Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 17.02.1998, Az.: 16 U 112/97

Rechtmäßigkeit einer Einbehaltung des geschuldeten Werklohnes bis zum Ablauf der Gewährleistungszeit; Voraussetzungen für die Zulassung einer Berufung; Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
17.02.1998
Aktenzeichen
16 U 112/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 31008
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1998:0217.16U112.97.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 03.07.1997 - AZ: 2 O 137/97

Fundstellen

  • IBR 1999, 62 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • KTS 1999, 77
  • NJW-RR 1998, 1266-1267 (Volltext mit amtl. LS)
  • NZI 1998, 91-92
  • OLGReport Gerichtsort 1998, 232-233

In dem Rechtsstreitverfahren
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Amtsgericht ... aufgrund
der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 1998
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 3. Juli 1997 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Lüneburg wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 5.000 DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Den Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank, Spar- und Darlehenskasse oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.

Die Beschwer beträgt 14.538,45 DM. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beklagte erteilte der Zimmerei und Tischlerei ... GmbH & Co. Betriebs-KG in ... (künftig: Gemeinschuldnerin) mit einem schriftlichen Werkvertrag den Auftrag zur Ausführung von Arbeiten. In diesem Vertrag wurde bestimmt, daß die Beklagte zur Sicherung ihrer etwaigen Gewährleistungsansprüche bis zum Ablauf der Gewährleistungszeit 5 % des Werklohnes einbehalten dürfe. Die Beklagte nahm die von der Gemeinschuldnerin erbrachte Werkleistung am 16. Oktober 1996 ab, so daß die Gewährleistungsfrist am 15. Oktober 1998 ablaufen wird. Vereinbarungsgemäß behielt die Beklagte 5 % des von ihr geschuldeten Werklohnes ein, d.h. 14.538,45 DM. Am 2. Dezember 1996 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter ernannt.

2

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung des restlichen Werklohnes, also auf Zahlung von 14.538,45 DM, nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit - die Klage ist der Beklagten am 25. März 1997 zugestellt worden - in Anspruch. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, durch die Eröffnung des Konkursverfahrens sei die Befugnis der Beklagten, den Werklohn teilweise einzubehalten, weggefallen. Die Beklagte, die um Abweisung der Klage gebeten hat, ist dem entgegengetreten.

3

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil (Bl. 76 ff., Leseabschrift Bl. 80 ff. d.A.), auf das hiermit zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

4

Der Kläger hat Berufung eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Prozeßziel weiterverfolgt. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

5

A.

Die Berufung ist zulässig, jedoch sachlich nicht gerechtfertigt.

6

I.

Die Beklagte ist noch nicht verpflichtet, dem Kläger den von ihr geschuldeten restlichen Werklohn, über dessen Höhe zwischen den Parteien Einigkeit besteht, zu zahlen; denn sie ist aufgrund der von ihr mit der Gemeinschuldnerin getroffenen diesbezüglichen vertraglichen Vereinbarung auch gegenüber dem Kläger berechtigt, 5 % des von ihr geschuldeten Werklohnes bis zum Ablauf der Gewährleistungszeit einzubehalten.

7

Allerdings hat das Oberlandesgericht Hamburg in einem im Prinzip gleichgelagerten Fall die Auffassung vertreten, der Konkursverwalter könne die Auszahlung des vereinbarungsgemäß als Sicherheit einbehaltenen Restwerklohnes ("Garantiesumme") verlangen, wenn bei Eröffnung des Konkursverfahrens ein Gewährleistungsanspruch noch nicht bestanden habe und ungewiß sei, ob und wann er entstehen werde (OLG Hamburg MDR 1988, 861). Dieser Ansicht hat sich Uhlenbruck angeschlossen (vgl. Kuhn-Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., Rdn. 4 zu § 17). Demgegenüber vertreten Korbion (Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., Rdn. 100 zu B § 17) und Jagenburg (Beck'scher VOB-Komm./Jagenburg B vor § 17, Rdn. 33) den Standpunkt, die Konkurseröffnung ändere an der Befugnis des Auftraggebers zum Sicherheitseinbehalt nichts. Der Senat folgt der letzteren Ansicht.

8

1.

