Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 12.09.2007, Az.: 1 A 37/07
Beurteilungsspielraum; Fraktion; Fraktionsausschluss; Fraktionsmitglied; Gemeinderatsfraktion; Gemeinderatsfraktionsausschluss; Gemeinderatsfraktionsmitglied; Geschäftsordnung; Geschäftsordnungsverstoß; Kontrolldichte; Mobbing; Ratsfraktion; Ratsfraktionsausschluss; Ratsfraktionsmitglied; Rechtsverstoß; Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; Verwaltungsrechtsweg; Willkür; Willkürverbot
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 12.09.2007
- Aktenzeichen
- 1 A 37/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 71943
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 39b GemO ND
- § 40 Abs 1 S 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Den Mitgliedern einer Ratsfraktion steht bei der Einschätzung, ob ein den Ausschluss eines Fraktionsmitglieds rechtfertigender "wichtiger Grund" vorliegt, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle ist auf Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen, Geschäftsordnungen, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Willkürverbot beschränkt.
2. Ein den Fraktionsausschluss rechtfertigender "wichtiger Grund" setzt eine Abweichung in inhaltlichen (sachpolitischen) Fragen nicht zwingend voraus. Auch bereits ernste atmosphärische Störungen können für die Annahme eines "wichtigen Grundes" ausreichen.
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich des Beschlusses vom 7. Februar 2007 übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen seinen Ausschluss aus der Beklagten.
Er ist in der Kommunalwahl am 10. September 2006 als Kandidat der SPD in den Rat der Gemeinde W. gewählt worden und wurde Mitglied der Beklagten. In der konstituierenden Sitzung der Beklagten am 1. November 2006 erhob er gegenüber der Fraktionsvorsitzenden den Vorwurf, dass sie ihn während des Kommunalwahlkampfes „gemobbt“ habe, und fragte sie, ob sie vorhabe, „diesen Stil fortzuführen“. Aufgrund dieser Geschehnisse, so der Kläger weiter, sehe er sich außerstande, an Fraktionssitzungen teilzunehmen, wenn sie - wie dies in den zurückliegenden zwei Jahren üblich gewesen war - weiterhin im Haus der Fraktionsvorsitzenden stattfinden würden. Die Beteiligten kamen überein, die Fraktionstreffen demnächst in Räumlichkeiten der Gemeinde W. abzuhalten. Zudem sollten die nächsten Fraktionstreffen am 11. und 19. Dezember 2006 sich ausschließlich mit dem vom Kläger erhobenen Vorwurf befassen. Zu diesen Fraktionstreffen kam es jedoch nicht. Zum Termin am 11. Dezember erschien der Kläger nicht, wofür er sich im Nachhinein entschuldigte, den Termin am 19. Dezember sagte er kurzfristig ab. Eine Geschäftsordnung gab sich die Beklagte nicht.
In einer Fraktionssitzung am 8. Januar 2007 forderte die Vorsitzende der Beklagten den Kläger auf, seinen Vorwurf zu konkretisieren und darzulegen, woran er diesen im Einzelnen festmache. Hierzu war der Kläger nicht bereit. Zur Begründung verwies er darauf, dass sein Vorwurf auf Geschehnissen während des Kommunalwahlkampfes 2006 beruhe. Dieser, so der Kläger, sei allerdings von der SPD, nicht von der Fraktion organisiert worden, das Geschehen sei aus diesem Grund nicht von der Beklagten, sondern ausschließlich von den zuständigen Parteigremien zu diskutieren; zwischen der Partei und der Fraktion sei strikt zu trennen.
Am 5. Februar 2007 fand eine Mitgliederversammlung der SPD auf der Ebene des Ortsvereins I. statt. Der Kläger nahm an dieser nicht teil.
In einer Fraktionssitzung am 7. Februar 2007 beschloss die Beklagte den Ausschluss des Klägers. In einem der Einladung zu dieser Sitzung beiliegenden Schreiben vom 23. Januar 2007 hatte die Fraktionsvorsitzende ihren Antrag, den Kläger aus der Beklagten auszuschließen, begründet. Sie führte hierin aus, dass sie den Vorwurf des Mobbings als äußerst schwerwiegend empfinde; wenn der Kläger keine Bereitschaft zeige, zu dem erhobenen Vorwurf konkret Stellung zu beziehen, sehe sie das Vertrauensverhältnis nachhaltig in einer Weise gestört, die eine weitere Zusammenarbeit unmöglich mache. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 23. Januar 2007 verwiesen (Bl. 26 f. der Gerichtsakte). Auch in der Fraktionssitzung am 7. Februar 2007 weigerte sich der Kläger, seinen Vorwurf näher zu erläutern. Er verlas stattdessen eine schriftliche Erklärung, in der er im Wesentlichen seine Position vom 8. Januar 2007 bekräftigte. Vom Vorwurf des Mobbings distanzierte er sich hierbei nicht. Der Beschluss über den Ausschluss des Klägers wurde ohne Gegenstimme oder Enthaltung gefasst. An diesem Beschluss wirkte auch Herr E. mit. Herr E. ist nicht Ratsherr in der Gemeinde W., sondern wurde vom Rat zum Ausschussmitglied bestellt. Zudem bestimmte ihn der Vorstand der SPD-Ortsabteilung W. zum „Mitglied“ der Beklagten.
Am 5. März 2007 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat die Ansicht vertreten, der Beschluss vom 7. Februar sei unter anderem wegen der Mitwirkung von Herrn E. bereits aus formellen Gründen unwirksam gewesen. Zudem habe ein „wichtiger Grund“ für seinen Ausschluss aus der Beklagten nicht vorgelegen, da weder eine „grobe, ordnungswidrige Schädigung der Fraktion“ noch eine „nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses durch eine Abweichung in zentralen Fragen des politischen Konsenses“ vorgelegen habe.
Während des gerichtlichen Verfahrens beschloss die Beklagte in einer Fraktionssitzung am 8. Mai 2007 erneut den Ausschluss des Klägers. An diesem Beschluss wirkte Herr E. nicht mit, sondern nur die in der konstituierenden Sitzung des Gemeinderates als Mitglieder der Beklagten festgestellten Ratsmitglieder. Der Kläger war zu diesem Fraktionstreffen am 25. April 2007 schriftlich eingeladen worden. Der Einladung lag erneut die schriftliche Begründung des Ausschlussantrags der Fraktionsvorsitzenden vom 23. Januar 2007 bei. In der Fraktionssitzung am 8. Mai wies die Fraktionsvorsitzende darauf hin, dass sie den Mobbing-Vorwurf nicht als eine „isolierte Entgleisung“ des Klägers betrachte, sondern im Kontext seines bisherigen Verhaltens sehe und nannte einige Beispiele für von ihr beanstandete Verhaltensweisen des Klägers aus der Vergangenheit. Diesbezüglich wird auf das Protokoll der Fraktionssitzung vom 8. Mai 2007 verwiesen (Bl. 79 ff. der Gerichtsakte). Der Kläger wich auch in dieser Sitzung nicht von seiner bisherigen Position ab und konkretisierte seine Vorwürfe nicht. Nach zirka halbstündiger Dauer der Sitzung bat er darum, dass abgestimmt werde, da er nichts mehr zu sagen habe und noch zu einem Termin müsse. Mit Ausnahme des Klägers stimmten die Anwesenden für seinen Ausschluss aus der Beklagten. Das Protokoll der Fraktionssitzung ist dem Kläger am 22. August 2007 über das Gericht zugeleitet worden.
Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung am 12. September 2007 den Rechtsstreit hinsichtlich des Beschlusses vom 7. Februar in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
Der Kläger beantragt zuletzt,
festzustellen, dass der Beschluss der Beklagten vom 8. Mai 2007 rechtswidrig gewesen und er durch diesen Beschluss nicht aus der Beklagten ausgeschlossen worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert, wegen des „unausgeräumten“ Mobbing-Vorwurfs und der Weigerung des Klägers, eine Aussprache herbeizuführen, habe das für eine sachliche Zusammenarbeit mit dem Kläger erforderliche Vertrauen nicht mehr bestanden. Die Mitwirkung Herrn F. an der Beschlussfassung am 7. Februar sei zulässig gewesen, da der Vorstand der SPD-Ortsabteilung ihn zum Mitglied der Beklagten gewählt habe und das Organisationsstatut des SPD-Ortsvereins ihm deshalb ein Stimmrecht einräume.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Beiakte A, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich des Beschlusses vom 7. Februar 2007 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen. Im Übrigen (hinsichtlich des Beschlusses vom 8. Mai 2007) ist die Klage zulässig, aber unbegründet, denn der Beschluss vom 8. Mai 2007 ist in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig ergangen. Der Kläger ist aufgrund dieses Beschlusses wirksam aus der Beklagten ausgeschlossen.
Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Der Streit um die Mitgliedschaft in einer Gemeinderatsfraktion ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, die keinem anderen Gericht zugewiesen ist. Die Ratsfraktion ist eine Gliederung der Gemeindevertretung, deren Zweck die politisch gleichgerichtete Ausübung der den Ratsmitgliedern zustehenden Rechte ist. Diese Rechte haben ihre Grundlage in der NGO, in der auch der Zusammenschluss der Vertreter zu einer Fraktion geregelt ist, § 39b NGO. Damit sind die fraktionsinternen Rechtsbeziehungen und folglich auch eine Streitigkeit über den Ausschluss aus der Fraktion öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. VG Oldenburg, Beschl. vom 30.08.2002 - 2 B 2780/02 -, Nds. VBl. 2003, 163, m.w.N.; VG Lüneburg, Beschl. vom 08.08.2005 - 5 B 34/05 -, juris).
Die Beklagte hat die formellen Anforderungen an einen Beschluss über den Ausschluss eines Fraktionsmitglieds, die sich auch ohne ausdrückliche Statuierung in einer Geschäftsordnung aus dem Rechtsstaats- sowie Demokratieprinzip ergeben, eingehalten (vgl. zu den Erfordernissen Wefelmeier in: KVR-NGO, Stand: Juni 2007, § 39b Rn. 40 ff.). Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass Herr E. an der Beschlussfassung nicht mitgewirkt hat und - soweit ersichtlich - zum Fraktionstreffen am 8. Mai auch nicht eingeladen worden ist. Zu einem Fraktionstreffen, in dem über den Ausschluss eines Mitglieds zu befinden ist, müssen nur diejenigen Fraktionsmitglieder eingeladen werden, die in dieser Angelegenheit entscheidungsbefugt sind. Herr E. hat jedoch über den Ausschluss des Klägers aus der Beklagten nicht stimmberechtigt mitwirken können, da er nicht Mitglied der Beklagten gewesen ist.
Zu einer Ratsfraktion können sich - dies legt schon der Wortlaut von § 39b Abs. 1 NGO nahe - nur gewählte Ratsmitglieder, Ratsfrauen oder Ratsherren, zusammenschließen (vgl. Wefelmeier, a.a.O., § 39b Rn. 6. m.w.N.). Bürgervertreter gemäß § 51 Abs. 7 NGO sind deshalb nicht taugliche Mitglieder einer Ratsfraktion. Insbesondere sind Bürgervertreter Ratsmitgliedern durch die Vorschriften der NGO auch nicht gleichgestellt. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass sie trotz ihrer Mitgliedschaft im Ausschuss gemäß § 51 Abs. 7 Satz 3 NGO nicht stimmberechtigt sind und nach § 51 Abs. 8 Satz 3 NGO auch den Ausschussvorsitz nicht übernehmen können. Herr E. ist nicht Ratsherr im Sinne von § 39b Abs. 1 NGO, sondern Bürgervertreter gemäß § 51 Abs. 7 NGO.
Der Beschluss über den Ausschluss eines Fraktionsmitglieds kann aber nur von den Mitgliedern der Fraktion selbst gefasst werden. Außenstehende, die selbst nicht Mitglied der Fraktion sind, können zumindest an der Abstimmung über den Ausschluss eines Mitglieds nicht teilnehmen. Die Entscheidung von Ratsmitgliedern, sich zu einer Fraktion zusammenzuschließen, beruht auf und ist Ausdruck der Freiheit ihres Mandats; Gleiches gilt für den Beschluss, die enge politische Zusammenarbeit in einer Fraktion mit einem bisherigen Mitglied nicht weiter fortzusetzen. Als ein Akt interner Selbstbestimmung ist die Entscheidung über den Ausschluss eines Mitglieds deshalb allein den in der Fraktion zusammengeschlossenen Mandatsträgern vorbehalten (vgl. Hessischer VGH, Beschl. vom 06.11.1991 - 6 TG 1967/91 -, NVwZ 1992, 506 [OVG Rheinland-Pfalz 17.12.1991 - 7 A 10305/91]; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. vom 27.05.2003 - LVerfG 10/02 -, DÖV 2003, 765, 767; VG Darmstadt, Beschl. vom 30.06.1989 - III/V G 1057/89 - NVwZ-RR 1990, 104 [VG Darmstadt 30.06.1989 - III/V G 1057/89]; Lenz, NVwZ 2005, 364, 366; Wefelmeier, a.a.O., § 39b Rn. 43 m.w.N.). Mit der Freiheit des Mandats der Ratsmitglieder wäre es nicht zu vereinbaren, wenn Außenstehenden unmittelbarer Einfluss auf eine solche Beschlussfassung eingeräumt wäre. Dies ist auch nicht durch eine Vereinbarung in einem Parteistatut möglich. § 12 Abs. 3 des Statuts des SPD-Ortsvereins I. hat deshalb ein Stimmrecht für Herrn E. nicht begründen können. Dies gilt umso mehr, als nicht alle Mitglieder der Beklagten zugleich Mitglieder der SPD sind.
Der Beschluss ist auch in materieller Hinsicht rechtmäßig, denn der für einen Ausschluss des Klägers erforderliche „wichtige Grund“ hat vorgelegen. Unter welchen materiellen Voraussetzungen das Mitglied einer Ratsfraktion ausgeschlossen werden kann, richtet sich in erster Linie nach den bei der Bildung der Fraktion getroffenen Absprachen oder der Geschäftsordnung der Fraktion. Fehlt es - wie hier - an solchen Absprachen, so kann in Ermangelung einer subsidiär eingreifenden Gesetzesregelung nur auf solche Rechtsgrundsätze zurückgegriffen werden, die auf im persönlichen Zusammenwirken mehrerer Beteiligter angelegte Dauerrechtsverhältnisse angewandt und für diese auch ohne ausdrückliche Absprachen akzeptiert zu werden pflegen (vgl. VG Lüneburg, Beschl. vom 30.08.2002, a.a.O.). Hiernach muss ein unter der Voraussetzung grundsätzlicher Übereinstimmung der Beteiligten und mit dem Ziel der persönlichen Zusammenarbeit auf längere Dauer geschlossenes Rechtsverhältnis bei Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ beendet werden können. Dies gilt auch für die Zusammenarbeit der Ratsmitglieder in einer Fraktion. Ein den Ausschluss eines Mitglieds rechtfertigender „wichtiger Grund“ ist gegeben, wenn Umstände vorliegen, die das Vertrauensverhältnis nachhaltig und derart stören, dass den übrigen Fraktionsmitgliedern eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden kann (vgl. OVG Saarlouis, Beschl. vom 29.09.1995 - 1 W 12/95 -, NVwZ-RR 1996, 462; VG Oldenburg, Beschl. vom 30.08.2002, a.a.O.; Wefelmeier, a.a.O., § 39b Rn. 48, m.w.N.). Abzustellen ist hierbei auf die Sachlage zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Fraktion (VG Oldenburg, Beschl. vom 30.08.2002, a.a.O.).
Den Fraktionsmitgliedern steht bei der Einschätzung, ob ein wichtiger Grund im zuvor beschriebenen Sinn vorliegt, nach Auffassung der Kammer ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Dies findet seinen Grund darin, dass das der Ausschlussentscheidung zugrunde liegende Verhalten in den Anlässen sowie zwischenmenschlichen und politischen Auswirkungen oftmals unwägbar bleibt. Innerhalb gewisser Grenzen kann die Fraktion die Maßstäbe für ihre Zusammenarbeit selbst bestimmen. Die Kontrolle seitens der Gerichte ist auf Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen, Geschäftsordnungen, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Willkürverbot beschränkt (vgl. OVG Saarlouis, Beschl. vom 29.09.1995, a.a.O.; VG Oldenburg, Beschl. vom 30.08.2002, a.a.O.; VG Lüneburg; Beschl. vom 08.08.2005, a.a.O. Schmidt-Jortzig/Hansen, NVwZ 1994, 116; 119; Lenz NVwZ 2005, 364, 368). Teilweise wird hingegen die Ansicht vertreten, seitens der Gerichte sei das Vorliegen eines wichtigen Grundes vollumfänglich zu überprüfen (vgl. Schmidt DÖV 2003, 846, 852, Wefelmeier, a.a.O., § 39b Rn. 55, m.w.N.). Diese juristische Streitfrage wirkt sich im vorliegenden Fall bereits deswegen nicht aus, da auch bei umfänglicher gerichtlicher Kontrolle festzustellen ist, dass die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes vorgelegen haben.
Das für die Fortsetzung der engen politischen Zusammenarbeit in einer Fraktion erforderliche gegenseitige Vertrauensverhältnis ist, dies konnte auch in der mündlichen Verhandlung festgestellt werden, nachhaltig gestört. Dazu hat der Kläger einen wesentlichen Beitrag geleistet. Er hat innerhalb der Beklagten auf der persönlichen Ebene einen erheblichen Konflikt begründet, ohne an seiner Beseitigung hinreichend mitzuwirken. Er hat gegenüber der Vorsitzenden der Beklagten einen gravierenden Vorwurf erhoben, indem er ihr unterstellt hat, ihn im Wahlkampf des Jahres 2006 „gemobbt“ zu haben. Nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung sind Mobbinghandlungen „fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen am Arbeitsplatz gegenüber einzelnen Mitarbeitern zur Erreichung von Zielen, die von der Rechtsordnung nicht gedeckt sind und die jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Mobbingopfers verletzen" (vgl. bspw. LAG Hamm, Urt. vom 19.12.2006 - 9 Sa 836/06 -, juris). Auch im allgemeinen Sprachgebrauch wird Mobbing als ein ganz erhebliches Schikanieren, Quälen oder Verletzen einer anderen Person verstanden, das gezielt und wiederholt erfolgt. Indem der Kläger den Vorwurf des Mobbings gegenüber der Vorsitzenden der Beklagten erhoben hat, hat er deren charakterliche Integrität schwerwiegend in Frage gestellt. Für die enge politische Zusammenarbeit in einer Fraktion bedarf es aber - gerade wenn die Fraktion so klein ist wie die Beklagte - eines Mindestmaßes an gegenseitigem persönlichem Vertrauen der Mitglieder. Der Kläger hat sich auch später in keiner Weise von seinem Vorwurf distanziert, dieser hat somit mit unvermindertem Gewicht im Raum gestanden. Insoweit hat der Kläger die für eine weitere Zusammenarbeit erforderlichen „Streitkultur“ vermissen lassen. Die enge politische Zusammenarbeit in einer Fraktion macht es erforderlich, dass Meinungsverschiedenheiten und Probleme im Auskommen miteinander sachlich besprochen werden, damit eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung erzielt werden kann. Die Beilegung persönlicher und sachlicher Konflikte kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten an einer Lösung in hinreichender Weise mitwirken. Das Verhalten des Klägers hat nicht in hinreichender Weise erkennen lassen, dass er gewillt ist, zu einer Lösung dieses Konflikts konstruktiv beizutragen. Er hat sich zunächst ausdrücklich und beharrlich gegenüber der Beklagten geweigert, überhaupt nur darzulegen, an welches Verhalten der Fraktionsvorsitzenden er seine Vorwürfe knüpft. Ohne dies konnte eine Beilegung des Konflikts aber nicht gelingen. Um das für eine weitere Zusammenarbeit erforderliche gegenseitige Vertrauen wiederherstellen zu können, wäre es in einem ersten Schritt jedenfalls erforderlich gewesen, den tatsächlichen Hintergrund seines Vorwurfs konkret zu benennen. Nur hierdurch wäre es der Fraktionsvorsitzenden möglich gewesen, dem Vorwurf entgegenzutreten, und nur hierdurch wäre es den übrigen Mitgliedern der Beklagten möglich gewesen, sich ein Bild von den Vorkommnissen zu machen. Auch während des gerichtlichen Verfahrens hat der Kläger vor dem 8. Mai 2007 seinen Vorwurf zunächst nicht weiter konkretisiert und den tatsächlichen Anlass selbst in der mündlichen Verhandlung nur vage umschrieben (vgl. gerichtliche Aufforderung, Bl. 55 der Gerichtsakte, und die Stellungnahme des Klägers hierzu, Bl. 56 ff. der Gerichtsakte, sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 12. September 2007).
Auch mit seinem sonstigen Verhalten hat der Kläger keine hinreichende Bereitschaft gezeigt, zu einer Lösung des Konflikts beizutragen. Ein Fraktionstreffen, das sich mit seinem Vorwurf befassen sollte, hat erst im dritten hierzu vereinbarten Termin stattfinden können, weil der Kläger den ersten Termin - trotz einer Erinnerung am Tag vorher - nicht wahrgenommen und den zweiten Termin einen Tag zuvor abgesagt hatte. Darüber hinaus hat er die innerhalb der SPD bestehenden Möglichkeiten nicht genutzt, den Vorwurf aufzuklären, obwohl er gegenüber der Beklagten darauf bestanden hat, dass dies nur innerhalb der Parteigremien geschehen könne. So hat er beispielsweise an der Mitgliederversammlung des Ortsvereins der SPD am 5. Februar 2007 nicht teilgenommen, obwohl ihm die Einladung zum Fraktionstreffen am 7. Februar bereits zugegangen war, und ihm erkennbar gewesen ist, dass ohne eine Klärung des Vorwurfs sein weiterer Verbleib in der Beklagten gefährdet gewesen ist.
Die Ansicht des Klägers, eine Auseinandersetzung mit seinem Vorwurf sei nur innerhalb der Parteigremien erforderlich gewesen, ist fehlerhaft. Durch sein Verhalten hat er innerhalb der Beklagten einen schwerwiegenden Konflikt ausgelöst. Einen solchen internen Konflikt zu lösen, zählt selbstverständlich zu den Aufgaben der Beklagten. Der Vorwurf des Mobbings hat die Integrität der Fraktionsvorsitzenden als Person in Frage gestellt. Eine Zuordnung zu verschiedenen Aufgabenbereichen - der Tätigkeit für die Partei und der Arbeit in der Fraktion - ist bei einem solchen gegen die Person gerichteten Vorwurf von vornherein nicht möglich gewesen. Der Kläger hat den Vorwurf zudem innerhalb der Fraktion erhoben und damit auch auf die Arbeit in der Fraktion bezogen. Schließlich hat er mit seinem Vorwurf praktische Konsequenzen für die Fraktionsarbeit verbunden, indem er darum gebeten hat, die Fraktionssitzungen nicht mehr, wie in der Vergangenheit üblich, in den Privaträumen der Vorsitzenden abzuhalten.
Des Weiteren scheitert das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ auch nicht daran, dass eine „Abweichung in zentralen Fragen des politischen Konsenses“ nicht vorgelegen hat. Losgelöst von der Frage, ob man die Art und Weise des Umgangs mit Konflikten innerhalb einer Fraktion nicht bereits zum politischen Stil und zu einer der zentralen Fragen des politischen Konsenses zählt, setzt ein „wichtiger Grund“ - entgegen der Ansicht des Klägers - eine Abweichung in inhaltlichen (sachpolitischen) Fragen nicht zwingend voraus. Die Abweichung in inhaltlich-politischen Fragestellungen ist nur eine Möglichkeit der Störung des Vertrauensverhältnisses. Das Vertrauensverhältnis in einer Fraktion bezieht sich jedoch auch auf den Mandatsträger als Person. Deshalb können Störungen nicht nur aus der politischen Arbeit, aus Verstößen gegen Beschlüsse der Fraktion oder aus einem Dissens in grundsätzlichen oder jedenfalls bedeutenden politischen Fragen folgen, sondern gerade auch aus einem persönlichen Verhalten, selbst wenn dies außerhalb der Fraktionsarbeit erfolgt (Lenz, NVwZ 2005, 364, 368). Weil dies die Aktionskraft der Gruppe beeinträchtigen kann, können auch schon ernste atmosphärische Störungen für die Annahme eines „wichtigen Grundes“ ausreichen, wenn ein Ausmaß an Desintegration erreicht wird, das das Vertrauensverhältnis zwischen dem Betroffenen und den weiteren Mitgliedern untergräbt (vgl. VG Regensburg, Urt. vom 19.05.2004 - RN 3 K 03.1273 -, a.a.O; Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urt. vom 16.10.2003 - 4/03 -, NVwZ-RR 2004, 161, 162 [VerfG Brandenburg 16.10.2003 - VfGBbg 4/03]).
Von der Beklagten in der Fraktionssitzung vom 8. Mai ergänzend herangezogene Umstände haben den Ausschluss des Klägers zusätzlich rechtfertigen können. Zwar sind die von der Beklagten angeführten Beispiele größtenteils nicht hinreichend substanziiert gewesen, um den Ausschluss des Klägers zusätzlich begründen zu können, denn die Fraktion muss die Umstände, auf die sie den Ausschluss stützt, substanziiert vortragen und erforderlichenfalls auch beweisen (vgl. Wefelmeier, a.a.O., § 39b Rn. 56, m.w.N.). Dies gilt jedoch nicht für die Schilderung des Geschehens vom Juli 2006, wonach der Kläger das Abstimmungsverhalten der Fraktionsvorsitzenden auf einer Parteiversammlung kritisiert habe, ohne zu erläutern, worin seine Kritik bestehe, und des Geschehens vom September 2006, wonach der Kläger die Fraktionsvorsitzende grundlos beschuldigt habe, ihm zu unterstellen, Wahlkampfmaterialien in der Mülltonne zu entsorgen anstatt es potentiellen Wählern zukommen zu lassen, wobei er sich im Ton vergriffen habe.
Diese Beispiele haben den Schluss auf das Fehlen der erforderlichen „Streitkultur“ beim Kläger zusätzlich ermöglicht. Auch hier hat der Kläger der Fraktionsvorsitzenden gegenüber grundlose beziehungsweise nicht hinreichend substanziierte Vorwürfe erhoben. Sein Verhalten in Zusammenhang mit dem Mobbing-Vorwurf hat sich deshalb nicht als ein „einmaliger Ausrutscher“ dargestellt.
Diese Vorwürfe hat die Beklagte bei der Begründung der Ausschlussentscheidung auch berücksichtigen dürfen. Dem steht zunächst nicht entgegen, dass sich das vorgeworfene Verhalten in einer frühren Legislaturperiode zugetragen hat. Zwar gründet sich die Fraktion mit jeder Legislaturperiode neu, eine Rechtsnachfolge findet nicht statt. Allerdings kann auf das Verhalten eines Fraktionsmitglieds während einer vorhergehenden Legislaturperiode jedenfalls ergänzend abgestellt werden, um ein aktuell gezeigtes Verhalten in einen Gesamtkontext einzuordnen.
Der Berücksichtigung dieser Geschehnisse steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte dem Kläger erstmals in der Fraktionssitzung vom 8. Mai 2007 konkret dargelegt hat, welches „früher gezeigte Verhalten“ bei der Ausschlussentscheidung berücksichtigt werden soll. Zwar sind die Gründe für den Ausschluss und das Verhalten, an das der Vorwurf der übrigen Fraktionsmitglieder geknüpft ist, dem Betroffenen grundsätzlich vollständig und schriftlich vor der Fraktionssitzung mitzuteilen (vgl. VG Potsdam, Beschl. vom 22.01.2004 - 2 L 1238/03 - Lenz, NVwZ 2005, 364, 367; Wefelmeier, a.a.O., § 39b Rn. 42, m.w.N.; a.A. VG Oldenburg, Beschl. vom 30.08.2002, a.a.O.: es genügt die Mitteilung der Gründe in der Fraktionssitzung). Die vorherige schriftliche Mitteilung der Ausschlussgründe soll eine hinreichende Vorbereitung auf die Sitzung ermöglichen; dem Betroffenen soll rechtliches Gehör gewährt werden. Dem Kläger ist jedoch durch die Ankündigung der Beklagten im gerichtlichen Verfahren bekannt gewesen, dass im Rahmen der erneuten Beschlussfassung auch früher gezeigtes Verhalten Berücksichtigung finden soll. In der Fraktionssitzung, in der das ihm vorgeworfene frühere Verhalten konkret dargelegt worden ist, hat er die Schilderungen seines Verhaltens durch die Beklagte nicht beanstandet. Vielmehr hat er nach nur kurzer Dauer der Sitzung darauf bestanden, dass eine Abstimmung über seinen Ausschluss erfolgen soll. Hiermit hat er konkludent zum Ausdruck gebracht, die Schilderung des tatsächlichen Geschehens akzeptieren zu wollen. Auch hat er in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten, dass sich die Geschehnisse so wie sie die Beklagte geschildert hat, tatsächlich zugetragen haben.
Der Fraktionsausschluss genügt schließlich auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Hiernach muss der Fraktionsausschluss das letzte Mittel sein, denn die Fraktion darf den Ausschluss eines Mitglieds grundsätzlich erst dann beschließen, wenn alle milderen Maßnahmen versagt haben oder wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles ausnahmsweise nicht in Betracht gezogen werden mussten (Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 24.03.1993 - 10 M 338/93 -, NVwZ 1994, 506; Erdmann, DÖV 1987, 907, 912; Schmidt, DÖV 2003, 846, 851).
Es ist aber nicht ersichtlich, dass mildere Maßnahmen der Beklagten - etwa eine förmliche Rüge oder eine zeitweilige Suspendierung der Mitgliedschaftsrechte - den Kläger von seiner Haltung hätten abbringen können. Diesem sind als Folge des Beschlusses vom 7. Februar die Mitgliedschaftsrechte in der Beklagten zumindest faktisch entzogen worden. Dieser Beschluss dürfte in seiner „Warnfunktion“ somit über eine förmliche Rüge oder eine zeitweilige Suspendierung der Mitgliedschaftsrechte hinausgegangen sein. Dennoch hat der Kläger seine Haltung und sein Verhalten nicht wesentlich verändert. Ein vorhergehender Ausschluss aus der Partei ist für den Fraktionsausschluss ebenfalls nicht erforderlich gewesen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 24.03.1993, a.a.O.; Wefelmeier, a.a.O., § 39b Rn. 50, m.w.N.).
Die Kosten des Verfahrens sind gegeneinander aufzuheben. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich des Beschlusses vom 7. Februar 2007 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist über die Verfahrenskosten nach § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Es entspricht billigem Ermessen, die Verfahrenskosten insoweit der Beklagten aufzuerlegen, da der Beschluss vom 7. Februar 2007 wegen der unzulässigen Mitwirkung von Herrn E. rechtswidrig und die ursprünglich dagegen gerichtete Klage deswegen zulässig und begründet gewesen ist.
Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Die Rechtswidrigkeit des Beschlusses hatte auch dessen Unwirksamkeit zur Folge. Ein rechtswidriger Fraktionsbeschluss ist - ähnlich einem Ratsbeschluss ohne Außenwirkung - grundsätzlich unwirksam (vgl. Lange JuS 1994, 296, 298 [BGH 09.03.1993 - 1 StR 870/92]; Burgi, Kommunalrecht, § 12 Rn. 31). Dass die Stimme Herrn F. nicht ausschlaggebend für das Abstimmungsergebnis gewesen ist, steht dem nicht entgegen. Ein Rechtsgrundsatz, wonach die Mitwirkung Nichtberechtigter bei der Abstimmung über einen Fraktionsausschluss unbeachtlich ist, wenn sie sich nicht kausal auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt hat, lässt sich nicht begründen (a.A. allerdings VG Regensburg, Urt. vom 19.05.2004 - RN 3 K 03.1273 -, bestätigt durch BayVGH, Beschl. vom 08.04.2005 - 4 ZB 04.1829 -, juris). Insbesondere ist § 26 Abs. 6 Satz 1 NGO wegen seines Charakters einer Ausnahmevorschrift auf derartige Beschlüsse über einen Fraktionsausschluss nicht entsprechend anwendbar.
Hinsichtlich des Beschlusses vom 8. Mai 2007 folgt die Kostentragungspflicht des Klägers aus § 154 Abs. 1 VwGO, da er insoweit unterlegen ist.
Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 und Abs. 2 GKG. Dass insgesamt zwei Beschlüsse über den Ausschluss des Klägers aus der Beklagten Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gewesen sind, hat nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts geführt. Die Bedeutung der Sache für die Beteiligten hat in der gerichtlichen Feststellung gelegen, ob der Kläger wirksam aus der Beklagten ausgeschlossen worden ist; durch die Einbeziehung des Beschlusses vom Mai in das gerichtliche Verfahren hat sich dies nicht verändert.