Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 10.08.2017, Az.: 2 A 204/15

Wahrung der Kulturlandschaft

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
10.08.2017
Aktenzeichen
2 A 204/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53629
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Erteilung eines Bauvorbescheides.

Tatbestand:

Die Mutter des Klägers ist Eigentümerin des Flurstücks J. der Flur K. in der Gemarkung L.. Sie hat dieses Eigentum von den Großeltern des Klägers geerbt; der Kläger ist Nacherbe. Das Grundstück ist 45.381 m² groß und liegt im Außenbereich. Der Flächennutzungsplan der Samtgemeinde M. weist die Fläche als solche für die Land- und Forstwirtschaft aus. Auf diesem Grundstück befinden sich ein Wohnhaus mit integrierter Scheune sowie ein kleines Nebengelass. Das Wohnhaus hat nach Angaben des Klägers eine Nutzfläche von ca. 200 m². Dieses Wohnhaus diente den Großeltern des Klägers bis in die 1970er Jahre hinein als Hofstelle für einen landwirtschaftlichen Betrieb. Es wird seit vielen Jahren nicht mehr genutzt und verfällt. Nach dem Auszug der Großeltern des Klägers wurde das Grundstück nach dessen Angaben bis Anfang der 1990er Jahre weiter zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt. Die Großeltern des Klägers hielten dort ein wenig Vieh und nutzten Teile der Fläche als Obstplantage. Nach Angaben des Klägers sind Teile des Grundstücks auch heute noch zur landwirtschaftlichen Nutzung an Landwirte verpachtet.

Nachdem der Kläger eine im Jahre 2011 gestellte Voranfrage zurückgenommen hatte, richtete er sie nach Inkrafttreten des BauGB-Änderungsgesetzes 2013 am 8. Oktober 2013 erneut an den Beklagten. Er bat darum, ihm einen Bauvorbescheid für den Abriss des Wohnhauses und die Errichtung eines neuen Hauses an gleicher Stelle zu erteilen. Das neu errichtete Haus solle nicht massiv aus Stein, sondern in Leichtbauweise aus Holz errichtet werden. Die Nutzfläche solle sich auf ca. 146 m² verkleinern, da wegen der geänderten landwirtschaftlichen Nutzung die vorhandene Scheune nebst Heuboden und Schuppen nicht mehr in bisherigem Umfang benötigt würden. Statt eines Satteldachs wollte der Kläger zunächst ein Pultdach errichten. Hilfsweise stellte er den (Teil-) Abriss der Scheune und deren Wiederaufbau zu Wohnzwecken in einstöckiger Ausführung, also ohne das bestehende Dachgeschoss (Heuboden), zur Genehmigung.

Nach umfangreichem Schriftwechsel lehnte der Beklagte diese Bauvoranfrage mit Bescheid vom 16. März 2015 ab. Das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich unzulässig. Es handele sich um ein sonstiges Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 2 BauGB. Dieses widerspreche öffentlichen Belangen im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB, namentlich den Darstellungen des Flächennutzungsplanes, und lasse das Entstehen einer Splittersiedlung befürchten. Die Ausnahmevorschrift des § 35 Abs. 4 S. 2 und 3 BauGB greife für das Vorhaben nicht. Das zu beurteilende Wohnhaus könne nicht als bisher landwirtschaftlich genutztes Gebäude im Sinne von § 201 BauGB angesehen werden. Die landwirtschaftliche Nutzung sei in den 1990er Jahren aufgegeben worden. Für das Vorhaben könne die Rechtsfolge des § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BauGB also nicht angenommen werden, da das Grundstück abweichend von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB genutzt worden sei. Das Gebäude könne auch nicht als vom äußeren Erscheinungsbild zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswertes Gebäude gelten. Das Gebäude trete nach außen hin weder in seiner ursprünglichen Funktion als landwirtschaftliches Gebäude noch durch seine äußere Gestalt besonders in Erscheinung; ihm könne deshalb aus städtebaulicher Sicht im Vergleich zu anderen Gebäuden im Außenbereich der Region kein besonderer Erhaltungswert zuerkannt werden.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2015 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 18. August 2015 Klage erhoben.