Bei dieser Streitfrage handelt es sich nicht um ein Problem des § 17 KO; denn diese Vorschrift greift in Fällen wie dem vorliegenden nicht ein. Wie sich schon aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 KO eindeutig ergibt, setzt diese Bestimmung u.a. voraus, daß noch keiner der beiden Vertragsteile vollständig erfüllt hat; Erfüllung auch nur durch eine Vertragspartei schließt die Anwendung von § 17 KO aus (BGH NJW 1980, 226, 227) [BGH 24.10.1979 - VIII ZR 298/78]. Im vorliegenden Fall verhält es sich so, daß die Gemeinschuldnerin die von ihr nach dem mit der Beklagten abgeschlossenen Werkvertrag geschuldete Leistung vollständig erbracht hat. Allein die Möglichkeit, daß das von ihr hergestellte Werk bei seiner Abnahme mit einem bisher nicht erkannten Mangel behaftet war, der möglicherweise noch vor Ablauf der Gewährleistungsfrist in Erscheinung treten wird, reicht zu der Feststellung, die Gemeinschuldnerin habe den Vertrag i.S. des § 17 Abs. 1 KO nicht vollständig erfüllt, nicht aus.

9

2.

Es geht auch nicht um die Frage, ob der Sicherheitseinbehalt, zu dem sich die Beklagte für befugt hält, gerechtfertigt ist, weil der Beklagten i.S. des § 54 KO eine betagte oder aufschiebend bedingte Forderung gegen die Gemeinschuldnerin zusteht. Wie der Bundesgerichtshof in der Entscheidung BGH NJW 1994, 1659, 1660 [BGH 24.03.1994 - IX ZR 149/93] dargelegt hat, ist die Sicherungswirkung der Aufrechnungslage nur gegeben, wenn gegenwärtig wenigstens der rechtliche Bestand eines - sei es auch aufschiebend bedingten - Anspruches gewiß ist. Die Beklagte kann hingegen derzeit nicht dartun (und hat auch gar nicht darzutun versucht), daß ihr eine Gegenforderung zusteht. Deshalb kann sie vom Kläger auch nicht wegen bisher nicht bekannter, allenfalls möglicher Mängel des von ihr abgenommenen Werkes nach § 54 Abs. 3 KO Sicherstellung verlangen (vgl. BGH a.a.O.).

10

3.

Das Recht der Beklagten, von dem Werklohn, dessen Zahlung sie schuldet, 5 % als Sicherheit einzubehalten, ergibt sich hiernach auch nicht aus § 320 BGB. Dies bedarf keiner weiteren Begründung.

11

4.

Der Beklagten steht diese Befugnis aber deshalb zu, weil sie dies mit der Gemeinschuldnerin vereinbart hat. Diese Vereinbarung ist durch die Konkurseröffnung nicht obsolet geworden. Die zuletzt genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofes steht dem nicht entgegen; denn in dem ihr zugrundeliegenden Fall verhielt es sich im Gegensatz zum vorliegenden Fall so, daß ein Sicherheitseinbehalt für den Gewährleistungsfall vertraglich nicht vereinbart worden war. Der Konkursverwalter muß den Vertrag in dem rechtlichen Bestand hinnehmen, in dem er sich im Zeitpunkt der Konkurseröffnung befindet. Dies gilt auch, soweit es sich um Regelungen in dem Vertrag handelt, die für die Konkursmasse nachteilig sind; denn Vereinbarungen, die der Gemeinschuldner und ein Dritter vor der Konkurseröffnung getroffen haben, sind nicht ohne weiteres unwirksam, wie schon die Regelung in den §§ 29 ff. KO zeigt (vgl. BGH WM 1985, 1479, 1480 m.w.N.). Im vorliegenden Fall sind keine Umstände erkennbar, die es hiernach rechtfertigen könnten, die Vereinbarung der Beklagten mit der späteren Gemeinschuldnerin über den Sicherheitseinbehalt im Hinblick auf die Konkurseröffnung als unwirksam anzusehen. Die Beklagte hat an dem Fortbestand ihrer Befugnis zum Sicherheitseinbehalt auch ein berechtigtes Interesse: Tritt noch vor Ablauf der Gewährleistungsfrist ein Mangel des von der Gemeinschuldnerin hergestellten Werkes zutage und lehnt der Kläger die Beseitigung dieses Mangels ab, so kann die Beklagte zur Deckung der Kosten der Mängelbeseitigung vereinbarungsgemäß den von ihr einbehaltenen Teil des Werklohnes verwenden.

12

II.

Der vom Kläger geltend gemachte Zinsanspruch ist nach alledem ebenfalls nicht gegeben.

13

B.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 sowie 546 Abs. 1 und 2 ZPO. Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung hat.

Streitwertbeschluss:

Die Beschwer beträgt 14.538,45 DM. Die Revision wird zugelassen.