Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 11.08.2017, Az.: 3 E 561/17

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
11.08.2017
Aktenzeichen
3 E 561/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 53626
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Erinnerung der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 25.07.2017 wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt die Beklagte.

Gründe

In dem asylgerichtlichen Klageverfahren 3 A 71/17 ist durch Beschluss des Berichterstatters vom 06.03.2017 das Verfahren eingestellt worden; gleichzeitig sind der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens auferlegt worden. Der Kläger hat den rechtskräftigen, der Beklagten am 28.03.2017 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschlusses der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 28.03.2017 – 3 A 71/17 – bewirkt, wonach die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf 492,54 Euro nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 09.03.2017 festgesetzt worden sind. Eine Zwangsvollstreckung aus diesem Beschluss hat nicht stattgefunden und wird auch nicht durchgeführt werden, nachdem die Beklagte die titulierte Forderung am 12.06.2017 vollständig erfüllt hat.

Der Kläger hat mit dem Antrag vom 25.06.2017 die Festsetzung weiterer außergerichtlicher Kosten für die anwaltliche Zahlungsaufforderung nebst Vollstreckungsandrohung vom 30.05.2017 gegenüber der Beklagten und Schuldnerin in Höhe von insgesamt 21,42 Euro (0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG nach einem Gegenstandswert von 492,54 Euro in Höhe von 15,00 Euro; Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 3,00 Euro; 19% MwSt. nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 3,42 Euro) nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 26.06.2017 begehrt. Dem hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25.07.2017, der Beklagten zugestellt am 04.08.2017, vollumfänglich entsprochen.

Hiergegen hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 04.08.2017, bei Gericht eingegangen am 08.08.2017, die Entscheidung des Gerichts beantragt mit dem sinngemäßen Begehren, den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25.07.2017 aufzuheben und den Kostenfestsetzungsantrag des Klägers vom 25.06.2017 abzulehnen. Diesem Antrag hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unter dem 09.08.2017 nicht abgeholfen und die Sache dem Berichterstatter vorgelegt.

Die Erinnerung (Antrag auf Entscheidung des Gerichts) der Beklagten vom 04.08.2017 gegen den ihr am gleichen Tage zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 25.07.2017 ist zulässig (§ 165 Satz 2 i.V.m. § 151 VwGO), aber nicht begründet. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat dem Antrag des Klägers auf Festsetzung weiterer Kosten von 21,42 Euro nebst Zinsen zu Recht entsprochen.

Der Kläger als Gläubiger fordert die Erstattung von Anwaltsgebühren für eine der Vorbereitung der Vollstreckung aus dem vollstreckbaren Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.03.2017 dienende Tätigkeit, die den notwendigen Kosten der Vollstreckung zuzurechnen sind. Diese nach § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 788 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 und § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO kraft Gesetzes zu erstattenden Kosten können nach § 173 VwGO i.V.m. §§ 103 ff. ZPO angemeldet werden und sind dann gemäß § 164 VwGO vom Urkundsbeamten des Gerichts des ersten Rechtszugs festzusetzen (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.02.2007 – I-16 W 40/06 –, juris). Das Rechtsanwaltsschreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers und Gläubigers vom 30.05.2017, mit dem der Beklagten als Schuldnerin die Vollstreckung angedroht worden ist, ist als eine die Vollstreckung nach § 170 VwGO vorbereitende Handlung anzusehen, durch das die 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG entstanden ist. Selbst wenn man annähme, die vorgenannte 0,3 Vollstreckungsgebühr entstünde im Verwaltungsprozess erst durch den Antrag auf Erlass einer Vollstreckungsankündigung nach § 170 VwGO, so hätte das Rechtsanwaltsschreiben zumindest eine 0,3 Vertretungsgebühr (Geschäftsgebühr, wobei sich der Auftrag auf ein Schreiben einfachster Art beschränkt) nach Nr. 2301 VVRV ausgelöst. Die Rechtsfrage kann hier dahinstehen, da bei einem Gegenstandswert von 492,54 Euro in beiden Fällen der begehrte und festgesetzte Gebührenmindestbetrag von 15,00 Euro nach § 13 Abs. 2 RVG anfällt.

