Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 26.06.2017, Az.: 2 Ws 133/17

Berücksichtigung der Zeit einstweiliger Unterbringung bei der Berechnung der Dauer der Unterbringung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
26.06.2017
Aktenzeichen
2 Ws 133/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 35930
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 31.05.2017 - AZ: 161 StVK 12/17

Fundstelle

  • StV 2018, 376

Amtlicher Leitsatz

1. In die Berechnung der Dauer der Unterbringung fließt die Zeit, die der Untergebrachte aufgrund eines Unterbringungsbefehls vorläufig im Maßregelvollzug verbracht hat, nicht ein. Wie bei der Berechnung der Überprüfungsfristen nach § 67e Abs. 2 StGB beginnt auch die Unterbringung im Sinne von § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB erst mit der tatsächlichen Aufnahme des Verurteilten im Maßregelvollzug.

2. Die Störung des öffentlichen Friedens durch die öffentliche Ankündigung eines Amoklaufes in einer Schule stellt eine erhebliche rechtswidrige Tat dar, durch welche die Opfer in die Gefahr einer schweren seelischen Schädigung gebracht werden.

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Lüneburg wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg vom 31. Mai 2017 aufgehoben.

Die Fortdauer der Maßregel wird angeordnet.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Untergebrachte.

Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).

Gründe

I.

Die 1. große Jugendkammer des Landgerichts Lüneburg verurteilte den Untergebrachten am 04. Dezember 2007 wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten und ordnete seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Der Untergebrachte befand sich in diesem Verfahren bereits seit dem 24. Mai 2007 aufgrund eines Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts Lüneburg vom selben Tage nach § 126a StPO im Maßregelvollzug. Das Urteil ist seit dem 31.01.2008 rechtskräftig.

Der Verurteilung liegen zusammengefasst die beiden folgenden Taten zu Grunde:

1.) Am 12. Dezember 2006 verfasste der Angeklagte unter einem Pseudonym in einem allgemein zugänglichen Internetforum einen frei einsehbaren Eintrag, in welchem er für den 12. Dezember 2006 einen Anschlag auf das J. in L. unter Verwendung einer selbst gebastelten Rohrbombe, deren Bauanleitung er beifügte, ankündigte, wobei er diese Drohung einige Stunden später wiederholte. Der Angeklagte rechnete damit, dass seine Drohungen von den anderen Nutzern des Forums ernst genommen und die Polizei informiert werden würde. Auch ging er davon aus, dass es zur Vorbereitung bzw. Durchführung von Evakuierungsmaßnahmen am J. kommen würde, was tatsächlich nicht der Fall war.

2.) Am 23. Mai 2007 schickte der Angeklagte einen von ihm selbst manipulierten Screenshot an einen Channel-Moderatoren. Dieser hatte folgenden Inhalt:

"Morgen wird es am J. in L. ein geiles Blutbad geben! Ich werde jedem dieser armseligen Lehrer und Schüler einzeln ein Loch in ihre hässlichen Köpfe schießen!!!!!!!! Und zusehen wie sie verbluten!!!! Der Amoklauf von Amerika wird gegen das was ich vorhabe ein kleiner lachhafter Witz sein! Es wird unzählige Tote geben!!!!!!!!"

Dabei war ihm bewusst, dass die Polizei ihrerseits die Drohung ernst nehmen und in Anbetracht der kurzen Frist bis zur angekündigten Tat entsprechende Schutzmaßnahmen bis hin zur Evakuierung der bedrohten Schule würde ergreifen müssen. Dies war ihm aufgrund seiner narzisstisch geprägten Persönlichkeit recht, weil er auf diese Weise im Mittelpunkt stand. Dass er durch sein Tun bei vielen Betroffenen möglicherweise Todesängste auslösen könnte, spielte in seinem ichbezogenen Bewusstsein keine Rolle. Eine Verwirklichung der Ankündigung beabsichtigte er jedoch nicht. Der Adressat der Nachricht informierte die Polizei, die aufgrund der übermittelten IP-Adresse den Angeklagten ermitteln konnte, so dass es nicht zu einer bereits beabsichtigten Evakuierung der Schule kam.

