Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.11.2019, Az.: 1 K 167/17

Ansetzen von Verpflegungspauschalen für einen nichtselbständigen Matrosen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
27.11.2019
Aktenzeichen
1 K 167/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 66838
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand

Streitig ist, ob Verpflegungspauschalen anzusetzen sind.

Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als ...matrose auf den Schiffen des ...amtes (künftig Arbeitgeber).

Im Streitjahr war der Kläger Besatzungsmitglied des ...schiffes "X". Es hat eine Besatzung von 18 Personen.

An Bord der "X" gibt es einen ... Kantinen- und Proviantverein (künftig Verein). Zweck des Vereins ist der Einkauf von Kantinen- und Proviantwaren für die "X". Jedes Besatzungsmitglied kann Mitglied des Vereins werden. Mitglieder zahlen für die Teilnahme an der Verpflegung den für Mitglieder jeweils gültigen "ermäßigten Verpflegungssatz". Nichtmitglieder zahlen den jeweils gültigen "Regelverpflegungssatz". Für den Erwerb von Kantinenwaren zahlen Nichtmitglieder einen Pauschalaufschlag von 10 %. Bezüglich der sonstigen Regelungen wird Bezug genommen auf .... Ausweislich der Preisliste Stand 06/16 galten für Mitglieder folgende Preise: Frühstück 1,50 €, Mittag 3,00 €, Abendbrot 1,50 €. Neben der Standardversorgung Frühstück-Mittag-Abendbrot können sich die Besatzungsmitglieder gegen Entgelt Getränke, Süßwaren und ähnliche Dinge aus der Kantine holen, die ebenfalls der Verein betreibt.

Nach der Darstellung des Klägers in der mündlichen Verhandlung befindet sich auf dem Schiff immer ein "Schiffskoch". Es gibt ein festes Besatzungsmitglied, das Schiffskoch ist. Ist dieser verhindert, wird vom Arbeitgeber ein anderer Schiffskoch (Springer) eingesetzt. Neben der Kombüse, die nur der Schiffskoch betreten darf, gibt es einen von dieser getrennten Raum ("Pantry") für die Besatzungsmitglieder. Dieser ist mit Spüle, Kühlschrank, Geschirr, Kaffeemaschine, Boiler und Ähnlichem ausgestattet. Hier können sich die Besatzungsmitglieder - wenn sie Nachtschicht haben - auch mal eine Scheibe Brot zubereiten.

In einer Erklärung des Vereins ... ist ausgeführt, die Besatzung versorge sich selbst mit Lebensmitteln, um die Kosten für die Verpflegung in Grenzen zu halten. Als Mitglied habe der Kläger dem Verein eine Einlage in Höhe von 140 € zur Verfügung gestellt. Während des Jahres 2016 habe er an den Verein Aufwendungen in Höhe von 879,60 € für die Versorgung mit Mahlzeiten während seiner dienstlichen Einsatzzeit geleistet.

Ausweislich eines Schreiben des Vereins ... wird an Bord ein Koch vorgehalten. Aufgrund des Aufgabenbereichs der "X" sei eine mehrtätige bis wochenweise Abwesenheit von Häfen erforderlich. Der Verein führt weiter aus, bereits deshalb sei es dem Kläger nicht möglich, sich selbst zu verpflegen. Dies obliege dem Kläger auch nicht. Ihm seien quasi keine Möglichkeiten dazu an Bord gegeben. Es sei ihm auch nicht gestattet, die Proviantkühlräume des Schiffes "direkt" zu nutzen.

