Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 12.11.2015, Az.: 13 U 9/15

Stromlieferungsvertrag: Ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers einer Stromrechnung bei einer erheblichen Abweichung der für unterschiedliche Zeitabschnitte abgerechneten Verbräuche; Schätzung eines Mindestverbrauchs

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
12.11.2015
Aktenzeichen
13 U 9/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 37772
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2015:1112.13U9.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Bückeburg - 04.12.2014 - AZ: 1 O 131/13

Fundstellen

  • CuR 2015, 168-172
  • EnWZ 2016, 30-32
  • NJW-RR 2016, 435-438
  • NZM 2016, 838

Amtlicher Leitsatz

Die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers der Abrechnung kann sich nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV aus einer enormen und nicht plausibel erklärbaren Abweichung der Verbrauchswerte von denen u.a. einer nachfolgenden Abrechnungsperiode ergeben.

Auch wenn ein offensichtlicher Fehler ernsthaft möglich ist, ist der von den nach § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV berücksichtigungsfähigen Einwendungen nicht erfasste Sockelbetrag der Abrechnung zur Zahlung fällig.

Insbesondere steht die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV der Möglichkeit nicht entgegen, einen Mindestverbrauch nach § 287 ZPO zu schätzen, der von der ernsthaften Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers der Rechnung nicht berührt ist.

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4. Dezember 2014 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 48.311,82 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. Februar 2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 79 % und die Beklagte zu 21 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, eine über den Betrag von 11.243,76 € nebst zugehöriger Zinsen hinausgehende Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des weitergehenden für die Klägerin aufgrund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des den vorgenannten Betrag übersteigenden zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Klägerin bleibt nachgelassen, eine Vollstreckung durch die Beklagte in Höhe von 110 % des für die Beklagte aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht diese zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 226.325,99 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin belieferte die Beklagte vom 1. August 2010 bis zum 31. Oktober 2012 mit Strom. Sie nimmt die Beklagte auf der Grundlage ihrer Rechnung vom 18. Januar 2013 auf Zahlung einer Vergütung für insgesamt 1.195.190 kWh Strom in Anspruch. Dabei entfällt nach dieser Rechnung ein Verbrauch in Höhe von 1.082.491 kWh auf die Zeit vom 1. August 2010 bis zu einem Zählerwechsel am 16. Januar 2012 und von 112.699 kWh auf die Folgezeit. Zuvor war die Klägerin seit dem 1. April 2004 von einem anderen Stromversorgungsunternehmen beliefert worden. In dem Zeitraum vom 1. April 2004 bis zu dem vorgenannten Zählerwechsel am 16. Januar 2012 hat die Beklagte nach den zu Beginn und zum Ende des Zeitraums abgelesenen Zählerständen insgesamt rund 1.221.692 kWh Strom (Differenz der Zählerstände: 30.542,30 x Wandlerfaktor 40) verbraucht. Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die erheblichen Unterschiede des Verbrauchs vor und nach dem Zählerwechsel begründeten die ernsthafte Möglichkeit einer offensichtlichen Unrichtigkeit der Rechnung, sodass diesbezügliche Einwendungen der Beklagten nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV ausgeschlossen seien. Die Klägerin habe für eine ordnungsgemäße Verbrauchsermittlung keinen Beweis angetreten.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Klageanträge unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Sie tritt nunmehr Beweis für die Richtigkeit der Verbrauchsermittlung an.

Sie beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen,

an die Klägerin 226.325,99 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Februar 2013 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Klageforderung in Höhe eines Betrages von 11.243,76 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. Februar 2013 anerkannt und beantragt im Übrigen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, soweit sie die Klageforderung nicht anerkannt hat, und ist im Übrigen der Auffassung, dass die Schätzung eines Mindestverbrauches nicht in Betracht komme.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist nur zu einem geringen Teil, nämlich in Höhe eines Betrages von 48.311,82 € nebst Zinsen begründet. Hiervon hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 12. Juni 2015 einen Teilbetrag in Höhe von 11.243,76 € nebst Zinsen anerkannt, so dass insoweit ein Teil-Anerkenntnisurteil zu erlassen war.

