Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.11.2019, Az.: 6 K 356/18

Wirksamkeit eines Antrages auf Feststellung eines fortführungsgebundenen Verlustvortrags nach § 8d Abs. 1 KStG

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
28.11.2019
Aktenzeichen
6 K 356/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69197
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Klägerin wirksam die Feststellung eines fortführungsgebundenen Verlustvortrags nach § 8d Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) beantragt hat.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ein Unternehmen, dessen Gegenstand die Errichtung von Gebäuden und An- und Verkauf von Immobilien ist. Die Gesellschaft wurde durch Gesellschaftsvertrag vom xx.xx. 2016 gegründet. Seitdem ist A. zum alleinigen Geschäftsführer der Klägerin bestellt. Dieser übernahm als Gründungsgesellschafter zunächst den Geschäftsanteil i.H. des Stammkapitals von nominal 25.000 €. Mit notariellem Vertrag vom xx.xx 2016 (Urkundenrolle-Nr. xx/2016 des Notars B., ...) verkaufte A. Geschäftsanteile i.H.v. nominal 20.000 € an die Xgesellschaft mbH und trat die Geschäftsanteile entsprechend ab. Mit notariellem Vertrag vom xx.xx. 2017 (Urkundenrolle-Nr. xx/2017 des Notars C., ...) verkaufte A. weitere Geschäftsanteile i.H.v. nominal 5.000 € an die Y GmbH, und trat die Geschäftsanteile entsprechend ab. In gleicher Urkunde verkaufte die Xgesellschaft mbH Anteile i.H.v. nominal 17.500 € ebenfalls an die Y GmbH und trat die Geschäftsanteile entsprechend ab.

Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn durch Bestandsvergleich gem. § 4 Abs. 1, § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG unter Zugrundelegung eines Wirtschaftsjahres, welches dem Kalenderjahr entspricht. Sie ermittelte in den Jahresabschlüssen zum 31. Dezember 2016 und 31. Dezember 2017 Jahresfehlbeträge i.H.v. ./. 3.823,53 € (zum 31. Dezember 2016) und i.H.v. ./. 99.532,40 € (zum 31. Dezember 2017) und nach dem Inhalt einer betriebswirtschaftlichen Auswertung im Zeitraum 1. Januar 2017 bis 31. Mai 2017 i.H.v. ./. 7.422,51 €.

Am xx.xx. 2018 gingen beim Beklagten die Steuererklärungen der Klägerin für 2017 ein. In diesen hatte die Klägerin eine Verlustabzugsbeschränkung nach § 8c KStG i.H.v. 32.597 € berücksichtigt und keinen Antrag zur Feststellung eines fortführungsgebundenen Verlustvortrags nach § 8d Abs. 1 KStG gestellt.

Der Beklagte erließ daraufhin gegenüber der Klägerin jeweils mit Datum xx.xx. 2018 Bescheide für 2017 über Körperschaftsteuer (mit einer Festsetzung i.H.v. 0 € auf der Grundlage eines Einkommens von ./. 66.936 €) und über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2017 mit einer Feststellung i.H.v. 66.936 €. Beide Bescheide ergingen nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Gegen diese Bescheide legte die Klägerin jeweils am xx.xx. 2018 form- und fristgerecht Einsprüche ein. Gleichzeitig stellte sie einen Antrag auf Feststellung eines fortführungsgebundenen Verlustvortrags nach § 8d Abs. 1 KStG und trug ergänzend vor, Ereignisse i.S. des § 8d Abs. 2 KStG hätten nicht stattgefunden. Ergänzend dazu hatte die Klägerin bereits am xx.xx. 2018 dem Beklagten Steuererklärungen für 2017 elektronisch übermittelt, in denen sie einen fortführungsgebundenen Verlustvortrag nach § 8d KStG i.H.v. 103.357 € eingetragen und unter Kennziffer 19.237 den Antrag nach § 8d KStG gestellt hatte.

