Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 23.02.1998, Az.: 1 U 1/97
Zahlung von Schmerzensgeld wegen Zerstörung der Persönlichkeit des Patienten als Folge einer Fehlbehandlung; Schadensersatz aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers; Fehlerhafte Behandlung eines Pericardergusses und schwerer hypoxischer Hirnschaden; Rechtsprechung zur Höhe eines Schmerzensgeldes bei Schäden nach ärzlichen Behandlungsfehlern; Zahlung einer Schmerzensgeldrente neben einem Kapitalbetrag
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 23.02.1998
- Aktenzeichen
- 1 U 1/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 32253
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1998:0223.1U1.97.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlage
- § 847 BGB
Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 1998
durch
den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ... als Vorsitzenden sowie
durch
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28. November 1996 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagten werden verurteilt, dem Kläger als Gesamtschuldner ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 253.600 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 2. April 1996 zu zahlen.
Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Vorfall vom 28. August 1992 zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige übergangsberechtigte Dritte übergegangen ist, immaterielle Schäden indes nur insoweit, als diese zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht sicher vorhersehbar waren.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 30/100 und die Beklagten als Gesamtschuldner 70/100.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 20/100 und die Beklagten als Gesamtschuldner 80/100.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 310.000 DM abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Die Parteien können die Sicherheit durch eine schriftliche, unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse erbringen.
Wert der Beschwer: jeweils über 60.000 DM.
Tatbestand
Der am 3. Februar 1992 geborene Kläger nimmt die Beklagten aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers auf Schadensersatz in Anspruch. Der Kläger, der seit seiner Geburt an einer Herzfehlbildung (Fallot'sche Tetralogie) litt, wurde deswegen am 18. August 1992 operiert. Der postoperative Verlauf war zunächst komplikationsarm. Allerdings zeigte sich, daß der Kläger neben einem Spannungspneumothorax rechts und einer relativ hohen Lungendurchblutung einen postoperativen Pericarderguß hatte, der zum Zeitpunkt seiner Verlegung von der Intensivstation am Morgen des 27. August 1992 auf eine normale Pflegestation der Kinderklinik der Beklagten zu 1 noch bestand. In dem handschriftlichen Verlegungsbericht wurde empfohlen, noch am Verlegungstag eine echokardiographische Kontrolle des Pericardergusses durchzuführen. Dies unterblieb.
Am 28. August 1992 kurz nach 5:00 Uhr stieg die Pulsfrequenz des Klägers an, sein Blutdruck fiel ab, er wies eine stöhnende Atmung und zyanotische Lippen auf. Gegen 5:20 Uhr wurde der Beklagte zu 2 benachrichtigt. Es wurde eine Sauerstoffuntersättigung des Blutes des Klägers festgestellt. Der Beklagte zu 2 diagnostizierte einen hypoxämischen Anfall. Der Kläger bekam Sauerstoff - wahrscheinlich über eine Maske - und wurde sediert, worauf kurzfristig eine Besserung eintrat. Bei einer gegen 5:43 Uhr durchgeführten Blutgasanalyse zeigte sich jedoch eine schwere metabolische Azidose, die auch bei einer Kontrolluntersuchung gegen 5:56 Uhr nachgewiesen wurde. Der Kläger erhielt zur Bekämpfung der metabolischen Azidose zwischen 6:05 Uhr und 6:15 Uhr 15 mval Natriumbicarbonat intravenös. Zu diesem Zeitpunkt wurden die "Vitalparameter" (Blutdruck und Herzfrequenz) als normal beschrieben. Gegen 6:20 Uhr kam es jedoch zu einem Zusammenbruch dieser vitalen Parameter. Der Blutdruck des Klägers fiel ab und es kam zu einer Bradycardie bis fast zum Herzstillstand. Der Beklagte zu 2 rief nun den Notarztwagen zum Transport des Klägers in die Intensivstation. Weiterhin zog er den Oberarzt ... hinzu, der nach nasaler Intubation des Klägers und Beginn der Reanimation gegen 6:55 Uhr den Pericarderguß punktierte und ca. 50 ml Flüssigkeit absaugte.
Unstreitig kam es im Rahmen dieser Ereignisse beim Kläger zu einem schweren hypoxischen Hirnschaden mit nachfolgender spastischer Tetraparese.
Vorprozessual wurde ein Schlichtungsverfahren durchgeführt, in dem der Kinderkardiologe ... am 9. September 1994 ein Sachverständigengutachten erstattete (Bl. 44 f. der Schlichtungsakte), auf welches hiermit Bezug genommen wird. Darin gelangte er zu dem Ergebnis, daß die schwere Kreislaufbeeinträchtigung des Klägers am Morgen des 28. August 1992 mit Sauerstoffmangelversorgung des Körpers und nachfolgendem Hirnschaden mit großer Wahrscheinlichkeit durch eine Herzbeuteltamponade ausgelöst worden sei. Einzig erfolgbringende Maßnahme sei in einem derartigen Fall eine sofortige Entlastung des Herzbeutels von der überschüssigen Flüssigkeit durch eine Punktion bzw. Drainage. Diese Maßnahme sei aber erst nach 60 Minuten durchgeführt worden.
Die Beklagte zu 1 hat mit Schreiben vom 17. Oktober 1995 ihre Haftung dem Grunde nach anerkannt und vorgerichtlich Schmerzensgeld in Höhe von 120.000 DM sowie eine monatliche Schmerzensgeldrente gezahlt, und zwar im November 1995 39 Monatsraten á 400 DM sowie in gleicher monatlicher Höhe für die Folgezeit.
Der Kläger hat in erster Instanz die Auffassung vertreten, es liege ein schwerer Behandlungsfehler vor. Die erbrachten Schmerzensgeldzahlungen seien nicht ausreichend. Hinsichtlich der Schmerzensgeldbemessung liege eine besondere Fallgruppe vor. Für ihn sei es schwer, seine Menschenwürde noch zu behaupten. Sein Zustand komme dem eines Apallikers gleich. Der Schmerzensgeldbetrag müsse sich schon aus diesem Grunde an bislang von der Rechtsprechung zugesprochenen Maximalbeträgen orientieren. Darüber hinaus sei den Beklagten neben der bereits erwähnten groben Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen, daß sie die Schadensabwicklung zögerlich vorgenommen hätten. Neben dem Schmerzensgeldkapital sei eine Rente erforderlich, weil er unter immer wiederkehrenden Lebensbeeinträchtigungen leide.
Die Beklagten haben ihre Einstandspflicht dem Grunde nach nicht in Abrede gestellt. Sie haben jedoch das Vorliegen eines schweren Behandlungsfehlers bestritten und das gezahlte Schmerzensgeld zuzüglich der gezahlten Rente für ausreichend erachtet.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Neuropädiaters .... Es hat die Beklagten mit dem hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes in Bezug genommenen Urteil vom 28. November 1996 zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von 300.000 DM und einer weiteren Schmerzensgeldrente von monatlich 600 DM verurteilt. Darüber hinaus hat es auch dem gestellten Feststellungsantrag entsprochen.
Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung wiederholen und vertiefen die Beklagten ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie sind der Auffassung, aufgrund des vorgerichtlich erteilten Anerkenntnisses fehle das Rechtsschutzbedürfnis für den Feststellungsantrag. Ferner halten sie das vom Landgericht zugesprochene Schmerzensgeld für weit überhöht. Sie sind - neben den außergerichtlich erbrachten Zahlungen - zur Zahlung einer monatlichen Schmerzensgeldrente von insgesamt 750 DM - also von zusätzlichen 350 DM monatlich - bereit, was bei kapitalisierter Rente unter Einbeziehung der bereits freiwillig gezahlten 120.000 DM einem Gesamtschmerzensgeld von 300.000 DM entspreche. Sie meinen, die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Fällen, in denen die vollständige Zerstörung der Persönlichkeit zu beklagen sei, könne im Ergebnis nicht zu Schmerzensgeldbeträgen führen, die andere bislang zuerkannte Schmerzensgeldmaximalbeträge sogar noch überschritten.