Wegen dieses Betrages ist die Beklagte nach § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV in dem vorliegenden Prozess mit Einwendungen ausgeschlossen und auf die Erhebung einer Rückforderungsklage zu verweisen. Im Übrigen greift der Einwendungsausschluss nach § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV nach der insoweit zutreffenden Auffassung des Landgerichts nicht. Wegen des Umfangs der weiter gelieferten Strommenge ist die Klägerin beweisfällig.

1. Zutreffend hat das Landgericht erkannt, dass die Regelungen der StromGVV nach Nr. 15 der zwischen den Parteien vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Stand: 1. April 2009) entsprechende Anwendung finden. Dass u. a. § 17 StromGVV unmittelbar nur auf Grundversorgungsverträge Anwendung findet und auch im Übrigen der unmittelbare Anwendungsbereich nach § 1 StromGVV nicht eröffnet ist, steht der sinngemäßen Anwendung auf das vorliegende Vertragsverhältnis daher nicht entgegen. Hiervon gehen in der Sache auch beide Parteien zutreffend aus.

2. Im Grundsatz - mit Ausnahme des bezeichneten Teilbetrages - berechtigen die von der Beklagten geltend gemachten Einwendungen hier ausnahmsweise nach § 17 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 GVV zur Zahlungsverweigerung. Es besteht die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers der streitgegenständlichen "Schlussrechnung" der Klägerin vom 18. Januar 2013 (Bl. 23 ff. d. A.).

a) § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV deckt sämtliche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe ab, die der Kunde der Entgeltforderung des Versorgungsunternehmens entgegensetzen kann, so dass sein Geltungsbereich sich vom Grundsatz her nicht nur auf die in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich genannten Rechen- und Ablesefehler beschränkt (BGH, Urt. v. 21. Nov. 2012 - VIII ZR 17/12, Tz. 14; Senat, Urt. v. 26. Sept. 2013 - 13 U 30/13, Tz. 27).

b) Im Ausgangspunkt zutreffend verweist die Berufung darauf, dass die § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV vorausgehende Regelung in § 30 Nr. 1 AVBEltV a. F. von der Rechtsprechung dahin ausgelegt wurde, dass der Einwand, dass offensichtliche Fehler vorlägen, im Zahlungsprozess des Versorgungsunternehmens erst dann erheblich war, wenn die Richtigkeit dieses Einwands nach den Umständen offensichtlich war, was wiederum voraussetzte, dass die Rechnung selbst bereits auf den ersten Blick Fehler erkennen ließ, also bei objektiver Betrachtung kein vernünftiger Zweifel über die Fehlerhaftigkeit möglich war (BGH, aaO., Tz. 15).

Ob hier bereits nach diesem Maßstab ein offensichtlicher Fehler vorläge, kann offen bleiben. Die hier entsprechend anwendbare Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV ist insoweit restriktiver gegenüber dem Einwendungsausschluss nach § 30 Nr. 1 AVBEltV a.F., als bereits die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers ausreicht (OLG Köln, Beschl. v. 28. Okt. 2011 - 11 U 174/11, Tz. 2 a. E.; Steenbuck, MDR 2010, 357, 358). Diese - schon aus dem Verordnungswortlaut folgende - Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage hat bereits der Bundesrat in der Verordnungsbegründung betont (BR-Drs. 306/06, Seite 37 [zu § 17]). Anders als bisher muss der Fehler daher nicht zweifelsfrei feststehen. Die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers kann sich jedenfalls nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV auch aus einer enormen und nicht plausibel erklärbaren Abweichung der Verbrauchswerte von denen u.a. einer nachfolgenden Abrechnungsperiode ergeben (zu § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GasGVV: OLG Köln, aaO.). Für diese Auslegung spricht auch der systematische Vergleich mit der Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV. Soweit der Senat demgegenüber die Reichweite des Einwendungsausschlusses des § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV in der Sache noch ohne Differenzierung unter Rückgriff auf die zu § 30 AVBEltV ergangene Rechtsprechung bestimmt hat (Urteil vom 26. September 2013 - 13 U 30/13, Tz. 28), hält er hieran insoweit nicht mehr fest, als nunmehr bereits die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers ausreicht.

