Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 03.11.2020, Az.: S 44 AS 323/16

Nachtspeicherheizung; Stromheizung; angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
03.11.2020
Aktenzeichen
S 44 AS 323/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71543
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Ermittlung der tatsächlichen Heizkosten im Falle von Stromheizung kann – bei Fehlen einer technisch konkreten Erfassung des tatsächlichen Verbrauchs – über die Werte erfolgen, die in der Stromrechnung für den Niederstromtarif ausgewiesen werden.

Eine Berechnung der tatsächlichen Heizkosten in diesem Fall mit bundesweit durchschnittlichen Werten des Haushaltsstroms von Vergleichsportalen (www.verivox.de oder www.strompreisentwicklung.de), die nicht dem zur Berechnung des Regelsatzes herangezogenen Wertes entsprechen, ist sowohl im Ansatz als auch in der konkreten Ausführung falsch. Sie ist im Ansatz bereits falsch, weil nach der gesetzgeberischen Vorstellung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II die konkreten Kosten im Einzelfall zu ermitteln sind. Auf abstrakte Werte kann in der Phase der konkreten Ermittlung nicht zurückgegriffen werden. Lediglich für die Setzung einer Angemessenheitsgrenze sind abstrakte Werte heranzuziehen. Sie ist jedoch auch in der konkreten Ausführung systemwidrig. Denn der Gesetzgeber selbst hat bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II nach § 19 SGB II in eigenen Statistiken konkret für die Ermittlung des Regelsatzes einen Wert für Haushaltsstrom in Ansatz gebracht. Es wäre systemwidrig, für die Berechnung der Heizkosten einen anderen abstrakten Wert heranzuziehen.

Innerhalb des Systems zur Berechnung des Arbeitslosengeldes II muss von einem einheitlichen Wert für Haushaltsstrom ausgegangen werden. Es wäre widersprüchlich, mit zwei unterschiedlichen Werten für Haushaltsstrom je für die Berechnung des Regelsatzes und für die angemessenen Heizkosten zu rechnen.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung weiterer Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum September bis Dezember 2015.

Der 1964 geborene Kläger stand im streitgegenständlichen Zeitraum im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Er bewohnt nach der Trennung von seiner Ehefrau seit 1.11.2013 eine 67 m² große Wohnung in einem Gebäude mit einer Gesamtfläche von 154 m². Beheizt wird mittels eines Nachtspeicherofens. Für diesen existiert kein eigener Zähler, der den Verbrauch in der Stromabrechnung gesondert ausweisen könnte. Das Versorgungsunternehmen rechnet die Verbrauchswerte für den tagsüber bezogenen Strom (Hochtarif = HT) und nachts bezogenen Strom (Niedertarif = NT) ab. Seit Einzug bestehen zwischen den Beteiligten Streitigkeiten über die korrekte Berechnung der Anteile des Heizungsstroms und des Haushaltsstroms.

Am 14.4.2015 stellte das örtliche Versorgungsunternehmen die Stromversorgung ein, im Juni 2015 die Wasserversorgung.

Mit Bescheid vom 3.8.2015 bewilligte die Beklagte Leistungen für den Zeitraum September 2015 bis Februar 2016. Sie berücksichtigte dabei Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 469,67 € (Heizkosten davon 76,67 €) und gewährte eine Warmwasserpauschale in Höhe von 9,18 € monatlich.

Am 13.8.2015 (Blatt 236 der Verwaltungsakte) legte der Kläger gegen diese Entscheidung Widerspruch ein. Er begründete diesen damit, dass er Leistungen rechtmäßiger Höhe begehre. Die Heizkosten seien fehlerhaft berechnet worden.

Am 17.8.2015 leitete der Kläger ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren ein, mit dem er die Übernahme von Schulden beim örtlichen Versorgungsunternehmen begehrte (S 19 AS 206/15 ER).

Mit Schreiben vom 28.8.2015 reichte der Kläger eine Mietbescheinigung ein, ausweislich derer Heizkosten in Höhe von monatlich 130 € anfallen sollten und die Gebäudegröße 154 m² betrug (Blatt 273 der Verwaltungsakte).

Am 28.9.2015 einigten sich die Beteiligten in einem außergerichtlichen Vergleich über die darlehensweise Übernahme der Stromschulden. Am 29.9.2015 unterschrieb der Kläger ein Formular der Beklagten genannt „Abtretungserklärung“, in dem er sich damit einverstanden erklärte, dass die monatlichen Abschläge in Höhe von 185 € (für Strom 152 €, im Übrigen Wasser und Abwasser) von der Beklagten ab 1.10.2015 direkt aus der Regelleistung an das örtliche Versorgungsunternehmen überwiesen werden sollten.