Die Beklagten beantragen,
das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Klage abzuweisen,
- 1.
soweit sie als Gesamtschuldner verurteilt werden, dem Kläger mehr als eine monatliche Schmerzensgeldrente von 350 DM - über die freiwillig gezahlten 400 DM hinaus - seit dem 1. November 1995 zu zahlen und
- 2.
soweit mehr festgestellt wird, als daß sie als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Vorfall vom 28. August 1992 zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige übergangsberechtigte Dritte übergegangen ist, immaterielle Schäden indes nur insoweit, als diese zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht sicher vorhersehbar sind.
Hilfsweise beantragen die Beklagten,
die Klage im bezifferten Schmerzensgeldausspruch mit der Maßgabe und insoweit abzuweisen, als sie als Gesamtschuldner verurteilt werden, dem Kläger mehr als ein kapitalisiertes Gesamtschmerzensgeld von. (Festbetrag plus Rente) 300.000 DM zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auch der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er meint, es liege ein grober ärztlicher Behandlungsfehler vor, weil die zwingend erforderliche Pericardergußkontrolle am Verlegungstag unterblieben sei. Das Schmerzensgeld sei an den höchsten bisher von der Rechtsprechung zugestandenen Beträgen zu orientieren. Darüber hinaus sei auch zu berücksichtigen, daß er kompensatorische Annehmlichkeiten erfahren könne, welche extrem kostenintensiv seien.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten vom 22. Januar 1998 (Bl. 186 f.) und auf die Erläuterungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung am 2. Februar 1998 (Bl. 202 f.) Bezug genommen. Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg. Sie haben dem Kläger nur einen weiteren Schmerzensgeld(-kapital)betrag in Höhe von 253.600 DM (400.000 DM abzüglich bereits gezahlter 146.400 DM) zu zahlen. Darüber hinaus war auch der Feststellungsausspruch des erstinstanzlichen Urteils antragsgemäß abzuändern. Im einzelnen:
1.
Die Beklagten, die ihre Haftung dem Grunde nach nicht in Abrede nehmen, sind dem Kläger zur Zahlung von Schmerzensgeld verpflichtet. Die Behandlung des Pericardergusses des Klägers am 28. August 1992 war fehlerhaft, weil dieser viel zu spät erkannt und punktiert wurde, was einen schweren hypoxischen Hirnschaden und eine fast vollständige Zerstörung der Persönlichkeit des Klägers zur Folge hatte.
2.
Die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat in Fällen, in denen die Persönlichkeit eines Menschen infolge eines Hirnschadens annähernd völlig zerstört wurde, nur ein symbolisches Schmerzensgeld zugesprochen. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof indes seit einiger Zeit aufgegeben (vgl. BGHZ 120, 1). Nach seiner neueren Rechtsprechung, die den Senat überzeugt und der er folgt, verlangen Fälle, in denen der Verletzte durch den weitgehenden Verlust der Sinne in der Wurzel seiner Persönlichkeit getroffen worden ist, nach einer eigenständigen Bewertung dessen, was als Entschädigung für diesen immateriellen Verlust i.S. von § 847 BGB "billig" ist. Eine lediglich symbolhafte Entschädigung wird der vollständigen Zerstörung der Persönlichkeit des Verletzten in Fällen schwerer Hirnschädigungen nicht gerecht. Anzuknüpfen ist an den immateriellen Schaden, den ein Verletzter durch eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erleidet. Dabei kann es durchaus auch von Bedeutung sein, ob der Verletzte sich dieser Beeinträchtigung bewußt ist oder nicht. Es müssen alle Umstände, die dem Schaden im Einzelfall sein Gepräge geben, eigenständig bewertet werden.