Die Mindestgebühr ist auch erstattungsfähig. Das anwaltliche Mahnschreiben an die Beklagte als Schuldnerin, die titulierte und auch fällige Leistung aus dem vollstreckbaren Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.03.2017 zu erbringen, war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nach § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 788 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ZPO und § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendig.

Die Mahnung war auch nicht verfrüht. Die Erforderlichkeit der auf die Beitreibung gerichteten anwaltlichen Tätigkeit setzt voraus, dass der Gläubiger dem Schuldner eine angemessene Frist zur freiwilligen Leistung eingeräumt hat, deren Länge sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Die Fristdauer ist in der VwGO nicht geregelt. Die für Kostenfestsetzungsbeschlüsse geltende Wartefrist von zwei Wochen nach § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 798 ZPO ist hier eingehalten. § 882a Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach zur Zwangsvollstreckung gegen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts eine Mahnfrist von vier Wochen einzuhalten ist, findet im Bereich der VwGO keine Anwendung. In analoger Anwendung von § 882a Abs. 1 Satz 1 ZPO oder § 170 Abs. 2 Satz 2 VwGO dürfte die bei Behörden angemessene Zahlungsfrist für die Begleichung von außergerichtlichen Kosten in der Regel einen Monat betragen. Falls die Überweisung an den Gläubiger aber die Bereitstellung außerplanmäßiger Haushaltsmittel erfordert, kann die Frist unter Umständen auch sechs Wochen ausmachen (vgl. VG Saarland, Beschluss vom 16.09.2016 – 5 N 2073/15 –, juris Rn. 6 ff. m.w.N.). Dies zugrunde gelegt, war die anwaltliche Zahlungsaufforderung nebst Vollstreckungsandrohung vom 30.05.2015 nicht verfrüht. Denn seit Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 28.03.2017 waren bereits mehr als 2 Monate vergangen, ohne dass die Beklagte und Vollstreckungsschuldnerin gezahlt hätte. Damit war die in der Rechtsprechung angenommene Monatsfrist bereits um das Doppelte und auch die Sechswochenfrist um mehr als zwei Wochen überschritten.

Die Auffassung der Beklagten, die Vollstreckungsgebühr für die unmittelbar an sie gerichtete außergerichtliche anwaltliche Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsankündigung des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 30.05.2017 sei deswegen nicht erstattungsfähig, weil ein solches Aufforderungsschreiben die Zwangsvollstreckung nach § 170 VwGO im Hinblick auf dessen Absatz 2 nicht vorbereiten könne und daher nicht notwendig im Sinne des § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. den §§ 788 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sei (unter Hinweis auf FG Düsseldorf, Beschluss vom 13.11.2012 – 4 Ko 4085/12 KF – und FG Münster, Beschluss vom 31.05.2006 – 5 Ko 699/06 KFB –, jeweils juris), teilt das Gericht nicht. Insoweit wird die einschlägige bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung nicht hinreichend berücksichtigt. Richtig ist, dass bei einem Antrag an das VG auf Vollstreckung aus einem verwaltungsgerichtlichen Kostenfestsetzungsbeschluss wegen einer Geldforderung gegen die öffentliche Hand nach § 170 VwGO vor Erlass einer Vollstreckungsverfügung gemäß dessen Absatz 1 zwingend eine verwaltungsgerichtliche Ankündigung der Vollstreckung gemäß dessen Absatz 2 erforderlich ist und nicht etwa durch eine Ankündigung der Vollstreckung durch den Gläubiger oder dessen anwaltlichen Vertreter ersetzt werden kann. Darum geht es im vorliegenden Zusammenhang aber gar nicht. Rechtlich wesentlicher Gesichtspunkt ist vielmehr, dass die gerichtliche Praxis bei Vollstreckungsanträgen nach § 170 VwGO über das Kriterium des Rechtsschutzbedürfnisses, wonach eine Vollstreckung unzulässig ist, wenn die freiwillige Erfüllung der titulierten Forderung noch zu erwarten ist, eine im Gesetz selbst nicht normierte „Vorfrist“ von vier bis ungefähr sechs Wochen eingeführt hat (vgl. hierzu Kraft in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 170 Rn. 10). Dazu hat das BVerfG als Vollstreckungsgericht im Rahmen einer Vollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss analog § 170 VwGO ausgeführt, es könne offen bleiben, ob es zum Einräumen dieser Frist „– dem Rechtsgedanken des § 882a Abs. 1 ZPO folgend – einer ausdrücklichen Anzeige der Absicht, die Zwangsvollstreckung zu betreiben, bedurft hätte oder – in analoger Anwendung der Regelung des § 170 Abs. 2 VwGO – auch ein bloßes Zuwarten genügen konnte“ (BVerfG, Beschluss vom 10.12.1998 – 2 BvR 1516/93 –, juris Rn. 12). Daraus ist zu folgern, dass auch im Zusammenhang mit der Einleitung eines Vollstreckungsverfahrens gemäß § 170 VwGO eine vorherige zusätzliche Mahnung durch den Vollstreckungsgläubiger rechtlich relevant sein kann und es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zutrifft, hierbei handele es sich um eine „unwirksame vollstreckungsvorbereitende Maßnahme“ (so zu Unrecht auch FG Münster, Beschluss vom 31.05.2006 – 5 Ko 699/06 KFB –, juris Rn. 19). Aus dem vorgenannten Beschluss des BVerfG vom 10.12.1998 (a.a.O.) hat die neuere verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu Recht gefolgert, die Einleitung eines Vollstreckungsverfahrens gemäß § 170 VwGO gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sei auch ohne eine vorherige zusätzliche Mahnung zulässig, wenn seit der Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses bereits mehr als 3 Monate vergangen seien, ohne dass die Vollstreckungsschuldnerin den von ihr geschuldeten Betrag gezahlt habe. Insoweit sei davon auszugehen, dass allein auf Grund des Zeitablaufs der Vollstreckungsschuldnerin ausreichend Gelegenheit gegeben worden sei, die Vollstreckung durch freiwillige Leistung abzuwenden. Es sei dann nicht mehr erforderlich, dass der Vollstreckungsgläubiger vor Einleitung der Vollstreckung die Vollstreckungsschuldnerin zusätzlich zur Zahlung ausgefordert und gemahnt habe (vgl. VG des Saarlandes, Beschluss vom 16.09.2016 – 5 N 2073/15 –, juris Rn. 12 f.; dort hatte das BAMF – s. Rn. 13 – eine zusätzliche Mahnung durch den Gläubiger sogar ausdrücklich für erforderlich gehalten, bevor bei Gericht das Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 170 VwGO beantragt wird). Wenn eine nicht verfrühte vorherige zusätzliche Mahnung durch den Rechtanwalt des Vollstreckungsgläubigers – wie hier – für erstattungsfähig erklärt wird, so kann deren Notwendigkeit ohnehin zumindest dann nicht in Abrede gestellt werden, wenn der Vollstreckungsschuldner – wie hier die Beklagte – auf diese Mahnung reagiert und umgehend gezahlt hat, ein gerichtskostenpflichtiges förmliches Verfahren nach § 170 VwGO vermieden worden ist und der Vollstreckungsschuldner im Ergebnis Gerichtskosten von 20,00 Euro (vgl. KV Nr. 5301 zum GKG) „erspart“ hat. Aber auch dann, wenn in einem solchen Fall der Vollstreckungsschuldner nicht reagiert und es zu einem – durch einen Rechtsanwalt des Vollstreckungsgläubigers gestellten – gerichtlichen Antrag nach § 170 VwGO kommt, würde dies insoweit nicht zu einem unbilligen Ergebnis führen. Denn dann bildeten der anschließend erteilte Vollstreckungsauftrag (Antrag nach § 170 VwGO) und das vorangegangene Aufforderungsschreiben eine Angelegenheit, so dass eine Verfahrensgebühr nach §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3309 VV gemäß § 15 Abs. 2 und Abs. 5 RVG auch nur einmal anfiele (vgl. dazu LG München II, Beschluss vom 19.12.2007 – 6 T 5058/07 –, juris Rn. 10).

Mit der Zurückweisung der Erinnerung erledigt sich gleichzeitig der Antrag der Beklagten auf vorläufige Aussetzung des angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 25.07.2017.

Einer Entscheidung über die Gerichtskosten bedarf es nicht, weil das Erinnerungsverfahren gerichtsgebührenfrei ist. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.