Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 18.10.2013, Az.: 10 UF 178/13

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.10.2013
Aktenzeichen
10 UF 178/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 64312
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 07.06.2013 - AZ: 626 F 5141/11 SO
nachfolgend
BVerfG - 22.05.2014 - AZ: 1 BvR 3190/13

Tenor:

Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 7. Juni 2013 geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Beiden Kindeseltern wird die gesamte Personensorge für die betroffene A. P. einschließlich des Rechts zur Stellung von Anträgen auf Jugendhilfe entzogen; insoweit wird das Jugendamt der Stadt L. zum Ergänzungspfleger bestellt.

Die Vermögenssorge für A. P. im Übrigen wird dem Kindesvater allein übertragen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Kindesmutter zu tragen (§§ 81, 84
FamFG).

Der Verfahrenswert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.000 € festgesetzt (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG).

Gründe

I.

Die elterliche Sorge für die betroffene A. P. wurde aufgrund einer Sorgeerklärung von den Kindeseltern bislang insgesamt gemeinsam ausgeübt, mit denen A. zunächst auch in einem gemeinsamen Haushalt lebte. Seit der Trennung der Kindeseltern lebt A. im Haushalt der Kindesmutter.

Während danach zunächst bis jedenfalls Sommer 2007 ein unproblematischer Umgang zwischen A. und dem Kindesvater stattfand, kam es später zu wiederholten - auch gerichtlichen - Auseinandersetzungen bezüglich der elterlichen Sorge und des Umganges, wobei die Kindesmutter mit zunehmender Intensität einen Umgang A.s mit dem Kindesvater ablehnte und dabei wiederholt gegen verbindliche Umgangsregelungen verstieß.

Nach einer derartigen wiederholten Verweigerung des festgelegten Umgangs im September 2010 beantragte der Kindesvater die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Kindesmutter. Diese beantragte daraufhin im November 2010 unter Berufung auf einen für Ende Oktober 2010 im Rahmen eines Umgangskontaktes behaupteten „sexuellen Übergriff“ des Kindesvaters auf A., der diese „urplötzlich von hinten kommend an beide Brüste gefasst habe“, die Aussetzung des Umgangs zwischen A. und dem Kindesvater. Dieser betrieb seinerseits durch Selbstanzeige bei der örtlichen Staatsanwaltschaft eine gerichtliche Klärung dieses Vorwurfs eines Jugendschutzdeliktes und sah zum Schutz von A. von einer weiteren gerichtlichen Durchsetzung von Umgangskontakten in der Folgezeit ab. Gegenüber der Kinderklinik Au. hat A. selbst ausweislich des Abschlussberichtes vom 13. Oktober 2011 den von der Kindesmutter behaupteten „sexuellen Übergriff“ dahin geschildert, der Vater habe ihr das Tragen eines BH verboten und sie „im Trägerbereich angefasst, um dies zu kontrollieren“ [S. 1 = Bl. I 11 d.A.].

Bereits seit Oktober 2010 befand sich A. - aufgrund einer seit Sommer 2010 hervorgetretenen Problematik - mit Zustimmung des Kindesvaters in ambulanter Behandlung bei der Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Dr. med. S. Mitte 2011 ergaben sich erhebliche Probleme auch im Hinblick auf den regelmäßigen Schulbesuch sowie Suizidgedanken, die am 6. Juli 2011 zur stationären Aufnahme A.s in das Kinder- und Jugendkrankenhaus Au. führten, der durch den (erst nachträglich befragten) Kindesvater mitgetragen wurde. Dort wurden ein mittelgradige bis schwere depressive Episode sowie eine soziale Phobie diagnostiziert. Der stationäre Aufenthalt wurde am 4. September 2009 gegen ausdrücklichen ärztlichen Rat einseitig durch die Kindesmutter beendet. Vom 29. Juni bis 10. August 2012 nahm A. an einer von ihrer Hausärztin vermittelten stationären „Rehabilitationsmaßnahme“ in der Klinik S. in B. teil; dort fand allerdings keinerlei psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlung statt, die Berichte der Kinderklinik Au. oder der ambulant behandelnden Dr. S. waren dort nicht einmal bekannt.

Der Kindesvater hat nach dem eigenmächtigen Abbruch des stationären Aufenthalts A.s in der Kinderklinik Au. durch die Kindesmutter sowie nach Kenntnis von dem dortigen Entlassungsbericht vom 13. Oktober 2011 am 28. November 2011 das vorliegende Verfahren mit dem Antrag eingeleitet, der Kindesmutter „das Sorgerecht … zu entziehen“. Aufgrund des Entlassungsberichts befürchtete er im Falle eines Verbleibs A.s im mütterlichen Haushalt eine Kindeswohlgefährdung. Die Kindesmutter ist - ohne ihrerseits einen Sachantrag zu stellen - dem Antrag des Kindesvaters entgegengetreten.

Das Amtsgericht hat für A. einen Verfahrensbeistand bestellt, das örtliche Jugendamt beteiligt, verschiedene Auskünfte eingeholt sowie im Dezember 2011 und Juli 2012 sowie am 22. März 2013 die Beteiligten jeweils angehört. Es hat weiter ein schriftliches Sachverständigengutachten der Ärztin für Psychiatrie Dr. med. M. eingeholt, das diese am 3. Januar 2013 erstattet hat. An dem - insbesondere zur ergänzenden Anhörung der Sachverständigen auf die Einwendungen der Kindesmutter anberaumten - Termin am 22. März 2013 konnten krankheitsbedingt weder die Kindesmutter noch die Sachverständige erscheinen. Da bei letzterer von einem längerfristigen (und über das Ausscheiden des Amtsrichters hinausreichenden) Ausfall auszugehen war, wurde im Termin abgesprochen, dass das Amtsgericht entsprechend der (Mindest-) Empfehlung der Sachverständigen die Gesundheitssorge entziehen und auf einen Ergänzungspfleger zu übertragen beabsichtige und dem (im Termin anwesenden) Verfahrensbevollmächtigten diesbezüglich eine Stellungnahmefrist von drei Wochen gewährt.

Das Amtsgericht hat - nachdem eine Stellungnahme der Kindesmutter nicht erfolgt war - mit Beschluss vom 7. Juli 2013, auf den auch zur weiteren Sachverhaltsdarstellung ergänzend Bezug genommen wird, unter Zurückweisung des weitergehenden Antrages des Kindesvaters der Kindesmutter das Recht der Gesundheitssorge für A. entzogen und „im Einverständnis mit dem mitsorgeberechtigten Vater … die Gesundheitssorge einem Ergänzungspfleger übertragen“ sowie eine Ergänzungspflegerin bestimmt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Kindesmutter, die auch im Beschwerdeverfahren die vollständige Zurückweisung des Antrages des Kindesvaters begehrt. Sie nimmt weiterhin das Vorliegen von Gründen für einen Eingriff in ihre elterliche Sorge in Abrede, wiederholt ihre Angriffe gegen das Sachverständigengutachten und rügt, dass ihr das Amtsgericht keine Möglichkeit zur persönlichen Befragung der Sachverständigen gegeben habe.

Der Senat hat am 30. Juli 2013 einen umfassenden Anhörungstermin durchgeführt, in dessen Rahmen insbesondere auch die Sachverständige Dr. M. zur Erläuterung und Ergänzung ihres schriftlichen Gutachtens angehört worden ist und die Kindesmutter Gelegenheit zur weiteren (und zugleich abschließenden) Befragung erhielt. Insofern wird auf die den Beteiligten bereits zeitnah übermittelte Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Im Rahmen dieses Termins haben sich insbesondere die Sachverständige, der Verfahrensbeistand, das Jugendamt wie die bisherige Ergänzungspflegerin ausdrücklich dafür ausgesprochen, dass A. nicht weiter im mütterlichen Haushalt verbleiben solle, sondern vielmehr in einem gänzlich anderen setting professionelle Hilfe erhalten müsse. Soweit dies nicht von der Kindesmutter mitgetragen werden könne, müsse dieser insoweit die elterliche Sorge entzogen werden.

Der Kindesmutter ist vor allem im Hinblick auf den auch vom Senat unterstützten eindringlichen Appell sämtlicher „neutralen“ Verfahrensbeteiligten (Sachverständige, Verfahrensbeistand, Jugendamtsvertreter, Ergänzungspflegerin) an die Kindesmutter, eine zeitweilige stationäre Therapie A.s in einer geeigneten Einrichtung ihrerseits mitzutragen und dadurch deren Erfolgsaussichten zu vergrößern, eine abschließende Äußerung binnen zwei Wochen nachgelassen worden. Diese Frist ist ihr antragsgemäß noch verlängert worden.

Mit umfangreichem Schriftsatz vom 14. August 2013 hat die Kindesmutter erstmalig gegenüber dem (mit der Antragsschrift eingereichten) Bericht des Kinderkrankenhauses Au. vom 13. Oktober 2010 inhaltliche Einwendungen erhoben und erneute Angriffe und Fragen zum schriftlichen Gerichts-Sachverständigengutachten vom 3. Januar 2013 vorgebracht.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Kindesmutter kann mit ihrem ausdrücklichen petitum der Zurückweisung des erstinstanzlichen Antrages des Kindesvaters - also einer Wiederherstellung der uneingeschränkten gemeinsamen elterlichen Sorge durch die Kindeseltern - keinen Erfolg haben. Sie gibt vielmehr - da Gegenstand des Beschwerdeverfahrens die gerichtliche Regelung der elterlichen Sorge für die Betroffene insgesamt ist und insbesondere kein Verbot einer reformatio in peius besteht, worauf der Senat die Kindesmutter auch wiederholt ausdrücklich hingewiesen hat - Anlass zu dem aus dem Tenor ersichtlichen deutlich weitergehenden Eingriff in die elterliche Sorge.

1. Dabei gibt der Schriftsatz der Kindesmutter vom 14. August 2013 dem Senat keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen, einer erneuten Anhörung vor dem Senat oder gar einer erneuten Befragung der Sachverständigen:

a. Soweit sich die Kindesmutter nunmehr - erstmals im Beschwerdeverfah-
ren - gegen den im erstinstanzlichen Verfahren durchgängig sowie auch im Rahmen des Anhörungstermins vom 30. Juli 2013 thematisierten Gesichtspunkt der von der Kindesmutter seit 2007 zunehmend betriebenen Umgangsvereitelung wendet, steht dieser Gesichtspunkt nach dem Ergebnis der Anhörung vor dem Senat fest, ist für die vorliegende Entscheidung des Senates jedoch nicht für sich tragend. Insofern bedarf es auch keiner weiteren Erörterung, inwieweit die von der Kindesmutter dem Senat insofern vorgelegten zwei Bände von A.s Tagebüchern überhaupt verfahrensrechtlich verwertbar wären, woran allerdings erhebliche Zweifel bestehen.

b. Soweit die Kindesmutter - erstmals im gesamten Verfahren - den Abschlussbericht der Kinderklinik Au. vom 13. Oktober 2011 angreift, vermag sie inhaltlich nicht einmal ansatzweise Bedenken aufzuzeigen. Insbesondere stellt es den Abschlussbericht vom 13. Oktober 2011 in keiner Weise in Frage, wenn dort von einer mittelgradig bis schweren depressiven Episode ausgegangen wird, während in einem - ausdrücklichen - Zwischenbericht nur von einer mittelgradigen depressiven Episode die Rede ist. Immerhin liegt zwischen den beiden Berichten ein (weiterer) Monat des stationären Aufenthalts A.s in der Klinik, der schließlich auch nicht etwa durch einen fachgerechten Abschluss von Begutachtung und Therapie durch die Klinik, sondern vielmehr durch den eigenmächtigen Abbruch durch die (dazu gar nicht allein berechtigte) Kindesmutter beendet wurde. Angesichts der unstreitigen und von der Kindesmutter selbst vorgetragenen Tatsache, dass die Aufnahme A.s in der Klinik ausdrücklich gerade dadurch veranlasst war, dass diese seinerzeit krankheitsbedingt die Schule nicht besuchen konnte, was erst seit dem 19. September 2011 wieder erfolgte [Schriftsatz vom 28. November 2011 S. 1 = Bl. I 29 d.A.], sind 2013 verfasste Angaben eines Lehrers, dessen psychiatrische Fachkunde weder behauptet, dargelegt noch ersichtlich ist, offenkundig ungeeignet, die von einem Chef-, einem Oberarzt (die beide Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie sind) sowie einer Assistenzärztin nach zweimonatiger stationärer Behandlung abgefasste Befundung in Zweifel zu ziehen.

c. Die erneuten und wiederholenden Einwendungen gegenüber dem eingeholten Sachverständigengutachten stellen aus Sicht des Senates die entscheidungserheblichen sachverständigen Feststellungen - auch durch den Anwurf, „abwegig“ [S. 8 = Bl. II 288] oder „weinerlich jammernd“ [S. 10 = Bl. II 290] zu sein - nicht in Frage. Mit der der Kindesmutter im Anhörungstermin vor dem Senat ausführlichst eingeräumten Möglichkeit der persönlichen Befragung der Sachverständigen bis zur ausdrücklichen Erklärung, keine weiteren Fragen zu haben, ist das sich aus §§ 402, 397 Abs. 1 ZPO ergebende diesbezügliche Recht erschöpft.

d. Soweit die Kindesmutter schließlich offenbar meint, für ihre „Erziehungseignung“ komme es entscheidend etwa auf A.s „körperlichen Allgemeinzustand“ [S. 12 = Bl. II 292 d.a.] oder darauf an, dass sämtliche Vorsorgeuntersuchungen im Kleinkindalter durchgeführt worden seien [S. 11 = Bl. II 291 d.A.], liegen diese Ausführungen offenkundig neben der Sache.

2. Beide Elternteile sind derzeit zu einer am Kindeswohl orientierten Ausübung der Personensorge einschließlich des Antragsrechts für Jugendhilfemaßnahmen für ihre gemeinsame Tochter insgesamt außerstande, so dass insofern eine Entziehung der elterlichen Sorge erfolgen muss, die die entsprechende Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich macht. Dies gilt auch im Lichte der besonderen Anforderungen des - da vorliegend eine Trennung des Kindes von seinen Eltern in Rede steht - einschlägigen Art. 6 GG.

a. Eine weitere Ausübung der Personensorge durch die Kindesmutter ist ausgeschlossen, da sie zu einer akuten Gefährdung des Kindeswohles führen würde und diese durch mildere Mittel nicht abgewendet werden kann (§§ 1666, 1666a BGB).

aa. Eine akute Kindeswohlgefährdung steht fest aufgrund der Feststellungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen, der Ärztin für Psychiatrie Dr. med. M., die diese sowohl in ihrem erstinstanzlich erstatteten schriftlichen Gutachten vom 3. Januar 2013 (Bl. I 145 ff. d. A.) als auch im Rahmen ihrer ausführlichen ergänzenden Anhörung vor dem Senat im Termin vom 30. Juni 2013 - auch im Lichte der Angriffe durch die Kindesmutter - gut nachvollziehbar, plausibel und überzeugend dargelegt und erläutert hat. Der Senat schließt sich dieser sachverständigen Einschätzung in eigener Würdigung ausdrücklich an. Dabei hat sich die Sachverständige insbesondere im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vor dem Senat auch mit den schriftsätzlich vorgebrachten Einwendungen der Kindesmutter, die diese über ihren Verfahrensbevollmächtigten dieser auch persönlich entgegenhalten konnte, umfassend und überzeugend auseinandergesetzt.

Danach liegt zwischen der Kindesmutter und A. eine kindeswohlgefährdende symbiotische Beziehungsgestaltung vor, für die seitens der Kindesmutter nicht nur jegliches angemessenes Problembewusstsein sondern bereits die Wahrnehmung selbst fehlt (vgl. GA S. 13 = Bl. I 157 d.A.).

Entsprechende fundierte Feststellungen und Einschätzungen finden sich ausdrücklich bereits in den früheren fachärztlichen Stellungnahmen bezüglich der Betroffenen. So wird etwa im Bericht des Kinder- und Jugendkrankenhauses Au. vom 13. Oktober 2011 (S. 3 = Bl. I 13 d.A.) nach zweimonatigem stationären Aufenthalt im Hinblick auf die Beziehung zwischen Mutter und Tochter der Eindruck wiedergegeben, „dass es A. schwer haben könnte, sich eigenständig zu entwickeln und ihre eigene Identität zu formen“; die diesbezüglich dringend empfohlene „Vereinbarung einer freiwilligen vierzehntägigen Kontaktpause zu beiden Elternteilen zur autonomen Selbstorientierung und inneren Objektbildung der Patientin A.“ wurde dabei von der Kindesmutter tatsächlich dann jedoch nicht mitgetragen, führte vielmehr zur (ausdrücklichen ärztlichen Rat missachtenden und eigenmächtig ohne die rechtlich erforderliche Zustimmung des mitsorgeberechtigten Kindesvaters von ihr vorgenommenen) Beendigung der stationären Aufnahme.

Auch die A. langfristig behandelnde Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Dr. med. S. berichtet in ihrem Schreiben vom 2. März 2012 an das Gericht (S. 1 f. = Bl. I 72 f. d.A.) „Im Rahmen der ambulanten Behandlung erlebten wir A. in symbiotischer Verstrickung mit ihrer Mutter. Es scheint A. kaum möglich, eine eigene Identität zu formen“; sie empfiehlt insofern ausdrücklich „eine stationäre Behandlung … zu einer altersentsprechenden autonomen Selbstorientierung von A.“.

Bereits bestehende Persönlichkeitsbeeinträchtigungen bei A. ergeben sich im Übrigen aus der Notwendigkeit langfristiger ambulanter psychiatrisch/psychotherapeutischer Behandlung sowie der - trotz bereits längerfristig erfolgender ambulanter Therapie - Mitte 2011 entstandenen Notwendigkeit einer zweimonatigen stationären Behandlung anlässlich suizidaler Gedanken und einer mittelgradigen bis schweren depressiven Episode einhergehend mit längerer Unfähigkeit zum Schulbesuch. In der persönlichen Anhörung A.s durch den Senat hat sich zudem bestätigt, dass diese - ungeachtet überdurchschnittlicher Intelligenz sowie guter schulischer und außerschulischer Leistungen - erhebliche Defizite im sozialen Bereich aufweist. So weisen sämtliche der von ihr benannten vielfachen persönlichen Interessen und Hobbies eine rein individuelle und vereinzelte Ausübung ohne Bezug auf konkrete andere Beteiligte auf - von alterstypischen Freundschaften oder gemeinsamen mit Gleichaltrigen ausgeübten Freizeitbeschäftigungen vermochte sie nicht zu berichten. Entsprechende Beobachtungen finden sich auch in sämtlichen im Rahmen des Verfahrens bekannt gewordenen Schilderungen über A.

Die Sachverständige hat weiter überzeugend dargelegt, dass eine Fortdauer dieses symbiotischen Verhältnisses zur Mutter nicht nur für A. mit höchster Wahrscheinlichkeit erhebliche Persönlichkeitsstörungen zur Folge haben würde, sondern bereits die Behinderung der altersgerechten Identitätsbildung von A. gerade in ihrer gegenwärtigen entscheidenden Altersphase als akute Kindeswohlgefährdung verstanden werden muss. Dabei ist ausdrücklich anerkannt, dass im Fall einer krankhaften Eltern-Kind-Symbiose, die dem Kind keinen Raum für eigenständige gesunde Persönlichkeitsentwicklung lässt, das Aufbrechen der symbiotischen Abkapselung eine zwar schmerzhafte, aber langfristig für das Kind überwiegend förderliche Maßnahme darstellt (vgl. Staudinger-Coester, [2009] BGB § 1666 Rz. 148, 121 m.w.N.).

Damit steht die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu stellende Anforderung für eine Gefährdung des Kindeswohles [vgl. BGH - Beschluss vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 247/11 - FamRZ 2012, 99 ff. = MDR 2012, 99 f. = NJW 2012, 151 ff. Rz. 25 f. m.w.N.) fest.

bb. Unter den Umständen des vorliegenden Falles stehen auch keine milderen Mittel zur Abwendung dieser Kindeswohlgefährdung zur Verfügung (§ 1666a BGB), so dass die Entziehung der Personensorge zur Abwendung der Gefahr auch im Sinne der BGH-Rechtsprechung erforderlich ist (vgl. BGH, aaO Rz. 27 f.).

Eine verlässliche therapeutische Behandlung A.s insbesondere im Hinblick auf die symbiotische und ihre altersgerechte Entwicklung verhindernde Beziehung zur Kindesmutter kann ohne eine umfassende Entziehung der Personensorge gegenüber der Kindesmutter nicht erfolgen. Dies beruht bereits - wie von der Sachverständigen ausdrücklich festgestellt - auf seitens der Kindesmutter gänzlich fehlender Problemwahrnehmung und -einsicht, die - auch über die geraume Dauer des vorliegenden Verfahrens und ungeachtet der bereits oben wiedergegebenen Betonung der symbiotischen Problematik seitens sämtlicher mit der Therapie A.s längerfristig betrauten Fachleute - immer deutlicher zutage getreten ist und selbst im Rahmen des ausführlichen Anhörungstermines in keiner Weise auch nur ansatzweise überwunden werden konnte. Mittlerweile spricht die Kindesmutter in ihrer Stellungnahme vom 14. August 2013 sogar ausdrücklich davon, A. sei „angeblich krank“ [Bl. II 294 d.A.]. Die Kindesmutter hat durchgängig deutlich gemacht, dass sie lediglich an einer „Therapie“ A.s mitzuwirken bereit ist, die sich ausschließlich auf Auswirkungen (vermeintlicher) Fehler seitens des Kindesvaters beschränkt. Dies gipfelt in der im Schriftsatz vom 14. August 2013 enthaltenen Auffassung, „dass die psychische Behandlung (A.s) einzig und allein aufgrund des angespannten Verhältnisses zwischen (dem Kindesvater) und seiner Tochter entstanden ist“ [Bl. II 294 d.A.]. Soweit seitens der behandelnden Ärzte auch nur die bloße Möglichkeit von Problemfeldern aus dem Mutter-Tochter-Verhältnis angesprochen worden ist, sind die entsprechenden Behandlungen - sowohl in der Kinderklinik Au. als auch bei der Therapeutin Dr. S. - umgehend abgebrochen worden.

Das Verhalten der Kindesmutter gegenüber der erstinstanzlich beschränkt auf den Bereich der Gesundheitssorge bestellten Ergänzungspflegerin belegt im Übrigen, dass - entgegen der amtsgerichtlichen Hoffnung - auch eine derartige begrenzte Entziehung der elterlichen Sorge zur Gefahrabwendung hier nicht ausreichend ist. So hat die Kindesmutter - ungeachtet der gerichtlichen Entscheidung - bereits erneut eine nach den Erörterungen im Anhörungstermin vor dem Senat für die Problematik A.s ganz offenkundig ungeeignete Therapeutin - eine Diplom-Pädagogin, die über keinerlei ersichtliche oder belegte Qualifikation für die Therapie der hier in Rede stehenden Problematik aufweist - ausgewählt und hält ausweislich des Schriftsatzes vom 14. August 2013 [S. 16 = Bl. II 296 d.A.] an dieser Auswahl trotz der Erörterung im Anhörungstermin unbeirrt fest. Zudem hat die amtsgerichtlich für die Gesundheitssorge bestellte Ergänzungspflegerin im Rahmen der Anhörung dargestellt, dass sie bereits auf Grundlage der Reaktionen der Kindesmutter im Rahmen der erfolgten Erstkontakte eine erfolgreiche Etablierung einer im Sinne der sachverständigen Feststellungen gebotenen Therapie A.s für ausgeschlossen hält. Dem entspricht es schließlich, dass sich die Kindesmutter auch unter dem für alle (anderen) Anwesenden ganz eindeutigen Eindruck des Anhörungstermins sowie der ihr eingeräumten und noch einmal antragsgemäß verlängerten weiteren Überlegungsfrist nicht einmal ansatzweise zur Mitwirkung an einer am Wohle A.s orientierten Behandlung entschließen konnte. Vielmehr meint sie im Schriftsatz vom 14. August 2013 „feststellen“ zu müssen, „dass es wahrscheinlich der größte Fehler der Mutter gewesen ist, überhaupt therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, ohne zuvor die Übertragung des Sorgerechts auf sich selbst zu verlangen“ [Bl. II 294 d.A.].

cc. Die Entziehung der Personensorge ist schließlich auch im Sinne der BGH-Rechtsprechung geeignet (vgl. BGH aaO Rz. 29 f. m.w.N.). Sie ist namentlich nicht in dem Sinne ungeeignet, dass sie in der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung nicht zu einer Verbesserung der Situation des Kindes führen würde. A. befindet sich zwar in einem Alter, welches nach verschiedenen dem Senat aus entsprechenden Verfahren bekannten Sachverständigengutachten die Grenze für eine hinreichend erfolgversprechende Herausnahme eines Kindes bildet. Insofern ist zu dieser Frage die Sachverständige besonders intensiv befragt worden, zumal sich dem schriftlichen Gutachten vom Januar 2013 insofern noch keine hinreichend eindeutige Festlegung entnehmen ließ. Die Sachverständige hat allerdings - gerade auch in Ansehung der weiteren Entwicklung während des laufenden Verfahrens - ausgeführt, dass unter den Umständen des Streitfalles eine Herausnahme A.s aus dem mütterlichen Haushalt auch im Lichte einer derartigen Gesamtbetrachtung geboten sei. Sie hat dargetan, dass in einer entsprechend qualifizierten auswärtigen Einrichtung mit hoher Wahrscheinlichkeit ein therapeutischer Zugang zu A. gelingen werde; diese Wahrscheinlichkeit könne zwar durch eine ausdrückliche Unterstützung seitens der Kindesmutter, auf die auch der Senat bis zuletzt gehofft hatte, gesteigert werden, sei aber notfalls auch ohne diese noch hinreichend hoch. Demgegenüber sei bei einem alternativen Verbleib A.s im unveränderten bisherigen setting mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von weiteren erheblichen Persönlichkeitsstörungen A.s auszugehen. Selbst für den eher unwahrscheinlicheren Fall, dass A. sich auch in einer entsprechend qualifizierten Einrichtung der professionellen Hilfe bei der altersentsprechenden Ausbildung einer selbständigen Persönlichkeit entziehen sollte, ergebe sich aber jedenfalls für A. keine Situation, die schlechter als bei einem Absehen von Hilfeleistung sein könnte. Diese Einschätzung der Sachverständigen wird durch eine mit der Stellungnahme der Kindesmutter übermittelte Stellungnahme A.s unterstrichen, aus der diese von sich aus die Möglichkeit eines längeren Auslandsaufenthaltes ins Gespräch bringt. Auch wenn eine derartige Maßnahme nicht die vorliegend gebotene therapeutische Begleitung A.s sicherstellen kann und insofern keine gangbare Alternative darstellt, wird dabei aber jedenfalls deutlich, dass sich A. selbst auch eine längere und konsequente Trennung von der Kindesmutter durchaus vorstellen kann.

b. Unter den Umständen des Streitfalles, in dem mittlerweile bei A. die ursprünglich von der Kindesmutter ausgehende massive Ablehnung des Kindesvaters adaptiert und verinnerlicht ist, ist auch eine Ausübung der Personensorge allein durch den Kindesvater mit dem Kindeswohl nicht vereinbar. Dies beruht zwar nicht auf einem irgend gearteten, vom Kindesvater ausgehenden oder diesem vorwerfbaren Verhalten. Durch die von A. übernommene und verinnerlichte massive Ablehnung des Kindesvaters ist jedoch auszuschließen, dass diese auf Entscheidungen des Kindesvaters beruhende Maßnahmen innerlich akzeptieren und mittragen könnte. Vielmehr ist sicher davon auszugehen, dass A. sämtliche von ihr auf den Kindesvater zurückzuführende Maßnahmen ganz unabhängig von ihrer objektiven Eignung für sie per se ablehnen würde, wodurch allerdings zugleich jeglicher therapeutischer Erfolg von vornherein ausgeschlossen wäre. Die dahingehende und bereits im Anhörungstermin zum Ausdruck gebrachte Einschätzung des Senates ist von der Sachverständigen bestätigt und auch vom Kindesvater, der sich ausdrücklich für die vom Senat im Kindeswohl für geboten erachtete Entscheidung ausgesprochen hat, nicht in Zweifel gezogen worden. Insofern liegt seitens des Kindesvaters eine unverschuldete Unfähigkeit zur Ausübung der Personensorge im Kindeswohl vor, die auch auf ihn bezogen zu einer Entziehung der elterlichen Personensorge zwingt.

3. Hinsichtlich der elterlichen Sorge im Übrigen ist bereits angesichts des im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zutage getreten Verhältnisses zwischen beiden Elternteilen deren Zusammenwirken im Sinne des Kindeswohles gänzlich auszuschließen. Ein Fortbestand der gemeinsamen Ausübung der restlichen Vermögenssorge ist mithin ausgeschlossen. Auf den - sich aus seinem bereits erstinstanzlichen Begehren zumindest auch ergebenden - Antrag des Kindesvaters hin ist vorliegend diesem der verbleibende Teil der elterlichen Sorge gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu übertragen, da dies dem Kindeswohl am besten entspricht. Allein beim Kindesvater ist davon auszugehen, dass er die sich nach der Entscheidung zur Personensorge ergebende künftige Situation der Unterbringung A.s in einer therapiebegleiteten Wohngruppe vorbehaltlos unterstützt und die Ausübung der Vermögenssorge nicht zur sachfremden Einflussnahme auf Entscheidungen des Ergänzungspflegers im Rahmen der Personensorge nutzen wird. Zugleich greifen für den - praktisch nur vergleichsweise geringfügige Bedeutung aufweisenden - Bereich der Vermögenssorge unter Ausschluss des Rechts zur jugendhilferechtlichen Antragstellung die für den Bereich der Personensorge die Notwendigkeit einer Entziehung tragenden Gesichtspunkte nicht vergleichbar durch, so dass der Ausübung dieses Teils der elterlichen Sorge durch den Kindesvater nichts im Wege steht.

III.

Als Ergänzungspfleger war im Streitfall das Jugendamt der Stadt L. zu berufen, welches bereits seit geraumer Zeit mit A. und ihrer Familie betraut ist und bereits avisiert hat, dass es für A. einen Platz in einer Einrichtung bereitstellen können wird, die den von der Sachverständigen insofern sehr konkret beschriebenen besonderen Anforderungen vollumfänglich entspricht. Eine Möglichkeit zur Berufung eines Einzelergänzungspflegers sieht der Senat nicht und ist auch im Rahmen der diesbezüglichen Erörterung im Anhörungstermin von keinem Beteiligten aufgezeigt worden.

IV.

Für eine - von der Kindesmutter „für den Fall, dass das Gericht der Beschwerde nicht stattgeben sollte“ angeregten - Zulassung der Rechtsbeschwerde ist ein Grund weder ersichtlich noch von der Kindesmutter dargelegt. Die der Senatsentscheidung zugrundeliegenden grundsätzlichen Fragen sind höchstrichterlich bereits behandelt; die Voraussetzungen für eine - sich nach der ausdrücklich auf den Misserfolgsfall der Beschwerde bedingten Zulassungsanregung aufdrängenden - Differenzvorlage zeigt die Kindesmutter in keiner Weise auf.