Nach dem im Erkenntnisverfahren eingeholten Sachverständigengutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. R., dem sich die Jugendkammer angeschlossen hat, litt der Untergebrachte zum Zeitpunkt der Taten unter einer paranoiden Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F 60.0). Ausdruck dieses Krankheitsbildes seien unter anderem Größen- und Kontrollwahn sowie die Konstruktion irrealer bzw. das Aufbauschen realer Verfolgung- oder Bedrohungsszenarien ebenso wie das Bestreben, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Die Taten seien Folge dieser Erkrankung, weshalb der Angeklagte in beiden Fällen lediglich vermindert schuldfähig gewesen sei.

Zuvor war der Untergebrachte am 13. Januar 2003 bereits durch das Landgericht Stade wegen übler Nachrede, Beleidigung in Tateinheit mit versuchter Nötigung, Vortäuschens einer Straftat in 4 Fällen, davon in 3 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, einer weiteren Urkundenfälschung sowie wegen Störung des öffentlichen Friedens in Tateinheit mit Bedrohung verurteilt worden. Diesem Urteil lag unter anderem eine Ankündigung des Angeklagten in einem Internetforum zu Grunde, in der er für den Folgetag einen Amoklauf an einem S. Gymnasium in Aussicht stellte. Gegen ihn wurde durch das Landgericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, deren Vollstreckung jedoch zur Bewährung ausgesetzt. Von der Verhängung einer Jugendstrafe hat die Kammer gemäß § 5 Abs. 3 JGG abgesehen. Die gleichzeitig angeordnete Führungsaufsicht wurde mit Beschluss vom 12. Januar 2006 für erledigt erklärt.

Die Unterbringung im Maßregelvollzug wird in der Psychiatrischen Klinik L. vollstreckt, wobei die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg bislang gemäß § 67e Abs. 2 StGB im jährlichen Abstand die Fortdauer der Unterbringung angeordnet hat. Im bisherigen Verlauf der Maßregelvollstreckung hat die Strafstreckungskammer bislang ein externes psychiatrisches Sachverständigengutachten eingeholt, das der Sachverständige Dr. L. am 15. April 2014 erstattet hat. Danach bestand im Begutachtungszeitpunkt in der Person des Untergebrachten die Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F 61.0). Bei dem Untergebrachten bestehe unter Anwendung des Prognose-Instruments VRAG innerhalb der nächsten 7 Jahre eine Rückfallwahrscheinlichkeit von 44 %, wobei es nach Auffassung des Sachverständigen durchaus wahrscheinlich sei, dass der Untergebrachte dazu neigen könnte, seine Drohungen auch zu realisieren, wenn er durch die Drohungen sein eigentliches Ziel nicht mehr erreichen könne.

Der Untergebrachte lebt seit dem 26. Juni 2014 in der offen geführten Wohngemeinschaft auf dem offenen Klinikgelände und hat sämtliche Lockerungen einschließlich Urlaub bisher beanstandungsfrei absolviert. Nachdem er zwischenzeitlich sein Abitur mit der Note 1,5 bestanden hat, studiert er seit Oktober 2016 an der Universität H. Wirtschaftsmathematik. Ein beabsichtigtes Probewohnen in einer psychiatrischen Nachsorgeeinrichtung in Hamburg hat bisher auch aufgrund des teilweise wenig kooperativen Verhaltens des Untergebrachten nicht stattgefunden. Dennoch hat die Psychiatrische Klinik L. in ihrer Stellungnahme vom 21. Februar 2017 die Auffassung vertreten, dass zwar psychische Krisen in Zeiten kritischer Lebensereignisse durchaus zu erwarten seien, der Untergebrachte aber gelernt habe, bei auftretenden Schwierigkeiten und Konflikten in Interaktionen angemessene Umgangsweisen zu finden. Ergänzend hat die Klinik ausgeführt, dass aus ärztlich-psychotherapeutischer Sicht keine erheblichen Bedenken gegen eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung bestünden.

