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Stadthagen - 09.06.2017

Amtlicher Leitsatz

1. Frische Milcherzeugnisse im Sinne der gesetzlichen Ausnahme vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO sind alle nicht wärmebehandelten und damit ständig kühlungsbedürftigen Milcherzeugnisse. Auf die Dauer der Haltbarkeit des konkreten Transportgutes im Einzelfall (Mindesthaltbarkeitsdatum) kommt es nicht an.

2. Milcherzeugnisse im Sinne des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO sind die in der Anlage 1 zur Milcherzeugnisverordnung (MilchErzV) bezeichneten Produkte. Quark ist daher kein Milcherzeugnis im Sinne des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO, sodass der Transport von Quark nicht der gesetzlichen Ausnahme vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot unterfällt.

Tenor:

1. Die Sache wird gemäß § 80a Abs. 3 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, weil es geboten ist, das Urteil des Amtsgerichts Stadthagen vom 9. Januar 2017 zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen.

2. Die Rechtsbeschwerde der Verfallsbeteiligten gegen das Urteil des Amtsgerichts Stadthagen vom 9. Januar 2017 wird als unbegründet verworfen.

3. Die Verfallsbeteiligte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

1. Das Amtsgericht Stadthagen hat gemäß § 29a Abs. 2 und Abs. 4 OWiG im selbstständigen Verfallsverfahren gegen die Verfallsbeteiligte mit Urteil vom 9. Januar 2017 den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 2048,44 € angeordnet.

Das Amtsgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen: Am 19. Juni 2016 - einem Sonntag - beförderte ein Arbeitnehmer der Verfallsbeteiligten mit einem Sattelzug der Verfallsbeteiligten 20 Tonnen Magerquark, der ein Mindesthaltbarkeitsdatum 16. Juli 2016 aufwies, von T. nach M. an der Ruhr. Auf dem Lieferschein war das Transportgut als "Sammelgut/Frischware +2°C" bezeichnet. Die Fahrtstrecke von T. nach M. an der Ruhr betrug 621 km. Der LKW wurde von Beamten der Polizeidirektion H. um 16.20 Uhr, als er auf der BAB 2 in Fahrtrichtung D. fuhr, angehalten und auf dem Autobahnparkplatz "B. K." kontrolliert. Eine gültige Ausnahmegenehmigung vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot führte der Fahrer des LKW nicht mit; die mitgeführte Ausnahmegenehmigung für "Lebensmittel, Terminware" war aufgrund Ablaufs ihrer Befristung nicht mehr wirksam. Ein gegen den Fahrer des LKW eingeleitetes Bußgeldverfahren wegen Verstoßes gegen das Sonn- und Feiertagsfahrverbot wurde gemäß § 47 OWiG eingestellt.

Diesen Transport hat das Amtsgericht als Verstoß gegen das Sonntagsfahrverbot des § 30 Abs. 3 S. 1 StVO gewertet. Das Vorliegen eines gesetzlichen Ausnahmetatbestandes vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot hat das Amtsgericht verneint. Das Amtsgericht hat insofern ausgeführt, frische Milcherzeugnisse im Sinne des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO seien lediglich leicht verderbliche Lebensmittel von geringer Haltbarkeit, deren baldiger Transport auch während des an Sonn- und Feiertagen bestehenden Fahrverbots für den Lastwagen-Schwerverkehr erforderlich sei. Davon könne aber bei Lebensmitteln, die - wie dies hier der Fall gewesen sei - noch mehrere Wochen haltbar seien, nicht die Rede sein.

Das Amtsgericht hat weiter festgestellt, dass die Verfallsbeteiligte von ihrem Auftraggeber für die verfahrensgegenständliche Tat einen Frachtlohn erlangte, wobei das Amtsgericht ausgehend von dem Frachttarif nach den "Kalkulationssätzen Gütertransport Straße" gemäß § 29a Abs. 3 OWiG die Höhe des erlangten Frachtlohnes mit 2048,44 € bestimmt hat. In Anwendung des Bruttoprinzips und unter ausdrücklicher Ausübung eigenen Ermessens hat das Amtsgericht gemäß § 29a Abs. 2 und Abs. 4 OWiG den Verfall eines Betrages in der Höhe des ermittelten Frachtlohnes, also in Höhe von 2048,44 €, angeordnet.

2. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Verfallsbeteiligten, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Verfallsbeteiligte, die den vom Amtsgericht festgestellten Sachverhalt nicht in Frage stellt, macht im Wesentlichen geltend, das transportierte Produkt - Magerquark - sei ein frisches Milcherzeugnis gewesen und unterfalle daher der gesetzlichen Ausnahmeregelung vom Sonn- und Feiertagsverbot des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO; einer behördlichen Ausnahmegenehmigung habe es nicht bedurft. Die verfahrensgegenständliche Fahrt habe mithin keine Ordnungswidrigkeit dargestellt, so dass für eine Verfallsanordnung zur Abschöpfung des erlangten Transportlohnes aus Rechtsgründen kein Raum sei. Auf das konkrete Haltbarkeitsdatum des Transportgutes komme es - entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts - nicht an. Die gesetzliche Ausnahme vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot sei allein deshalb erfüllt, weil das transportierte Milcherzeugnis nicht als wärmebehandelt gekennzeichnet gewesen sei.

3. Die Generalstaatsanwaltschaft Celle hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG zu verwerfen. Sie hat unter anderem ausgeführt, das Amtsgericht habe zu Recht eine Ausnahme vom Sonntagsfahrverbot nach § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO verneint, weil der baldige Transport, gerade an einem Sonntag, mit Blick auf die Mindesthaltbarkeit des Milchprodukts von fast einem Monat nicht geboten gewesen sei.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde der Verfallsbeteiligten ist unbegründet.

1. Soweit die Rechtsbeschwerdeführerin geltend macht, ihr sei im verwaltungsbehördlichen Verfahren nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt werden, weist die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift zutreffend darauf hin, dass dieses Vorbringen schon deshalb unbehelflich ist, weil es allein darauf ankommt, ob die Verfallsbeteiligte im gerichtlichen Verfahren ausreichend rechtliches Gehör hatte. Letzteres aber wird mit der Rechtsbeschwerde nicht in Frage gestellt. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die insoweit implizit erhobene Verfahrensrüge den Darlegungserfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG genügt; sie ist jedenfalls unbegründet.

2. Auch die Sachrüge dringt nicht durch. Die auf die Sachrüge hin gebotene Überprüfung des angefochtenen Urteils lässt keine im Ergebnis durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Verfallsbeteiligten erkennen. Insofern ist im Hinblick auf das Vorbringen der Rechtsbeschwerdeführerin in der Rechtsbeschwerdebegründung und in ihrer Gegenerklärung zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft Folgendes auszuführen:

Das Sonn- und Feiertagsfahrverbot des § 30 Abs. 3 S. 1 StVO legt fest, dass an Sonntagen und Feiertagen in der Zeit zwischen 0.00 Uhr und 22.00 Uhr Lastkraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse von über 7,5 Tonnen sowie Anhänger hinter Lastkraftwagen nicht verkehren dürfen. Da die verfahrensgegenständliche Transportfahrt am 19. Juni 2016 - einem Sonntag - mit einem LKW-Kühl-Sattelzug mit einer zulässigen Gesamtmasse von 40 Tonnen durchgeführt wurde, unterfiel sie dem Sonntagsfahrverbot.

§ 30 Abs. 3 S. 2 StVO legt indes gesetzliche Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot fest. Sofern einer der normierten gesetzlichen Ausnahmetatbestände erfüllt ist, greift das Sonn- und Feiertagsfahrverbot des § 30 Abs. 3 S. 1 StVO von Gesetzes wegen nicht ein; einer behördlichen Ausnahmegenehmigung bedarf es in diesen Fällen nicht.

Nach § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO gilt das Sonn- und Feiertagsfahrverbot des § 30 Abs. 3 S. 1 StVO unter anderem dann nicht, wenn frische Milch oder frische Milcherzeugnisse befördert werden.

Der vom Amtsgericht rechtsfehlerfrei festgestellte und auch von der Verfallsbeteiligten nicht in Frage gestellte Sachverhalt, auf den sich die Verfallsanordnung des angefochtenen Urteils stützt, unterfällt jedoch entgegen der Rechtsauffassung der Rechtsbeschwerde nicht dem gesetzlichen Ausnahmetatbestand des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot des § 30 Abs. 3 S. 1 StVO.

a) Allerdings geht - worauf die Rechtsbeschwerde mit fundierten Ausführungen zutreffend hinweist - die rechtliche Argumentation des Amtsgerichts, die von der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift an den Senat geteilt wird, fehl.

Milch und Milcherzeugnisse - und das Gleiche gilt für Fleisch- und Fleischerzeugnisse - unterfallen immer (schon) dann der gesetzlichen Ausnahme nach § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StVO vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot des § 30 Abs. 3 S. 1 StVO, wenn es sich um "frische" Produkte handelt. Weitere Voraussetzungen normiert die StVO nicht. Ob ein Milcherzeugnis "frisch" im Sinne des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO ist, bestimmt sich nach der Art des Produktes, nicht aber nach der konkreten Haltbarkeitsdauer im Einzelfall.

Die StVO definiert den Begriff des "frischen" Produkts oder Erzeugnisses nicht. Die Auslegung hat sich daher am allgemeinen Begriffsverständnis, am verlautbarten Begriffsverständnis des Verordnungsgebers sowie am Zweck der gesetzlichen Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot zu orientieren. Nach dem allgemeinen Begriffsverständnis sind frische Milcherzeugnisse solche, die allenfalls wenige Wochen haltbar und ständig kühlungsbedürftig sind, also zum zügigen Verzehr bestimmt und auf dem Transport, im Handel und beim Verbraucher gekühlt zu verwahren sind, weil bei einer ungekühlten Verwahrung, also bei Zimmertemperatur oder höheren Temperaturen, mit einem Verderben innerhalb weniger Stunden oder Tage zu rechnen ist. Der Begriff des "frischen Milcherzeugnisses" wird typischerweise in Abgrenzung zum "haltbaren Milcherzeugnis" verwendet. Darunter werden üblicherweise Milcherzeugnisse verstanden, die auch ohne permanente Kühlung über längere Zeit, in aller Regel mehrere Monate lang, aufbewahrt werden können, ohne zu verderben, wobei diese Haltbarkeit auf eine spezielle Wärmebehandlung zurückzuführen ist. Typische frische Milcherzeugnisse nach diesem allgemeinen Begriffsverständnis sind beispielsweise Joghurt, Dickmilch, Kefir und Buttermilch.

Dieses allgemeine Begriffsverständnis deckt sich mit dem verlautbarten Begriffsverständnis des Verordnungsgebers. Nach der Verkehrsblattverlautbarung "Definition der frischen und leicht verderblichen Lebensmittel im Sinne des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StVO" des Bundesverkehrsministeriums vom 31. Juli 1998 - StV 12/36.42.30 (Verkehrsblatt 1998, Heft 16, Seite 844) gelten als frische Milch Rohmilch, Vorzugsmilch, Vollmilch, teilentrahmte (fettarme) Milch, entrahmte Milch und Werkmilch, wenn sie gekennzeichnet sind als "Rohmilch", "Vorzugsmilch", "pasteurisiert" oder "hocherhitzt"; sie gelten als haltbare Produkte, wenn sie gekennzeichnet sind mit "ultrahocherhitzt, "sterilisiert" oder "H" + Milchsorte. Als frische Milcherzeugnisse werden in der Verlautbarung Sauermilcherzeugnisse, Joghurterzeugnisse, Kefirerzeugnisse, Buttermilcherzeugnisse, Sahneerzeugnisse, Mischmilcherzeugnisse, Molkenmischerzeugnisse sowie Frischkäse und Frischkäsezubereitungen bezeichnet, sofern die Kennzeichnungshinweise keine Angabe der Wärmebehandlung enthalten; sie gelten nach der Verlautbarung als haltbare Produkte, wenn sie gekennzeichnet sind mit "ultrahocherhitzt", "sterilisiert", "wärmebehandelt" oder "H" + Produktbezeichnung.

Schon der Umstand, dass die Definition der "Frische" der Verkehrsblattverlautbarung sich mit dem allgemeinen Begriffsverständnis deckt, spricht - auch wenn die Verkehrsblattverlautbarung für den Senat nicht rechtlich bindend ist - dafür, der Auslegung des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO die oben skizzierte allgemeine Begriffsdefinition des "frischen" Milcherzeugnisses zu Grunde zu legen. Hinzu kommt, dass die Definitionen der Verkehrsblattverlautbarung dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Ausnahmen des § 30 Abs. 3 S. 2 StVO vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot des § 30 Abs. 3 S. 1 StVO entsprechen und das hier skizzierte Verständnis des Begriffs des "frischen" Milcherzeugnisses auch stimmig ist im Verhältnis zu den übrigen in § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StVO normierten gesetzlichen Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot (vgl. zum Begriff des "frischen Fleischerzeugnisses" OLG Celle, Beschluss vom 5. April 2017 - 1 Ss (OWi) 5/17). Die in § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StVO gesetzlich normierten Ausnahmen sollen sicherstellen, dass der Transport von bestimmten leicht verderblichen Lebensmitteln auch (durchgängig) an Sonn- und Feiertagen erfolgen kann, um die permanente Versorgung der Bevölkerung mit solchen ausgewählten Lebensmitteln alsbald nach ihrer Produktion sicherzustellen beziehungsweise ohne verzichtbare Restriktionen zu ermöglichen. Dabei zeigt die Regelung des § 30 Abs. 3 S. 2 StVO in ihrer Gesamtheit, dass der Verordnungsgeber die Ausnahmen nicht besonders eng fassen wollte. Insbesondere scheidet bei gesetzessystematischer und teleologischer Interpretation ein Normverständnis dahingehend aus, dass nur solche Transporte von Lebensmitteln im Schwerverkehr an Sonn- und Feiertagen qua gesetzlicher Ausnahmeregelung zulässig sind, die zwingend an dem betreffenden Sonn- oder Feiertag durchgeführt werden müssen. Denn nähme man an, dass nur solche Fahrten von der Ausnahmeregelung erfasst seien, ohne die das transportierte Lebensmittel nicht am folgenden Montag oder auf den Feiertag folgenden Tag an die Bevölkerung verkauft werden könnte, hätte die Regelung des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StVO keinen Anwendungsbereich. Sie könnte dann allenfalls Lebensmittel erfassen, die nur wenige Stunden haltbar sind, was aber bei den von § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StVO genannten Lebensmitteln, jedenfalls sofern eine durchgängige Kühlung sichergestellt ist, nicht der Fall ist. Die von § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StVO erfassten Lebensmittel sind - jedenfalls bei der heutzutage unschwer möglichen permanenten Kühlung auch während ihres Transports mit Lastkraftwagen - auch bei einem denkbar restriktivsten Begriffsverständnis so lange haltbar und verkehrsfähig, dass es ihres Transportes an Sonn- und Feiertagen nicht zwingend bedarf, sondern auch ein Transport zum Empfänger am betreffenden Vortag ihre Verkehrsfähigkeit nicht beeinträchtigen würde. Dies gilt insbesondere für das ebenfalls von der gesetzlichen Ausnahmeregelung erfasste "leicht verderbliche Obst und Gemüse". Auch die gesetzliche Zulassung von Leerfahrten durch § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 StVO zeigt, dass der Normzweck weder eine besonders restriktive Interpretation des Begriffs des "frischen" beziehungsweise "leicht verderblichen" Produkts zulässt noch eine einzelfallbezogene Betrachtung erlaubt, ob der konkrete Transport zwingend an dem betreffenden Sonn- oder Feiertag durchgeführt werden musste. Denn Leerfahrten sind nie zwingend (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 26. Juli 2016 - 1 Ss (OWi) 129/16, NStZ-RR 2016, 387). Ihre Zulassung auch an Sonn- und Feiertagen zeigt vielmehr, dass der Verordnungsgeber auch betriebswirtschaftliche Interessen des Transportgewerbes an geringen Standzeiten von (Kühl-)Lastkraftwagen und damit letztlich auch das Allgemeininteresse an einer preisgünstigen Versorgung mit frischen Lebensmitteln im Blick hatte. Hinzu kommt, dass das Sonn- und Feiertagsfahrverbot jeweils um 22.00 Uhr des betreffenden Tages endet, so dass angesichts der guten Verkehrswege und kurzen Entfernungen in der Bundesrepublik in aller Regel auch bei einem Transportbeginn am Ausgangsort um 22.00 Uhr des Sonn- oder Feiertages ein Verkauf transportierter Lebensmittel am darauffolgenden Tag möglich ist.

Aus dem Vorgenannten folgt nicht nur, dass der Begriff des "frischen" Milcherzeugnisses nicht auf nur kürzeste Zeit haltbare Lebensmittel reduziert werden darf, sondern die vorstehenden Überlegungen zeigen zudem, dass das Verständnis des Begriffes des "frischen" Milcherzeugnisses - und das Gleiche gilt für die übrigen in § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StVO aufgeführten Frischlebensmittel - nicht konkret-einzelfallbezogen davon abhängig gemacht werden darf, ob der in Frage stehende Transport unbedingt an dem betreffenden Sonn- oder Feiertag durchgeführt werden musste (so bereits OLG Celle, Beschluss vom 5. April 2017 - 1 Ss (OWi) 5/17).

Entscheidend für ein Unterfallen eines Milcherzeugnisses unter die gesetzliche Ausnahmeregelung des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO ist mithin allein, dass es sich beim dem Milcherzeugnis um ein frisches Produkt handelt, was (schon) immer dann zu bejahen ist, wenn es sich um ein allenfalls wenige Wochen haltbares und ständig kühlungsbedürftiges Milcherzeugnis handelt, also um ein solches, welches zum zügigen Verzehr bestimmt und auf dem Transport, im Handel und beim Verbraucher gekühlt zu verwahren ist (auf leichte Verderblichkeit abstellend und damit im Ergebnis ebenso wie hier OVG Lüneburg, Beschluss vom 20. Juni 1997 - 12 M 2541/97, Nds.RPfl. 1997, 270). Dies sind alle nicht speziell wärmebehandelten Milcherzeugnisse. Mit der genannten Verkehrsblattverlautbarung kann in der Praxis der Rechtsanwendung deshalb ein Milcherzeugnis als "frisch" im Sinne des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StVO angesehen werden, wenn es keine Angabe zur Wärmebehandlung enthält und damit ständig kühlungsbedürftig ist. Dagegen unterfallen - im Einklang mit der Verkehrsblattverlautbarung - (nur) solche Milcherzeugnisse nicht der gesetzlichen Ausnahmeregelung des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot, die einer spezifischen Wärmebehandlung zur langen Haltbarkeitsmachung unterworfen worden und entsprechend gekennzeichnet sind.

Das konkrete Haltbarkeitsdatum des im jeweiligen Einzelfall transportierten Milcherzeugnisses ist nur insofern von Relevanz, als es Rückschlüsse darauf zulässt, ob das betreffende Milcherzeugnis ein durch Wärmebehandlung länger haltbar gemachtes - und damit nicht der gesetzlichen Ausnahmeregelung unterfallendes - Milcherzeugnis ist oder ob es als "frisches" Erzeugnis im Sinne des vorstehend dargelegten Begriffsverständnisses zu klassifizieren ist. Weil § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StVO - wie dargelegt - nicht darauf abstellt, ob das konkret in Frage stehende Produkt zwingend am betreffenden Sonn- oder Feiertag transportiert werden musste, darf dagegen nicht - wie es das Amtsgericht im angefochtenen Urteil getan hat - darauf abgehoben werden, dass zwischen dem Transporttag und dem Mindesthaltbarkeitsdatum des konkret transportierten Produkts eine längere Zeitspanne von etlichen Tagen oder einigen Wochen lag, so dass das Transportgut auch bei einem Transport zu einem späteren Zeitpunkt noch verkehrsfähig gewesen wäre und problemlos hätte verkauft werden können. Der Verordnungsgeber hat, wie der Wortlaut des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StVO zeigt und wie durch die vorgenannte Verkehrsblattverlautbarung bestätigt wird, das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes allein von einer allgemeinen, einzelfallunabhängigen Klassifikation des Transportgutes abhängig gemacht, nicht dagegen von der Dauer der Haltbarkeit und damit der Dauer der weiteren Verkehrsfähigkeit des konkreten Transportgutes im Einzelfall.

Die rechtliche Argumentation des Amtsgerichts widerstreitet damit, wie die Rechtsbeschwerde zu Recht moniert, der Ausnahmeregelung des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StVO.

b) Gleichwohl ist die Rechtsbeschwerde (im Ergebnis) unbegründet. Denn die Ausnahmeregelung des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO greift vorliegend deshalb nicht ein, weil es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Transportgut - Magerquark - nicht um ein Milcherzeugnis handelt.

Der in § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO verwendete Begriff des Milcherzeugnisses ist legaldefiniert in der Verordnung über Milcherzeugnisse (Milcherzeugnisverordnung - MilchErzV) vom 15. Juli 1970. Nach § 1 Abs. 1 der MilchErzV sind Milcherzeugnisse (nur) die in der Anlage 1 zur MilchErzV aufgeführten Erzeugnisse. Quark ist dort nicht aufgeführt. Auch nach der gesetzlichen Definition des Milcherzeugnisses in § 4 Abs. 2 des Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten (Milch- und Fettgesetz - MilchFettG) vom 28. Februar 1951 ist Quark kein Milcherzeugnis. Quark - auch Magerquark - ist vielmehr ein Käse und unterfällt der Käseverordnung vom 24. Juni 1965. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber der StVO den Begriff des Milcherzeugnisses in dem im Jahr 1988 geschaffenen § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO nicht in dem - engen - Sinne der (lebensmittelrechtlichen) Legaldefinition der MilchErzV und des MilchFettG verstanden wissen wollte, sind nicht ersichtlich. Grundsätzlich kann und muss davon ausgegangen werden, dass ein Gesetzgeber einen Begriff, der in einer Rechtsvorschrift bereits detailliert legaldefiniert ist, bei Verwendung in einer anderen Norm im Sinne der anderenorts festlegten Legaldefinition verstanden wissen will. Ein hiervon abweichender Wille des Verordnungsgebers ist nicht feststellbar. Die Verordnungsmaterialien (vgl. BR-Drs. 577/87) verhalten sich hierzu nicht. Auch der Begründung zur Ferienreiseverordnung, deren Inhalt Vorbild für die aktuell geltende Fassung des § 30 Abs. 3 StVO war, ist zum Inhalt des Begriffs des Milcherzeugnisses keine abweichende Vorstellung des Verordnungsgebers zu entnehmen (vgl. BR-Drs. 126/85).

Der Senat hat nicht verkannt, dass nach der Verkehrsblattverlautbarung "Definition der frischen und leicht verderblichen Lebensmittel im Sinne des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StVO" des Bundesverkehrsministeriums vom 31. Juli 1998 - StV 12/36.42.30 (Verkehrsblatt 1998, Heft 16, Seite 844) frische Milcherzeugnisse folgende Produkte sind: "Sauermilcherzeugnisse, Joghurterzeugnisse, Kefirerzeugnisse, Buttermilcherzeugnisse, Sahneerzeugnisse, Mischmilcherzeugnisse, Molkenmischerzeugnisse sowie Frischkäse und Frischkäsezubereitungen, wenn die Kennzeichnungshinweise keine Angabe der Wärmebehandlung enthalten." Die Erwähnung von "Frischkäse und Frischkäsezubereitungen" in der Verkehrsblattverlautbarung könnte auf den ersten Blick dafür sprechen, dass der Verordnungsgeber der StVO den Begriff des (frischen) Milcherzeugnisses in § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO in einem weiten alltagssprachlichen und von der Legaldefinition in der MilchErzV und im MilchFettG abweichenden Sinne verstanden wissen wollte. Denn nach einem weiten - alltagssprachlichen - Begriffsverständnis zählen auch Butter und Käse - und damit auch Quark als ein Frischkäse - zu den Milcherzeugnissen. Hiergegen spricht aber letztlich durchgreifend, dass in einem solchen Falle zu erwarten gewesen wäre, dass in dem zitierten Abschnitt der Verkehrsblattverlautbarung auch Butter und weitere Käsearten (etwa Weichkäse) Erwähnung gefunden hätten. Denn Butter und Weichkäse haben ebenso wie etwa Joghurt, Buttermilch oder Sahne, aber auch Quark und andere Frischkäsearten, eine kurze Haltbarkeitsdauer und sind ständig kühlbedürftig, so dass davon ausgegangen werden kann, dass auch diese weiteren Produkte, hätte der Verordnungsgeber den Begriff des frischen Milcherzeugnisses in § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO im weiten alltagssprachlichen Sinne verstanden wissen wollen, Aufnahme in die Verkehrsblattverlautbarung gefunden hätten. So aber bleibt die Verkehrsblattverlautbarung mit der Erwähnung von "Frischkäse und Frischkäsezubereitungen", nicht aber von Butter und anderen Käsearten von geringer Haltbarkeit und Kühlungsbedürftigkeit, unklar und ist daher nicht geeignet, die Annahme zu begründen, der Verordnungsgeber habe den Begriff des Milcherzeugnisses in § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO abweichend von der gesetzlichen Legaldefinition in der MilchErzV und im MilchFettG verstanden wissen wollen.

Zwar ist ein sachlicher Grund für die vom Verordnungsgeber vorgenommene Differenzierung dahingehend, dass frische Milcherzeugnisse vom Sinne der MilchErzV und des MilchFettG vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot durch die gesetzliche Ausnahmeregelung des § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO ausgenommen sind, nicht aber sonstige nur kurzzeitig haltbare und ständig kühlungsbedürftige Milchprodukte im weiten Sinne wie Butter, Weichkäse oder Frischkäse, nicht ohne Weiteres ersichtlich. Insofern ist aber zu bedenken, dass der Verordnungsgeber auch andere ebenfalls nur kurzzeitig haltbare und ständig kühlungsbedürftige Lebensmittel nicht in den Katalog der Lebensmittel aufgenommen hat, deren Transport nach § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO nicht dem Sonn- und Feiertagsverbot unterfällt. Dies gilt etwa für kühlungsbedürftige Fertiglebensmittel wie Fertiglasagne (vgl. insofern OLG Celle, Beschluss vom 5. April 2017 - 1 Ss (OWi) 5/17). Der Verordnungsgeber hat, wozu er befugt war, eine gesetzliche Ausnahme vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot nur für einige wenige ausgewählte Lebensmittel normiert, nicht aber für alle leicht verderblichen und ständig kühlungsbedürftigen Lebensmittel. Diese Beschränkung des Verordnungsgebers auf bestimmte ausgewählte Lebensmittel ist zu respektieren. Sie darf nicht durch eine extensive Auslegung der in § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) StVO verwendeten Bezeichnungen überspielt werden, insbesondere nicht durch eine über die Legaldefinition in der MilchErzV und im MilchFettG hinausgehende Interpretation des Begriffs des Milcherzeugnisses. Der hier verfahrensgegenständliche Magerquarktransport hätte mithin einer behördlichen Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 7 StVO bedurft, die nach der hierzu ergangenen Verwaltungsvorschrift der Verfallsbeteiligten wahrscheinlich auch (erneut) erteilt worden wäre.

c) Ein Irrtum über die Einstufung von Quark als Milcherzeugnis ist - sofern ihm überhaupt rechtliche Relevanz im Rahmen eines selbstständigen Verfallsverfahren zukommen kann (vgl. KK-OWiG/Mitsch, 4. Auflage 2014, § 29a Rn. 8) - ein leicht vermeidbarer Verbotsirrtum. Insofern hat der Senat auch berücksichtigt, dass die vorgenannte Verkehrsblattverlautbarung Quark nicht explizit aufführt. Das Amtsgericht hat im Rahmen seiner Ermessensentscheidung ausdrücklich berücksichtigt, dass die Verantwortlichen der Verfallsbeteiligten irrtümlich annahmen, der Transport sei nach § 30 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 a) StVO statthaft.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG.