Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 18.05.2011, Az.: 2 Ws 131/11
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 18.05.2011
- Aktenzeichen
- 2 Ws 131/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 25628
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2011:0518.2WS131.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Bückeburg - 10.05.2011 - AZ: 4 Ns 16/11
Fundstellen
- AnwBl 2012, 17-18
- NJW 2012, 247 "Beurteilungsspielraum"
- NJW-Spezial 2011, 697-698
- NStZ-RR 2011, 377
- StRR 2011, 406
Amtlicher Leitsatz
1. Verweigert ein Zeuge unter Berufung auf § 55 StPO die Auskunft, kann gegen ihn Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft verhängt und ihm die Kosten nach § 70 Abs. 1 StPO auferlegt werden, wenn keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen eines zu einer Verweigerung der Auskunft berechtigendes strafbaren Verhaltens des Zeugen ersichtlich sind.
2. Ob es für eine vom Zeugen geltend gemachte Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung tatsächlich Anhaltspunkte gibt und der Zeuge sich auf § 55 StPO berufen kann, unterliegt der tatsächlichen Beurteilung und rechtlichen Würdigung durch den Tatrichter. Ihm steht insoweit ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Das Beschwerdegericht kann daher lediglich überprüfen, ob sich der Tatrichter innerhalb des ihm eröffneten Beurteilungsspielraums gehalten, den richtigen Entscheidungsmaßstab zugrunde gelegt oder ob er seine Entscheidung auf fehlerhafte Erwägungen gestützt hat.
Tenor:
Die Beschwerde des Zeugen gegen den Beschluss der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bückeburg vom 10.05.2011 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).
Gründe
I. Vor der 4. kleinen Strafkammer der Landgerichts Bückeburg ist zurzeit ein Berufungsverfahren gegen den Angeklagten K. anhängig. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm mit der Anklageschrift vom 17.12.2010 eine gefährliche Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen Ki. vor. Danach soll der Angeklagte dem Zeugen am 22.09.2010 gegen 02:00 Uhr ohne vorherigen Anlass mittels eines Küchenmessers eine ca. 1 cm lange Schnittwunde im Bereich des linken Ohres beigebracht und dem Zeugen mit dem Daumen gegen das linke Auge gedrückt haben, um diesen zu verletzen. Ausweislich des Berichts des Polizeibeamten R. vom 22.09.2010 soll der Zeuge diesen Sachverhalt am Tattag um 02:30 Uhr bei der Polizei angezeigt haben.
Ausweislich des Beschlusses des Landgerichts vom 17.05.2011 wurde der Zeuge in der Berufungsverhandlung vom 10.05.2011 zum Tatgeschehen vernommen. Er habe bekundet, dass er mit dem Angeklagten zusammen getrunken und dann in Streit geraten sei. Er sei mit dem Angeklagten immer noch befreundet. Weitere Angaben habe der Zeuge nicht machen wollen und sich, wie in der erstinstanzlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht, auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen.
Das Landgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 10.05.2011 gegen den Zeugen wegen grundloser Zeugnisverweigerung ein Ordnungsgeld in Höhe von 150 €, ersatzweise drei Tage Ordnungshaft festgesetzt. Gleichzeitig hat es dem Zeugen die wegen der Aussageverweigerung entstehenden Kosten auferlegt.
Der hiergegen gerichteten Beschwerde des Zeugen hat die Strafkammer mit dem Beschluss vom 17.05.2011 nicht abgeholfen, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen würden, dass dem Zeugen ein Auskunftsverweigerungsrecht zustehen könnte. Hinsichtlich des weiteren Inhalts wird auf den Nichtabhilfebeschluss Bezug genommen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde zu verwerfen.
II. 1. Die Beschwerde des Zeugen ist zulässig (§ 304 Abs. 2 StPO), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Strafkammer hat das Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, und die Auferlegung der Kosten nach § 70 Abs. 1 StPO zu Recht gegen den Beschwerdeführer angeordnet, weil dieser seine (weitere) Aussage zu Unrecht verweigert hat.
2. Die Annahme des Landgerichts, dem Zeugen stehe kein - umfassendes -Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO zu, ist nicht zu beanstanden.
Gemäß § 55 StPO kann ein Zeuge die Auskunft auf Fragen verweigern, bei deren wahrheitsgemäßer Beantwortung er bestimmte Tatsachen angeben müsste, die unmittelbar oder mittelbar einen Anfangsverdacht für das Vorliegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit und damit die Aufnahme von Ermittlungen gegen ihn begründen würden (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 30.10.2008, 4 Ws 104/08 - juris).
Ob es für eine vom Zeugen geltend gemachte Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung tatsächlich Anhaltspunkte gibt und der Zeuge sich auf § 55 StPO berufen kann, unterliegt der tatsächlichen Beurteilung und rechtlichen Würdigung durch den Tatrichter (vgl. Ignor/Bertheau in Löwe-Rosenberg, StPO, § 55 Rdnr. 20). Ihm steht insoweit ein weiter Beurteilungsspielraum zu (vgl. KG Berlin aaO.; KK-Senge StPO, 6. Aufl., § 55 Rn. 4). Das Beschwerdegericht kann daher lediglich überprüfen, ob sich der Tatrichter innerhalb des ihm eröffneten Beurteilungsspielraums gehalten, den richtigen Entscheidungsmaßstab zugrunde gelegt oder ob er seine Entscheidung auf fehlerhafte Erwägungen gestützt hat.
Nach diesem Prüfungsmaßstab ist die Wertung der Kammer, dem Zeugen stehe - derzeit - kein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zu und er habe seine Aussage ohne gesetzlichen Grund verweigert, nicht zu beanstanden.
Dem ausführlich begründeten Nichtabhilfebeschluss vom 17.05.2011 ist zu entnehmen, dass das Landgericht den Akteninhalt, das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme sowie das Beschwerdevorbringen ausgewertet und umfassend gewürdigt hat. Bei seiner Entscheidung hat es zutreffend und nachvollziehbar darauf abgestellt, dass die Angaben des Beschwerdeführers am 22.09.2010 gegenüber der Polizei, auch unter Berücksichtigung seiner Bekundungen in der laufenden Hauptverhandlung sowie des bisherigen Beweisergebnisses, keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen eines strafbaren Verhaltens durch ihn erkennen lassen, die die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung des Zeugen im Falle einer wahrheitsgemäßen Aussage begründen könnten.
Die Beschwerde war daher zu verwerfen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.