Anfang Oktober 2015 nahm das örtliche Versorgungsunternehmen die Versorgung der Wohnung des Klägers mit Strom und Wasser wieder auf.

Die Beklagte stellte fest, dass bislang mit den Werten von Fernwärme für eine weitaus größere Gebäudegröße gerechnet worden war (Blatt 339 der Verwaltungsakte). Am 5.11.2015 erließ die Beklagte zwei Bescheide, die eine Abhilfe enthielten. Mit „Abhilfebescheid“ vom 5.11.2015 teilte sie dem Kläger mit, dass weitere Heizkosten (in Höhe von 12,91 €) bewilligt würden. Damit sei dem Widerspruch voll abgeholfen. Kosten könnten nicht erstattet werden. Mit „Änderungsbescheid“ vom 5.11.2015 bewilligte die Beklagte weitere Heizkosten in Höhe von 12,91 €. Beide Bescheide enthielten eine Rechtsbehelfsbelehrung dahingehend, dass sie mit Widerspruch angegriffen werden könnten.

Gegen beide Bescheide legte der Kläger am 24.11.2015 Widersprüche ein und begründete diese zum einen damit, dass die Kostenentscheidung abzuändern sei und zum anderen damit, dass die Heizkosten nach wie vor nicht korrekt berechnet würden. Denn die Bruttowarmmiete sei angemessen (Blatt. 374/377 der Verwaltungsakte).

Unter dem 4.1.2016 fertigte die Beklagte ein Schreiben an den Kläger mit folgendem Inhalt: „da dem Begehren des Widerspruchsführers scheinbar nicht in vollem Umfang entsprochen worden ist, nehme ich den Abhilfebescheid vom 5.11.2015 hiermit zurück. Die Widersprüche gegen die in dem Abhilfebescheid getroffenen Kostenentscheidungen sind damit als erledigt zu betrachten. Mit freundlichen Grüßen“. Der Bescheid enthält keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Ausweislich der Akten (Blatt 404 der Verwaltungsakte) kam die Beklagte unter Anwendung der „erweiterten Produkttheorie“ nunmehr zu dem Schluss, dass erneut weitere Heizkosten zu bewilligen seien. Am 13.1.2016 erließ sie einen „Änderungsbescheid“ für den Zeitraum September 2015 bis Dezember 2015 und entschied ausweislich des Tenors (Blatt 408 der Verwaltungsakte): Ihnen stehen für die Zeit vom 1.9.2015 - 31.12.2015 insgesamt höhere Leistungen in Höhe von 5,42 € mehr als bisher bewilligt zu. Es würden nun Heizkosten in Höhe von 95 € monatlich anerkannt. Insgesamt ergab sich eine Bewilligung der Bedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe von 488 € (310 € Grundmiete, 50 € Nebenkosten, 95 € Heizkosten und 33 € Wasser/Abwasserabschläge) und eine Warmwasserpauschale in Höhe von 9,18 €.

Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung dahingehend, dass er mit Widerspruch angegriffen werden könne.

Die Beklagte erließ darüber hinaus einen „Abhilfebescheid“ vom 13.1.2016 (Blatt 409 der Verwaltungsakte), wonach dem Widerspruch auf dem Verwaltungswege in vollem Umfang entsprochen worden sei. Sie erteilte eine Rechtsbehelfsbelehrung dahingehend, dass das zulässige Rechtsmittel der Widerspruch sei.

Am 21.1.2016 erließ die Beklagte einen Bescheid (Blatt 410 der Verwaltungsakte), der eine Kostenentscheidung für das Widerspruchsverfahren betreffend den Bescheid vom 3.8.2015 enthielt. Mit den Änderungsbescheiden vom 13.1.2016 sei nunmehr die erweiterte Produkttheorie angewandt und damit dem Widerspruch in vollem Umfang abgeholfen worden. Kosten würden auf Antrag erstattet. Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung dahingehend, dass gegen diese Kostenentscheidung der Widerspruch zulässig sei.

Am 28.1.2016 legte der Kläger gegen den Änderungsbescheid vom 13.1.2016 Widerspruch ein (Blatt 446 der Verwaltungsakte). Er begründeten diesen damit, dass der Kläger mittels einer Nachtspeicherheizung heize und die Stromkosten vollumfänglich zu übernehmen seien. Nachtspeicherheizungen seien nicht im Heizspiegel enthalten.

Mit Schreiben vom 8.2.2016 reichte der Kläger die Stromrechnung des örtlichen Versorgungsunternehmens vom 1.2.2016 für das Jahr 2015 ein (Bl. 460 der Verwaltungsakte). Ausweislich dieser waren für den Zeitraum 1.10.2015 (Wiederaufnahme der Stromversorgung) bis 31.12.2015 Stromkosten in Höhe von insgesamt 559,04 € angefallen. Die Kosten für den Niedertarif betrugen danach 356,28 € (330 € + 22,08 € zzgl. 19 % Umsatzsteuer).

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.2.2016 (Blatt 448 der Verwaltungsakte) verwarf die Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Sie begründete dies damit, dass das Widerspruchsverfahren mit Bescheid vom 13.1.2016 erledigt worden sei. Den Bescheid vom 5.11.2015 habe sie mit Bescheid vom 4.1.2016 zurückgenommen. Am 21.1.2015 sei ein entsprechender Abhilfebescheid ergangen.

Am 16.3.2016 hat der Kläger Klage erhoben. Er begehrt die vollständige Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13.01.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2016 zu verurteilen, dem Kläger für den Leistungszeitraum September 2015 bis Dezember 2015 höhere Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte tritt der Klage damit entgegen, dass sie Ihrer Auffassung nach unzulässig sei, weil der Änderungsbescheid vom 13.1.2016 seinerseits Gegenstand eines laufenden Widerspruchsverfahrens nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geworden sei. Das Widerspruchsverfahren betreffend den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 3.8.2015 sei fortgesetzt worden, da der Änderungsbescheid vom 5.11.2015 mit Bescheid vom 4.1.2016 zurückgenommen worden sei. Es sei ein Verfahren zum Aktenzeichen S 44 AS 67/16 (mittlerweile S 44 AS 526/20) anhängig, der Bescheid dürfe Gegenstand dieses Verfahrens sein. In dem Verfahren S 44 AS 67/16 (S 44 AS 526/20) begehrte der Kläger ausweislich seines Klageantrags, die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig zu erklären. Der Kläger hat das Verfahren am 3.11.2020 für erledigt erklärt.

Im Übrigen habe sie Ihrer Auffassung nach alle Stromkosten, die die Heizkosten beträfen, bewilligt. Mittlerweile sähen die fachlichen Hinweise der Bundesagentur eine Berechnungsweise dahingehend vor, dass von den durchschnittlichen Haushaltsstromkosten als Rechnungsgröße auszugehen und dieser Posten von den Stromkosten insgesamt abzuziehen sei. Hieraus ergäben sich die Stromkosten, die die Heizung beträfen. Danach ergäbe sich kein weiterer Anspruch (die Berechnung legt die Beklagte im Parallelverfahren zum Aktenzeichen Schriftsatz vom 2.7.2019 im Verfahren S 44 AS 323/17 dar: 1750 Kwh jährlicher Haushaltsstrom im Ein-Personen-Haushalt, damit rund 40 Euro monatlich). Im Übrigen hätte sich auch nach den zum Jahre 2015 geltenden fachlichen Hinweisen der Bundesagentur nichts Anderes ergeben. Diese hätten damals zwar noch eine Berechnungsweise dahingehend vorgesehen, dass die Werte aus der Stromrechnung betreffend den Niederstrom als Heizkosten übernommen werden sollten (siehe Vermerk Blatt 540 der Verwaltungsakte). Jedoch ergäbe sich auch danach kein Anspruch.

Zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts hat die Vorsitzende beim örtlichen Versorgungsunternehmens angerufen und von dort die telefonische Auskunft erhalten, die Werte des Niedertarif stellten annähernd realistisch den Verbrauch der Nachtspeicherheizung dar. Soweit zwar auch andere Verbrauchsstellen (zum Beispiel Kühlschrank) während der Nachtzeit Strom bezögen, so bezöge auf der anderen Seite die Nachtspeicherheizung tagsüber ihren Betriebsstrom und lade sich bei sehr kalten Temperaturen auch tagsüber auf. Da sowohl der Verbrauch anderer Quellen zu Nachtzeit als auch der Verbrauch der Nachtspeicherheizung zur Tagzeit zu vernachlässigen sei, könne auf den Niedertarif zu Ermittlung der Verbrauchswerte der Nachtspeicherheizung zurückgegriffen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klage ist zulässig, da der „Änderungsbescheid“ vom 13.1.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.2.2016 einen tauglichen Verfahrensgegenstand bildet. Wenn die Beklagte meint, die Klage sei unzulässig, so ist schon nicht ersichtlich, was genau sie rügt. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Anfechtungs- und Leistungsklage sind zahlreich und ergeben sich aus dem Gesetz (z. B. Klagebefugnis, Klagefrist, ordnungsgemäße Durchführung eines Widerspruchsverfahrens). Aus den Ausführungen der Beklagten, die überwiegend aus Zitaten aus der Rechtsprechung betreffend die ordnungsgemäße Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bestehen, soll wohl geschlossen werden, dass die Durchführung des Widerspruchsverfahrens als Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 78 Sozialgerichtsgesetz (SGG) infrage gestellt wird. Indes hat der Kläger ein Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 13.1.2016 ordnungsgemäß eingeleitet und die Beklagte hat es mit Widerspruchsbescheid abgeschlossen. Seiner Obliegenheit, zunächst eine Überprüfung des angegriffenen Bescheides durch die Verwaltung selbst zu ermöglichen, ist der Kläger damit nachgekommen. Die von Seiten der Beklagten im Rahmen ihrer gesetzlichen Vorgaben zu erfüllenden Pflichten bei der ordnungsgemäßen Durchführung liegen allein im Verantwortungsbereich der Beklagten und sind dem Kläger entzogen. Ob das Widerspruchsverfahren damit lege artis von Seiten der Beklagten durchgeführt wurde, ist keine Frage der Zulässigkeit einer Klage.

Unstreitig hat die Beklagte mit dem Bescheid vom 13.1.2016 eine Abänderung der Leistungsbewilligung entschieden, mithin einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erlassen. Demgemäß hatte sie diesen Bescheid mit einer Rechtsbehelfsbelehrung dahingehend versehen, dass er mit Widerspruch angreifbar sei.

Sollten den Ausführungen der Beklagten dahingehend, mit dem Bescheid vom 13.1.2016 habe sie das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 3.8.2016 abgeschlossen, zu entnehmen sein, es handele sich mangels vollständiger Abhilfe entgegen seiner Bezeichnung tatsächlich um einen Widerspruchsbescheid im Sinne von § 85 Abs. 2 SGG, so ergibt sich für die Zulässigkeit der Klage hieraus nichts Anderes. Denn in dem Fall konnte der Bescheid 3.8.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.1.2016 – wegen falscher Rechtsbehelfsbelehrung – binnen Jahresfrist, § 84 in Verbindung mit § 66 Abs. 1 und Abs. 2 SGG, angegriffen werden, was mit der vorliegenden Klageerhebung am 16.3.2016 geschehen ist.

Darauf, dass die Beklagte den Änderungsbescheid 5.11.2015 gar nicht zurückgenommen hat, da sie mit Bescheid vom 13.1.2016 lediglich weitere Heizkosten in Höhe von 5,42 € bewilligt hat und nicht – wie sie es bei tatsächlicher Rücknahme des Änderungsbescheides vom 5.11.2015 hätte tun müssen – 18,33 € (nämlich die Summe der mit Bescheid vom 5.11.2015 bewilligten weiteren Heizkosten in Höhe von 12,91 € und den darüber hinaus bewilligten 5,42 €), kommt es angesichts obiger Ausführungen nicht an.

Soweit die Beklagte auf eine Unzulässigkeit wegen doppelter Rechtshängigkeit, § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) verweisen möchte, so kann sie damit nicht durchdringen. Denn im Verfahren S 44 AS 67/16 war allein die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts streitig, so dass es sich von vorneherein um verschiedene Streitgegenstände handelte.

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger begehrt die vollständige Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung. Hintergrund ist die Frage, welche Stromkosten auf die Heizung und welche auf die übrige Haushaltsenergie entfallen, weil er mittels einer Nachtspeicherheizung heizt, die mit Strom betrieben wird. Eine Nachtspeicherheizung bezieht tagsüber ihren Betriebsstrom und lädt sich grundsätzlich nachts auf, in Ausnahmefällen bei sehr kalten Temperaturen auch tagsüber.

Zur Überzeugung des Gerichts steht dem Kläger kein Anspruch auf Bewilligung weiterer Kosten der Unterkunft und Heizung zu. Nach § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II werden die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Ermittlung der tatsächlichen Heizkosten kann bei Stromheizungen – wenn nicht ein eigener Zähler existiert, der vom Versorgungsunternehmen getrennt in der Abrechnung aufgeführt wird – nicht auf eine ausschließlich die Heizkosten betreffende Abrechnung über den Erwerb des Heizmittels zurückgegriffen werden. Vielmehr liegt üblicherweise lediglich eine Stromabrechnung vor, die die Werte für einen Hochtarif (tagsüber bezogener Strom) und einen Niedertarif (nachts bezogener Strom) ausweist.

Im Falle der Beheizung von Strom folgt die Kammer der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts, wonach hinsichtlich der tatsächlichen Aufwendungen für Heizstrom von den Werten auszugehen ist, die ausweislich der Stromrechnung für den Niedertarif anfallen bzw. angefallen sind (Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 11.1.2013 – S 45 AS 478/12 ER; so auch die fachlichen Hinweise der Bundesagentur in der Vergangenheit).

Denn eine Nachtspeicherheizung bezieht ihren Heizstrom zum ganz überwiegenden Teil zur Nachtzeit, weshalb die entsprechenden Verbrauchswerte für den Niedertarif (Nachtzeit) zu übernehmen sind. Dabei berücksichtigt die Kammer zum Einen, dass auch zur Nachtzeit andere Verbrauchsstellen (wie zum Beispiel Kühlschrank) Strom beziehen. Zum anderen benötigt auch eine Nachtspeicherheizung zur Tageszeit Betriebsstrom und in Ausnahmefällen – während sehr kalter Tage – auch Heizstrom. In der Gesamtbetrachtung dürften sich der Verbrauch der übrigen Geräte zulasten des Niedertarifs und der Nachtspeicherheizung zulasten des Hochtarifs die Waage halten, sodass die Werte des Niedertarifs den zur Nachtzeit bezogenen Heizstrom annähernd zutreffend darstellen.

Das Gericht greift auf die aus der Stromrechnung ersichtlichen Werte für den Niedertarif zurück, weil es die anderen in Betracht kommenden Methoden zur Ermittlung der tatsächlichen Heizkosten ausgehend vom Tatbestand des § 22 Abs. 1 SGB II ausschließt.

Als weitere Methode kommt zunächst die von der Beklagten aufgrund der fachlichen Hinweise der Bundesagentur mittlerweile vorgeschlagene Herangehensweise in Betracht. Dabei werden die ausweislich bundesweiter Statistiken von Portalen wie www.verivox.de oder www.strompreisentwicklung.net (SG Karlsruhe, Urteil vom 28. April 2015 – S 17 AS 599/14 –, juris, Rz 24) anfallenden Kosten für Haushaltsstrom für die entsprechende Bedarfsgemeinschaft ermittelt (nach der Beklagten für den Ein-Personen-Haushalt rund 1750 Kwh, mithin rund 40 €) und von den anfallenden Stromkosten in Abzug gebracht. Der verbleibende Rest soll die Heizkosten darstellen.

Diese Methode ist abzulehnen, da sie sowohl im Ansatz als auch in der Ausführung nicht der gesetzgeberischen Vorstellung entspricht. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II gibt als Ermittlungsansatz vor, dass zunächst die tatsächlichen Aufwendungen im konkreten Einzelfall festzustellen sind. Tatbestandlich muss in einem zweiten Schritt abstrakt die Angemessenheit des ermittelten Wertes überprüft werden, da unangemessen hohe Heizkosten – nach Aufforderung, die Kosten zu senken, § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II (BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 – B 14 AS 60/12 R –, BSGE 114, 1-11, SozR 4-4200 § 22 Nr 69, Rz 27 ff) – nicht übernommen werden.

Für die Ermittlung der tatsächlichen Aufwendungen ist es bereits im Ansatz nicht richtig, auf abstrakte Werte, die sich aus bundesweiten Durchschnitten ergeben, zurückzugreifen. Im konkreten Einzelfall können die tatsächlichen Heizkosten bei der Beheizung mittels Stroms zuverlässig nur dann erfasst werden, wenn ein eigener vom Versorgungsunternehmen eingebauter Zähler den Verbrauch feststellt und die Werte in der Abrechnung ausgewiesen werden. Üblicherweise existieren solche Zähler nicht und die Leistungsträger wirken auch nicht darauf hin, dass solche Zähler eingebaut werden.

Existiert ein solcher Zähler nicht, so kann zur Ermittlung der tatsächlichen Aufwendungen im Einzelfall nicht auf einen abstrakten Wert betreffend die Haushaltskosten zurückgegriffen werden, um diese dann von den Stromkosten in Abzug zu bringen und so den verbleibenden Wert für die Heizkosten zu ermitteln. Denn der Rückgriff auf abstrakte Werte widerspricht der gesetzgeberischen Vorstellung, die konkreten Aufwendungen im Einzelfall zu erfassen.

Die Methode, auf abstrakte Werte aus bundesweiten Statistiken betreffend den Haushaltsstrom zurückzugreifen, ist jedoch in auch in der konkreten Ausführung systemwidrig. Denn der Gesetzgeber selbst hat bei der Ermittlung des Anspruches auf Gewährleistung eines soziokulturellen Existenzminimums gemäß § 19 SGB II in eigenen Statistiken konkret für die Ermittlung des Regelbedarfes einen Wert für Haushaltsstrom in Ansatz gebracht. Bei der Feststellung des Regelbedarfes, der gemäß § 20 Absatz 1a SGB II in Verbindung mit § 28 desZwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung festgesetzt wird, ist auch Haushaltsstrom als Posten berücksichtigt. Dieser Posten betrug im Jahre 2014 34,21 €, im Jahre 2017 33,31 € und beträgt für das Jahr 2020 36,44 € [Angaben nach: Bernd-Günter Schwabe in Zeitschrift für das Fürsorgewesen (ZfF), Heft 1-2020, Seite 1 (9)]. Soweit aber bereits ein Wert für Haushaltsstrom existiert, der zur Grundlage der Berechnungen des Leistungsanspruchs der Hilfebedürftigen im SGB II gemacht wird, so kann nicht auf einen anderen abstrakten Wert – der zu Ungunsten der Leistungsempfänger auch noch höher ist – zurückgegriffen werden. Allein schon der Gedanke, nach einer anderen Größe zu suchen, wo doch schon eine existiert, ist nicht nachvollziehbar.

Soweit die Beklagte in der Vergangenheit auf die Werte des bundesweiten Heizspiegels, dort der teuersten Heizungsart, zu Ermittlung der tatsächlichen Heizkosten im Falle von Stromheizungen zurückgegriffen hat, so entspricht auch dies nicht den Vorgaben in § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II. Über den Verbrauch im konkreten Einzelfalls treffen dieses Werte keine Aussage. Auf sie wird – auch nach der Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 – B 14 AS 60/12 R –, BSGE 114, 1-11, SozR 4-4200 § 22 Nr 69, Rz 25; für Stromkosten allerdings nur als obiter dictum) erst zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze zurückgegriffen. Zur Ermittlung der tatsächlichen Heizkosten taugt der Wert damit nicht.

Die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in Betracht gezogene Berechnungsweise, den im Regelsatz enthaltenen Haushaltsstrom von den zu zahlenden Abschlägen (bzw. im Rahmen der Abrechnung insgesamt von den konkreten Stromkosten) abzuziehen, ist sehr erwägenswert. Denn für diese Methode sprechen Praktikabilitätsgründe. Im Rahmen der Massenverwaltung ist der Aufwand der konkreten Erfassung von Heizstromkosten groß und steht damit bei Abwägung der jeweils anfallenden Kosten möglicherweise außer Verhältnis zum Ziel der gewünschten Einzelfallgerechtigkeit. Bei dieser Methode stünde die konkrete Ausführung zur Ermittlung der Heizkosten dafür nicht im Widerspruch zur Berechnung des Anspruches auf Arbeitslosengeld II insgesamt. Das Gericht kann auf diese Methode aus bereits oben dargestellten Gründen nicht zurückgreifen, weil außer Betracht bliebe, dass der für den Regelsatz ermittelte Wert für Haushaltsstrom ein statistischer Durchschnittswert ist und nichts über das tatsächliche Verbrauchsverhalten im konkreten Einzelfall aussagt, was aber Tatbestandsvoraussetzung in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist.

Nach der eingangs genannten Methode – Rückgriff auf die Werte des Niedertarifs – verbleibt kein Anspruch. Denn Ausweislich der Stromrechnung sind für den Niederstromtarif 356,28 € angefallen. Heizkosten wurden in Höhe von 380 € gezahlt.

Da bereits die – im Wege oben genannter Methode ermittelten – tatsächlichen Heizkosten übernommen wurden, verbleibt für Ausführungen zu einer etwaigen Angemessenheitsgrenze im Falle der Beheizung mit Strom kein Raum.

Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus § 193 SGG.