Mit Schreiben vom xx.xx. 2018 lehnte der Beklagte den Antrag ab und wies darauf hin, dass der Antrag verfristet und eine Nachholung nicht zulässig sei. Dagegen wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom xx.xx. 2018 und bat um einen rechtsbehelfsmäßigen Einspruchsbescheid.

Die Einsprüche hatten keinen Erfolg; der Beklagte wies diese durch Einspruchsbescheid vom xx.xx. 2018 als unbegründet zurück (Rubrum: "Bescheid für 2017 über Körperschaftsteuer und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.2017"). Nach § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG sei der Antrag auf Feststellung eines fortführungsgebundenen Verlustvortrags in der Steuererklärung für die Veranlagung des Veranlagungszeitraums zu stellen, in dem der schädliche Beteiligungserwerb falle. Eine Antragstellung vor oder nach Abgabe der Steuererklärung sei damit unwirksam. Der Antrag der Klägerin in der berichtigten Steuererklärung erfülle nicht diese Formvoraussetzungen. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen fortführungsgebundenen Verlustvortrag lägen im Streitfall unstreitig vor; der Antrag sei aber nicht fristgerecht gestellt worden. Ergänzend wies der Beklagte auf die Regelung in § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG und auf das zu dieser Norm ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Juli 2015 hin (VIII R 50/14, BFHE 250, 413, BStBl II 2015, 894 [BFH 28.07.2015 - VIII R 50/14]).

Hiergegen hat die Klägerin am xx.xx. 2018 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Sie begehrt die Feststellung eines fortführungsgebundenen Verlustvortrags zum 31. Dezember 2017 i.H.v. 103.357 €, der sich aus dem Verlust 2016 i.H.v. 3.824 € und dem Verlust aus 2017 i.H.v. 99.533 € zusammensetzt. Der entsprechende Antrag auf Nichtanwendung des § 8c KStG sei rechtzeitig gestellt worden. Die Auffassung des Beklagten, der Antrag sei spätestens mit Abgabe der ersten Steuererklärung für das betreffende Jahr zu stellen, gehe fehl. Das Gesetz enthalte keine Hinweise zu einer Beschränkung der Antragstellung in zeitlicher Hinsicht. Hätte der Gesetzgeber eine zeitliche Beschränkung der Abgabe des Antrags gewollt, so hätte er dies klar formuliert. Da der Gesetzgeber bei der Formulierung von Wahlrechtsbeschränkungen in zeitlicher Hinsicht und von Ausschlussfristen grundsätzlich klar und eindeutige Begriffe verwende, aus denen die zeitliche Beschränkung deutlich und zweifelsfrei hervorgeht, könne und müsse der Rechtsanwender im Umkehrschluss davon ausgehen, dass eine zeitliche Beschränkung der Antragstellung in § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG gerade nicht gewollt gewesen sei. In diesem Zusammenhang nimmt die Klägerin Bezug auf die Gesetzesformulierungen in § 27 Abs. 8 Satz 4 KStG, § 3 Abs. 2 Satz 2 des Umwandlungssteuergesetzes, § 138 Abs. 5 AO und § 19 Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes und auf § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG. Ergänzend weist die Klägerin auf das Urteil des Finanzgerichts Thüringen vom 5. Oktober 2018 (1 K 348/18, EFG 2018, 1907) hin. In der Literatur bestehe über die Rechtsfrage ein Meinungsstreit. Die herrschende Meinung gehe aber davon aus, dass § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG so zu interpretieren sei, dass bis zum Eintritt der Bestandskraft der Steuerfestsetzung der Antrag auch in einer berichtigten Steuererklärung gestellt werden könne.