Aufgrund dieser Einschätzung hat die Strafvollstreckungskammer zur Vorbereitung ihrer Entscheidung erneut ein externes psychiatrisches Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Dieses hat der Sachverständige Dr. F. am 17. Mai 2017 schriftlich erstattet und darin ebenfalls eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit schizoiden und narzisstischen Anteilen in der Person des Untergebrachten diagnostiziert. Prognostisch hat der Sachverständige ausgeführt, dass es nach den vorliegenden Daten nicht zu hands on Delikten gekommen sei, so dass auch für die Zukunft im ungünstigsten Fall "nur" mit erneuten Drohungen, wie verurteilt, gerechnet werden müsse; dass es zur Ausführung angedrohter Tätigkeiten komme, erscheine wenig wahrscheinlich. Ergänzend hat der Sachverständige ausgeführt, dass es notwendig sei, vor einer Aussetzung der Maßregel zur Bewährung einen tragfähigen behandlerischen Kontakt zu etablieren bzw. zu vertiefen, damit der Untergebrachte für den Fall erneuter kognitiver Verzerrungen in Krisensituationen ein Korrektiv zur Verfügung habe, auf das er zurückgreifen könne. Ferner kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass vor einer bedingten Entlassung aus dem Maßregelvollzug ein Probewohnen in einer therapeutischen Wohneinrichtung erfolgreich absolviert worden sein sollte.

Die Kammer hat den Untergebrachten am 31. Mai 2017 mündlich angehört und mit Beschluss vom selben Tag die Reststrafe sowie den Vollzug der Maßregel mit Ablauf des 31.08.2017 zur Bewährung ausgesetzt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass sowohl das PKL als auch der Sachverständige davon ausgehen würden, dass von dem Untergebrachten keine erheblichen rechtswidrigen Taten drohen. Dieser Auffassung hat sich die Kammer angeschlossen. Insbesondere liege die Voraussetzung des § 67d Abs. 6 StGB, wonach die Gefahr bestehen muss, dass der Verurteilte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden, nach Auffassung der Kammer nicht vor. Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Verurteilte weitere Straftaten ankündigen oder sich selbst angeblich bereits begangener Straftaten bezichtigen werde. Opfer derartiger Straftaten seien jedoch lediglich die Strafverfolgungsbehörden, bei denen die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung auszuschließen sei. Der Verurteilte selbst wünsche die Fortdauer der Maßregel.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der sofortigen Beschwerde, in der sie die Auffassung vertritt, dass die Gefahr, die zur Anordnung der Unterbringung geführt hat, unverändert fortbestehe, weshalb trotz des eingetretenen Zeitablaufs eine Aussetzung des weiteren Vollzugs der Maßregel zur Bewährung nicht in Betracht kommen könne. Es sei vielmehr erforderlich, den Untergebrachten zunächst im Rahmen weiterer Lockerungen in eine Wohngemeinschaft und in ein ambulantes Therapie-Setting zu vermitteln und dort zu erproben, ehe eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung in Betracht kommen könne.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Beschluss vom 31. Mai 2017 aufzuheben und die Fortdauer der Vollstreckung der Maßregel anzuordnen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig und begründet.

Der angefochtene Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 31. Mai 2017 hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1)

Zwar hat die Kammer die Maßregel zu Recht nicht gemäß § 67d Abs. 6 StGB für erledigt erklärt. Die Fortdauer der Unterbringung ist nicht unverhältnismäßig.

Durch das "Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften" vom 8. Juli 2016 (Bundesgesetzblatt I 1610) wurde die Vorschrift des § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB um das Wort "erheblichen" ergänzt. Zugleich wurde die Vorschrift des § 67d Abs. 6 um die Sätze 2 und 3 erweitert. Die Intention des Gesetzgebers bei der Novellierung des Gesetzes bestand darin, angesichts steigender Zahlen von in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachten Personen die Anordnungsvoraussetzungen in § 63 StGB auf gravierende Fälle zu fokussieren und eine zeitliche Begrenzung der Unterbringung bei weniger schwerwiegenden Gefahren durch eine Konkretisierung der Anforderungen an die Fortdauer der Unterbringung über sechs und zehn Jahre hinaus (§ 67d Absatz 6 StGB) zu schaffen.

