Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.11.2019, Az.: 13 K 171/17
Berufsbegleitende Teilnahme an einem Bankcolleg als Bestandteil der erstmaligen Berufsausbildung nach Abschluss der Ausbildung zum Bankkaufmann und Anspruch auf Kindergeld
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 12.11.2019
- Aktenzeichen
- 13 K 171/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 69212
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die berufsbegleitende Teilnahme an einem Bankcolleg einer Genossenschaftsakademie der Volks- und Raiffeisenbanken mit dem Ziel der Erlangung eines Abschlusses zum "Bankfachwirt Bankcolleg" noch Bestandteil der erstmaligen Berufsausbildung ist, wenn das Kind erst kurz zuvor eine Ausbildung zum Bankkaufmann abgeschlossen hat.
Der Kläger ist der Kindergeldberechtigte für das Kind X (geboren am xx. September 1994). Er lebt zusammen mit seiner Ehefrau - der Mutter von X - und dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt in W. Die Ehefrau hat sich damit einverstanden erklärt, dass der Kläger den Kindergeldanspruch geltend macht.
Zum Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres ging X auf eine Berufsfachschule für informationstechnische Assistenten.
Von August 2013 bis Juli 2014 besuchte X eine einjährige Berufsfachschule für Wirtschaft mit Schwerpunkt Handel.
Ab dem 1. August 2014 absolvierte X eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Volksbank Y eG. Die Ausbildung sollte am 31. Januar 2017 enden.
Während des gesamten Zeitraums ab der Vollendung des 18. Lebensjahrs des Kindes erhielt der Kläger das Kindergeld für X (zuletzt festgesetzt mit Bescheid vom 1. Oktober 2014 für die Monate ab August 2014).
Mit Bescheid vom 16. Januar 2017 hob die beklagte Familienkasse die Kindergeldfestsetzung mit Wirkung ab dem Monat Februar 2017 auf. Zur Begründung gab die Familienkasse an, dass das Kind im Monat Januar 2017 seine Berufsausbildung beenden würde.
Der Kläger reichte Bescheinigungen der Volksbank Y eG und der IHK ein, die bestätigten, dass X die Prüfung zum Bankkaufmann bestanden hatte. Der letzte Prüfungstag war der 17. Januar 2017. X wurde von der Volksbank Y eG als Arbeitnehmer übernommen. Beginn des Arbeitsverhältnisses war der 18. Januar 2017.
Am 6. April 2017 meldete sich X zum Bankcolleg für ein Bankfachwirt-Studium bei der Genossenschaftsakademie A an. Er erhielt bereits am 7. April 2017 eine Zusage. Die Einführungsveranstaltung fand am 20. Mai 2017 statt. Das erste Semester begann am 3. Juni 2017.
Die Teilnahme an dem viersemestrigen Bankfachwirt-Studium diente ausweislich einer vorgelegten Studienbescheinigung der Vorbereitung auf den beruflichen Fortbildungsabschluss zum "Bankfachwirt Bankcolleg" oder optional zum "Bankfachwirt IHK".
Für das Bankcolleg kann sich jeder Bankmitarbeiter anmelden, der eine Bankausbildung erfolgreich absolviert hat oder eine mindestens dreijährige Berufstätigkeit in der Bank ausgeübt hat.
Aus einer vorgelegten Übersicht ergibt sich zum Studienablauf folgendes:
1. Semester: 03.06.2017 bis 28.10.2017 Semesterprüfungen: 21.10.2017 bis 28.10.2017
2.Semester: 04.11.2017 bis 24.03.2018 Semesterprüfungen: 17.03.2018 bis 24.03.2018
3.Semester: 07.04.2018 bis 25.08.2018 Semesterprüfungen: 18.08.2018 bis 25.08.2018
4.Semester: 08.09.2018 bis 23.02.2019 Semesterprüfungen: 16.02.2019 bis 23.02.2019
Nach einer vorgelegten Informationsbroschüre über die "Personalentwicklung in Genossenschaftsbanken - Bankcolleg, berufsbegleitendes Bankfachwirt-Studium" der Genossenschaftsakademie A wird das Bankcolleg idealerweise direkt nach der Bankausbildung begonnen. Es dient dazu, berufsbegleitend zu studieren und damit die fachliche Kompetenz auszubauen. Die Teilnehmer erhalten ein übergreifendes bankbetriebliches Basiswissen, das Ihnen in allen Bereichen der Bank nützlich sein wird.
Die Präsenzveranstaltungen finden an den Samstagen in der Zeit von 8:30 Uhr bis 14:30 Uhr in Y statt. An den Tagen dazwischen sollen die Teilnehmer neben ihrer Vollzeittätigkeit in der Bank den Stoff im Selbststudium vertiefen. Hierfür dient ein Bankfachwirt-Curriculum aus dem Studienwerk xx-Verlag. Außerdem werden noch sog. Webinare veranstaltet. Am Ende eines jeden Semesters werden Prüfungen geschrieben.
Die erfolgreiche Abschlussprüfung zum "Bankfachwirt Bankcolleg" berechtigt zur Anrechnung auf andere Personalentwicklungsmaßnahmen der Genossenschaftsbanken. Außerdem kann der Absolvent nach einer erfolgreichen Abschlussprüfung zum Bankfachwirt durch den Besuch von zwei weiteren Semestern der Titel "Bank Betriebswirt Bankcolleg" erwerben.
Für diejenigen, die einen akademischen Abschluss mit breiter branchenunabhängiger Akzeptanz anstreben, kann anschließend bei der xxx School ein Abschluss zum Bachelor of Arts in Business Administration erworben werden. Dabei werden sämtliche Leistungen aus der Bankcolleg Bankfachwirt-Ausbildung in vollem Umfang auf das Bachelor-Studium angerechnet. Im Rahmen eines viermonatigen Brückenmoduls werden durch die xxx School die erforderlichen hochschulrechtlichen Voraussetzungen geschaffen. Der akademische Abschluss zum Bachelor of Arts in Business Administration wird dann innerhalb von zwei weiteren Semestern erworben.
Die Fächer und Studieninhalte des Bankcollegs gliedern sich wie folgt auf:
Bankwirtschaft | Betriebswirtschaft |
---|---|
Bankbetriebliche Rahmenbedingungen Jahresabschluss der Kreditinstitute Bankenaufsicht ankenmarketing anksteuerung Bankpolitik | Allgemeine Betriebswirtschaft: Grundlagen, Unternehmenspolitik, Controlling Investition und Finanzierungen Kosten- und Leistungsrechnung Bilanzlehre Personalmanagement |
Präsenzstunden: 77 Webinare: 2 | Präsenzstunden: 84 Webinare: 5 |
Volkswirtschaft | Rechtsgrundlagen des Bankgeschäfts |
Volkswirtschaftliche Rahmendaten Güter- und Kapitalmärkte Geld, Kredit, Währung Wirtschaft- und Sozialpolitik Wirtschaftsbeziehungen und Wettbewerb | Bürgerliches Recht: Schuldrecht, Sachenrecht, Grundstücksrecht, Familienrecht, Erbrecht Handels- und Gesellschaftsrecht Kreditsicherungsrecht Verfahrens- und Insolvenzrecht Arbeitsrecht |
Präsenzstunden: 70 Webinare: 2 | Präsenzstunden: 70 Webinare: 3 |
Privatkundengeschäft | Firmenkundengeschäft |
Kontoführung Zahlungsverkehr Recht (WpHG) verzinsliche Kapitalanlagen Aktien Investmentfonds Derivate | Finanzierungsformen Jahresabschlussanalyse Bonitätsbeurteilung Auslandsgeschäft Zahlungsverkehr Existenzgründung Krisenmanagement |
Präsenzstunden: 42 Webinare: 2 | Präsenzstunden: 42 Webinare: 2 |
Die Studieninhalte verteilen sich wie folgt auf die vier Semester:
1. Semester | Präsenzstunden | Webinare | Semesterprüfungen |
---|---|---|---|
Bankwirtschaft | 35 | 1 | 1 |
Betriebswirtschaft | 21 | 2 | 1 |
Volkswirtschaft | 21 | 1 | 1 |
Rechtsgrundlagen Bankwirtschaft | 28 | 2 | 1 |
Summe | 105 | 6 | 4 |
2. Semester | Präsenzstunden | Webinare | Semesterprüfungen |
---|---|---|---|
Bankwirtschaft | 21 | 1 | 1 |
Betriebswirtschaft | 35 | 2 | 1 |
Volkswirtschaft | 28 | -1 | |
Rechtsgrundlagen Bankwirtschaft | 21 | -1 | |
Summe | 102 | 3 | 4 |
3. Semester | Präsenzstunden | Webinare | Semesterprüfungen |
---|---|---|---|
Bankwirtschaft | 21 | -1 | |
Betriebswirtschaft | 28 | 1 | 1 |
Volkswirtschaft | 21 | 1 | 1 |
Rechtsgrundlagen Bankwirtschaft | 21 | 1 | 1 |
Summe | 91 | 3 | 4 |
4. Semester | Präsenzstunden | Webinare | Semesterprüfungen |
---|---|---|---|
Privatkundengeschäft 42 2 1 | 42 | 2 | 1 |
Firmenkundengeschäft 42 2 1 | 42 | 2 | 1 |
Summe 84 4 2 | 84 | 4 | 2 |
'Gesamt 385 16 14 | 385 | 16 | 14 |
Die Lehrveranstaltungen kosten pro Semester xxx,00 € (insgesamt x.xxx,00 €). Das Studienwerk des xx Verlags kostet pro Semester xxx,00 € (insgesamt xxx,00 €).
Die Genossenschaftsakademie bescheinigte dem Sohn, dass er sich zum nächstmöglichen Zeitpunkt nach dem Abschluss seiner Ausbildung zum Bankkaufmann zu dem Bankcolleg für das Bankfachwirt-Studium angemeldet habe.
Die Genossenschaftsakademie bescheinigte dem Sohn außerdem, dass er an dem Studium und an allen bislang durchgeführten Semesterprüfungen teilgenommen habe (Datum der Bescheinigung: 8. Januar 2018).
Der Kläger beantragte am 18. Juli 2017 erneut Kindergeld für den Sohn X. Mit Bescheid vom 24. Juli 2017 lehnte die beklagte Familienkasse den Antrag auf Gewährung von Kindergeld ab dem Monat Februar 2017 ab. Zur Begründung führte die beklagte Familienkasse aus, dass das Kind X eine erste Berufsausbildung bereits abgeschlossen habe und sich aktuell in einer weiteren Berufsausbildung befinde. Da das Kind daneben einer Erwerbstätigkeit nachgehe, könne es gemäß § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG nicht mehr berücksichtigt werden. Nach dem BFH Urteil vom 4. Februar 2016 (BStBl II 2016, 615 [BFH 04.02.2016 - III R 14/15]) liege keine einheitliche Erstausbildung mehr vor, wenn die weiterführende Ausbildung eine Berufstätigkeit voraussetze oder das Kind vor Beginn der weiterführenden Ausbildung eine Berufstätigkeit aufnehme, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn der nächsten Ausbildung diene.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 26. Juli 2017 Einspruch ein. Zur Begründung führte der Kläger aus, dass es sich bei der jetzigen Ausbildung um ein Studium handle, welches zur ersten Berufsausbildung gehöre. Dementsprechend würden bereits einige Mitschüler das Kindergeld erhalten.
Mit Einspruchsentscheidung vom 8. August 2017 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die beklagte Familienkasse führte aus, dass das Kind eine erstmalige Berufsausbildung zum Bankkaufmann abgeschlossen habe. Im Anschluss daran habe das Kind ab dem 18. Januar 2017 eine Vollzeiterwerbstätigkeit aufgenommen. Diese führe das Kind auch während des Studiums fort. Wegen der anspruchsschädlichen Erwerbstätigkeit entfalle der Kindergeldanspruch.
Mit am 28. August 2017 erhobener Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Der Kläger trägt vor, dass das Kind X seine Ausbildung zum Bankkaufmann am 17. Januar 2017 beendet habe. Der Anmeldeschluss für die Bewerbung zum Studiengang "Bankfachwirt" sei der 15. April 2017 gewesen. X habe sich innerhalb der Anmeldefrist für den Studiengang beworben. Die Bestätigung der Annahme habe er am 7. April 2017 erhalten. Mit Beginn des Studiengangs am 20. Mai 2017 (Einführungsveranstaltung) und der ersten Vorlesung am 3. Juni 2017 habe das Kind in zeitlicher und sachlicher Hinsicht stringent sein ursprüngliches - seit Beginn der Ausbildung zum Bankkaufmann bereits bestehendes - Berufsziel "Bankfachwirt" verfolgt.
Es sei von einer mehrgliedrigen Ausbildung auszugehen. Auf den Umfang der Erwerbstätigkeit des Kindes neben dem Studium komme es deshalb nicht mehr an. Ein zeitlicher und inhaltlicher enger Zusammenhang zwischen der Ausbildung zum Bankkaufmann und dem nachfolgenden Studiengang zum Bankfachwirt sei gegeben.
Ergänzend werde auf das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. Juni 2017 (5 K 2388/15) verwiesen. Das Kind X habe sich zum nächstmöglichen Zeitpunkt für die Weiterbildung zum Bankfachwirt beworben und diese Weiterbildungsmaßnahme zum nächstmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Ausbildung begonnen. Die mehraktigen Ausbildungsmaßnahmen seien zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt worden, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden sollte, um das - sowohl von den Eltern als auch von dem Kind - bestimmte Berufsziel zu erreichen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung der Beklagten vom 8. August 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für seinen am xx. September 1994 geborenen Sohn X ab Februar 2017, hilfsweise ab Juni 2017 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die beklagte Familienkasse ist der Auffassung, dass die weiterführende Ausbildung nur dann Teil der Erstausbildung sein könne, wenn das erklärte Ausbildungsziel mit dem ersten berufsqualifizierenden Abschluss noch nicht erreicht wurde und ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsmaßnahmen bestehe. Es müsse aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar sein, dass das Kind nach Abschluss der ersten berufsqualifizierenden Maßnahme eine weiterführende Ausbildung als Teil der Erstausbildung anstrebe.
Dieser Zusammenhang sei nur gewahrt, wenn das Kind spätestens im Folgemonat nach Abschluss seiner ersten berufsqualifizierenden Ausbildungsmaßnahme eine Bewerbung zum nächstmöglichen Zeitpunkt nachweise.
Sei eine Bewerbung zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, habe das Kind eine schriftliche Erklärung abzugeben, dass es sich zum nächstmöglichen Zeitpunkt auf ein konkretes Berufsziel hin bewerben werde (Absichtserklärung). Diese Erklärung müsse spätestens im Folgemonat nach Abschluss des ersten berufsqualifizierenden Ausbildungsabschnitts bei der Familienkasse eingehen.
Bewerbe sich das Kind erst zeitlich verzögert und/oder gebe es seine Absichtserklärung nicht zeitnah ab, sei nicht mehr nachgewiesen, dass die Erstausbildung nicht mit dem ersten Abschluss beendet sei. Die weitere Ausbildung sei dann als eine Zweitausbildung zu qualifizieren.
Im vorliegenden Fall habe sich das Kind nicht spätestens im Folgemonat nach dem ersten Abschluss um eine weitere Ausbildung beworben. Die weitere Ausbildung sei daher als Zweitausbildung zu qualifizieren. Die daneben ausgeübte Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Stunden pro Woche, stehe dem Anspruch entgegen.
In der mündlichen Verhandlung führte der Vertreter der Familienkasse auf Nachfrage des Gerichtes aus, dass die beklagte Familienkasse das Studium des Sohns zum Bankfachwirt als Bestandteil der Erstausbildung anerkannt hätte, wenn sich der Sohn innerhalb der verwaltungsseitig festgelegten Monatsfrist beworben hätte.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
I. Der Klageantrag ist dahingehend auszulegen, dass sich die Klage auf den Streitzeitraum Februar 2017 bis August 2017 bezieht. Da eine gegen einen Kindergeldablehnungsbescheid gerichtete Klage unzulässig ist, soweit sie die Zeit nach dem Monat der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung betrifft (Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. Dezember 2011 III R 70/09, BFH/NV 2012, 1446; BFH-Urteil vom 24. Juli 2013 XI R 24/12, BFH/NV 2013, 1920; BFH-Urteil vom 25. September 2014 III R 56/13, BFH/NV 2015, 206; vgl. auch BFH-Urteil vom 4. August 2011 III R 71/10, BStBl II 2013, 380), entspricht es dem wohlverstandenen Interesse des Klägers, die offene Formulierung des Klageantrags dahingehend zu verstehen, dass nur die Kindergeldfestsetzung bis einschließlich des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung begehrt wird (Einspruchsentscheidung vom 8. August 2017). Dies wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung erläutert. Sie hat keine Einwände erhoben.
II. Dem Kläger steht das Kindergeld für die Monate Februar 2017 bis August 2017 für das Kind X (geboren am xx. September 1994) zu.
1. Gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ist der Kläger grundsätzlich kindergeldberechtigt, weil er im Inland - und zwar in W - einen Wohnsitz hat.
2. Zwar ist auch die Kindesmutter kindergeldberechtigt, weil das Kind ausweislich der Angaben in dem Antragsformular vom 22. Juni 2017 in dem gemeinsamen Haushalt der Eltern lebt. Aus der Kindergeldakte ergibt sich aber, dass sich die Berechtigten gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG darauf geeinigt haben, dass dem Kläger der Kindergeldanspruch zusteht.
3. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind leibliche Kinder - wie X - dem Grunde nach berücksichtigungsfähig. Dies gilt nach § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 32 Abs. 3 EStG bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres uneingeschränkt. X hatte in dem Streitzeitraum aber bereits das 22. Lebensjahr vollendet. Deshalb erhält der Kläger das Kindergeld nur, wenn X die besonderen Voraussetzungen gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG für Kinder, die bereits das 21. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr, vollendet haben, erfüllt.
4. Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG besteht die Kindergeldberechtigung insbesondere für Kinder, die für einen Beruf ausgebildet werden. In den Monaten Februar 2017 bis April 2017 wurde X unstreitig nicht in einem Beruf ausgebildet. Die Berufsausbildung zum Bankkaufmann war bereits am 17. Januar 2017 beendet worden. Die Einführungsveranstaltung für die Ausbildung zum Bankfachwirt fand am 20. Mai 2017 statt. Es ist aber zweifelhaft, ob die Einführungsveranstaltung bereits als Beginn der weiterführenden Ausbildung zum Bankfachwirt betrachtet werden kann. Der Beginn der weiterführenden Ausbildung fand aber jedenfalls mit Semesterbeginn am 3. Juni 2017 statt. Somit greift § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erst für den Zeitraum ab Juni 2017 ein.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist unter Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind, und zwar unabhängig davon, ob die Ausbildungsmaßnahmen in einer Ausbildungsordnung oder Studienordnung vorgeschrieben sind. Die Ausbildungsmaßnahme braucht Zeit und Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch zu nehmen (z.B. BFH-Urteil vom 24. Juni 2004 III R 3/03, BStBl II 2006, 294, zum freiwilligen sozialen Jahr; BFH-Urteil vom 2. April 2009 III R 85/08, BStBl II 2010, 298, zur Vorbereitung auf eine bestandene Wiederholungsprüfung; BFH-Urteil vom 30. Juli 2009 III R 77/06, BFH/NV 2010, 28, zum freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst; BFH-Urteil vom 10. Mai 2012 VI R 72/11, BStBl II 2012, 895, zur Ausbildung eines Soldaten auf Zeit zum Kraftfahrer der Fahrerlaubnisklasse CE; BFH-Urteil vom 8. September 2016 III R 27/15, BStBl II 2017, 278, zum berufsbegleitenden Studium).
b) Der Besuch des Bankcollegs dient dem Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Deshalb stellt die Teilnahme an dem Bankcolleg eine Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG dar.
c) Unerheblich ist, dass die Präsenzveranstaltungen nur an Samstagen zwischen 8:30 Uhr und 14:30 Uhr stattfinden. Zum einen betont das Bankcolleg die Notwendigkeit des eigenverantwortlichen Selbststudiums anhand des Studienwerks aus dem xx-Verlag an den anderen Tagen. Zum anderen sieht das Bankcolleg auch sog. Webinare vor. Schließlich ist eine inländische Berufsausbildung nach der Rechtsprechung des BFH nicht vom Umfang der Ausbildungsveranstaltungen abhängig.
aa) Zwar hat der BFH für die Anerkennung des Sprachunterrichts im Rahmen eines Au-Pair-Aufenthalts als Berufsausbildung grundsätzlich einen theoretisch-systematischen Sprachunterricht mit grundsätzlich mindestens 10 Wochenstunden verlangt (BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BStBl II 1999, 701). Er hat diesen Mindestumfang aber nicht auf Schul-, Universitäts- und sonstige "klassische" Ausbildungen übertragen (BFH-Urteil vom 2. April 2009 III R 85/08, BStBl II 2010, 298; BFH-Urteil vom 8. September 2016 III R 27/15, BStBl II 2017, 278). Der BFH stellt vielmehr auf den Gesetzeszweck ab, nach dem auch Abendschulen und Fernstudiengänge, die neben einer Vollzeiterwerbstätigkeit durchgeführt werden, grundsätzlich begünstigt sind. Dementsprechend sah es der BFH in seinem Urteil vom 8. September 2016 (III R 27/15, BStBl II 2017, 278) auch als unproblematisch an, dass eine Ausbildung in den ersten sechs Semestern nur aus fünf Semesterwochenstunden - ausschließlich in Wochenendblöcken - bestand.
bb) Der BFH prüfte in dem damaligen Fall lediglich das Vorliegen eines Missbrauchs, der durch eine sog. "Pro-forma-Immatrikulation" verwirklicht sein könnte. Im vorliegenden Fall sind für einen derartigen Missbrauch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Vielmehr hat die Genossenschaftsakademie bescheinigt, dass X die Ausbildungsmaßnahme ernsthaft und nachhaltig betreibt. Etwas Gegenteiliges ist auch von der beklagten Familienkasse nicht vorgetragen worden.
5. Für die Monate Februar 2017 bis Mai 2017 sind die besonderen Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG erfüllt. Nach dieser Vorschrift bleibt die Kindergeldberechtigung bestehen, wenn sich das Kind in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten liegt. Bei der Ausbildung zum Bankkaufmann und der nachfolgenden Ausbildung zum "Bankfachwirt Bankcolleg" bzw. "Bankfachwirt IHK" handelt es sich um eine mehraktige erstmalige Berufsausbildung (siehe unten). Deshalb liegt eine Unterbrechung zwischen zwei Ausbildungsabschnitten vor.
6. Für die Monate Februar 2017 bis Mai 2017 sind außerdem die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG erfüllt. Nach dieser Vorschrift kann ein Kind berücksichtigt werden, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dieser Berücksichtigungstatbestand ist nicht nur dann gegeben, wenn das Kind trotz ernsthaften Bemühens noch keinen Ausbildungsplatz gefunden hat, sondern auch dann, wenn ihm ein Ausbildungsplatz bereits zugesagt wurde, es diesen aber aus schul-, studien- oder betriebsorganisatorischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt antreten kann (BFH-Urteil vom 15. Juli 2003 VIII R 77/00, BStBl II 2003, 845; BFH-Urteil vom 15. September 2005 III R 67/04, BStBl II 2006, 305; BFH-Urteil vom 17. Juni 2010 III R 34/09, BStBl II 2010, 982).
X hatte sich am 6. April 2017 für die Ausbildung zum Bankfachwirt beworben. Die Bestätigung der Annahme erhielt er am 7. April 2017. Zwar begann das erste Semester erst am 3. Juni 2017; die Gesamtsituation deutet jedoch darauf hin, dass X den gesamten Zeitraum nach dem Abschluss der Ausbildung zum Bankkaufmann weiterhin ausbildungswillig war. Ansonsten wäre kaum zu erklären, weshalb sich X bereits so kurz nach dem Abschluss der Ausbildung zum Bankkaufmann für eine weiterführende Ausbildung beworben hat. Deshalb war X allein aus schulorganisatorischen Gründen gehindert, seine Ausbildung fortzusetzen (ebenso für einen Fall der mehraktigen Berufsausbildung: BFH-Urteil vom 15. April 2015 V R 27/14, BStBl II 2016, 163).
7. Die Berücksichtigungstatbestände in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c EStG sind nicht deshalb ausgeschlossen, weil X in den Monaten Februar 2017 bis Mai 2017 einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachging (BFH-Urteil vom 17. Juni 2010 III R 34/09, BStBl II 2010, 982; BFH-Urteil vom 15. April 2015 V R 27/14, BStBl II 2016, 163). Somit sind für die Monate Februar 2017 bis Mai 2017 die besonderen Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c EStG und für die Monate Juni 2017 bis August 2017 die besonderen Voraussetzungen gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b oder c EStG erfüllt.
8. Der negative Abgrenzungstatbestand gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG in Verbindung mit
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG greift nicht ein.
a) Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG wird ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Nach § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG ist eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a SGB IV unschädlich.
b) Die Ausbildung zum Bankkaufmann und die sich anschließende Ausbildung zum "Bankfachwirt Bankcolleg" bzw. "Bankfachwirt IHK" stellen mehraktige Ausbildungsmaßnahmen einer einheitlichen erstmaligen Berufsausbildung dar. Auf den Umfang der Erwerbstätigkeit kommt es deshalb nicht an.
c) Das Tatbestandsmerkmal des "Abschlusses einer erstmaligen Berufsausbildung" im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG liegt dann vor, wenn das Kind befähigt ist, einen von ihm angestrebten Beruf auszuüben (BFH-Urteil vom 15. April 2015 V R 27/14, BStBl II 2016, 163; BFH-Urteil vom 3. September 2015 VI R 9/15, BStBl II 2016, 166). Dabei steht den Eltern und dem Kind nach der Rechtsprechung des BFH von Verfassungs wegen ein weiter Entscheidungsspielraum bei der Gestaltung der Ausbildung zu (BFH-Urteil vom 26. August 2010 III R 88/08, BFH/NV 2011, 26; BFH-Urteil vom 3. Juli 2014 III R 52/13 BStBl II 2015, 152). Ist aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat, kann auch eine weiterführende Ausbildung noch als Teil der Erstausbildung zu qualifizieren sein. Abzustellen ist darauf, ob sich die einzelnen Ausbildungsabschnitte als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung darstellen (BFH-Urteil vom 3. Juli 2014 III R 52/13 BStBl II 2015, 152; BFH-Urteil vom 16. Juni 2015 XI R 1/14, BFH/NV 2015, 1378; BFH-Urteil vom 15. April 2015 V R 27/14, BStBl II 2016, 163; BFH-Urteil vom 3. September 2015 VI R 9/15, BStBl II 2016, 166; BFH-Urteil vom 4. Februar 2016 III R 14/15, BStBl II 2016, 615; BFH-Urteil vom 8. September 2016 III R 27/15, BStBl II 2017, 278; BFH-Beschluss vom 29. August 2017 XI B 57/17, juris).
d) Die systematische Stellung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG und der Sinn und Zweck der Norm sprechen dafür, dass mehraktige Ausbildungsmaßnahmen dann als Teil einer einheitlichen Erstausbildung zu qualifizieren sind, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach dem Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann. Die Ausbildungsabschnitte stellen sich deshalb als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung dar, wenn die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in einem engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden (BFH-Urteil vom 3. Juli 2014 III R 52/13 BStBl II 2015, 152; BFH-Urteil vom 16. Juni 2015 XI R 1/14, BFH/NV 2015, 1378; BFH-Urteil vom 15. April 2015 V R 27/14, BStBl II 2016, 163; BFH-Urteil vom 3. September 2015 VI R 9/15, BStBl II 2016, 166; BFH-Urteil vom 4. Februar 2016 III R 14/15, BStBl II 2016, 615; BFH-Urteil vom 8. September 2016 III R 27/15, BStBl II 2017, 278; BFH-Beschluss vom 29. August 2017 XI B 57/17, juris).
aa) im vorliegenden Fall ist der enge sachliche Zusammenhang zwischen der Ausbildung zum Bankkaufmann und der Ausbildung zum "Bankfachwirt Bankcolleg" bzw. "Bankfachwirt IHK" offenkundig. Es handelt sich um dieselbe Berufssparte und um denselben fachlichen Bereich. Dass die beiden Ausbildungsabschnitte im Rahmen von unterschiedlichen Qualifikationsstufen auf das zukünftige Berufsfeld vorbereiten, ist unerheblich (BFH-Urteil vom 15. April 2015 V R 27/14, BStBl II 2016, 163). Die Ausbildung zum Bankfachwirt hat das Ziel, die Lerninhalte des Ausbildungsgangs zum Bankkaufmann zu vertiefen und zu erweitern. Es geht um die Steigerung der Fachkompetenz eines zum Bankkaufmann ausgebildeten Kindes.