Hilfsweise begehrte die Klägerin, den gem. § 8c KStG untergehenden Verlust des Jahres 2017 - entsprechend dem Inhalt der betriebswirtschaftlichen Auswertung - lediglich i.H.v. 7.422,51 € zu bemessen. Bei unterjährigen Beteiligungserwerb sei eine Aufteilung des laufenden Verlustes des gesamten Wirtschaftsjahres nach wirtschaftlichen Kriterien vorzunehmen. Dies könne auch im Rahmen einer Schätzung erfolgen, deren Grundlage betriebswirtschaftliche Auswertungen aus der Buchhaltung der betroffenen Gesellschaft sein könnten. Dem hat sich der Beklagte inzwischen angeschlossen und jeweils mit Datum xx.xx. 2019 Bescheide für 2017 über Körperschaftsteuer (mit einer Festsetzung i.H.v. 0 € auf der Grundlage eines Einkommens von ./. 92.111 €) und über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2017 mit einer Feststellung i.H.v. 92.111 € (Wegfall Verlust 2016 und Verlust 2017 i.H.v. 7.422 €) auf der Grundlage des § 164 Abs. 2 AO und weiterhin unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, die Bescheide für 2017 über Körperschaftsteuer, über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2017 und über die gesonderte Feststellung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2017, vom xx.xx. 2018 bzw. vom xx.xx. 2018 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx.xx. 2018 und in der Fassung der Bescheide vom xx.xx. 2019 mit der Maßgabe zu ändern, dass ein zu versteuerndes Einkommen 2017 i.H.v. ./. 99.533 € berücksichtigt und ein verbleibender fortführungsgebundener Verlustvortrag nach § 8d KStG i.H.v. 103.357 € festgestellt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner dem Einspruchsbescheid zugrundeliegenden Rechtsauffassung fest und verweist insoweit auf die dortigen Ausführungen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

1. Klage ist zulässig.

a) Die Klage wegen der gesonderte Feststellung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2017 ist zulässig, insbesondere ist gem. § 44 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf erfolglos geblieben.

aa) Das Schreiben des Beklagten vom xx.xx. 2018 ist als verbindliche Ablehnung des Antrags der Klägerin auf gesonderte Feststellung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2017 auszulegen.

Die Auslegung der öffentlich-rechtlichen Willenserklärung einer Behörde bestimmt sich maßgeblich danach, wie der Adressat nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juni 2008 IX R 64/06, BFH/NV 2008, 1676). Maßgebend ist ein "objektiver Verständnishorizont" (BFH-Urteil vom 11. Juli 2006 VIII R 10/05, BFHE 214, 18, BStBl II 2007, 96). Dies gilt auch für die Frage, ob einer Erklärung Regelungscharakter zukommt. Nicht entscheidend ist, was die Finanzbehörde mit ihrer Entscheidung gewollt hat (BFH-Beschluss vom 3. November 2010 II B 55/10, BFH/NV 2011, 295, m.w.N.).

Nach dem objektiven Erklärungsinhalt konnte die Klägerin das Schreiben des Beklagten vom xx.xx. 2018 dahin verstehen, dass damit sein Antrag auf gesonderte Feststellung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2017 rechtsverbindlich abgelehnt wird. Dies ergibt sich daraus, dass ausdrücklich dem Antrag nicht entsprochen und hierfür eine ausführliche Begründung gegeben wurde. Anhaltspunkte dafür, dass das Schreiben vom xx.xx. 2018 eine lediglich unverbindliche Stellungnahme des Beklagten sein könnte, sind nicht ersichtlich. Dem Schreiben war zwar keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt. Das Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung führt aber nur dazu, dass sich die Einspruchsfrist nach § 356 Abs. 2 AO verlängert.

bb) Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom xx.xx. 2018 ist als Einspruch gegen den Bescheid vom xx.xx. 2018 auszulegen.

