Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 17.03.2005, Az.: 9 A 1828/04
Altersernte; angemessene Heizkosten; angemessene Wohnfläche; Angemessenheit; Aufwendungen; Bedarf; bedarfsorientierte Grundsicherung; billiges Ermessen; Erdgas; Erledigung der Hauptsache; Gasheizung; Grundsicherung; Heizkosten; Heizkostenabschlag; Kostenaufhebung; laufende Leistungen; Preissteigerung; Preissteigerung; Schwerbehinderung; Unterkunft; Wohnbedürfnisse; Wohnfläche; Ökosteuer
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 17.03.2005
- Aktenzeichen
- 9 A 1828/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 50646
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs 1 Nr 2 GSiG
- § 161 Abs 2 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die allgemeine Preissteigerung für Erdgas seit dem 01.01.2003 rechtfertigt die Anerkennung angemessener Heizkosten in Höhe von 1,25 Euro pro Quadratmeter angemessener Wohnfläche.
Gründe
Mit der Klage hat die Klägerin, die ihren Lebensunterhalt im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.03.2003 bis zum 30.06.2004 aus dem Bezug einer Altersrente und laufenden Leistungen nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsgesetz, zukünftig abgekürzt GSiG) gedeckt hat, die Übernahme weiterer Heizkosten im Wege der laufenden Leistungen der Grundsicherung begehrt.
Die (B.)1929 geborene Klägerin ist zu 100 % schwerbehindert und verfügt über einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen G. Sie bewohnt nach dem Tod ihres Lebensgefährten mietfrei ein Fertighaus in (C.) mit einer Wohnfläche von ca. 70 m². Das Haus verfügt über eine Gasheizung. Die Warmwasserzubereitung und Kochfeuerung erfolgen durch Stromenergie.
Nach Vorlage der Jahresverbrauchsabrechnung der Stadtwerke (C.) für Strom und Erdgas vom 02.05.2003 berechnete die Namens und im Auftrag der Beklagten handelnde Stadt (C.) (D.), die der Klägerin im Zeitraum vom 01.01.2003 bis 30.06.2004 zustehenden Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz neu.
Mit Bescheid vom 06.11.2003 gewährte die Stadt (C.) (D.) der Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2003 bis 30.06.2003 laufende Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 140,01 € und ab 01.07.2003 bis 30.06.2004 in Höhe von monatlich 141,50 €. Der Berechnung der Leistungen legte die Stadt (C.) (D.) monatliche Heizkosten in Höhe von 50,00 Euro zugrunde.
Gegen den Bescheid erhob der Betreuer der Klägerin unter dem 10.11.2003 Widerspruch und führte zur Begründung unter anderem aus, die Stadt (C.) sei zur Übernahme der sich aus der Jahresverbrauchsabrechnung der Stadtwerke (C.) ergebenden tatsächlichen Heizkostenabschläge von monatlich 109,00 Euro verpflichtet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, nach den Ausführungsbestimmungen zum Grundsicherungsgesetz des Niedersächsischen Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales vom 23.12.2002 (Niedersächsisches Ministerialblatt Nr. 7/2003, Seite 159 (hier zu § 3 Abs. 1 Nr. 2)) seien die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe als Bedarf zu berücksichtigen, soweit sie nach den örtlichen Verhältnissen, unter Berücksichtigung der alters- und behinderungsbedingten Wohnbedürfnisse des Personenkreises, angemessen seien. Das bedeute, dass sich die Angemessenheit der Heizkosten nach der angemessen Wohnungsgröße richte. Für einen 1-Personen-Haushalt sei eine Wohnungsgröße von 50 m² und ein Durchschnittspreis für Gasheizungen von 1,00 € je m² beheizbarer Wohnfläche angemessen. Dementsprechend könnten bei der Berechnung des Bedarfs der Klägerin nur Heizkosten in Höhe von 50,00 € monatlich berücksichtigt werden. Die von der Klägerin begehrten Mehrkosten könnten nicht übernommen werden.
Die Klägerin hat am 14.04.2004 Klage erhoben.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt.
Mit der Klage hatte die Klägerin ursprünglich beantragt,
1. den Bescheid der Stadt (C.) (D.) vom 06.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Region Hannover vom 17.03.2004 abzuändern,
2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin bedarfsorientierte Grundsicherung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für Heizkosten in Höhe von 109,00 € monatlich zu gewähren.
Die Beklagte hatte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hatte die Beklagte im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren wiederholt.
Im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens hat die Klägerin die weitere Jahresverbrauchsabrechnung der Stadtwerke (C.) (D.) für den (streitgegenständlichen) Zeitraum vom 03.05.2003 bis zum 10.05.2004 vorgelegt. Danach steht der Klägerin aus dem Abrechnungszeitraum ein Guthaben von 469,81 Euro zu und sie hat im Zeitraum ab 15.07.2004 Heizkostenabschläge in Höhe von (nur noch) monatlich 79,00 Euro zu zahlen. Aus den beiden Jahresverbrauchsabrechnungen der Stadtwerke (C.) ergaben sich gleichwohl deutliche Preissteigerungen für Erdgas und die Steigerungen des Brennstoffwertes, die das Gericht zum Anlass genommen hat, eine weitergehende Auskunft der Stadtwerke (C.) und weitere Mitteilungen des Bundesamtes für Statistik und des Energieversorgungsunternehmens, Energieversorgung Mittelrhein GmbH Koblenz zur Entwicklung der Erdgaspreise und der Brennstoffwerte für Erdgas beizuziehen.