a) Der insoweit anzulegende Prüfungsmaßstab richtet sich vorliegend nach § 67d Abs. 6 Satz 2. Zwar befindet sich der Untergebrachte aufgrund des Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts Lüneburg bereits seit dem 24.05.2007 im Maßregelvollzug. In die Berechnung der Dauer der Unterbringung fließt die Zeit, die der Untergebrachte aufgrund eines Unterbringungsbefehls vorläufig im Maßregelvollzug verbracht hat, jedoch nicht ein. Wie bei der Berechnung der Überprüfungsfristen nach § 67e Abs. 2 StGB (vgl. dazu OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09. April 1992 - 2 Ws 48/92 -, juris), beginnt auch die Unterbringung im Sinne von § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB erst mit der tatsächlichen Aufnahme des Verurteilten im Maßregelvollzug und damit vorliegend mit Rechtskraft des Urteils. Es ist nicht erkennbar, warum bei der Berechnung der Fristen des § 67d Abs. 6 StGB andere Regelungen gelten sollten als bei den Fristen des § 67e StGB. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber eine abweichende Regelung treffen wollte. Auch der Sinn der Regelung spricht für eine gleichlaufende Auslegung, da langfristige therapeutische Maßnahmen erst mit Rechtskraft des Urteils eingeleitet werden können. Die Rechtskraft ist hier am 31. Januar 2008 eingetreten, so dass sich der Untergebrachte mittlerweile seit etwas mehr als neun Jahren im Maßregelvollzug befindet.

b) Unter Zugrundelegung der seit dem 01. August 2016 geltenden Neuregelung des § 67d Abs. 6 Satz 2 ist eine Unterbringung, die bereits sechs Jahre andauert, in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Danach besteht angesichts der Dauer der Unterbringung eine Regelvermutung für die Unverhältnismäßigkeit der weiteren Vollstreckung, die nur dann widerlegt werden kann, wenn die in § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB aufgeführten Voraussetzungen gegeben sind. Die Fortdauer der Maßregel hängt danach von einer negativen Prognose im dort beschriebenen Sinne ab. Es muss also, um die Regelvermutung der Unverhältnismäßigkeit zu widerlegen, konkret festgestellt werden, dass in der Person des Untergebrachten eine ungünstige Prognose für die Begehung der in der Vorschrift näher bezeichneten Taten besteht.

Vorliegend ist diese gesetzliche Regelvermutung zu widerlegen.

aa)

Von dem Untergebrachten geht weiterhin die Gefahr der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten aus.

Zur Frage der Erheblichkeit hat der Gesetzgeber in der Begründung des Gesetzesentwurfs (BT-Drucksache 18/7244, S. 17) folgendes ausgeführt:

"Eine Straftat von erheblicher Bedeutung liegt nach der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Konkretisierung allgemein dann vor, wenn sie mindestens der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2013, 2 BvR 298/12, bei juris Rn. 21 = R&P 2014, 31; BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013, 4 StR 168/13, bei juris Rn. 43 = NJW 2013, 3383; Fischer, a. a. O., Rn. 16; alle mit weiteren Nachweisen). Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, sind dabei nicht mehr "ohne Weiteres" dem Bereich der Straftaten von erheblicher Bedeutung zuzurechnen (BVerfG, BGH, beide a. a. O.). Generell ist auf die konkreten Umstände und Besonderheiten des Einzelfalls und die konkrete Art der zu erwartenden Tatbestandsverwirklichung abzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2001, 4 StR 538/00 = StV 2002, 477).

Der Sachverständige Dr. F. hat in seinem überzeugenden Gutachten ausgeführt, dass zu erwarten ist, dass der Untergebrachte im Falle seiner Entlassung aus dem Maßregelvollzug erneut Straftaten androhen wird, die mit denen vergleichbar sind, die zu seiner Verurteilung und seiner Unterbringung im Maßregelvollzug geführt haben. Die von dem Untergebrachten konkret zu erwartenden Straftaten stellen, wenn sie mit seinen bisherigen Taten vergleichbar sind, eine Störung des öffentlichen Friedens im Sinne von § 126 StGB dar und wären mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren zu ahnden. Damit unterfallen derartige Taten nicht per se dem Begriff der mittleren Kriminalität, so dass eine Gesamtabwägung zu erfolgen hat, ob erhebliche rechtswidrige Taten durch den Untergebrachten drohen.