Außerprozessuale Verfahrenserklärungen sind entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auszulegen. Dies gilt auch für Erklärungen rechtskundiger Personen (BFH-Urteil vom 26. Oktober 2004 IX R 23/04, BFH/NV 2005, 325). Entscheidend ist, wie das Finanzamt als Erklärungsempfänger den objektiven Erklärungswert des Schreibens verstehen musste. Dabei ist bei auslegungsfähigen Rechtsbehelfen grundsätzlich davon auszugehen, der Steuerpflichtige habe denjenigen Rechtsbehelf einlegen wollen, der seinem materiell-rechtlichen Begehren am ehesten zum Erfolg verhilft (BFH-Beschluss vom 3. November 2010 II B 55/10, BFH/NV 2011, 295 [BFH 03.11.2010 - II B 55/10], m.w.N.). Die unrichtige Bezeichnung des Einspruchs allein schadet nach § 357 Abs. 1 Satz 4 AO nicht. Lässt deshalb die Äußerung eines Steuerpflichtigen ungewiss, ob er einen Rechtsbehelf einlegen will, so ist die Erklärung im Allgemeinen als Rechtsbehelf zu betrachten, um zugunsten des Steuerpflichtigen den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern (BFH-Urteil vom 26. Oktober 2004 IX R 23/04, BFH/NV 2005, 325; BFH-Beschluss vom 3. November 2010 II B 55/10, BFH/NV 2011, 295).

Im Streitfall entspricht es dem Gebot zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 2. September 2002 1 BvR 476/01, BStBl II 2002, 835), das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 8. November 2018 als Einspruch auszulegen. Aus der Bezugnahme auf das Schreiben vom xx.xx. 2018 sowie aus dem Inhalt des Schreibens vom 8. November 2018 wird hinreichend deutlich, dass die Klägerin weiterhin die gesonderte Feststellung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2017 begehrte und einen Einspruchsbescheid erwartete. Die Auslegung des Schreibens als Einspruch entspricht daher dem Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 9. November 2005 I R 10/05, BFH/NV 2006, 750, m.w.N.).

cc) Der Einspruchsbescheid vom xx.xx. 2018 ist entgegen der Bezeichnung im Rubrum auch eine Einspruchsentscheidung über den Antrag der Klägerin auf gesonderte Feststellung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2017. Der fortführungsgebundene Verlustvortrag wird gem. § 8d Abs. 1 Satz 7 KStG in einem gesonderten Feststellungsverfahren ermittelt und festgestellt, welches neben das Verfahren zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags tritt (vgl. § 8d Abs. 1 Satz 8 KStG).

Nach dem objektiven Erklärungsinhalt konnte die Klägerin den Einspruchsbescheid des Beklagten vom xx.xx. Dezember 2018 dahin verstehen, dass damit auch über den Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf gesonderte Feststellung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2017 entschieden wird. Dies ergibt sich daraus, dass sich der Beklagte im Rahmen der Begründung mit dem Antrag der Klägerin nach § 8d KStG auseinander setzt.

b) Die Klage ist auch hinsichtlich Körperschaftsteuer 2017 und hinsichtlich der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2017 zulässig. Die Klägerin ist durch die entsprechenden Bescheide durch Anwendung der Regelung des § 8c KStG beschwert.

aa) Zwar fehlt es für die Anfechtung eines auf Null lautenden Steuerbescheides regelmäßig an der für die Zulässigkeit einer Klage erforderlichen Beschwer (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, m.w.N.); dies gilt aber nicht, wenn sich die Steuerfestsetzung nicht in der Konkretisierung des Steuerschuldverhältnisses erschöpft (z.B. BFH-Urteil vom 23. April 2008 X R 32/06, BFHE 221, 102, BStBl II 2009, 7), etwa weil der zugrunde gelegte Gewinn eine verbindliche Entscheidungsgrundlage für andere Bescheide bildet (z.B. BFH-Urteile vom 8. Juni 2011 I R 79/10, BFHE 234, 101, BStBl II 2012, 421; vom 21. September 2011 I R 7/11, BFHE 235, 273, BStBl II 2014, 616; s.a. BFH-Urteil vom 9. September 2010 IV R 38/08, BFH/NV 2011, 423). Diese Voraussetzungen ist erfüllt, da der Körperschaftsteuerbescheid Besteuerungsgrundlagen aufweist, die auf der Grundlage einer inhaltlichen Bindung für die (Verlust-)Feststellungsbescheide wirken.

Nach § 10d Abs. 4 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG sind bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den Schluss eines Veranlagungszeitraums die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zugrunde gelegt worden sind; § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 AO sowie § 42 FGO gelten entsprechend. Die Rechengröße des negativen Gesamtbetrags der Einkünfte ist daher für die Feststellung der Verlustvorträge auf den Schluss des Verlustentstehungsjahres im Sinne einer "inhaltlichen Bindung" maßgebend; da auf dieser Grundlage eine eigenständige Prüfung im Rahmen des Feststellungsverfahrens nicht mehr stattfindet, folgt daraus eine sachliche Beschwer, die den Steuerpflichtigen auch bei Vorliegen eines Nullbescheides zur Anfechtung berechtigt (BFH-Urteil vom 22. November 2016 I R 30/15, BFHE 257, 219, BStBl II 2017, 921, m.w.N.).

bb) Die Klägerin ist auch durch den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2017 beschwert.

In welchem Verfahren eine Entscheidung zur Anwendung des § 8c KStG im Jahr des schädlichen Beteiligungserwerbs zu treffen ist, ist bisher nicht abschließend geklärt. Wenn auf der Grundlage von § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG eine inhaltlich verbindliche Regelung auch im Falle einer "Nullfestsetzung" vorliegen kann, könnte zugleich aus § 10d Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 2 EStG gefolgert werden, dass wegen der entsprechenden Geltung von § 351 Abs. 2 AO und § 42 FGO eine Änderung der nach § 10d Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 1 EStG bindenden Besteuerungsgrundlagen nicht durch Anfechtung des Verlustfeststellungsbescheides erreicht werden kann. Allerdings ist durch die Anfechtung des Ertragsteuerbescheids der Rechtsschutz des Steuerpflichtigen nicht in jeder Hinsicht sichergestellt. Jedenfalls bezieht sich die Regelungswirkung des § 8c KStG auch auf den zum vorherigen Stichtag festgestellten verbleibenden Verlustvortrag, der dann, wenn im Jahr des schädlichen Beteiligungserwerbs ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte erzielt wird, nicht Gegenstand der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens im Rahmen der Steuerfestsetzung ist. Insoweit wird eine verbindliche Entscheidung über die Kürzung des zum 31. Dezember des Vorjahres festgestellten verbleibenden Verlustvortrags bei der Ermittlung des zum 31. Dezember dieses Jahres festzustellenden Verlustvortrags erst im Feststellungsbescheid getroffen (BFH-Urteil vom 22. November 2016 I R 30/15, BFHE 257, 219, BStBl II 2017, 921).

cc) Die Frage der Beschwer ist auch unter Berücksichtigung der Regelung in § 8d KStG nicht anders zu beurteilen. § 8d KStG führt zwar bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen auf der Rechtsfolgenseite zu einer Nichtanwendung des § 8c KStG. Eine verfahrensrechtliche Bindung i.S. eines Grundlagenbescheids oder eine gesetzlich angeordnete "inhaltliche Bindung" ist der Regelung aber nicht zu entnehmen.

2. Die Klage ist zudem begründet.

Die Ablehnung des Beklagten, die Bescheide für 2017 über Körperschaftsteuer, über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2017 und über die gesonderte Feststellung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2017, vom xx.xx. 2018 bzw. vom xx.xx. 2018 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx.xx. 2018 und in der Fassung der Bescheide vom xx.xx. 2019 zu ändern und einen fortführungsgebundenen Verlustvortrag auf den 31. Dezember 2017 zu erlassen, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat mit ihrem Antrag in der am xx.xx. 2018 eingereichten Steuererklärung wirksam ihr Wahlrecht nach § 8d Abs. 1 KStG für einen fortführungsgebundenen Verlustvortrag ausgeübt. Ein fortführungsgebundener Verlustvortrag zum 31. Dezember 2017 ist daher gesondert festzustellen und die angefochtenen Steuerbescheide sind antragsgemäß zu ändern.