Aus den Jahresverbrauchsabrechnungen der Stadt (C.) (D.) vom 16.06.2003 und 18.06.2004 und der weitergehenden Stellungnahme der Stadtwerke (C.) (D.) vom 14.03.2005 ergibt sich, dass sich die Erdgaspreise der Stadtwerke (C.) - Nettopreise ohne Mehrwertsteuer von 16 % - und der Brennwertfaktor seit 01.01.2002 wie folgt entwickelt haben:
Zeitraum
Brennwertfaktor
Arbeitspreis
Cent pro kWh
Dez 2002
9, 5530
3,00 €
ab 01.01.2003
9, 6580
3,202 €
ab 03.05.2003
9, 8180
3,552 €
ab 01.01.2004
9, 6400
3,552 €
Bei einem fiktiven Verbrauch von 1000 m³ /Jahr errechnet sich daraus im Zeitraum vom Dezember 2002 bis Juni 2004 folgende Preisentwicklung:
Zeitraum
fikt. Verbrauch
in m³
x Brennwertfakt.
x Einzelpreis
ct/kwh
Gesamtpreis
netto/Euro
Dez. 2002
1000
9, 5530
3, 000
286,59
ab 01.01.2003
1000
9, 6580
3, 202
309,25
ab 03.05.2003
1000
9, 8180
3, 552
348,73
ab 01.01.2004
1000
9, 6400
3, 552
342,73
Mittelwert
Steigerung seit Dez.2002
9, 7053
0,1523 = 1,59 %
3, 435
0.435 = 14,5 %
333,57
46,98 = 16,39 %
Das Statistischen Bundesamt hat in seiner Pressemitteilung vom 20.Oktober 2003 mitgeteilt, dass die Preissteigerung bei Erdgas im September 2003 gegenüber September 2002 bei plus 19,2 % lagen. Nach der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 24.03.2003 betrug die Preissteigerung im Januar 2003 gegenüber Dezember 2002 allein 8,5 %. Nach der Übersicht des Energieversorgungsunternehmens, Energieversorgung Mittelrhein GmbH Koblenz - EVM über die Entwicklung der Gaspreise in 35 Städten im Bundesgebiet im Zeitraum Oktober 2002 bis Oktober 2004, beträgt die Preissteigerung z.B. in Hannover 12,52 %, in Oldenburg 22,81 %, in Bremen 12,08 %, in Osnabrück 6,10 % und in Bonn 19,33 % . Im Bundesdurchschnitt liege die Preissteigerung bei 11,93 %.
Ausgehend davon hat das Gericht im Termin der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass der Klägerin gegenüber der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2003 bis 30.06.2004 ein Anspruch auf die Gewährung laufender Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz unter Berücksichtigung der Preissteigerungen für Gas in Höhe von 16,39 % zustehen dürfte. Werde die Preissteigerung bei dem bislang von dem Gericht als „angemessen“ erachteten Betrag von 1,07 €/m² angemessener Wohnfläche berücksichtigt, errechne sich ein Betrag von 1,245 € (gerundet 1,25 €/m²) je Quadratmeter angemessener Wohnfläche.
Zur Bestimmung der sozialhilferechtlich angemessenen Wohnfläche orientiert sich die Kammer in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Urteil vom 15.11.2001 - 9 A 4611/99 - m.w.N.) und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 92, 1 (3); 97, 110 (111 ff)) an den Kriterien der Förderwürdigkeit im sozialen Wohnungsbau (§§ 25, 29 II. Wohnbaugesetz - II. WoBauG -, Wohnungsbauförderungsbestimmungen des Landes Niedersachsen und den dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften. Bei einer infolge der Schwerbehinderung der Klägerin (Merkzeichen G) berücksichtigungsfähigen (angemessenen) Wohnfläche von 60 m² errechnen sich danach angemessene Heizkosten von monatlich 75,00 Euro. Dieser Betrag entspricht auch im wesentlichen dem seit dem 15.07.2004 von der Klägerin an die Stadtwerke Neustadt zu zahlenden Abschlagsbetrag für Gas von 79,00 Euro.
Aufgrund dieses rechtlichen Hinweises hat die Beklagte erklärt, dass sie dem Begehren der Klägerin teilweise abhelfe und der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2003 bis 30.06.2004, - unter Berücksichtigung der bereits gewährten Leistungen - laufende Leistungen der Grundsicherung unter Zugrundelegung tatsächlicher Heizkosten in Höhe von monatlich 75,00 EUR gewährt.
Im Anschluss daran haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
II. Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, denn die Beteiligten haben den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt; Zugleich entscheidet das Gericht gemäß § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO).
Billigem Ermessen im Sinne des § 161 Abs. 2 VwGO entspricht es regelmäßig, die Kosten des Verfahrens dem Beteiligten aufzuerlegen, der die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch zurechenbaren eigenen Willensentschluss herbeigeführt hat. „Flüchtet“ sich der Kläger in die Erledigungserklärung um eine Abweisung seiner (weitergehenden) Klage zu vermeiden, entspricht es unter Beachtung des Rechtsgedankens des § 155 Abs. 2 VwGO billigem Ermessen dem Kläger (insoweit) die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Ausgehend davon sind die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben, mit der Folge, dass jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Dies Kostenentscheidung entspricht billigem Ermessen, denn zum Einen hat die Beklagte dem Begehren der Klägerin (teilweise) entsprochen und dadurch die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache herbeigeführt. Und zum Anderen hat die Klägerin durch die daraufhin abgegebenen Erledigungserklärung einer offensichtlichen Abweisung ihres weitergehenden Klagebegehrens vorgegriffen.