Diese Abwägung hat sich nach dem Willen des Gesetzgebers konkret darauf zu erstrecken, ob und welche rechtswidrige Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit und Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Dabei ist die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr hinreichend zu konkretisieren; die Art und der Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten sind zu bestimmen, da die bloße Möglichkeit die weitere Maßregelvollstreckung nicht rechtfertigt. Zu erwägen sind insbesondere das frühere Verhalten des Untergebrachten und die bislang von ihm begangenen Taten; abzuheben ist aber auch auf die seit der Anordnung der Maßregel veränderten Umstände, einschließlich für den Untergebrachten günstige Umstände, die für die künftige Entwicklung bestimmend sind (BT-Drucksache 18/7244, S. 29, 30).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe geht von dem Untergebrachten auch derzeit noch die Gefahr der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten aus. Die öffentliche Ankündigung eines Amoklaufes ist geeignet, sowohl bei dem jeweiligen Leser als auch erst recht bei den jeweiligen Adressaten, wie beispielsweise Schülern oder Anwohnern, die von der angekündigten Tat betroffen sein könnten, ganz erhebliche und andauernde Ängste auszulösen und das Vertrauen dieser Personen in die öffentliche Sicherheit nachhaltig zu beeinträchtigen. Hinzu kommt, dass es in der Vergangenheit infolge der Ankündigungen des Untergebrachten zwar nicht zu Evakuierungsmaßnahmen oder ähnlichen Maßnahmen der Polizei gekommen ist. Dieses hing jedoch nicht von dem Verhalten des Untergebrachten, sondern vielmehr allein vom Zufall bzw. den Ermittlungserfolgen der Polizei ab. Somit steht zu erwarten, dass derartige Polizeieinsätze bei erneuten Taten des Untergebrachten erforderlich werden und dadurch die Gefahr besteht, dass bei den konkret betroffenen Personen noch wesentlich tiefgreifendere, das weitere Leben beeinflussende Todesängste entstehen. Ferner richten sich derartige Ankündigungen an eine Vielzahl von Personen und damit potentiell Geschädigte. Da der Untergebrachte die beiden der Anlassverurteilung zugrunde liegenden Taten binnen weniger Monate begangen hat, ist zumindest im Falle des Eintritts einer psychischen Krisensituation auch eine schnelle Frequenz bei der Begehung entsprechender Taten zu erwarten. Zwar hat der Sachverständige Dr. F. die Rückfallwahrscheinlichkeit eher im unteren Bereich angesiedelt und zudem dargelegt, dass der Untergebrachte bis zu einem gewissen Grad gelernt habe, in Krisensituationen Gespräche einzufordern, um eigene kognitive Verzerrungen zu relativieren. Auch er hielt jedoch vor einer Entlassung zunächst weitere Lockerungen für erforderlich. In der Gesamtschau besteht daher ein hohes Maß an Gefährdung, zumal auch die Psychiatrische Klinik L. in ihrer Stellungnahme darlegt, dass der Untergebrachte in Kritik- oder Konfliktsituationen mit emotionaler Beteiligung die Kompetenzen einer angemessenen Realitätseinschätzung nicht mehr umsetzen könne und dann dazu neige, mit impulsiven Handlungsentscheidungen zu reagieren. Es handelt sich daher bei den von dem Untergebrachten konkret zu erwartenden Taten um auch im Einzelfall erhebliche Taten im Sinne von § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB.

Diese Bewertung wird durch die in den Gesetzgebungsmaterialien aufgeführten Beispiele gestützt: Danach können auch Todesdrohungen nach § 241 StGB dann erhebliche Straftaten darstellen, wenn sie geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsbedürfnis zu beeinträchtigen (BT-Drucksache 18/7244, S. 19).

bb)

Durch die von dem Untergebrachten zu erwartenden erheblichen Taten werden die Opfer auch in die Gefahr einer schweren seelischen Schädigung gebracht.

Bei der insoweit vorzunehmenden Prüfung hat der Senat nicht verkannt, dass in der Vergangenheit trotz der erfolgten Ankündigungen eines Amoklaufes im Ergebnis keine Evakuierungsmaßnahmen seitens der Behörden getroffen werden mussten.

Das Landgericht Lüneburg hat in seinem Urteil vom 04. Dezember 2007 jedoch ebenfalls festgestellt, dass es in dem ichbezogenen Bewusstsein des Untergebrachten keine Rolle gespielt habe, dass er durch sein Tun bei vielen Betroffenen möglicherweise Todesängste auslösen könnte. Diese im Erkenntnisverfahren gewonnene Einschätzung gilt auch nach der inzwischen mehr als 9-jährigen Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus aufgrund der bei dem Untergebrachten fortbestehenden Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit schizoiden und narzisstischen Anteilen fort. Er ist auch weiterhin nicht in der Lage, das Ausmaß seiner Taten realistisch einzuschätzen, sodass insoweit kein Kontrollmechanismus besteht. Wenn der Untergebrachte in Zukunft Zurückweisung und Ablehnung erfahren sollte, besteht auch nach der Einfahrtschätzung des Sachverständigen Dr. F, daher die Gefahr, dass es zur Abwehr mit Wut und Aggressionen und daraus resultierenden erneuten Tatankündigungen kommen wird. Die daraus resultierenden Todesängste, also die Angst um das höchste Rechtsgut, nämlich das eigene Leben, begründen wegen der damit verbundenen Gefahr einer Traumatisierung der betroffenen Opfer die Gefahr einer schweren seelischen Schädigung bei den Opfern.