Um die Praxis einer umfangreichen und kostspieligen Versorgung mittels Inspektionen beim Reeder an Land, Schiffsversorgern in den Häfen und den Schiffsküchen an Bord (wie in der herkömmlichen Schifffahrt) zu vermeiden, werde auf eine effiziente Struktur einer "Selbstversorgung" gesetzt. Der Kläger verpflege sich daher "indirekt" über die Mitgliedschaft im Verein. Der Verein werde geführt von einem "Menageführer" (einem der nautischen Offiziere). Dieser beauftrage den Koch mit dem Einkauf und der Zubereitung der Lebensmittel. Der Menageführer statte den Schiffskoch mit den nötigen finanziellen Mittel für den Einkauf der Lebensmittel aus, entsprechend der Reisedauer und dem Fahrgebiet. Der Schiffskoch beschaffe daraufhin alle benötigten Waren, entweder mit seinem eigenen privaten Pkw oder mit einem Lieferservice der in den Häfen ansässigen Lebensmittelgroßhändlern. Der Koch werde vom Arbeitgeber gestellt und entlohnt. Mitglieder hätten für jeden Tag ihrer dienstlichen Verwendung an Bord einen Satz von 6 € zu zahlen. Gemäß den Auslegungen zum Tarifvertrag TvÖD und seinen Anhängen sei der Kläger verpflichtet, an der Bordverpflegungsgemeinschaft teilzunehmen und finanzielle Aufwendungen zu tragen. Dem Schreiben ... sind mehrere Anlagen beigefügt (auf diese wird Bezug genommen), unter anderem eine "Strichliste Koch/Steward über die Teilnahme an den Mahlzeiten, Dezember 2016".

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr gab der Kläger an, an 117 Tagen mehr als 8 Stunden auswärts tätig und an 72 Tagen an 24 Stunden abwesend gewesen zu sein. Er begehrte hierfür einen Werbungskostenabzug für Verpflegungsmehraufwand in Höhe von 3.132 € (117 Tage X 12 € = 1.404 € und 72 Tage X 24 € = 1.728 €).

Er reichte eine Bescheinigung des Arbeitgebers ... ein. In dieser wird mitgeteilt, arbeitsvertraglich sei A als Dienstort und damit als erste Tätigkeitsstätte festgelegt. Es werde bescheinigt, dass der Kläger während seiner Einsatztätigkeit durch den Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung von einem Dritten keine unentgeltlichen Mahlzeiten zur Verfügung gestellt bekommen habe, d.h. es sei keine Mahlzeitengestellung erfolgt. Weiterhin werde versichert, dass auch keine Kürzung des Entgelts für Mahlzeiten vorgenommen worden sei. Zudem werde bestätigt, dass der Kläger keine steuerpflichtigen Reisekostenvergütungen erhalten habe.

Im Einkommensteuerbescheid 2016 vom ... berücksichtigte der Beklagte keinen Verpflegungsmehraufwand. Er führte hierzu aus, der Abzug als Werbungskosten komme nicht in Betracht, da dem Arbeitnehmer kein eigener Aufwand entstanden sei (Mahlzeitengestellung durch den Arbeitgeber).

Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Ausweislich der Bescheinigung des Arbeitgebers seien keine Mahlzeiten gestellt worden. Der Verpflegungsmehraufwand sei anzuerkennen.

Mit Bescheid vom ... wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger weiterhin die Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen. Der Kläger erhalte von seinem Arbeitgeber steuerfrei arbeitstäglich 7,50 €. Diesen Wert habe der Kläger versehentlich in der Steuererklärung 2016 nicht angegeben. Es seien somit 1.417,50 € steuerfreie Leistungen des Arbeitgebers gegenzurechnen. Danach ergebe sich ein noch zu berücksichtigender Verpflegungsmehraufwand in Höhe von 1.714,50 €.

Der Umstand, dass auf dem Schiff ein Schiffskoch vorhanden gewesen sei, bedeute nicht, dass eine Verpflegung gestellt werde.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid ... dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten in Höhe von 1.714,50 € berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, beim Kläger seien die beantragten Verpflegungspauschalen auf 0 € zu kürzen.

Bei der an Bord verabreichten Verpflegung handle es sich um vom Arbeitgeber veranlasste und unter dessen erheblichem Zutun zur Verfügung gestellte Mahlzeiten, mithin um eine Mahlzeitengestellung durch den Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung durch einen Dritten.

Eine Mahlzeitengestellung liege nicht nur dann vor, wenn die Verpflegung unentgeltlich gestellt werde. Der Arbeitgeber stelle den Schiffskoch, einen der nautischen Offiziere als Menageführer sowie die benötigte Infrastruktur (Kantine und Kombüse) zur Verfügung und trage die anfallenden Personal- und Raumkosten. Der vom Arbeitgeber bezahlte Menageführer leite den Verein und beauftrage den vom Arbeitgeber bezahlten Schiffskoch mit dem Einkauf und der Zubereitung der Lebensmittel. Dadurch wirke der Arbeitgeber personell, finanziell und sachlich in erheblichem Maße an der Mahlzeitengestellung mit. Die Zwischenschaltung des Vereins und die Mitgliedschaft in diesem führten weder zu einer Eigenverpflegung des Klägers noch zu einer Mahlzeitengestellung durch einen fremden Unternehmer.