bb) Der enge zeitliche Zusammenhang ist ebenfalls gegeben. Die Ausbildung zum Bankkaufmann endete am 17. Januar 2017. Bereits im April 2017 bewarb sich X für die Teilnahme an dem Bankcolleg. Die Ausbildung begann lediglich aus schulorganisatorischen Gründen erst im Juni 2017.
cc) Die Teilnahme an dem Bankcolleg war ausdrücklich nicht davon abhängig, dass vorher eine gewisse berufspraktische Zeit absolviert werden musste. Zwar wird für die Prüfung zum Bankfachwirt IHK die Ableistung einer berufspraktischen Zeit verlangt (genauer siehe unten). Diese durfte aber während des viersemestrigen Studiums abgeleistet werden. Dementsprechend greifen die Grundsätze, die der BFH in seinem Urteil vom 4. Februar 2016 (III R 14/15, BStBl II 2016, 615) aufgestellt hat, im vorliegenden Fall nicht ein. In der damaligen Entscheidung nahm der BFH an, dass eine Zäsur zwischen zwei Ausbildungen eintritt, wenn sich der zweite Ausbildungsabschnitt erst nach einer vorher zu absolvierenden Berufstätigkeit anschließen kann. Gleiches gilt, wenn das Kind eine weitere Ausbildung erst nach einer zwischenzeitlichen Berufstätigkeit beginnt, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung diente, was daran erkannt werden kann, dass mit der weiterführenden Ausbildung früher hätte begonnen werden können (ebenso: BFH-Beschluss vom 29. August 2017 XI B 57/17, juris).
Beide negative Abgrenzungsmerkmale sind im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Weder bedurfte es einer Berufstätigkeit, damit X seine Ausbildung als Bankfachwirt beginnen konnte, noch hatte X zwischenzeitlich eine Berufstätigkeit begonnen, die nicht lediglich der zeitlichen Überbrückung diente. Zwar befand sich X ab dem 18. Januar 2017 in einer Vollerwerbstätigkeit bei der Volksbank Y eG. Er begann seine weiterführende Ausbildung aber dennoch so früh wie möglich. Deshalb kann die Vollerwerbstätigkeit als bloße Überbrückungstätigkeit gewertet werden. Dies gilt unabhängig davon, dass X auch nach dem Beginn der weiterführenden Berufsausbildung zum Bankfachwirt in vollem Umfang erwerbstätig blieb. Dies war lediglich dem Umstand geschuldet, dass die weiterführende Berufsausbildung als berufsbegleitende Ausbildung konzipiert war.
dd) Die von der beklagten Familienkasse aufgestellten Voraussetzungen zum engen zeitlichen Zusammenhang (Nachweis einer Bewerbung innerhalb eines Monats nach Abschluss der ersten Ausbildungsmaßnahme oder Anzeige bei der Familienkasse innerhalb eines Monats nach Abschluss der ersten Ausbildungsmaßnahme, dass eine Bewerbung auf ein konkretes Berufsziel erfolgen werde) lassen sich aus dem Gesetz nicht ableiten.
Solche Beweiszeichen mögen Indizien für eine fortbestehende Ausbildungswilligkeit sein. Ihr Fehlen kann aber nicht - wie es die beklagte Familienkasse meint - zur automatischen Verneinung des engen zeitlichen Zusammenhangs führen. Vielmehr ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich. Dementsprechend hat der BFH zur Einhaltung des engen zeitlichen Zusammenhangs lediglich verlangt, dass das Kind den weiteren Ausbildungsabschnitt "mit der gebotenen Zielstrebigkeit" aufnimmt. Der enge zeitliche Zusammenhang entfällt nach Ansicht des BFH erst, wenn der weitere Ausbildungsabschnitt nicht aufgenommen wird, obwohl das Kind damit hätte beginnen können (BFH-Urteil vom 15. April 2015 V R 27/14, BStBl II 2016, 163, Tz. 26 bei juris; BFH-Urteil vom 3. September 2015 VI R 9/15, BStBl II 2016, 166, Tz. 22 bei juris). Ähnlich nimmt das Finanzgericht Saarland an, dass der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang besteht, wenn zwischen dem ersten beruflichen Zwischenschritt und der sachlich darauf abgestimmten "Fortbildung" im Höchstfall mehrere Monate liegen (Urteil des FG Saarland vom 15. Februar 2017 - 2 K 1290/16, Tz. 27 bei juris, Revision zugelassen, Az. des BFH: V R 13/17).
Dies sieht im Übrigen auch das Bundesministerium der Finanzen so, indem es in der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (DA-KG) vom 13. Juli 2017 (BStBl I 2017, 1006) ausführt, dass der enge zeitliche Zusammenhang gewahrt ist, wenn das Kind die weitere Ausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufnimmt oder sich bei mangelndem Ausbildungsplatz zeitnah zum nächstmöglichen Zeitpunkt für die weiterführende Ausbildung bewirbt. Unschädlich sind Verzögerungen, die z.B. aus einem zunächst fehlenden Ausbildungsplatz oder aus einem aus schul-, studien- oder betriebsorganisatorischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt verfügbaren Ausbildungsplatz resultieren (A 20.2.4. Abs. 2 Sätze 4 und 5 der DA-KG).
Da X die weiterführende Ausbildung zum Bankfachwirt zum nächstmöglichen Zeitpunkt nach Beendigung der Ausbildung als Bankkaufmann begonnen hat, ist der enge zeitliche Zusammenhang zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten gewahrt. Eine willentliche Zäsur zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten liegt nicht vor. Vielmehr sprechen alle objektiven Beweiszeichen dafür, dass X bereits in dem Zeitpunkt des Abschlusses seiner Ausbildung als Bankkaufmann fest dazu entschlossen war, die weiterführende Ausbildung zum Bankfachwirt zu beginnen. Die im engen zeitlichen Zusammenhang nach Abschluss der ersten Ausbildung gefertigte Bewerbung für die weiterführende Ausbildung zum Bankfachwirt lässt erkennen, dass X sein angestrebtes Berufsziel mit dem Abschluss der Ausbildung zum Bankkaufmann noch nicht erreicht hatte. Seine anschließenden Bemühungen dienten dem - objektiv feststellbaren - Ziel der Erlangung des Abschlusses als Bankfachwirt (ebenso für einen vergleichbaren Fall: BFH-Urteil vom 15. April 2015 V R 27/14, BStBl II 2016, 163, Tz. 23 und 26 bei juris; vgl. auch: BFH-Urteil vom 3. September 2015 VI R 9/15, BStBl II 2016, 166, Tz. 19 bei juris).
9. Gegen diese Würdigung kann nicht eingewandt werden, dass die Weiterbildung zum Bankfachwirt nicht mehr von dem Begriff der Berufsausbildung in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG umfasst ist.
a) Zwar trifft es zu, dass der Begriff der Berufsausbildung in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG enger ist, als das in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG genannte Tatbestandsmerkmal "Kind, das ... für einen Beruf ausgebildet wird." (BFH-Urteil vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BStBl II 2015, 152; BFH-Urteil vom 15. April 2015 V R 27/14, BStBl II 2016, 163; BFH-Urteil vom 3. September 2015 VI R 9/15, BStBl II 2016, 166). Zutreffend ist auch, dass der Beruf im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgangs erlernt und die Ausbildung durch eine Prüfung abgeschlossen werden muss (BR-Drucks 54/11, S. 55 f.). Allein aus dem Umstand, dass es sich bei dem Abschluss "Bankfachwirt Bankcolleg" um eine brancheninterne kaufmännische Aufstiegsfortbildung durch die Genossenschaftsakademien der Volks- und Raiffeisenbanken handelt, kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass die betroffene Ausbildungsmaßnahme keine Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist. Sie ist nämlich auch Grundlage für den öffentlich-rechtlich anerkannten Abschluss "geprüfter Bankfachwirt/geprüfte Bankfachwirtin", der von der Industrie- und Handelskammer vergeben wird (vgl. Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Bankfachwirt/Geprüfte Bankfachwirtin vom 1. März 2000 (BGBl. I S. 193), geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 26. März 2014 (BGBl. I S. 274).
b) Aus § 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung ergibt sich, dass die Prüfung die Bereiche Allgemeine Bankbetriebswirtschaft, Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft, Recht, Privatkundengeschäft, Immobiliengeschäft und Firmenkundengeschäft umfasst. Dies entspricht im Wesentlichen den Fächern und Inhalten des Bankcollegs.
aa) Nach § 4 Abs. 1 der Verordnung werden in dem Prüfungsbereich "Allgemeine Bankbetriebswirtschaft" folgende Bereiche geprüft: Bankbetriebliche Rahmenbedingungen, Jahresabschluss der Kreditinstitute, Bank-Controlling, Bankpolitik und Bankmarketing. Diese Prüfungsbereiche entsprechen im Wesentlichen dem Stoff, der in dem Bankcolleg im Rahmen der "Bankwirtschaft" vermittelt wird.
bb) Nach § 4 Abs. 2 der Verordnung werden in dem Prüfungsbereich "Betriebswirtschaft" folgende Bereiche geprüft: Allgemeine Betriebswirtschaft (Betriebliches Rechnungswesen, Kosten- und Leistungsrechnung, Bilanzlehre, Investition und Finanzierung der Betriebe), Personal und Kommunikation (Personalwirtschaft, Arbeitsrecht, Kommunikation und Projektarbeit). Auch diese Bereiche werden von dem Lehrstoff des Bankcollegs umfasst, wobei der Senat davon ausgeht, dass unter dem Begriff des Personalmanagements sämtliche Themen erfasst sind, die Personal und Kommunikation berühren.
cc) Der Prüfungsbereich "Volkswirtschaft" umfasst nach § 4 Abs. 3 der Verordnung die Themen: Volkswirtschaftliche Rahmendaten, Güter- und Kapitalmärkte, Geld, Kredit, Währung, Wirtschafts- und Sozialpolitik, Wirtschaftsbeziehungen und Wettbewerb. Diese Themen finden sich allesamt in dem Lehrplan des Bankcollegs wieder.
dd) Auch die im Prüfungsbereich "Recht" in § 4 Abs. 4 der Verordnung genannten Themen (Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Kreditsicherungsrecht, Grundzüge des Verfahrens- und Insolvenzrechts) werden während des Bankcollegs behandelt.
ee) Bei den speziellen Qualifikationen nach § 5 der Verordnung (Privatkundengeschäft, Immobiliengeschäft und Firmenkundengeschäft) fällt zwar auf, dass nach dem Lehrplan des Bankcollegs keine Kenntnisse im Immobiliengeschäft vermittelt werden. Diese geringfügige Abweichung gibt dem Senat aber keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass das Bankcolleg eine zielgerichtete Ausbildung zur Erlangung des Abschlusses "Geprüfter Bankfachwirt/Geprüfte Bankfachwirtin" ist. Es handelt sich mithin um eine Ausbildung für einen öffentlich-rechtlich anerkannten Abschluss und damit um einen Teil der Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.
10. Unerheblich ist auch, dass die Zulassung zur Prüfung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung neben einer mit Erfolg abgelegten Abschlussprüfung zum "Bankkaufmann/Bankkauffrau" außerdem zur Voraussetzung hat, dass eine mindestens zweijährige Berufspraxis absolviert worden ist. Diese Berufspraxis wird nach der Konzeption des Bankcollegs während der viersemestrigen Ausbildungszeit erbracht. Sie stellt keine Zäsur zwischen dem ersten und dem zweiten Ausbildungsabschnitt dar, sondern ist Bestandteil des zweiten (berufsbegleitenden) Ausbildungsabschnitts.
Dementsprechend hat der BFH in seinem Urteil vom 4. Februar 2016 (III R 14/15, BStBl II 2016, 615) für die Bejahung einer Zäsur darauf abgestellt, ob der zweite Ausbildungsabschnitt erst nach einer Berufstätigkeit begonnen werden konnte. Der Senat weicht insoweit allerdings von der Auffassung des FG Münster ab, das in seinen Urteilen vom 23. Mai 2017 (1 K 3050/16 Kg, juris, Revision eingelegt, Az. des BFH: XI R 25/17 und 1 K 2410/16 Kg, juris, Revision eingelegt, Az. des BFH: III R 18/17) davon ausgeht, dass das Erfordernis einer praktischen Berufstätigkeit für den Abschluss auch dann eine Zäsur darstellt, wenn das Kind die praktische Berufstätigkeit parallel zu der theoretischen Ausbildung absolvieren kann (ebenso wie hier dagegen: Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 28. Juni 2017 - 5 K 2388/15, juris, zur Weiterbildung einer "Immobilienkauffrau" zur "geprüften Immobilienfachwirtin").
Nach Auffassung des Senats ist die Ansicht des FG Münster schon allein deshalb unzutreffend, weil es sich bei der Frage, ob eine Zäsur vorliegt, um die Frage des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem ersten und dem zweiten Ausbildungsabschnitt handelt. Wird der zweite Ausbildungsabschnitt - wie hier - unmittelbar nach dem ersten Ausbildungsabschnitt begonnen, ist die praktische Berufstätigkeit lediglich Bestandteil des zweiten Ausbildungsabschnitts. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der geforderte enge zeitliche Zusammenhang zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten nicht gewahrt sein sollte.
Der Auffassung des FG Münster kann auch deshalb nicht gefolgt werden, weil sie nicht berücksichtigt, dass bei einer parallelen Ableistung von theoretischer Ausbildung (hier: an der Genossenschaftsakademie) und praktischer Berufstätigkeit der typische Fall der Berufsausbildung während einer Vollzeiterwerbstätigkeit verwirklicht wird. Der BFH hat bereits entschieden, dass eine Vollzeiterwerbstätigkeit eine parallel betriebene Berufsausbildung nicht ausschließt (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juni 2010 III R 34/09, BStBl II 2010, 982). Dieser Grundsatz ist vom BFH auch bereits mehrfach für mehraktige Berufsausbildungen bestätigt worden (BFH-Urteil vom 15. April 2015 V R 27/14, BStBl II 2016, 163, Tz. 28 bei juris; BFH-Urteil vom 8. September 2016 III R 27/15, BStBl II 2017, 278; inzident auch in: BFH-Urteil vom 3. September 2015 VI R 9/15, BStBl II 2016, 166, Tz. 24 bei juris). Indem das FG Münster die Auffassung vertritt, dass das Sammeln von berufspraktischer Erfahrung weder begrifflich noch teleologisch als "Berufsausbildung" verstanden werden könne, verkennt es, dass neben der berufspraktischen Tätigkeit auch eine theoretische Ausbildung absolviert wird, die sehr wohl eine Berufsausbildung im Sinne des Kindergeldrechts ist.
Außerdem kollidiert die Rechtsansicht des FG Münster mit der Auffassung des BFH in dem Urteil vom 16. Juni 2015 (XI R 1/14, BFH/NV 2015, 1378). In dem damals entschiedenen Fall war Bestandteil des streitbefangenen "ausbildungsintegrierten Studiums", dass das Kind neben dem Studium zum Bachelor of Science eine Ausbildung absolvieren musste und anschließend neben dem Studium in Vollzeit arbeitete. Die Prüfung zum Bachelor of Science konnte nur bestanden werden, wenn die Praxisnachweise erbracht wurden. Der BFH hat in der geforderten praktischen Berufstätigkeit keinen Grund gesehen, die mehraktige Berufsausbildung zu verneinen.
Würde sich die Auffassung des FG Münster durchsetzen, könnten berufsbegleitende Ausbildungsmaßnahmen regelmäßig nicht mehr Bestandteil einer mehraktigen Berufsausbildung sein. Die erforderliche praktische Berufstätigkeit würde unabhängig von dem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten zu einem eigenständigen Ausschlusskriterium für die mehraktige Berufsausbildung werden.
11. Schließlich spricht gegen das gefundene Ergebnis auch nicht der Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG (ebenso: BFH-Urteil vom 16. Juni 2015 XI R 1/14, BFH/NV 2015, 1378, Tz. 29 bei juris). Danach ist eine nach dem Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung ausgeübte Erwerbstätigkeit nur dann nicht anspruchsschädlich, wenn sie im Rahmen einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 20 Stunden, einem Ausbildungsdienstverhältnis oder einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt wird. Zwar ist Hintergrund dieser Regelung, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass ein Kind einer Berufsausbildung nicht mehr ernsthaft nachgehen kann, wenn es regelmäßig in Vollzeit arbeitet (BFH-Urteil vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BStBl II 2015, 152). Indes wird diese Vermutung nur für den Fall zum gesetzlichen Tatbestand erhoben, dass zwischen dem ersten Teil der Berufsausbildung und dem berufsbegleitenden Teil der Ausbildung keine sachliche und zeitliche Verzahnung vorliegt. Für die Fälle der mehraktigen Berufsausbildungen werden dagegen auch Ausbildungsabschnitte akzeptiert, die berufsbegleitend - neben einer Vollzeiterwerbstätigkeit - stattfinden.
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Angesichts divergierender finanzgerichtlicher Urteile bedarf es einer höchstrichterlichen Klärung, wann ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten einer mehraktigen Ausbildung vorliegt.