Nach diesen Grundsätzen hat das Landgericht zutreffend erkannt, dass vorliegend die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht:

aa) Die Klägerin hat widersprüchlich zu dem tatsächlichen Anfangszählerstand vorgetragen. Einerseits trägt sie vor, der ihrer Rechnung zu Grunde liegende Anfangszählerstand sei abgelesen und ihr elektronisch vom Netzbetreiber übermittelt worden (u.a. Bd. I Bl. 98, Bd. II Bl. 156 f. d.A.). Auch in ihrer E-Mail an die Beklagte vom 18. Juni 2012 hat sie den Anfangszählerstand als "abgelesen" bezeichnet, wobei sie allerdings eine Einschätzung des Netzbetreibers mitteilt, der Stromverbrauch des ausgebauten Zählers mit der Nr. 565990 sei "unplausibel" (Bl. 100 AnlB). Andererseits trägt sie vor, dass die Rechnungen der Vorversorgerin aufgrund unzutreffend zu niedriger Angaben und nicht aufgrund der korrekten Zählerstände erstellt worden seien (u.a. Bd. I Bl. 98 d.A.) und dass Vorverbräuche nur geschätzt worden seien (u.a. Bd. II Bl. 53 f., 56 f.). Der Endzählerstand, den die Vor-Versorgerin ihrer Schlussrechnung vom 6. September 2010 zugrunde gelegt und dort selbst als "geschätzt" bezeichnet hat (Bl. 19 AnlB), entsprach aber dem von der Klägerin angegebenen Anfangszählerstand weitestgehend. Auch in der Berufungserwiderung hat sich die Klägerin darauf berufen, dass "die Vorverbräuche aufgrund von ausdrücklich in den Rechnungen selbst als ggfs. inkorrekt und ungenau bezeichneten Schätzungen abgerechnet wurden (...)" (Bd. II Bl. 57 d.A.). Mit E-Mails vom 17. und 25. Januar 2013 hat die Klägerin die Anfangszählerstände gegenüber der Beklagten als vom Netzbetreiber errechnet bezeichnet (Bl. 109, 117 AnlB). Mit E-Mail vom 31. August 2012 hat die Klägerin gegenüber der Beklagten die Höhe der Forderungen damit gerechtfertigt, dass in der Vergangenheit von der Vorlieferantin jährlich 120.000 kWh zu wenig in Rechnung gestellt worden seien und durch die Klägerin nunmehr eine Nachberechnung erfolge (Bl. 105 AnlB).

Unter Zugrundelegung des Vortrags, der Endzählerstand der Vor-Versorgerin sei unkorrekt geschätzt worden und die Klägerin berechne den Mehrverbrauch nach, der tatsächlich bereits vor Beginn des Vertragsverhältnisses mit ihr entstanden sei, läge bereits eine offensichtliche Unrichtigkeit i.S.d. § 30 AVBEltV a.F. vor.

Es wäre der Beklagten auch nicht aus Treu und Glauben oder - insoweit von der Berufung nicht angesprochen - einer Verpflichtung zu substantiiertem Bestreiten verwehrt, sich auf eine mögliche Unaufklärbarkeit des Anfangszählerstandes zu berufen. Sie hat mögliche Mitwirkungspflichten nicht verletzt. Vielmehr hat sie wiederholt sowohl gegenüber dem Vorlieferanten als auch gegenüber der Klägerin die von ihr zum Vertragswechsel abgelesenen Zählerstände mitgeteilt (Anlagen B 10, B 12 ff.). Diese Selbstablesung wurde von der Vorlieferantin lediglich nicht berücksichtigt, ohne dass ein Grund hierfür erkennbar ist oder die von der Vorlieferantin vorgenommene - nach Auffassung wohl beider Parteien unzutreffende - Schätzung des dortigen Endzählerstandes nachvollziehbar wäre.

bb) Aber auch unter der Annahme, dass der Anfangszählerstand zum 1. August 2010 auf einer Ablesung beruhte, die die Klägerin allerdings schon nicht näher substantiiert dargelegt hat, läge jedenfalls die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers vor, die sich - wie dargelegt - auch aus einer enormen und nicht plausibel erklärbaren Abweichung der Verbrauchswerte von denen der vorangegangenen oder nachfolgenden Abrechnungsperioden ergeben kann (OLG Köln aaO.). Der Zweck der gesetzlichen Regelung, im Interesse einer möglichst kostengünstigen Versorgung sicherzustellen, dass die grundsätzlich zur Vorleistung verpflichteten Versorgungsunternehmen nicht unvertretbare Verzögerungen bei der Realisierung ihrer Preisforderungen in Fällen hinnehmen müssen, in denen Kunden Einwände geltend machen, die sich letztlich als unberechtigt erweisen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. November 2012 - VIII ZR 17/12, Tz. 11 f. m.w.N.), rechtfertigt es zwar, den Begriff der ernsthaften Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV eher restriktiv auszulegen. Auch hiernach besteht vorliegend aber eine solche ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers:

(1) Das Landgericht hat zutreffend die der Rechnung zugrunde liegenden Verbräuche von Beginn des Lieferverhältnisses bis zum Zähleraustausch am 16. Januar 2012 mit denen in der Zeit nach dem Zähleraustausch bis zum Lieferende am 31. Oktober 2012 verglichen. Dabei lag der durchschnittliche abgerechnete Verbrauch in dem erstgenannten Zeitraum derart deutlich über dem abgerechneten Verbrauch in dem letzten Zeitraum, dass ein offensichtlicher Fehler ernsthaft möglich ist. Der durchschnittliche Tagesverbrauch in dem letztgenannten Zeitraum lag bei 389,96 kWh/Tag. Der durchschnittliche Tagesverbrauch in dem erstgenannten Zeitraum lag demgegenüber bei 2.027,14 kWh/Tag und belief sich damit auf rd. 520 % des letzten Durchschnittsverbrauches. Zwar ist nicht zu verkennen, dass der Zeitraum seit dem Zählerwechsel keine vollständige Abrechnungsperiode umfasst, wobei allerdings zumindest schon nicht auf der Hand liegt, dass der durchschnittliche Stromverbrauch im Winter deutlich über dem im Sommer liegt. Selbst bei Vergleich der abgerechneten Verbräuche in dem Zeitraum vom 1. August 2010 bis zum 30. September 2011 sowie vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. Oktober 2012 belief sich der Verbrauch in dem ersten Zeitraum aber auf rd. 238 % des Verbrauches in dem zweiten Zeitraum. Wegen der Einzelheiten wird auf die zutreffenden Berechnungen in dem landgerichtlichen Urteil (LGU 6) Bezug genommen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass am 30. September 2011 ausweislich der in Bezug genommenen Stromrechnung ein Zwischenzählerstand nur maschinell errechnet wurde, dieser mithin von einem möglichen Fehler bis zum Zähleraustausch beeinflusst wäre. Bei einer Berechnung ausgehend von den abgerechneten Verbräuchen in der Zeit seit dem Zähleraustausch ergäbe sich daher eine noch größere Differenz. Unter Berücksichtigung der Wertung des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV begründen aber schon die vorgenannten Differenzen die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers.