Die Standardverpflegung Frühstück-Mittag-Abendbrot sei eine komplette Tagesverpflegung, die mit den typisierenden Verpflegungspauschalen in § 9 Absatz 4a Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) bzw. mit der Kürzung der Verpflegungspauschalen in § 9 Absatz 4a Satz 8 EStG vollständig abgegolten werde. Außerhalb der Standardversorgung vom Kläger geleistete Zahlungen für Getränke, Süßwaren und Ähnlichem aus der Kantine seien steuerlich nicht abziehbar.

Der Beklagte verweist auf Tz. 73 des BMF-Schreibens vom 24. Oktober 2014 (BStBl I 2014, 1412). Danach könne ein Arbeitnehmer für die ihm tatsächlich entstandenen Mehraufwendungen für Verpflegung aufgrund einer beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit nach der Abwesenheit gestaffelte Verpflegungspauschalen als Werbungskosten ansetzen oder in entsprechender Höhe einen steuerfreien Arbeitgeberersatz erhalten. Das Merkmal "tatsächlich entstandenen Mehraufwendungen" bringe dabei zum Ausdruck, dass die Verpflegungspauschalen insoweit nicht zum Ansatz kämen, als der Arbeitnehmer während seiner beruflichen Auswärtstätigkeit durch den Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung durch Dritte "verpflegt" werde. In diesem Fall erfolge eine Kürzung des Werbungskostenabzugs. Diese typisierende, pauschale Kürzung der Verpflegungspauschalen sei tagesbezogen und maximal bis auf 0 € vorzunehmen.

Im Übrigen würde der Ansatz der Verpflegungspauschalen zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung beim Kläger führen. Dem Kläger seien lediglich 4,95 € je Arbeitstag bzw. bei 189 Arbeitstagen im Jahr 879,60 € an tatsächlichen Kosten für Mahlzeiten entstanden. Selbst wenn der Kläger die in der Preisliste angegebenen 6 € pro Tag für Vollverpflegung sowie daneben für Getränke, Süßwaren und ähnliche Dinge aus der Kantine bezahlt habe, bliebe sein tatsächlicher Aufwand immer noch unter dem steuerfreien Arbeitgeberersatz von 7,50 € je Arbeitstag bzw. 1.417,50 € im Jahr.

Schließlich sei nach § 3c Abs. 1 EStG ein Werbungskostenabzug ausgeschlossen, soweit der Kläger von seinem Arbeitgeber steuerfreie Zahlungen für Verpflegung erhalten habe. Da der steuerfreie Arbeitgeberersatz die dem Kläger tatsächlich entstandenen Mehraufwendungen für Verpflegung übersteige, entfalle der Werbungskostenabzug in vollem Umfang.

Gründe

I. Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat zu Recht den Ansatz von Verpflegungspauschalen abgelehnt.

Nach § 9 Abs. 4a Sätze 1 bis 3 EStG sind Mehraufwendungen eines Arbeitnehmers für die Verpflegung durch Ansatz der in Satz 3 genannten Verpflegungspauschalen zu berücksichtigen. Die nach den Sätzen 3 und 5 ermittelten Verpflegungspauschalen sind gemäß § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG zu kürzen, wenn dem Arbeitnehmer anlässlich oder während einer Tätigkeit außerhalb der ersten Tätigkeitsstätte vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung von einem Dritten eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt wird, und zwar für Frühstück um 20 Prozent sowie für Mittag- und Abendessen um jeweils 40 Prozent der nach Satz 3 Nr. 1 gegebenenfalls in Verbindung mit Satz 5 maßgebenden Verpflegungspauschale für einen vollen Kalendertag. Die Kürzung darf die ermittelte Verpflegungspauschale nicht übersteigen. Dies gilt auch, wenn Reisekostenvergütungen wegen der zur Verfügung gestellten Mahlzeiten einbehalten oder gekürzt werden oder die Mahlzeiten nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a EStG pauschal besteuert werden. Hat der Arbeitnehmer für die Mahlzeit ein Entgelt gezahlt, mindert dieser Betrag gemäß § 9 Abs. 4a Satz 10 EStG den Kürzungsbetrag nach Satz 8. Erhält der Arbeitnehmer steuerfreie Erstattungen für Verpflegung, ist ein Werbungskostenabzug insoweit ausgeschlossen, § 9 Abs. 4a Satz 11 EStG.

Danach war die vom Beklagten vorgenommene Kürzung der Verpflegungspauschalen zutreffend.

Diese Kürzung ist immer dann vorzunehmen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im zeitlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit oder unmittelbar während der Arbeit eine Mahlzeit zur Verfügung stellt (vgl. Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Dezember 2017 5 K 432/17, EFG 2018, 1533, Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 9 EStG Rn. 582).

Vorliegend ist von einer Mahlzeitengestellung durch den Arbeitgeber auszugehen.

Dieser trägt die Kosten für alle Personen, die bei der Verpflegung eingesetzt werden (Schiffskoch, Menageführer und ggf. Steward), und stellt zudem die erforderlichen Räumlichkeiten zur Verfügung (Kantine, Kombüse, Proviantkühlräume). Damit beteiligt er sich in einem solchen Umfang an der Verpflegung, dass von einer Mahlzeitengestellung durch ihn auszugehen ist. Ohne sein Zutun gäbe es keine Mahlzeiten an Bord.

Der Umstand, dass der Kläger die Lebensmittel durch Zwischenschaltung des Vereins selbst bezahlt hat, schließt eine Mahlzeitengestellung nicht aus. § 9 Abs. 4a Satz 10 EStG regelt für den Fall, dass der Arbeitnehmer für die Mahlzeit ein Entgelt bezahlt, dass dieser Betrag den Kürzungsbetrag mindert. Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber von der Möglichkeit einer Mahlzeitengestellung auch dann ausgeht, wenn der Steuerpflichtige hierzu eine Zahlung leistet. Tatsächlich beschränkt sich der Eigenbeitrag des Klägers auch auf eine reine "Geldzahlung". Der Kläger beschafft weder etwas persönlich, noch hat er Einfluss darauf, welche Gerichte zubereitet und zur Verfügung gestellt werden. Nach den schriftlichen Darstellungen und den Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung macht dies vielmehr der - vom Arbeitgeber bezahlte - Schiffskoch. Im Ergebnis stellt sich die vorliegende Konstellation damit nicht anders dar, als wenn ein Steuerpflichtiger für die vom Arbeitgeber gestellten Mahlzeiten ein Entgelt bezahlt.

Eine abweichende Beurteilung erscheint auch nicht deshalb geboten, weil der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Schiffskoch und die notwendige räumliche Ausstattung zu stellen, und der Kläger verpflichtet ist, an der Bordverpflegung teilzunehmen. Da nach dem Gesetzeswortlaut eine Kürzung auch dann vorzunehmen ist, wenn die Bewirtung im ganz überwiegenden betrieblichen Interesse erfolgt (vgl. Oertel in Kirchhof, EStG, 18. Aufl. 2019, § 9 Rn. 94), kann es auch nicht darauf ankommen, warum der Arbeitgeber seinen Beitrag leistet und der Arbeitnehmer an der Verpflegung teilnimmt.

Die Annahme einer Mahlzeitengestellung scheitert ebenfalls nicht an der Bescheinigung des Arbeitgebers, es seien keine Mahlzeiten zur Verfügung gestellt worden. Die Bescheinigung gibt lediglich die rechtliche Auffassung des Arbeitgebers bzw. der ausstellenden Mitarbeiterin wieder. Sie ist für das Gericht in keiner Weise bindend.

Da Frühstück, Mittag- und Abendessen gestellt wurde, beträgt die Kürzung der Verpflegungspauschale 100 Prozent.

Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben und war abzuweisen.

II. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassen, da die Frage, ob eine Mahlzeitengestellung auch vorliegt, wenn der Steuerpflichtige sich (finanziell) an der Beschaffung der Lebensmittel beteiligt, von grundsätzlicher Bedeutung ist.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.