Aus der Gesamtschau dieser Umstände muß dann die angemessene Entschädigung gewonnen werden. Dies bedeutet indes nicht, daß sich das Schmerzensgeld in Fällen wie dem vorliegenden unbedingt an denjenigen Schmerzensgeldbeträgen orientieren muß, welche die Rechtsprechung als Maximalbeträge zugesprochen hat. Eine derartige obligatorische Parallele ergibt sich aus der Entscheidung des 6. Zivilsenats des BGH vom 13. Oktober 1992 (BGHZ 120, 1) nicht. Vielmehr hat der BGH - wie ausgeführt - gerade hervorgehoben, daß es sich hier um eine besondere Fallgruppe handelt.
3.
Der Senat erachtet unter Berücksichtigung aller Umstände insgesamt einen Schmerzensgeld(-kapital)betrag von 400.000 DM als angemessen und ausreichend. Dem liegen folgende Überlegungen zugrunde:
a)
Der Kläger hat allerschwerste Gesundheitsschäden erlitten. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ... in seinen Sachverständigengutachten vom 20. August 1996 und 22. Januar 1998 ist der Kläger zu keinerlei Fortbewegung fähig, er kann weder krabbeln noch robben, sich nicht drehen, nicht greifen, nicht sitzen oder irgendeine Abstützreaktion mit Übernahme des Körpergewichtes durchführen. Der Kläger kann weder sprechen, noch mit Hilfe von Mimik kommunizieren. Er kann nicht kauen, er muß mit Hilfe einer Dauersonde ernährt werden. Trotz krankengymnastischer Behandlung sind bei ihm bereits Gelenkkontrakturen aufgetreten, so daß der rechte Arm angewinkelt gehalten werden muß und nicht mehr gestreckt werden kann.
b)
Andererseits ist der Kläger nicht völlig empfindungsfrei. Vielmehr nimmt er unangenehme Maßnahmen, wie z.B. das Wechseln der Nahrungssonden alle drei Wochen durchaus mit Unwillen wahr. Er ist auch in der Lage, ihm vertraute Personen wie seine Eltern zu erkennen. Er ist auch in der Lage, die Annäherung von Fremden als beängstigend zu empfinden.
c)
Dieser beklagenswerte Zustand des Klägers beruht auf einem groben Behandlungsfehler des Beklagten zu 2. Der Sachverständige ... hat in der mündlichen Erläuterung seiner Gutachten am 2. Februar 1998 zwar ausgeführt, der Allgemeinstation der Beklagten zu 1 könne zwar kein Vorwurf dar aus gemacht werden, daß sie den Pericarderguß des Klägers nicht sogleich kontrolliert habe, denn die Anregung im Verlegungsbericht vom 27. August 1992, den Pericardereguß "noch heute" zu kontrollieren, habe ersichtlich in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Fortführung der Cortisonbehandlung gestanden. Da eine Cortisonbehandlung negative Auswirkungen auf den postoperativen Heilungsverlauf haben könne, folgere er, der Sachverständige, daß es bei Abfassung des Verlegungsberichtes eher um eine Reduzierung oder ein Absetzen der Cortisonbehandlung gegangen sei. Der Sachverständige hat aber andererseits keinen Zweifel daran gelassen, daß spätestens am 28. August 1992 um 6:20 Uhr die Differenzialdiagnose auf das Problem einer verminderten Auswurfleistung des Herzens hätte erweitert werden müssen; spätestens jetzt hätte der aus den Untersuchungen der Intensivstation bekannte Pericarderguß als pathogenetischer (kausaler) Mechanismus der Verschlechterung mit bedacht werden müssen. Die lange Dauer zwischen dem beim Kläger um 6:20 Uhr eingetretenen Blutdruck- und Herzfrequenzabfall bis zur sonographischen Untersuchung des Herzens hat der Sachverständige nicht nur als schwerwiegend, sondern auch im medizinischen Sinne als schweren Behandlungsfehler gewertet. Insbesondere hat er beanstandet, daß die relativ einfach durchzuführende Ultraschalluntersuchung nicht frühzeitig durchgeführt worden sei. Zwar ist die Bewertung eines Behandlungsfehlers als grob eine juristische Wertung, die von den Gerichten und nicht von den Sachverständigen vorzunehmen ist. Der Senat schließt sich aufgrund der eindeutigen Ausführungen des Sachverständigen aber dessen Bewertung an.
d)
Weniger ins Gewicht für die Bemessung des Schmerzensgeldes fällt nach Auffassung des Senats das Regulierungsverhalten der Beklagten. Zwar haben die Beklagten ihre Einstandspflicht erst rund ein Jahr nach Erstellung des Gutachtens im Schlichtungsverfahren anerkannt. Andererseits ist den Beklagten im Hinblick auf den Umfang der Haftung eine angemessene Prüfungszeit zuzubilligen. Darüber hinaus zeigt die in erster Instanz vorgelegte Korrespondenz (Bl. 27 f. GA), daß zumindest eine gewisse Zeit zwischen den Parteien auch verhandelt wurde.
4.
Auf den danach gerechtfertigten Schmerzensgeld(-kapital)anspruch in Höhe von 400.000 DM sind die bereits erbrachten Zahlungen der Beklagten - unabhängig davon, ob sie als Zahlungen auf Schmerzensgeldkapitalansprüche oder auf Schmerzensgeldrentenansprüche gedacht waren - anzurechnen. Es handelt sich dabei um insgesamt 146.400 DM, nämlich am 7. November 1995 gezahlte 100.000 DM, am 15. Januar 1996 gezahlte 20.000 DM sowie die von November 1995 bis einschließlich Februar 1998 freiwillig gezahlten monatlichen Raten von insgesamt 26.400 DM.
5.
Neben dem Schmerzensgeldkapitalanspruch besteht im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Zahlung einer Schmerzensgeldrente. Die Zahlung einer Schmerzensgeldrente neben einem Kapitalbetrag ist nicht der Regel-, sondern der Ausnahmefall. Die Rechtsprechung gewährt eine derartige Rente neben dem Kapitalbetrag dann, wenn einerseits die Schadensentwicklung ihren Abschluß erreicht hat und andererseits über diesen Zeitpunkt hinaus schwerste, lebenslange Dauerschäden vorliegen, deren sich der Verletzte immer wieder neu und schmerzlich bewußt wird (vgl. OLG Hamm VersR 1990, 865 [OLG Hamm 09.02.1989 - 6 U 451/86]; OLG Frankfurt VersR 1992, 621). Diese Konstellation ist indes im Falle des Klägers nicht gegeben. Hinzu kommt, daß in Fällen wie dem vorliegenden deshalb Bedenken gegen Zahlung einer Schmerzensgeldrente bestehen, weil deren Kapitalisierung nach sonst üblichen Kriterien (durchschnittliche Lebenserwarung) nicht möglich ist (vgl. BGHZ 120, 1, 9) und deshalb die grundsätzlich gebotene Vergleichbarkeit des zugesprochenen Gesamtschmerzensgeldes mit den in anderen Fällen zugesprochenen Schmerzensgeldern entfällt.
6.
Auf die Berufung der Beklagten ist auch der Feststellungsausspruch des erstinstanzlichen Urteils abzuändern, denn das Landgericht hat außer Acht gelassen, daß heute schon sicher vorhersehbare Schäden bereits bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen sind.
7.
Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 291 BGB.
8.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO (Kosten des Verfahrens), 708 Nr. 10, 711 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils) und 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO (Festsetzung des Wertes der Beschwer).