Im Übrigen deckt sich der durchschnittliche Tagesverbrauch in dem Zeitraum seit dem Zählerwechsel von 389,96 kWh weitgehend mit dem ausgehend von unstreitig abgelesenen Zählerständen ermittelten durchschnittlichen Tagesverbrauch in dem Zeitraum vom 1. April 2004 bis zum Zählerausbau am 16. Januar 2012 von 429 kWh (vgl. näher S. 10 des Schriftsatz der Klägerin vom 22. Mai 2015). Auch dieser Vergleich bestätigt die Annahme der ernsthaften Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers des für den Zeitraum vom 1. August 2010 bis zum Zählerwechsel abgerechneten Verbrauchs.

Ein ersichtlicher Grund für diese Differenzen besteht abgesehen von der Möglichkeit eines zu geringen Anfangszählerstandes zum 1. August 2010 oder einer Fehlfunktion des Zählers nicht. Zwar hat die Klägerin den Vortrag eines unveränderten Bezugsverhaltens und einer normalen Mitarbeiterfluktuation mit Nichtwissen bestritten. Angesichts der eklatanten Abweichung des für den Zeitraum vom 1. August 2010 bis zum Zählerwechsel am 16. Januar 2012 abgerechneten Verbrauchs sowohl gegenüber dem sich anschließenden als auch gegenüber dem vom Vorversorger in Rechnung gestellten Verbrauch stünden aber selbst unterstellte nennenswerte Änderungen des Bezugsverhaltens der ernsthaften Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers nicht entgegen.

(2) Die Berufung verkennt, dass das Landgericht die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers nicht aus einem Vergleich zu den noch deutlich geringeren abgerechneten Verbräuchen in dem Lieferzeitraum vor Beginn des hiesigen Vertragsverhältnisses hergeleitet hat. Im Übrigen greifen ihre Einwendungen aber auch in der Sache nicht durch:

Dass an der Abnahmestelle der Beklagten nicht nur diese selbst, sondern auch ihre Hauptverwaltung, das B. -...-Servicecenter sowie das Unternehmen F. A. C. & E. S. entnehmen, ist unerheblich. Dies erklärt nicht die Verbrauchsänderung nach dem Zählerwechsel.

Unzutreffend ist, dass die Rechnung vom 18. Januar 2013 nur einen einheitlichen Abrechnungszeitraum umfasste. Der Abrechnungszeitraum belief sich nach Nr. 6 Abs. 1 der dem Versorgungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen vielmehr auf rd. 12 Monate. Dass die streitgegenständliche Rechnung mehrere Abrechnungszeiträume zusammenfasste, ist unerheblich.

(3) Die Beklagte hat schließlich entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b) StromGVV eine Nachprüfung der Messeinrichtung jedenfalls konkludent im Laufe des Verfahrens verlangt (vgl. etwa S. 15 des Schriftsatzes vom 27. Nov. 2013).

c) Die Klägerin hätte mithin den der Rechnung zugrunde liegenden Verbrauch beweisen müssen. Einen solchen Beweis hat sie in erster Instanz nicht und in zweiter Instanz nur in nicht zulässiger Weise angetreten.

aa) Die mit der Berufung vorgenommenen und mit Schriftsatz vom 22. Mai 2015 konkretisierten Beweisantritte sind nicht ausreichend.

Zwar hat die Klägerin auf den Hinweis des Senats hin konkretisiert, dass sich die Zeugenbenennung auf die Behauptung beziehe, die Zählerstände, die der streitgegenständlichen Rechnung zugrunde lägen, seien vom Netzbetreiber abgelesen und der Klägerin übermittelt worden. Dieser Vortrag zum Anfangszählerstand widerspricht aber - wie gezeigt - teilweise gehaltenem Vortrag, der mit diesem Anfangszählerstand korrespondierende Endzählerstand aus dem vorangegangenen Bezugsverhältnis sei geschätzt worden und sei fälschlich zu niedrig, ohne diesen Widerspruch nachvollziehbar zu erklären. Zudem ist dieser Vortrag nicht hinreichend substantiiert, weil insbesondere nicht dargelegt ist, wann die Ablesung erfolgt ist, zumal die Klägerin auch vorgetragen hat, der Anfangszählerstand sei vom Netzbetreiber errechnet worden.