Gemäß § 8d Abs. 1 Satz 1 KStG ist § 8c KStG nach einem schädlichen Beteiligungserwerb auf Antrag nicht anzuwenden, wenn die Körperschaft seit ihrer Gründung oder zumindest seit dem Beginn des dritten Veranlagungszeitraums, der dem Veranlagungszeitraum nach Satz 5 vorausgeht, ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb unterhält und in diesem Zeitraum bis zum Schluss des Veranlagungszeitraums des schädlichen Beteiligungserwerbs kein Ereignis i.S.v. Abs. 2 stattgefunden hat.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin einen schädlichen Beteiligungserwerb i.S. des § 8c KStG erlitten hat und dass - außer der Frage der rechtzeitigen Antragstellung - die Voraussetzungen des § 8d KStG erfüllt sind. Nach Ansicht des erkennenden Senats hat die Klägerin den Antrag nach § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG rechtzeitig gestellt.

a) Gemäß § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG ist der Antrag in der Steuererklärung für die Veranlagung des Veranlagungszeitraums zu stellen, in den der schädliche Beteiligungserwerb fällt, mithin im Streitfall in der Steuererklärung für 2017.

Die Klägerin hat den Antrag nach § 8d KStG zwar nicht in der ursprünglichen, am xx.xx. 2018 eingereichten Körperschaftsteuererklärung gestellt. Der Senat ist jedoch der Ansicht, dass die Klägerin den Antrag rechtswirksam in der am xx.xx. Oktober 2018 eingereichten Steuererklärung gestellt hat. Denn der auf der Grundlage der Steuererklärung vom xx.xx. 2018 ergangene und die Klägerin für das Jahr 2017 veranlagende Körperschaftsteuerbescheid stand zum Zeitpunkt des Antrags unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 AO. Zudem verhinderte der Einspruch vom xx.xx. 2018 den Eintritt der Bestandskraft. Der Bescheid war damit im Zeitpunkt des Antrags auch im Hinblick auf die Anwendung des § 8c KStG noch änderbar. Ein Bescheid ist grundsätzlich änderbar, wenn der Bescheid noch nicht materiell bestandskräftig ist, namentlich unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht. Damit korrespondiert auch das Recht, erstmalig ein Wahlrecht auszuüben (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 2015 X R 56/13, BFHE- 252, 241, BStBl II 2016, 967).

In der Literatur wird unter Verweis auf § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG teilweise die Ansicht vertreten, die nachträgliche Ausübung des Wahlrechts sei ausgeschlossen; denn die in § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG genannte Frist stelle eine nicht verlängerbare gesetzliche Ausschlussfrist dar (Leibner in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG, § 8d Rz 24; Streck, KStG, 9. Auflage 2018, § 8d Rz 23; Brandis in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 8d KStG Rz 41).

Nach anderer Auffassung soll der Antrag nach § 8d Abs. 1 KStG "zumindest dann" nachgeholt werden können, wenn zeitlich nach Abgabe der "erstmaligen" Steuererklärung ein Verlustuntergang gemäß § 8c KStG entsteht oder sich erhöht hat. Dann müsse dem Steuerpflichtigen (erstmals) die Möglichkeit eingeräumt werden, einen Antrag nach § 8d KStG zu stellen (Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 8d KStG Rz 148; Förster/von Cölln, DStR 2017, 8).

Demgegenüber hat das Thüringer Finanzgericht mit Gerichtsbescheid vom 5. Oktober 2018 (1 K 348/18, EFG 2018, 1907) die Ansicht vertreten, das in § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG formulierte Wahlrecht (eines Antrags auf fortführungsgebundenen Verlustvortrag) kann bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft des Körperschaftssteuerbescheides rechtswirksam ausgeübt werden (so auch Suchanek/Rüsch in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG/GewStG, § 8d KStG Rz 41 und Neyer, BB 2017, 415):

"Weder nach den gesetzlichen Motiven noch nach dem Gesetzeswortlaut enthält § 8d Abs. 1 Satz 5 eine Ausschlussfrist mit dem Inhalt, dass der Antrag nach § 8d Abs. 1 KStG in der Erst-Körperschaftsteuererklärung - und nur dort - gestellt werden kann. Die amtliche Gesetzesbegründung spricht davon, dass ein Antrag nach § 8d Abs. 1 Satz 5 "bis zum Ende des Wirtschaftsjahres" beantragt werden kann (BR-Drucksache 544/16, 8). Diese - von einigen Autoren als Versehen bezeichnete - Formulierung hat keinen Eingang in das Gesetz gefunden. § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG formuliert lediglich, dass der "Antrag in der Steuererklärung für die Veranlagung des Veranlagungszeitraums zu stellen ist". Darin kann der entscheidende Senat keine Formulierung einer Ausschlussfrist erkennen. Der Gesetzgeber hat auch auf eine ausdrückliche Antragsbefristung - anders als beispielsweise in § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG - verzichtet (so auch Suchanek/Rüsch, Zweifelsfragen bei § 8d KStG, GmbH-Rundschau - GmbHR - 2018, 57, 60).

Materiell-rechtliche Gründe zur Beschränkung eines Antrags auf fortführungsgebundenen Verlustvortrag auf die Erst-Körperschaftsteuererklärung sind nicht ersichtlich. Vielmehr wählt der Steuerpflichtige mit einem Antrag nach § 8d KStG eine von § 8c KStG abweichende Art der Verlustnutzung, die eigenen Regeln folgt. Zwar "rettet" § 8d KStG zunächst den vom Untergang bedrohten Verlustabzug. Dies steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass in der Zukunft bis zum Verlustverbrauch kein schädliches Ereignis i. S. d. § 8d Abs. 2 KStG eintritt. In einem solchen Fall ginge der dann noch vorhandene fortführungsgebundene Verlustvortrag vollständig unter. Demgegenüber führt § 8c KStG zwar zu einem endgültigen Verlustuntergang. Er entsteht jedoch nur in Höhe des jeweiligen Prozentsatzes des Erwerbs.

Die vorliegende Lösung, ein Antragsrecht nach § 8d KStG bis zur materiellen Bestandskraft des Körperschaftsteuerbescheides zu gewähren, vermeidet auch den Wertungswiderspruch für den Fall des nachträglichen Entstehens eines Verlustes nach § 8c KStG. Würde man § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG als gesetzliche Ausschlussfrist begreifen, könnte ein Antrag - beispielsweise nach einer Betriebsprüfung, in der erstmals ein Verlustabzug nach § 8c KStG beschränkt wurde - nicht mehr gestellt werden. Die Meinung, die einen Antrag gemäß § 8d Abs. 1 KStG "jedenfalls für den Fall des nachträglichen Entstehens eines Verlustes nach § 8c KStG" befürwortet, kann ihr Ergebnis nicht begründen. Sieht man § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG als gesetzliche Ausschlussfrist an, ist für Billigkeitserwägungen kein Raum. Bei dieser Lesart würde der betroffenen Körperschaft im Fall des nachträglichen Entstehens eines Verlustes somit die gesetzlich vorgesehene - von § 8c KStG abweichende - Verlustbehandlung genommen. Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung kann der Senat nicht erkennen."

b) Der erkennende Senat schließt sich der Ansicht des Thüringer Finanzgerichts mit der Folge an, dass die Klägerin den Antrag auf Feststellung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags zum 31. Dezember 2017 in der am xx.xx. 2018 eingereichten Steuererklärung wirksam stellen konnte und § 8c KStG nicht anzuwenden ist.

Die Regelung einer Ausschlussfrist ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die amtliche Gesetzesbegründung zu § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG in seiner letztendlichen Form lautet: "Durch die Formulierung wird klargestellt, dass für den Antrag nach § 8d KStG die Formvorschriften für die Steuererklärung insbesondere auch bei elektronischer Abgabe gelten." (BT-Drucksache 18/10495, S. 14). Es tritt also die Intension des Gesetzgebers zu Tage, formlose Anträge vor dem Hintergrund elektronischer Steuererklärungen mit zu verarbeitenden elektronischen Daten zu verhindern. Die Regelung einer Frist ist diesem geäußerten Willen des Gesetzgebers nicht zu entnehmen. Wie sich in der Regelung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG zeigt, weiß der Gesetzgeber zudem, sich hinreichend deutlich auszudrücken.

Zwar hat der BFH im Urteil vom 14. Mai 2019 (VIII R 20/16, BFHE 264, 459, BStBl II 2019, 586 [BFH 14.05.2019 - VIII R 20/16]) ausgeführt, eine Steuererklärung ist eine formalisierte, innerhalb einer bestimmten Frist abzugebende Auskunft des Steuerpflichtigen oder seines Vertreters, die dem Finanzamt die Festsetzung der Steuer oder die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ermöglicht und in der Regel zum Erlass eines Steuerbescheides führt; hiervon ist die Berichtigung einer inhaltlich unzutreffenden Einkommensteuerklärung, zu der der Steuerpflichtige gemäß § 153 AO verpflichtet ist, zu unterscheiden. Daraus könnte der Schluss gezogen werden, dass lediglich eine Steuererklärung im rechtlichen Sinn existieren kann, in der ein Antrag nach § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG zu stellen wäre (so Herkens GmbHR 2018, 405).

Dies erscheint aber nicht zwingend. Zum einen fiel die benannte Entscheidung des BFH zur Regelung in § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG, zu der der BFH ausführt, dass der Gesetzgeber durch die Verwendung des Wortes "spätestens" eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass die Ausübung des Wahlrechts zeitlich durch die Abgabe der Einkommensteuererklärung befristet ist (BFH-Urteil vom 14. Mai 2019 VIII R 20/16, BFHE 264, 459, BStBl II 2019, 586; s.a. BFH-Urteil vom 28. Juli 2015 VIII R 50/14, BFHE 250, 413, BStBl II 2015, 894 [BFH 28.07.2015 - VIII R 50/14]). Zum anderen ist hinsichtlich der Regelung zur Wahl der Veranlagungsart in § 26 Abs. 2 Satz 3 EStG ("..durch Abgabe in der Steuererklärung..") hinreichend geklärt, dass die Wahl bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung geändert werden kann (BFH-Urteil vom 14. Juni 2018 III R 20/17, BFHE 262, 92, BFH/NV 2018, 1328, m.w.N.).

Außerdem überzeugt die Ansicht, ein Antragsrecht nach § 8d KStG bis zur materiellen Bestandskraft des Körperschaftsteuerbescheides zu gewähren, durch Vermeidung eines Wertungswiderspruchs für den Fall des nachträglichen Entstehens eines Verlustes nach § 8c KStG.

3. Die Befugnis, dem Beklagten die Ermittlung des festzusetzenden und der festzustellenden Beträge aufzuerlegen, ergibt sich aus § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO und auf § 151 Abs. 1, 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

5. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache und zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Entscheidungen des BFH zu der Frage der formellen und materiellen Beziehungen zwischen der Körperschaftsteuerveranlagung und der Verlustfeststellungen bei Anwendung des § 8d KStG und zu der Auslegung des § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG sind nicht ersichtlich.