Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 14.06.2017, Az.: 13 A 4042/15

Auflösung einer Behörde; Rückernennung; Versetzung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
14.06.2017
Aktenzeichen
13 A 4042/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53939
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. In Fällen der Rückversetzung in ein Amt mit geringerem Endgrundgehalt bei Auflösung einer Behörde bedarf es nicht der Aushändigung einer Ernennungsurkunde.
2. Bei der Prüfung, ob eine dem bisherigen Amt entsprechende Verwendung des von einer Auflösung einer Behörde betroffenen Beamten möglich ist, ist der gesamte Zuständigkeitsbereich des Dienstherrn in den Blick zu nehmen.

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2017 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der 1960 geborene Kläger steht seit 1990 als Lehrer im Dienst des Landes Niedersachsen. Im März 2006 wurde er zum Zweiten Konrektor (Besoldungsgruppe A 13) ernannt. Er war über viele Jahre an der Haupt- und Realschule C. eingesetzt. Zeitweise nahm er kommissarisch auch die Funktionen eines Ersten Konrektors sowie des Schulleiters wahr.

Zum 31.07.2014 wurde die Haupt- und Realschule C. aufgelöst. Gleichzeitig wurde die Oberschule D. in E. gegründet. An diese Schule wurde der Kläger seit dem 01.08.2014 als Lehrer - nicht amtsangemessen - verwendet.

Nach Anhörung des Klägers und Beteiligung des Schulbezirkspersonalrats übertrug die Beklagte dem Kläger in einem mit „Rückernennung aus dienstlichen Gründen“ überschriebenen Bescheid vom 20.07.2015 mit Wirkung vom 01.08.2015 das Amt eines Lehrers (Besoldungsgruppe A 12) an der Oberschule D. in E.. In dem Bescheid führte die Beklagte aus: Das bisherige Funktionsamt des Klägers an seiner ehemaligen Stammschule sei durch die schulorganisatorische Maßnahme betroffen. Gemäß § 28 Abs. 4 NBG bestehe die Verpflichtung, eine amtsentsprechende Verwendung für den Kläger zu finden. Eine amtsentsprechende Verwendungsmöglichkeit in zumutbarer Entfernung bestehe für den Kläger zum 01.08.2015 nicht, ein dienstliches Interesse an der Rückernennung zum Lehrer der Besoldungsgruppe A 12 sei deshalb zu bejahen. Der Kläger erhalte ab dem 1.08.2015 eine Ausgleichszulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Dienstbezügen der Besoldungsgruppe A 12 und den Dienstbezügen der Besoldungsgruppe A 13. Versorgungsbezüge erhalte der Kläger aus seinem Amt als Zweiter Konrektor.

Die Beklagte hat dem Kläger eine Ernennungsurkunde zum Lehrer übersandt; dieser hat die Annahme der Urkunde verweigert.

Am 07.08.2015 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor:

Der Bescheid sei rechtswidrig weil sich die Beklagte einer Maßnahme bedient habe, die in der gegebenen Fallkonstellation nicht vorgesehen sei. Die Beklagte habe nämlich eine Rückernennung ausgesprochen, obwohl richtige Maßnahme eine Versetzung im Sinne des § 28 Abs. 4 NBG gewesen wäre. Eine Versetzung erfordere aber nicht die Aushändigung einer Ernennungsurkunde. Es sei auch nicht möglich, die im vorliegenden Fall erfolgte Rückernennung in eine Versetzung nach § 28 Abs. 4 NBG umzudeuten.

Zu beanstanden sei, dass im vorliegenden Fall zwar ein Mitbestimmungsverfahren durchgeführt worden sei, dieses aber nur zu einer Rückernennung aus dienstlichen Gründen, nicht zu einer Versetzung.

Darüber hinaus lägen die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 NBG nicht vor. Es sei davon auszugehen, dass es im Land Niedersachsen, auch in der Regionalabteilung B-Stadt, geeignete, dem Statusamt der Besoldungsgruppe A 13 zugeordnete Stellen gebe.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 20.07.2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor: es habe keine unmittelbare Möglichkeit gegeben, den Kläger seinem bisherigen Amt entsprechend in der Schulleitung der Oberschule D. oder an einer anderen Schule zu verwenden. Deshalb sei er ab dem 01.08.2014 als Lehrer eingesetzt worden. Er sei dann auf einer sogenannten „Unterbringungsfall-Liste“ geführt worden. Bei jeder neuen Stellenausschreibung mit der Wertigkeit „Konrektorin/Konrektor A 13“ sei geprüft worden, ob eine entsprechende Verwendung möglich sei. Ein amtsangemessener anderweitiger Einsatz des Klägers im Zuständigkeitsbereich der Beklagten, Regionalabteilung B-Stadt, zum 01.08.2015 sei aber nicht möglich gewesen, weil die ausgeschriebenen Funktionsstellen mit dieser Wertigkeit außerhalb einer zumutbaren Entfernung vom Wohnort des Klägers gelegen hätten. Maßgeblich sei eine Entfernung von bis zu 30 Kilometer zwischen Schule und Wohnort der Lehrkraft. Freie Stellen außerhalb der Regionalabteilung B-Stadt seien nicht geprüft worden, da hier die Entfernung noch größer sei. Besetzbare Schulleiterstellen mit der Wertigkeit A 13 seien nicht für Konrektoren heranzuziehen. Nach alledem käme im Anschluss an die Versetzung (§ 28 Abs. 4 NBG) und als Folge der erfolglosen Unterbringungsversuche nur noch die Rückernennung aus dienstlichen Gründen in Frage.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Über die Klage entscheidet der Einzelrichter, dem der Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO übertragen worden ist.

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig und auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Bei der angefochtenen Maßnahme handelt es sich um eine Versetzung nach § 28 Abs. 4 NBG, die nicht bereits deshalb rechtswidrig ist, weil die Beklagte davon ausgegangen ist, dass in der Versetzung zugleich eine Rückernennung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG liegt (1.). Die angefochtene Maßnahme ist aber deshalb rechtswidrig, weil die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 NBG nicht vorliegen (2.).

1.) Gemäß § 28 Abs. 4 NBG kann eine Beamtin oder ein Beamter im Falle der Auflösung oder einer wesentlichen Änderung des Aufbaus oder der Aufgabe einer Behörde oder der Verschmelzung von Behörden auch ohne ihre oder seine Zustimmung in ein anderes Amt mit geringeren Endgrundgehalt derselben oder einer anderen Laufbahn im Bereich desselben Dienstherrn versetzt werden, wenn das Aufgabengebiet der Beamtin oder des Beamten von der Maßnahme berührt und eine dem bisherigen Amt entsprechende Verwendung nicht möglich ist. Das Endgrundgehalt muss mindestens dem des Amtes entsprechen, dass die Beamtin oder der Beamte vor dem bisherigen Amt innehatte Die Versetzung muss innerhalb eines Jahres nach der Auflösung oder Umbildung der Behörde ausgesprochen werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid ist der Kläger nach der Auflösung seiner Schule in ein Amt mit geringerem Endgrundgehalt zurückversetzt worden, und zwar ein Jahr nach der Auflösung der Haupt- und Realschule C., wo er als Zweiter Korrektor eingesetzt war. Einer Rückernennung unter Aushändigung einer Ernennungsurkunde bedurfte es hier nicht, denn § 28 Abs. 4 NBG stellt gegenüber § 8 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG eine Spezialvorschrift dar. Dass es in Fällen der vorliegenden Art einer Rückernennung und Aushändigung eine Ernennungsurkunde nicht bedarf, liegt darin begründet, dass der betroffene Beamte mangels einer Verpflichtung, die Ernennungsurkunde anzunehmen und an einer ihm unerwünschten Rückernennung mitzuwirken, die Rückversetzung in ein niederes Statusamtes unterlaufen könnte (vgl. zum Bundesrecht Plog/Wiedow, Kommentar zum BBG 2009 - Stand November 2016 - § 28 BBG Rn 104). Die Rückversetzung nach § 28 Abs. 4 NBG ist – wie die entsprechende Regelung für Bundesbeamte nach § 28 Abs. 3 Bundesbesoldungsgesetz - als besonderer Fall einer zugleich statusberührenden Versetzung unter Ausnahme vom Ernennungserfordernis anzusehen; die Versetzungsverfügung tritt an die Stelle der sonst erforderlichen Ernennung in das niedriger besoldete Amt (Plog/Wiedow, a.a.O. § 28 BBG Rn 104).

Der Bescheid ist aber weder formell noch materiell rechtswidrig, weil die Rückversetzung fälschlicherweise als „Rückernennung“ bezeichnet wird und die Beklagte versucht hat, dem Kläger eine Ernennungsurkunde auszuhändigen. Auch wenn darin zum Ausdruck kommt, dass die Beklagte das Verhältnis von Rückversetzung und Rückernennung verkannt hat und hier beide Institute offensichtlich kumulativ anwenden wollte, um den Kläger in das Amt eines Lehrers einzusetzen, kann dies nicht zur Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts führen. Die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 20.07.2015 beurteilt sich allein danach, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 4 NBG vorliegen.

2.) Dies ist allerdings nicht der Fall, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 4 NBG liegen nicht vor. Bei einer Schule handelt es sich um eine Stelle, die (auch) Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt und damit um eine Behörde (vgl. § 1 Abs. 4 VwVfG). Die „Behörde“, an der der Kläger eingesetzt war, ist aufgelöst, denn die Haupt- und Realschule C., an der er als Zweiter Konrektor sein abstrakt- und konkret-funktionelles Amt bekleidete, ist zum 31.07.2014 aufgehoben worden, die Behörde also quasi weggefallen. Mit der Auflösung der Schule ist auch das Aufgabengebiet des Klägers berührt. Insoweit liegen die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 NBG also vor. Die angefochtene Versetzungsverfügung ist aber deshalb rechtswidrig, weil eine dem bisherigen Amt des Klägers entsprechende Verwendung zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids durchaus möglich war. Dies lässt sich ohne weiteres der Klageerwiderung der Beklagten im Schriftsatz vom 16.10.2015 entnehmen. Dort wird ausgeführt, dass an drei Grundschulen in B-Stadt, einer Grund- und Förderschule in F. sowie einer Grund- und Hauptschule in G. (jeweils in 64 bis 103 Kilometer Entfernung vom Wohnort des Klägers) Funktionsstellen für Konrektoren der Besoldungsgruppe A 13 zum 01.08.2015 zu besetzen waren. Es ist davon auszugehen, dass darüber hinaus weitere freie Konrektorenstellen der Wertigkeit A 13 in Niedersachsen zur Verfügung standen, weil die Beklagte entsprechende Stellen in den Regionalabteilungen H., I. und J. gar nicht in den Blick genommen hat.

Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, bei der Suche nach einer geeigneten Stelle für den Kläger haben sie sich auf Schulen im 30-Kilometer-Umfeld vom Wohnort des Klägers konzentriert, weil eine Anweisung bestehe, auch bei Versetzungen aus dienstlichen Gründen nur Schulen in den Blick zu nehmen, die nicht weiter als 30 Kilometer entfernt vom Wohnort der Lehrerin oder des Lehrers liegen, steht dies mit dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung nicht in Einklang und verstößt auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. § 28 Abs. 4 NBG macht die Rückversetzung davon abhängig, dass eine dem bisherigen Amt entsprechende Verwendung des Beamten nicht möglich ist und bezieht dies auf den gesamten Zuständigkeitsbereich des Dienstherrn. Eine Beschränkung auf Einsätze in 30 Kilometer Entfernung vom Wohnort des betroffenen Beamten ist im Gesetz nicht angelegt. Die Rechtsanwendung durch die Beklagte trägt auch nicht dem Umstand Rechnung, dass die in Rede stehende Vorschrift mit der Rückstufung einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte des Beamten normiert. Daraus folgt, dass bei diesen Maßnahmen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit strikt einzuhalten ist. Dem Dienstherrn muss deshalb eine Verwendung des Beamten in dessen bisherigen Amt objektiv unmöglich sein. Davon kann nicht die Rede sein, wenn die Verwendung nur mit einem längeren Anfahrtsweg des Beamten zu seiner Dienststelle oder einem Umzug verbunden ist. Die aus Fürsorge gegenüber den betroffenen Beamtinnen und Beamten im Bereich der Beklagten getroffene Regelung, bei Versetzung aus dienstlichen Gründen nur Schulen in den Blick zu nehmen, die nicht weiter als 30 Kilometer vom Wohnort des betroffenen Lehrers entfernt liegen, kann bei der Versetzung nach § 28 Abs. 4 NBG auch deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil es der Fürsorgegrundsatz hier gerade gebietet, zur Vermeidung einer Rückversetzung sämtliche Verwendungsmöglichkeiten im Bereich des Dienstherrn zu prüfen. Die Rechtsstellung der von der Organisationmaßnahme betroffenen Beamten muss im Rahmen des Möglichen gewahrt werden und darf nur beeinträchtigt werden, wenn dies wegen der Änderung und deren Folgen unumgänglich ist (BVerwG, Urteil vom 11.12.2014 – 2 C 51/13 – juris). Das war hier offensichtlich nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.