Auch bei Feststellung eines bestimmten Anfangszählerstandes wäre dem weiteren Beweisantritt nicht nachzugehen, der sich zum Beweis der ordnungsgemäßen Funktion der Messeinrichtung auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens bezieht. Es bleibt auch nach dem Hinweis des Senats unklar, welche Anknüpfungstatsachen die Klägerin der Feststellung der Ordnungsgemäßheit des im Januar 2012 ausgebauten Zählers zugrunde legen will. Nach den Erkenntnissen des Senats aus verschiedenen anderen Verfahren werden ausgebaute Zähler regelmäßig innerhalb kurzer Zeit vom Netzbetreiber vernichtet. Die Klägerin hat auch auf den Hinweis des Senats hin nicht klargestellt, dass der ausgebaute Zähler abweichend hiervon vorliegend noch für eine Untersuchung zur Verfügung steht. Es obliegt nicht dem Senat, hierzu von Amts wegen Nachforschungen anzustellen.

bb) Darüber hinaus wären die Beweisantritte aber auch nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Das Landgericht hat es nicht verfahrensfehlerhaft unterlassen, darauf hinzuweisen, dass nach § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV kein Einwendungsausschluss greift. Eine Hinweispflicht besteht nach § 139 Abs. 2 ZPO nur betreffend solche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat. Der Einwendungsausschluss nach § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV war - und ist - aber der zentrale Streitpunkt des vorliegenden Verfahrens. Die Beklagte hat zudem ausdrücklich mit Schriftsatz vom 27. November 2013 auf die die Klägerin treffende Darlegungs- und Beweislast verwiesen. Dies hat die Klägerin auch nicht verkannt, wie ihr Schriftsatz vom 17. Januar 2014 (dort S. 3, a.E.) zeigt.

3. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist allerdings der von den nach § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV berücksichtigungsfähigen Einwendungen nicht erfasste Sockelbetrag der Abrechnung zur Zahlung fällig (vgl. BGH, Urt. v. 11. Dezember 2013 - VIII ZR 41/13, Tz. 16 ff.).

a) Fällig ist zum einen neben dem verbrauchsunabhängigen Grundpreis der Verbrauchspreis für den ausweislich der Rechnung seit dem Zeitpunkt des Zählerwechsels erfolgten Verbrauch. Zwar wendet die Beklagte auch insoweit insbesondere eine nicht ordnungsgemäße Funktion des Zählers ein. Mit diesem auf diesen Verbrauchszeitraum bezogenen Einwand ist sie aber nach § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV ausgeschlossen.

aa) Die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht insoweit nicht deshalb, weil auch der Verbrauch in diesem letzten Zeitraum immer noch erheblich über den durchschnittlichen Verbrauchswerten lag, die die Vorlieferantin für den Zeitraum bis zum Lieferantenwechsel in Rechnung gestellt hatte. Dabei kann offen bleiben, ob insbesondere die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV auch einen Vergleich von Verbrauchswerten zulässt, die von verschiedenen Lieferanten abgerechnet wurden. Insoweit besteht nämlich ein naheliegender Grund für die unterschiedlichen Verbräuche, weil der Endzählerstand zum Lieferantenwechsel von der Vorlieferantin nur geschätzt wurde, diese dabei von den ihr von der Beklagten mitgeteilten Ablesewerten abgewichen ist und diese Schätzung nach Auffassung wohl beider Parteien fehlerhaft erfolgt, jedenfalls aber in der Sache fehlerhaft sein konnte.

bb) Auch weitere Anhaltspunkte für einen offensichtlichen Fehler der für die Zeit nach dem Zählerwechsel abgerechneten Verbrauchsmengen bestehen nicht. Zwar mag für einen offensichtlichen Fehler sprechen können, dass die Klägerin selbst in der bereits in Bezug genommenen E-Mail vom 31. August 2012 mitgeteilt hatte, dass eine Mehrforderung daraus resultiere, dass der Anfangszählerstand von der Vorlieferantin zu gering mitgeteilt worden sei - wobei hier offenbleiben kann, ob solche außerhalb der eigentlichen Rechnung liegenden Umstände die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers begründen können. Auch dieser Fehler bezöge sich aber nur auf die abgerechneten Verbrauchsmengen für den Zeitraum bis zum Zählerwechsel.

cc) Hiernach sind folgende Entgelte zur Zahlung fällig:

Verbrauch ab Zählerwechsel:

(112.699 kWh x 16,311 Cent/kWh) =

18.382,33 €

+ Stromsteuer (112.699 kWh x 2,05 Cent/kWh) =

2.310,33 €

+ Grundpreis gemäß Abrechnung (88,27 € + 82,06 €) =

170,33 €

20.862,99 €

+ Mehrwertsteuer

3.963,97 €

24.826,96 €

abzüglich Zahlung

13.583,20 €

11.243,76 €

In dieser Höhe hat die Beklagte die Klageforderung nebst Zinsen anerkannt.

b) Darüber hinaus ist ein Mindestverbrauch der Beklagten nach § 287 ZPO zu schätzen, der unabhängig von der ernsthaften Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers der Rechnung im Übrigen zu vergüten ist. Eine solche Schätzung ist zulässig, soweit der Parteivortrag eine hinreichende Grundlage für eine tatrichterliche Schätzung des Verbrauchs bietet (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2013 - VIII ZR 243/12, Tz. 21 ff.). Solche Grundlagen liegen hier jedenfalls für die Schätzung eines Mindestverbrauchs vor:

Grundlage für diese Schätzung ist zum einen der gemessene Verbrauch der Klägerin von Beginn des Bezugsverhältnisses bei der e. W. W. V. GmbH am 1. April 2004 bis zu dem vorgenannten Zählerwechsel in Höhe von durchschnittlich 429 kWh/Tag und zum anderen der gemessene Verbrauch in dem Zeitraum seit dem Zählerwechsel bis zur Beendigung des Bezugsverhältnisses in Höhe von durchschnittlich 389,96 kWh/Tag. Zu Lasten der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin ist dabei der geringere Durchschnittswert zugrunde zu legen. Mögliche Unsicherheiten aufgrund von Verbrauchsschwankungen sind zudem durch einen Sicherheitsabschlag in Höhe von 10 % zu berücksichtigen. Grundlage für eine Schätzung ist daher ein durchschnittlicher Verbrauch in Höhe von 350,96 kWh/Tag.

Hiernach ist - über die bereits anerkannte Forderung hinaus - folgende weitere Restforderung festzustellen:

Zeitraum 01.08.2010 - 30.09.2011:

(350,96 kWh/Tag x 425 Tage x 0,14211 €/kWh)

21.196,84 €

Zeitraum 01.10.2011 - 16.01.2012:

(350,96 kWh/Tag x 107 Tage x 0,16311 €/kWh)

6.125,22 €

Stromsteuer (186.710,72 kWh x 2,05 Ct/kWh):

3.827,57 €

31.149,63 €

+ Mehrwertsteuer

5.918,43 €

37.068,06 €

4. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 2 BGB. Ansprüche auf Vergütung oder Ersatz weiterer Positionen - ausweislich der Rechnung vom 18. Januar 2013 handelt es sich um "Kosten für Bankrückläufer" in Höhe von insgesamt 28,08 € und "Kosten für nicht erteilte Einzugsermächtigung" in Höhe von 2,50 € - sind nicht näher dargelegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 1, 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zuzulassen. Insbesondere die grundsätzliche Auslegung von § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV folgt zweifelsfrei aus dessen Wortlaut, der Verordnungsbegründung und der Gesetzessystematik. Betreffend die genaue Reichweite des Einwendungsausschlusses handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung.