Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 21.06.2017, Az.: 2 Ws 127/17

Bewährungswiderruf wegen Nachverurteilung aufgrund von in der sog. Vorlaufzeit begangenen Taten; Beginn der Vorlaufzeit bei Verwerfung der Berufung wegen Säumnis des Angeklagten schon mit dem erstinstanzlichen Urteil

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
21.06.2017
Aktenzeichen
2 Ws 127/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 36744
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 12.05.2017 - AZ: 17a BRs 7/17

Fundstellen

  • StV 2018, 362
  • StraFo 2017, 466-468

Amtlicher Leitsatz

1. Die für einen Bewährungswiderruf nach § 56f Abs. 1 Satz 2 StGB maßgebliche sog. Vorlaufzeit beginnt mit der letzten tatrichterlichen Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung (Anschluss an OLG Hamburg NStZ-RR 2007, 198 [OLG Hamburg 19.02.2007 - 2 Ws 31/07]).

2. Bei der Verwerfung der vom Angeklagten gegen ein erstinstanzliches Bewährungsurteil eingelegten Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO handelt es sich nicht um eine tatrichterliche Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung. Deshalb ist hier bei der Bestimmung des Beginns der sog. Vorlaufzeit des § 56f Abs. 1 Satz 2 StGB auf den Erlass des Urteils erster Instanz abzustellen.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Lüneburg, auswärtige Strafvollstreckungskammer mit Sitz in Celle, vom 12.05.2017 wird verworfen.

Der Verurteilte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 473 Abs. 1 StPO).

Gründe

I.

Das Amtsgericht Oldenburg i.H., Az. 7 Ds 732 Js 33821/14 Hw (357/14), hat den Verurteilten am 14.04.2015 wegen einer am 23.05.2014 im alkoholisierten Zustand begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Verurteilten hat das Landgericht Lübeck mit Urteil vom 09.05.2016 nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen. Rechtskraft dieses Urteils ist am 30.06.2016 eingetreten. Im Zeitraum zwischen der erstinstanzlichen Verurteilung und der Verwerfung seiner Berufung hat der Verurteilte weitere Straftaten verübt, für die er zwischenzeitlich rechtskräftig verurteilt wurde. Zum einen hat er am 14.04.2015 kurz nach der am gleichen Tage stattgefundenen erstinstanzlichen Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Oldenburg i.H. einen vorsätzlichen Eingriff in den Straßenverkehr, eine Nötigung sowie eine Beleidigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung begangen. Hierfür wurde er vom Amtsgericht Lüneburg (Az. 15 Ls 1107 Js 18772/15-26/15) am 14.01.2016 rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten verurteilt. Zum anderen hat ihn das Amtsgericht Lüneburg (Az. 13 Cs 6106 Js 33252/15-9/17) am 18.01.2017 wegen eines am 25.01.2016 begangenen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt.

Das Landgericht Lüneburg, auswärtige Strafvollstreckungskammer mit Sitz in Celle, hat die dem Verurteilten durch das Amtsgericht Oldenburg i.H. am 14.04.2015 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung mit dem angefochtenen Beschluss vom 12.05.2017 widerrufen (Az. 17a BRs 7/17). Zur Begründung hat die Strafvollstreckungskammer ausgeführt, der Verurteilte habe die mit der Strafaussetzung verbundene Erwartung, sich bereits die Verurteilung an sich als Warnung dienen zu lassen und keine neuen Straftaten zu begehen, im Hinblick auf die nach der Bewährungsverurteilung durch das Amtsgericht Oldenburg am 14.04.2015 und 25.01.2016 begangenen weiteren Straftaten nicht erfüllt. Zwar fielen diese Taten nicht in die Bewährungszeit. Denn diese habe erst nach Rechtskraft der Verurteilung durch das Amtsgericht Oldenburg i.H. zu laufen begonnen. Jedoch habe der Verurteilte die Taten innerhalb der sog. Vorlaufzeit des § 56f Abs. 1 Satz 2 StGB begangen. Deren Lauf habe nicht erst mit dem Verwerfungsurteil der Berufungskammer begonnen, sondern bereits mit der erstinstanzlichen Verurteilung am 14.04.2015. Der Widerruf der Strafaussetzung sei erforderlich, da eine Verlängerung der Bewährungszeit oder die Erteilung von Weisungen nicht ausreiche.

Mit seiner gegen den Widerrufsbeschluss gerichteten sofortigen Beschwerde beanstandet der Verurteilte, der Bewährungswiderruf sei ohne gesetzliche Grundlage erfolgt. Die Strafvollstreckungskammer sei unzutreffend davon ausgegangen, dass die sog. Vorlaufzeit des § 56f Abs. 1 Satz 2 StGB bereits mit der erstinstanzlichen Aussetzungsentscheidung des Amtsgerichts Oldenburg i.H. vom 14.04.2015 zu laufen begonnen habe. Maßgebend für den Fristbeginn sei vielmehr der Zeitpunkt der Verwerfung der Berufung des Verurteilten. Bei einer Vorverlagerung des Beginns der Vorlaufzeit auf den Zeitpunkt des Erlasses des in erster Instanz ergangenen Urteils würde der Verurteilte schlechter gestellt, als wenn es zur Durchführung der Berufung mit einem anschließenden Urteil der Berufungskammer gekommen wäre.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, führt aber in der Sache nicht zum Erfolg.

1.

Der angefochtene Beschluss über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts Oldenburg i.H. vom 14.05.2015 ist nicht zu beanstanden.

a)

Die formellen Voraussetzungen für den Bewährungswiderruf sind gegeben.

Zwar hat der Verurteilte die den o.g. Nachverurteilungen durch das Amtsgericht Lüneburg vom 14.01.2016 und 18.01.2017 zugrunde liegenden Straftaten nicht innerhalb der Bewährungszeit nach §§ 56f Abs. 1 Satz 1, 56a Abs. 2 StGB begangen. Jedoch fallen die Taten in den Zeitraum der sog. Vorlaufzeit des § 56f Abs. 1 Satz 2 StGB. Die Strafvollstreckungskammer ist zutreffend davon ausgegangen, dass diese bereits mit der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts Oldenburg i.H. am 14.05.2015 zu laufen begonnen hat. Der gegenteiligen Ansicht des Verurteilten, wonach stattdessen auf den Zeitpunkt der Verwerfung seiner gegen das Urteil der ersten Instanz gerichteten Berufung am 30.06.2016 abzustellen sei, vermag der Senat nicht zu folgen. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

Gemäß § 56f Abs. 1 Satz 2 StGB gilt die Vorschrift über den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung wegen in der Bewährungszeit begangener neuer Straftaten (§ 56f Abs. 1 Satz 1 StGB) entsprechend, wenn die Taten in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft begangen worden sind. Was mit dem Begriff "Entscheidung" gemeint ist, lässt sich dem Wortlaut des § 56f Abs. 1 Satz 2 StGB nicht entnehmen. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des OLG Hamburg, wonach die Vorschrift dahin auszulegen ist, dass mit "Entscheidung" die letzte tatrichterliche Entscheidung über eine Strafaussetzung gemeint ist und daher die sog. Vorlaufzeit mit deren Erlass beginnt. Dies ist bei der Berufung gegen eine erstinstanzliche Strafaussetzung das die Aussetzung bestätigende Berufungsurteil (vgl. OLG Hamburg NStZ-RR 2007, 198 [OLG Hamburg 19.02.2007 - 2 Ws 31/07]).

Indes ist die Frage, worauf bzgl. des Beginns der sog. Vorlaufzeit abzustellen ist, wenn die Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen wird, in der veröffentlichten Rechtsprechung bislang nicht beantwortet worden. Auch aus der Kommentarliteratur ergeben sich keine entsprechenden Ansätze. Der Senat beantwortet die Frage dahin, dass in einer solchen Konstellation auf den Zeitpunkt des Erlasses des erstinstanzlichen Urteils abzustellen ist. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

aa)

Es erscheint bereits fraglich, ob die Verwerfung der Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil nach § 329 Abs. 1 StPO als eine "Entscheidung über die Aussetzung" i.S. von § 56f Abs. 1 Satz 2 StGB angesehen werden kann. Denn bei der Verwerfung einer nach § 329 Abs. 1 StPO unzulässigen Berufung trifft das Berufungsgericht - anders als in einem nach Durchführung der Berufung ergehenden Berufungsurteil - keine sachliche Entscheidung über die Gewährung einer Strafaussetzung.

bb)

Die vom Senat vorgenommene Interpretation steht mit der historischen Auslegung der Vorschrift des § 56f Abs. 1 Satz 2 StGB im Einklang.

Der Gesetzgeber wollte mit der mit dem 23. Strafrechtsänderungsgesetz vorgenommenen Änderung des Absatzes 1 des § 56f StGB a.F. eine Gesetzeslücke schließen. Diese bestand darin, dass nach der bis dahin geltenden Gesetzeslage nur innerhalb der Bewährungszeit begangene neue Straftaten Grundlage eines Bewährungswiderrufs sein konnten und Straftaten, die im Zeitraum nach der letzten tatrichterlichen Entscheidung über die Strafaussetzung bis zu deren Rechtskraft begangen wurden, bei der Frage eines Bewährungswiderrufs außer Betracht zu bleiben hatten. Dieser Umstand sollte durch den in Absatz 1 eingefügten Satz 2 behoben und damit sichergestellt werden, dass ein Bewährungswiderruf auch dann ausgesprochen werden kann, wenn der Verurteilte vor Beginn der Bewährungszeit, aber nach der Entscheidung über eine Strafaussetzung eine neue Straftat begangen hat. Der Gesetzgeber hat dabei ausdrücklich an die letzte tatrichterliche Verhandlung angeknüpft und die hierbei ergehende Entscheidung über eine Strafaussetzung als für den Beginn der sog. Vorlaufzeit des § 56f Abs. 1 Satz 2 StGB maßgebend angesehen (vgl. BT-Drs. 17/2720, S. 11, 17). Daraus lässt sich schließen, dass er für den Fall der Verwerfung der Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO eben nicht auf das Verwerfungsurteil des Berufungsgerichts abstellen wollte. Letzteres dürfte gleichermaßen für die Fälle der Rücknahme einer Berufung oder Revision gelten. Aus der Formulierung der Gesetzesbegründung "letzte tatrichterliche Verhandlung" kann vielmehr geschlossen werden, dass der Gesetzgeber die unterschiedlichen Folgen im Hinblick auf die Frage, ob bei nach einer erstinstanzlichen Bewährungsverurteilung und vor deren Rechtskraft begangenen neuen Straftaten ein Bewährungswiderruf nach § 56f Abs. 1 Satz 2 StGB erfolgen kann, hingenommen hat. Die unterschiedlichen Folgen bestehen darin, dass einerseits ein Bewährungswiderruf ausscheidet, wenn die Berufung durchgeführt wird und die erstinstanzliche Bewährungsentscheidung im Berufungsurteil wegen des aus § 331 Abs. 1 StPO folgenden Verschlechterungsverbots bestätigt wird, weil die sog. Vorlaufzeit erst mit dem Erlass des Berufungsurteils beginnt, während andererseits bei einer Berufungsverwerfung nach § 329 Abs. 1 StPO die nach dem erstinstanzlichen Bewährungsurteil begangenen neuen Taten wegen der Vorverlagerung des Beginns der sog. Vorlaufzeit auf den Zeitpunkt des Erlasses des Urteils der ersten Instanz Grundlage eines Bewährungswiderrufs nach § 56f Abs. 1 Satz 2 StGB sein können. Eine planwidrige, ausfüllungsbedürftige Regelungslücke vermag der Senat insoweit nicht zu erkennen.

cc)

Auch die teleologische Auslegung der Vorschrift des § 56f Abs. 1 Satz 2 StGB steht der vom Senat vorgenommenen Gesetzesinterpretation nicht entgegen.

Nach ihrem Sinn und Zweck ermöglicht die verfassungsrechtlich unbedenkliche Vorschrift (vgl. BVerfG NJW 1992, 2877) einen Bewährungswiderruf auch bei solchen Straftaten, die der Verurteilte nach der letzten tatrichterlichen Aussetzungsentscheidung und vor deren Rechtskraft begangen hat. Die damit einhergehende Gleichstellung der sog. Vorlaufzeit mit der Bewährungszeit untermauert die mit der tatrichterlichen Bewährungsentscheidung an den Verurteilten gestellte Erwartung, sich bereits die Bewährungsverurteilung an sich als Warnung dienen zu lassen und keine neuen Straftaten zu begehen. Ohne die Regelung der sog. Vorlaufzeit liefe diese Erwartung und die an den Verurteilten ergehende Belehrung über die Bedeutung der Strafaussetzung zur Bewährung jedenfalls für den Zeitraum nach der Aussetzungsentscheidung bis zu deren Rechtskraft ins Leere.

Durch die vom Senat für den Fall der Berufungsverwerfung nach § 329 Abs. 1 StPO angenommene Vorverlagerung des Beginns der sog. Vorlaufzeit auf den Zeitpunkt der erstinstanzlichen Aussetzungsentscheidung wird ein hiervon betroffener Verurteilter zwar in gewisser Weise demjenigen gegenüber benachteiligt, der seine eingelegte Berufung durchführt und bei dem die sog. Vorlaufzeit erst mit dem Erlass des die erstinstanzlich gewährte Strafaussetzung bestätigenden Berufungsurteils beginnt. Diese Benachteiligung erscheint indes nicht unbillig. Zum einen weiß auch der Verurteilte, dessen Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen wird, bereits nach Erlass der erstinstanzlichen Aussetzungsentscheidung aufgrund der ihm erteilten allgemeine Belehrung über die Bedeutung einer Strafaussetzung zur Bewährung, dass er sich zu bewähren hat und die Strafaussetzung an die Erwartung geknüpft ist, er werde künftig ein straffreies Leben führen (vgl. Groß in MüKo StGB Bd. 2, 3. Auflage, § 56f Rd. 19). Zum anderen hat auch der von einer Verwerfung seiner Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO betroffene Verurteilte, der im Zeitraum nach der erstinstanzlichen Bewährungsverurteilung bis zu deren Rechtskraft neue Straftaten begangen hat, gezeigt, dass die mit der Strafaussetzung an ihn gerichtete Erwartung, er werde sich künftig straffrei führen, nicht gerechtfertigt war. Insofern unterscheidet er sich nicht von einem Verurteilten, der erst nach Beginn der Bewährungszeit neue Straftaten begangen hat und bei dem dies zu einem Widerruf nach § 56f Abs. 1 Satz 1 StGB führen kann. Sowohl der Bewährungswiderruf wegen neuer Straftaten innerhalb der Bewährungszeit als auch der Bewährungswiderruf wegen in der sog. Vorlaufzeit begangener neuer Straftaten knüpfen inhaltlich an die enttäuschte Erwartung der Aussetzungsentscheidung an, der Verurteilte werde künftig keine neuen Straftaten mehr begehen.

Eine unbillige Benachteiligung ist zudem auch deshalb nicht gegeben, weil es der erstinstanzlich mit einer Bewährungsstrafe belegte Verurteilte selbst in der Hand hat, seine gegen das Bewährungsurteil erster Instanz eingelegte Berufung durchzuführen oder es zu ihrer Verwerfung nach § 329 Abs. 1 StPO kommen zu lassen. Lässt er Letzteres zu, hat er die damit verbundenen mittelbaren Folgen einschließlich der Möglichkeit eines Bewährungswiderrufs wegen im Zeitraum nach der erstinstanzlichen Verurteilung und bis zur Verwerfung seiner Berufung begangener neuer Taten selbst zu vertreten. Die gleiche Konstellation ist gegeben, wenn der erstinstanzlich Verurteilte seine Berufung zurücknimmt.

Hinzu kommt, dass sich die Folgen für einen Verurteilten, dessen Berufung gegen eine erstinstanzliche Bewährungsverurteilung nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen wird, nicht von jenen Folgen unterscheiden, die bei einem Verurteilten eintreten, dessen Revision gegen ein erstinstanzliches Bewährungsurteil als unzulässig verworfen wird. Auch in dieser Konstellation beginnt die sog. Vorlaufzeit des § 56f Abs. 1 Satz 2 StGB bereits mit dem Erlass des Urteils erster Instanz.

Schließlich ist mit in den Blick zu nehmen, dass auch bei einem Verurteilten, der seine Berufung gegen eine erstinstanzliche Bewährungsverurteilung durchführt, die von ihm nach dem Urteil erster Instanz und bis zum Berufungsurteil begangenen neuen Straftaten nicht gänzlich folgenlos bleiben müssen. Zwar ist das Berufungsgericht bei einer nur vom Verurteilten eingelegten Berufung wegen des aus § 331 Abs. 1 StPO folgenden Verböserungsverbots an die erstinstanzliche Bewährungsentscheidung gebunden und darf daher die neuen Straftaten insoweit nicht berücksichtigen. Auch kommt wegen der erst mit dem Erlass des Berufungsurteils beginnenden sog. Vorlaufzeit ein Bewährungswiderruf nach § 56f Abs. 1 Satz 2 StGB nicht in Betracht. Jedoch können die neuen Straftaten zum Gegenstand einer weiteren Anklage gegen den Verurteilten gemacht werden. Das für das neue Strafverfahren zuständige Tatgericht kann bei einer Aburteilung der neuen Taten im Rahmen einer ggf. zu treffenden Bewährungsentscheidung bei der Beurteilung der Legalprognose durchaus berücksichtigen, dass der Verurteilte die neuen Taten im Anschluss an seine erstinstanzliche Bewährungsverurteilung in dem vorausgegangenen Strafverfahren begangen hat. Waren die neuen Straftaten zum Zeitpunkt der im vorausgegangenen Strafverfahren ergangenen Berufungsentscheidung bereits rechtskräftig abgeurteilt, wären sie bei der nach § 55 StGB vorzunehmenden nachträglichen Gesamtstrafenbildung zu berücksichtigen. Diese könnte - ohne das ihr das Verböserungsverbot des § 331 Abs. 1 StPO entgegenstehen würde (vgl. BGHSt 7, 180), je nach Gewicht der neuen Straftaten und unter Berücksichtigung aller sonstigen maßgebenden Umstände zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung führen.

b)

Die aus § 56f Abs. 1 Satz 2 StGB folgenden materiellen Voraussetzungen für einen Widerruf der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe sind vorliegend gegeben. Die hierfür von der Strafvollstreckungskammer dargelegten Erwägungen treffen zu. Der Senat schließt sich ihnen an.

2.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

3.

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 304 Abs. 4 Satz 1).