Zu deren Begründung führt er im Wesentlichen an, entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten lägen die Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 S. 2 und 3 BauGB vor. Die um das Gebäude herumliegenden Flächen würden auch heute noch landwirtschaftlich genutzt. Es solle auch künftig eine landwirtschaftliche bzw. forstwirtschaftliche Nutzung stattfinden. Wald befinde sich nur oberhalb des Wohngebäudes, ansonsten handele es sich um Büsche und Nadelbäume, die mangels Pflege gewuchert seien. Er beabsichtige jedoch, diese bei einem positiven Ausgang des Verfahrens zu beseitigen.

Der Kläger stellte in mündlicher Verhandlung klar, dass sich seine Bauvoranfrage auf das ursprüngliche Fachwerkgebäude in dessen Kubatur und mit einem Satteldach beziehe.

So konkretisiert beantragt der Kläger,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 16. März 2015 und seines Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2015 zu verpflichten, die von ihm gestellte Bauvoranfrage positiv zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, nach seinen Ermittlungen anlässlich eines Ortstermins am 30. September 2015 werde das Wohnhaus seit mindestens 20 Jahren nicht mehr genutzt. Bestandsschutz genieße es daher nicht. Eine Prägung der Landschaft erfolge durch das Haus ebenso wenig, da es an keiner Seite einsehbar sei. Die Nachhaltigkeit der vom Kläger beabsichtigten Forstwirtschaft sei ebenso wenig nachgewiesen wie der Umstand, dass das Gebäude zulässiger Weise errichtet wurde.

Das Gericht hat Beweis erhoben über die Ausgestaltung des Gebäudes durch Einnahme des Augenscheins. Wegen der Einzelheiten der Feststellungen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 16. März 2015 und dessen Widerspruchsbescheid vom 17.07.2015 sind rechtmäßig und der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung des von ihm begehrten Bauvorbescheides nicht (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

Gemäß § 73 Abs. 1 S. 1 NBauO ist auf Antrag (Bauvoranfrage) für eine Baumaßnahme über einzelne Fragen, über die im Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden wäre und die selbständig beurteilt werden können, durch Bauvorbescheid zu entscheiden. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt dies auch für die Frage, ob eine Baumaßnahme nach städtebaulichem Planungsrecht zulässig ist. Darum geht es vorliegend.

Bei dem vom Kläger beabsichtigten Abriss des Wohngebäudes und der Nebengelasse und Wiederaufbau eines verkleinerten Gebäudes handelt es sich um ein Vorhaben im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB. Dieses Vorhaben ist im Außenbereich geplant, so dass § 35 BauGB einschlägig ist. Das Vorhaben ist nicht privilegiert. Insoweit scheidet insbesondere eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB aus, da der Kläger nicht beabsichtigt, einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb auf dem Gelände zu errichten. Die von ihm ins Auge gefasste forstwirtschaftliche Nutzung kommt über eine Hobbynutzung nicht hinaus.

Folglich handelt es sich um ein sonstiges Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 2 BauGB, das im Einzelfall zugelassen werden kann, wenn seine Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

Hier liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange darin, dass das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplanes widerspricht, der eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung für die Fläche vorsieht (§ 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB), und darin, dass es die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB).

Bei dem vom Kläger geplanten Vorhaben handelt es sich nicht um ein solches im Sinne von § 35 Abs. 4 S. 1 BauGB. Derartigen Vorhaben könnte nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplanes widersprechen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen.

Der Kläger beabsichtigt nicht eine Nutzungsänderung oder Erweiterung, sondern den Abriss und die Neuerrichtung eines Gebäudes. Deshalb scheidet die Anwendung des § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, 4, 5 und 6 BauGB von vornherein aus.

Auch § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauGB findet keine Anwendung. Zwar beabsichtigt der Kläger die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle. Das vorhandene Gebäude wird indes nicht seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt, wie es § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 c) verlangt. Weder der Kläger noch dessen Mutter, der es gehört, haben das Gebäude je bewohnt. Die letzte Nutzung der Hofstelle erfolgte nach Angaben des Klägers durch dessen Großeltern. Im Übrigen ist diese Nutzung ebenfalls nach Angaben des Klägers in den 1970er Jahren aufgegeben worden, so dass von einer längeren Zeit der Selbstnutzung nicht ausgegangen werden kann. Es kommt nämlich nicht darauf an, ob irgendwann in der Vergangenheit eine Selbstnutzung erfolgte. Maßgeblich ist vielmehr, ob eine derartige Nutzung bis in die Gegenwart fortdauerte, so dass unter Bestandsschutzgesichtspunkten eine Neuerrichtung rechtmäßig möglich wäre. Nach etwa 40-jähriger Nichtnutzung kann sich der Kläger nicht mehr auf Bestandsschutz berufen.

§ 35 Abs. 4 Nr. 3 BauGB scheidet deshalb aus, weil das Gebäude nicht durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstört worden ist.

Zugunsten des klägerischen Begehrens vermag deshalb allein § 35 Abs. 4 S. 2 BauGB zu streiten. Danach gilt in begründeten Einzelfällen die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in den Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b) - g) gilt entsprechend.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen zur Überzeugung der Kammer nicht vor. Das vorhandene Gebäude, das der Kläger zu ersetzen gedenkt, ist vom äußeren Erscheinungsbild nicht auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert. Wie die Vorschrift auszulegen ist, ist nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes nicht ganz klar.

§ 35 Abs. 4 Satz 2 BauGB ist durch das Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 (BGBl I S. 1548) in das Gesetz eingefügt worden. In der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT/Ds 17/11468, Seite 15) heißt es zu der hinter der Vorschrift stehenden Absicht wie folgt:

„§ 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 a begünstigt nur Nutzungsänderungen bei Vorliegen einer erhaltenswerten Bausubstanz. Oft jedoch ist die optisch intakte Bausubstanz marode, so dass nur eine Neuerrichtung in Betracht kommt. Um den Strukturwandel in der Landwirtschaft zu unterstützen, soll im Einzelfall auch eine Neuerrichtung von Gebäuden begünstigt werden. Grundvoraussetzung hierfür soll sein, dass das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert erscheint und bei der Neuerrichtung der Außenbereichsschutz und nachbarliche Interessen gewahrt bleiben. Durch die vorgesehene entsprechende Anwendbarkeit der Voraussetzungen für die Nutzungsänderung bei Beibehaltung des Gebäudes (§ 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 b) - g) wird zudem insbesondere verlangt, dass sich der Neubau im Wesentlichen an der äußeren Gestalt des bisherigen Gebäudes, einschließlich der Kubatur, orientiert.“

Der Bundesrat hat zu diesem Gesetzentwurf ablehnend Stellung genommen (BR/Ds 474/12, Seite 7 f.). In der Stellungnahme heißt es:

„Die vorgesehene Einfügung in § 35 Abs. 4 BauGB wird abgelehnt, da diese die Entstehung von Splittersiedlungen begünstigt und damit dem landesplanerischen Ziel der Ausweisung neuer Wohnbauflächen sowie gemischter Bauflächen ausschließlich in räumlicher und funktionaler Anbindung an bereits bestehende Siedlungseinheiten entgegenwirkt. Die vorgeschlagene Regelung widerspricht der erklärten Zielsetzung des Gesetzentwurfs - Stärkung der Innenentwicklung von Städten und Gemeinden -, da sie zu einer Intensivierung und Verfestigung der Nutzung des Außenbereichs durch nicht privilegierte Nutzungen beiträgt. Mit der Formulierung „in begründeten Einzelfällen“ i.V.m. den sonstigen Tatbestandsmerkmalen des § 35 Abs. 4 S. 2 BauGB wird eine nichtfassbare Ausweitung der Vorhaben, bei denen bestimmte öffentliche Belange ausgeblendet werden, und die somit im Außenbereich ohne eine zugrundeliegende Planung errichtet werden können, ermöglicht. Die beabsichtigte Neuregelung begünstigt eine weitere Zersiedelung der Landschaft und belastet die verkehrliche Infrastruktur. Die Regelung ermöglicht über die bereits bislang mögliche Nutzungsänderung und zweckmäßige Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz von Gebäuden im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB oder sonstiger erhaltenswerter Gebäude nach § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 BauGB, die das Bild der Kulturlandschaft prägen, hinaus die Neuerrichtung und nicht privilegierte Nutzung von Gebäuden im Außenbereich, von denen lediglich die Vorgängerbauten „auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert“ gewesen sein müssen. Das ursprünglich erhaltenswerte Gebäude ist jedoch nicht mehr vorhanden bzw. der Bestand soll nicht erhalten werden. Der Anknüpfungspunkt an Kulturlandschaft ist damit entfallen, so dass nicht ersichtlich ist, wieso ein Neubau an dessen Stelle ermöglicht werden soll. Bereits die derzeit gültige Fassung des § 35 Abs. 4 BauGB bietet ausreichend Möglichkeiten, nicht mehr für die Landwirtschaft genutzte (Bestands-) Gebäude einer anderen sinnvollen Nutzung zuzuführen. Soweit in begründeten Ausnahmefällen ein bisher erhaltenswürdiges Gebäude mit zumutbaren Mitteln nicht mehr reparabel erscheint, und somit eine Neuerrichtung erforderlich wäre (z.B. Hausschwammfälle), besteht bereits nach derzeitiger Rechtslage die Möglichkeit, ein solches Vorhaben gem. § 35 Abs. 2 BauGB „im Einzelfall“ zuzulassen. Für die vorgeschlagene Neuregelung besteht somit auch unter diesem Gesichtspunkt kein Bedarf. Die mögliche Neuerrichtung und Nutzungsänderung jeder Landarbeiterkate oder jedes Viehunterstandes könnte sonst zu erheblichen Beschränkungen für die eigentliche Zweckbestimmung des Außenbereichs führen. Insbesondere sind hier Abstandswahrungen zu Windkraftanlagen, Tierhaltungsbetrieben oder intensiverer Gülleausbringung auf landwirtschaftlichen Flächen zu nennen.“

Dieser Kritik hat sich der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Bundestages angeschlossen (BT/Ds 17/13272, Seite 10):

„Die im Regierungsentwurf vorgesehene Erleichterung für sonstige Vorhaben im Außenbereich wird - in Übereinstimmung mit dem Votum des Bundesrates - abgelehnt. Abgesehen davon, dass die Regelung bereits in sich unstimmig formuliert ist, widerspricht sie dem Ziel der Novelle, die bauliche Entwicklung im Außenbereich einzuschränken. Es steht zu befürchten, dass die Zersiedelung der Landschaft zunehmen wird, da mit der Neuregelung verstärkt auch bisher nicht nutzbare Restgebäude von Höfen zur Errichtung von Wohnungen genutzt werden könnten. Dies widerspricht einer geordneten Siedlungsentwicklung in hohem Maße.“

Dem ist der Bundestag nicht gefolgt. Er hat den Vorschlag der Aufhebung dieser Vorschrift abgelehnt und dazu lapidar formuliert (BT/Ds 17/11468, Seite 31):

„Die im Regierungsentwurf vorgeschlagene Regelung trägt einem Bedürfnis der Praxis Rechnung und ist an enge Voraussetzungen gebunden, so dass eine zusätzliche Belastung des Außenbereichs vermieden wird.“

Die Kammer leitet aus den wenigen Erwägungen des Bundestages ab, dass die Vorschrift dem Strukturwandel in der Landwirtschaft dienen soll und wegen der Sensibilität des Außenbereichs eng auszulegen ist.

Systematisch ist die Regelung in § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB in den Blick zu nehmen. Danach ist die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, privilegiert, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient. Zwischen der Formulierung „das Bild der Kulturlandschaft prägen…“ in dieser Vorschrift und „auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert…“ in § 35 Abs. 4 S. 2 BauGB mag ein gradueller Unterschied der Beeinflussung der Kulturlandschaft durch das vorhandene Gebäude vorgegeben sein. Letztlich kommt es jedoch auch bei § 35 Abs. 4 S. 2 BauGB auf die Wechselwirkungen zwischen Gebäude und Kulturlandschaft an.

Wie in den Fällen des Satzes 1 Nr. 4 ist zu verlangen, dass das Gebäude aus städtebaulicher Sicht erhaltenswert ist, wobei es dabei darauf ankommt, wie es nach außen hin in Erscheinung tritt. Durch das weitere Merkmal „auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert“ wird für die Einordnung, ob das Gebäude erhaltenswert ist, ein Bezug zur Umgebung hergestellt. Als Kulturlandschaft kann die durch den Menschen geprägte Landschaft verstanden werden. In den hier interessierenden Zusammenhängen ist darunter unter Berücksichtigung von Satz 1 Nr. 1 namentlich die Prägung der Landschaft durch landwirtschaftliche Nutzungen und ihre Gebäude zu verstehen. Das ursprüngliche Gebäude muss - nach seinem äußeren Erscheinungsbild - auch zur Wahrung dieser Funktion erhaltenswert sein. Es muss zu der Kulturlandschaft durch seine äußere Erscheinung beitragen (vgl. Söfker in Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 35 Rn. 163 b).