Nach alledem ist dem Untergebrachten auch derzeit noch eine negative Prognose i. S. d. § 67 d Abs. 6 Satz 2 StGB zu stellen.

2)

Eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung gemäß § 67d Abs. 2 StGB kann entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer derzeit ebenfalls noch nicht verantwortet werden. Zwar besteht zwischen der Regelung in § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB einerseits und in § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB andererseits, ein abgestuftes Nebeneinander. Auch wenn das Gericht im Rahmen der nach § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB geregelten Überprüfungen nach sechs Jahren Vollstreckungsdauer zu dem Ergebnis kommt, dass von dem Untergebrachten weiterhin solche Taten drohen, die es auch nach diesen neuen Maßstäben rechtfertigen, die Unterbringung nicht für erledigt zu erklären, schließt eine solche Feststellung nicht notwendig die Erwartung aus, dass es unter Bewährungsdruck nicht mehr zu derartigen Straftaten kommen werde (BT-Drucksache 18/7244, S. 30).

Von dem Untergebrachten geht jedoch, wie bereits dargelegt, auch weiterhin die Gefahr der Begehung erheblicher Straftaten aus. Auch insoweit ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlich erzwungener Freiheitsbeschränkungen zu berücksichtigen. Dieser zwingt dazu, die Unterbringung eines Täters nur so lange zu vollstrecken, wie der Zweck der Maßregel es unabweisbar erfordert und weniger belastende Maßnahmen nicht genügen (vgl. BVerfG Beschluss vom 04. Oktober 2012 - 2 BvR 442/12 = NStZ-RR 2013, 72; Beschluss vom 27. März 2012 - 2 BvR 2258/09 = NJW 2012, 1784). Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert, umso strenger sind die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzuges (vgl. BVerfG a. a. O.). Dabei ist die mögliche Gefährdung der Allgemeinheit zur Dauer des Freiheitsentzugs in Beziehung zu setzen.

Zwar übersteigt die Dauer des Freiheitsentzuges des Untergebrachten die verhängte Begleitstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten Freiheitsstrafe inzwischen um mehr als das 6-fache. Zudem sind durch die Anlasstaten keine Personen zu Schaden gekommen. Vor dem Hintergrund des nach wie vor hohen und unkontrollierbaren Risikos, dass von dem Untergebrachten aufgrund seiner Erkrankung ausgeht und des erheblichen Gewichtes der bedrohten Rechtsgüter, nämlich der langfristigen seelischen Schädigung einer unkalkulierbaren Vielzahl von Personen, führt die Abwägung jedoch derzeit noch zu dem Ergebnis, dass die Fortdauer der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus verhältnismäßig ist, und der bestehenden Gefahr auch nicht mit entsprechenden Weisungen im Rahmen eines Bewährungsbeschlusses entgegengewirkt werden kann. Ebenso wie der Sachverständige Dr. F. in seinem Gutachten erachtet es auch der Senat vielmehr für erforderlich, dass der Untergebrachte vor einer Aussetzung der Maßregel zur Bewährung ein Probewohnen in einer therapeutischen Nachsorgeeinrichtung erfolgreich absolviert und ein Netzwerk aus Bezugsperson außerhalb des Maßregelvollzugs zur Bewältigung von Krisensituationen installiert wird. Ohne eine solche weitergehende Erprobung lässt die fortbestehende Gefahr in der Person des Untergebrachten eine Aussetzung zur Bewährung noch nicht zu, wobei dem Senat durchaus bewusst ist, dass der zu Grunde zu legende Prüfungsmaßstab sich im nächsten Jahr - nach Ablauf von 10 Jahren - weiter verschärfen wird.

Insgesamt liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung nach § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB derzeit noch nicht vor.

III.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt in entsprechender Anwendung von § 465 Abs. 1 StPO der Untergebrachte. Gesichtspunkte der Billigkeit stehen nicht entgegen.