Die Kammer folgt nicht der Auffassung einiger Autoren in der Fachliteratur, die aus der gesetzlichen Formulierung eines „auch“ zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswerten Gebäudes schließen, dass das Gebäude in erster Linie im Hinblick auf seine Bausubstanz erhaltenswert sein muss, so dass marode Gebäude von der Vorschrift nicht erfasst würden (Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Auflage, § 35 Rn. 165). Diese Auslegung würde die Vorschrift vollständig leerlaufen lassen und damit den gesetzgeberischen Willen ignorieren. Denn eine Neuerrichtung wird naturgemäß erst dann erfolgen, wenn die Bausubstanz so marode ist, dass eine nutzungserhaltene Baumaßnahme nicht mehr in Betracht kommt.

In Anbetracht der geschilderten gesetzgeberischen Intention und der daraus abzuleitenden engen Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen vermag sich die Kammer auch nicht der Ansicht von Battis/Mitschang/Reidt anzuschließen, wonach nur „offensichtlich“ der Kulturlandschaft entgegenstehende, sie gleichsam störende vorhandene Gebäude die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllen (NVwZ 2013, 961, 966).

Das Gericht ist vielmehr der Auffassung, dass abgesehen von dem Begriff der „Prägung“ die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorschrift des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB zur Auslegung auch des § 35 Abs. 4 S. 2 BauGB herangezogen werden kann. Danach ist die Zulassung von Vorhaben im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB nur dann gerechtfertigt, wenn die Zugehörigkeit des Gebäudes zu einem kulturhistorisch bedeutsamen Zusammenhang besteht und dies auch im Gebäude selbst erkennbar ist (BVerwG, Beschluss vom 17.01.1991 - 4 B 186/90 -; Beschluss vom 15.06.1994 - 4 B 121/94 -, jeweils zitiert nach juris).

Gemessen hieran steht zur Überzeugung der Kammer nach der durchgeführten Inaugenscheinnahme fest, dass das fragliche Gebäude nicht auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist. Dabei kann offen bleiben, ob eine Beeinflussung der Kulturlandschaft schon allein deswegen ausscheidet, weil das Gebäude im Wald gelegen und aus der Entfernung nicht zu erkennen ist (zu Bedenken, auf die naturräumlichen Umfeldverhältnisse abzustellen, vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.01.1991, a.a.O., Rn. 3 a.E.).

Allein aus der durch Inaugenscheinnahme festgestellten Bausubstanz des vorhandenen Gebäudes lässt sich der Schluss ziehen, dass diese die umliegende Kulturlandschaft nicht zu beeinflussen vermag.

Das Gebäude ist weder von seiner räumlichen Ausdehnung noch von seiner baulichen Ausgestaltung eindrucksvoll. Die Nutzfläche von Wohnräumen und Scheune gibt der Kläger mit ca. 200 m2 an. Nach seiner unmaßstäblichen Zeichnung in den Akten entfallen davon nicht ganz die Hälfte auf die Wohnräume. Man kann die ehemalige Hofstelle damit als sehr kleine landwirtschaftliche Behausung bezeichnen.

Auch die bauliche Ausgestaltung ist sehr einfach gehalten. Die Außenwände bestehen aus einfachem Holzfachwerk, das in den Gefachen mit Ziegelsteinen ausgemauert ist. Fenster und Dach sind völlig schlicht ausgeführt. Weder architektonisch noch kulturhistorisch gehen von einem solchen Gebäude irgendwelche Wirkungen auf die Umgebung aus. Es entspricht in all seinen äußeren Erscheinungsformen etwa einer Bauernkate, die Gegenstand der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1994 gewesen ist und der das Gericht eine prägende Wirkung auf die Kulturlandschaft abgesprochen hat. Wenngleich die erkennende Kammer nicht verkennt, dass im Rahmen von § 35 Abs. 4 S. 2 BauGB ein weniger strenger Maßstab anzuwenden sein wird als bei § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 BauGB, hält sie hier doch dafür, dass ein solcher Schlichtbau nicht in der Lage ist, auf die umgebende Kulturlandschaft einen irgendwie gearteten Einfluss zu nehmen.

Auf die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 4 S. 2 i.V.m. S. 1 Nr. 1 BauGB, insbesondere darauf, ob das Gebäude zulässiger Weise errichtet worden ist, kommt es somit nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.