Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 23.06.2020, Az.: 2 B 42/20

Antragsbefugnis; Bauwagen; Ermessen; formelle Illegalität; materielle Illegalität; Nutzungsuntersagung; Versiegelung; Verwaltungsvollstreckung; vorläufiger Rechtsschutz

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
23.06.2020
Aktenzeichen
2 B 42/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71749
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Eigentümerin eines Bauwagens kann sich nicht gegen eine explizit an die "Nutzer" des Bauwagens gerichtete Untersagungsverfügung wenden, wenn sie den Bauwagen nicht bewohnt.

Gründe

Die Antragstellerin, eine GmbH, deren Gegenstand u.a. der „Erwerb von Haus und Grundstück zur sozialgebundenen Vermietung in Selbstorganisation“ ist, ist Eigentümerin des Grundstücks A-Straße. Sie wendet sich gegen eine Verfügung der Antragsgegnerin, mit der diese die Nutzung von auf dem Grundstück befindlichen Bauwagen zu Wohnzwecken untersagt und verschiedene Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Verpflichtung angeordnet bzw. angedroht hat.

Das Grundstück A-Straße liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans und ist im Flächennutzungsplan als Grünfläche mit der Zweckbestimmung „Friedhof“ dargestellt. Es ist etwa 2.200 m² groß und über ein benachbartes, direkt am Kreisverkehr D. -E. -Straße liegendes Grundstück, das im Eigentum der Antragsgegnerin steht, in nordöstlicher Richtung mit der D. -E. -Straße verbunden; im Übrigen ist es von mit Bäumen bestandenen Flächen umgeben.

Die Antragstellerin erwarb das Grundstück Ende 2017, um darauf unter der Ägide des Vereins Unfug e.V. das alternative Wohnprojekt „Unabhängig, frei und gemeinsam Wohnen (Unfug)“ zu verwirklichen. Ziel des Wohnprojekts ist es, ein inklusives barrierefreies Zusammenleben von Menschen mit und ohne Einschränkungen zu ermöglichen und lebenswerten und bezahlbaren Lebensraum im urbanen Raum zu schaffen. Auf dem Grundstück befinden sich ein Haus, für das Genehmigungen u. a. aus den Jahren 1927 und 1964 vorliegen, weitere Nebengebäude (Carport für Fahrräder, Holzschuppen, Schutzhütte für einen Traktor) sowie insgesamt sechs Bauwagen. Das Haus sowie die Bauwagen werden im Rahmen des F. -Wohnprojekts seit 2018 zu Wohnzwecken genutzt; die Bauwagen wurden ebenfalls im Laufe des Jahres 2018 dort aufgestellt und dienen nach Eigendarstellung des Vereins F. e.V. als zusätzliche WG-Zimmer. Sie verfügen weder über einen Wasseranschluss noch über sanitären Anlagen oder Küchen und werden über Holzöfen beheizt.

Ausweislich der Verwaltungsvorgänge wurde ein Mitarbeiter der Stadt im September 2018 auf die neuen Anlagen – Nebengebäude sowie sechs Bauwagen – auf dem Grundstück aufmerksam. Mit Schreiben vom 15. Januar 2019 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, auf ihrem Grundstück seien Nebengebäude festgestellt worden, für die keine Baugenehmigung vorliege. Zur weiteren Sachverhaltsklärung wurde im März 2019 ein Ortstermin durchgeführt, bei dem die Antragsgegnerin feststellte, dass sich außer dem bestehenden Hauptgebäude noch weitere Gebäude sowie die Bauwagen auf dem Grundstück befänden.

In der Folge prüfte die Antragsgegnerin die baurechtliche Zulässigkeit der Bauwagen. Zudem fand ein schriftlicher und persönlicher (Gespräch am 28. Juni 2019 im Rathaus) Austausch zwischen Vertretern der Antragsgegnerin und den Teilnehmern des Wohnprojekts sowie der Antragstellerin statt. Die Antragsgegnerin kam bei ihrer Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Aufstellung der Bauwagen genehmigungspflichtig sei, eine Baugenehmigung aber nicht vorliege. Die Erteilung einer Genehmigung komme aus bauplanungsrechtlichen wie bauordnungsrechtlichen Gründen nicht in Betracht. Zudem werde der raumordnerisch vorgegebene Abstand zum Wald von mindestens 30 m nicht eingehalten. Allerdings könne das Nebengebäude genehmigt werden; zudem komme ein maßvoller Anbau an das bestehende Haus in Betracht. Mit Schreiben vom 1. Juli 2019 teilte die Antragsgegnerin der Wohngemeinschaft F. diese Einschätzung mit und wies darauf hin, dass die Bauwagen auf einem als bebaubar eingestuftem Grundstück, zum Beispiel auf einer Hofstelle in G., aufgestellt werden könnten. Mit Schreiben vom 6. August 2019 erwiderte das Wohnprojekt, es prüfe gerade weitere Alternativen, wie die Vorschläge der Antragsgegnerin umgesetzt werden könnten.

Unter dem 12. November 2019 (VV 191) forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf, die Bauwagen vom Grundstück zu entfernen, und hörte sie zum Erlass einer bauaufsichtsrechtlichen Verfügung nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 NBauO an. Die Antragstellerin teilte daraufhin mit Schreiben vom 28. Januar 2020 mit, sie beabsichtigte, einen Antrag auf Erlass eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans stellen zu wollen. Mit Email vom selben Tage wandte sich die Antragsgegnerin an das Amt für regionale Landesentwicklung und erkundigte sich nach den Möglichkeiten einer planungsrechtlichen Absicherung des Wohnprojekts. Das Amt für regionale Landesentwicklung beantwortete diese Anfrage mit Email-Schreiben vom 25. Februar 2020 dahin, die Möglichkeit einer genehmigungsfähigen Änderung des Flächennutzungsplans werde aufgrund der vielfältig hierdurch berührten Belange derzeit nicht gesehen. Der Verwaltungsausschuss des Rats der Antragsgegnerin beriet über die Möglichkeit einer Änderung des geltenden Flächennutzungsplans und die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans in seiner Sitzung am 25. Februar 2020, lehnte das Anliegen aber ab, was die Antragsgegnerin der Antragstellerin unter dem 27. Februar 2020 mitteilte. In diesem Schreiben veranschlagte die Antragsgegnerin die für die Änderungsplanung und die zudem erforderliche Waldumwandlung zu erwartenden Kosten bei insgesamt rund 60.000,- EUR. Mit Schreiben vom 5. März 2020 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin, den Verein F. e. V. sowie die weiteren unter der Adresse D. -E. -Str. 120 gemeldeten Personen zu ihrer Absicht an, die Nutzung der Bauwagen auf allen Teilflächen des Grundstücks zum 1. Juli 2020 zu untersagen und notfalls mit Zwangsgeldern durchzusetzen. In dem Schreiben erläuterte die Antragsgegnerin im Einzelnen, weshalb sie die Nutzung der Bauwagen auf dem Grundstück zu Wohnzwecken für unzulässig halte. Des Weiteren bot sie den Teilnehmern des Wohnprojekts an, die Angelegenheit nochmals in einem persönlichen Gespräch zu erörtern. Ein zunächst anberaumter Termin wurde wegen der Corona-Pandemie abgesagt; ein anderer Termin konnte nicht gefunden werden.

Unter dem 7. Mai 2020 erließ die Antragsgegnerin folgenden Bescheid, den sie der Antragstellerin sowie sämtlichen unter der A-Straße gemeldeten Personen und dem Verein F. e.V., d. h. allen Antragstellern in den Verfahren 2 B 42-53/20, zustellte:

„1. Den Nutzern der früheren Bauwagen/Wohnwagen auf dem Grundstück A-Stadt, D. -E. -Str. 120, wird die Wohnnutzung der ehemaligen Bauwagen/Wohnwagen spätestens ab 01.07.2020 untersagt.

2. Den Eigentümern der Bauwagen/Wohnwagen, die mit den Nutzern Verträge abgeschlossen haben, aufgrund derer sie zur Wohnnutzung berechtigt sind, wird aufgegeben, die Unterlassung der Wohnnutzung für die Zeit ab 01.07.2020 trotz der abgeschlossenen Verträge zu dulden.

3. Für jeden Verstoß gegen die Anordnungen zu Ziffer 1. und Ziffer 2. wird ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR pro angefangenen Monat der Nutzungsfortsetzung nach dem 01.07.2020 verhängt. Erfolgt die Fortsetzung der untersagten Nutzung durch mehrere Personen, erfolgt die Festsetzung gegen sie als Gesamtschuldner.

4. Wird die untersagte Nutzung über den 31.08.2020 hinaus fortgesetzt, wird die Verhängung eines weiteren (erhöhten) Zwangsgeldes von 5.000,00 EUR pro angefangenen Monat der Nutzungsfestsetzung [Anm. der Kammer: Gemeint ist wohl Nutzungsfortsetzung] über den 01.09.2020 hinaus angedroht

5. Für die Zeit nach dem 31.08.2020 wird eine Versiegelung der zu Wohnzwecken genutzten Wohnwagen angedroht. Diese ist von den Eigentümern der früheren Wohnwagen zu dulden.

6. Wird die untersagte Nutzung über den 31.08.2020 hinaus fortgesetzt, ordnet die Hansestadt Lüneburg die Beseitigung der früheren Wohnwagen an.

7. Die Hansestadt Lüneburg ordnet den Sofortvollzug der getroffenen Anordnungen an.“

Unter dem 15. Mai 2020 erhob die Antragstellerin gegen die Verfügung Widerspruch und beantragte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Nachdem die Antragsgegnerin diesen Antrag abgelehnt hatte, hat die Antragstellerin am 22. Mai 2020 beim erkennenden Gericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Über den Widerspruch hat die Antragsgegnerin noch nicht entschieden.

Mit Verfügung vom 26. Mai 2020 hat das Gericht unter Hinweis auf die Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18.10. 2004 (- 1 ME 205/04 -, juris) darauf hingewiesen, dass Zweifel an der Antragsbefugnis der Antragstellerin bestünden, da sie in ihrem Schriftsatz angegeben habe, sie bewohne keinen Bauwagen. Daraufhin hat die Antragstellerin erwidert, sie bewohne in der Tat keinen Bauwagen, sei aber Eigentümerin mehrerer Bauwagen auf dem Grundstück und sei darum von dem angefochtenen Bescheid und den darin angedrohten Maßnahmen betroffen.

II.

Mit ihrem vorläufigen Rechtsschutzantrag wendet sich die Antragstellerin – wie die Antragsteller in den übrigen Parallelverfahren (2 B 43-53/20) auch – pauschal gegen die „Nutzungsuntersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 7. Mai 2020“. Dieser Bescheid enthält indes mehrere Verfügungen. Da die – anwaltlich vertretene – Antragstellerin ihren Antrag nach dem (u. a. auf dieses Verfahren bezogenen) Hinweis des Gerichts vom 26. Mai 2020 hinsichtlich bestehender Zweifel an der Antragsbefugnis nicht weiter eingeschränkt hat, ist davon auszugehen, dass sie sämtliche Verfügungen angreift.

Der so verstandene Antrag ist erfolgreich, soweit es die Verfügungen in den Ziff. 2, 3, 4, 5 Satz 2 und 6 betrifft (dazu 2.); hinsichtlich der in den Ziff. 1 des Bescheids angeordneten Nutzungsuntersagung sowie der zugehörigen Vollstreckungsmaßnahme in Ziff. 5 Satz 1 hat der Antrag hingegen keinen Erfolg (dazu s. unter 1).

 1. Bezüglich Ziff. 1. sowie der zugehörigen Vollstreckungsmaßnahme in Ziff. 5 Satz 1 des Bescheids vom 7. Mai 2020 fehlt es der Antragstellerin bereits an der erforderlichen Antragsbefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Die Verfügung in Ziff. 1 ist explizit allein an die „Nutzer“ der Bauwagen gerichtet. Die Antragstellerin bewohnt indes nach ihrem eigenen Bekunden keinen der Bauwagen. Sie nutzt die Bauwagen damit nicht in einer Weise, die von Ziff. 1 der Verfügung erfasst würde und zählt nicht zu dem Adressatenkreis des in Ziff. 1 verfügten Nutzungsverbots (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 18.10.2004 - 1 ME 204/04 -, juris Rn. 22).

Aus ihrer Eigentümerstellung kann die Antragstellerin die Antragsbefugnis nicht herleiten. Denn die Verfügung richtet sich nicht an den Eigentümer. Entsprechend kann auch ein Vermieter das an den Mieter gerichtete Nutzungsverbot nicht angreifen, weil er durch das Nutzungsverbot nicht verpflichtet wird (Mann, in: Große-Suchsdorf, 10. Aufl. 2020, NBauO § 79 Rn. 112).

Es kann nicht argumentiert werden, auch der Eigentümer werde durch das Nutzungsverbot beeinträchtigt, weil zu seinen Eigentümerbefugnissen auch die Nutzung des Eigentums zähle und diese infolge des Nutzungsverbots eingeschränkt werde. Denn gleichwohl richtet sich das hier konkret angegriffene Nutzungsverbot nur an die Nutzer und kann darum die Rechte des Eigentümers nicht beschränken; soweit die Eigentümerbefugnisse infolge der Nutzungsuntersagung beeinträchtigt werden, folgen diese Einschränkungen eben nicht aus der – nur aus der an die Nutzer gerichteten – Verfügung, sondern schon aus Recht und Gesetz als Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums.

Da es sich bei der in Ziff. 5 Satz 1 angedrohten Versiegelung (lediglich) um eine Vollstreckungsmaßnahme handelt, die sich auf die in Ziff. 1 verfügte Nutzungsuntersagung bezieht, betrifft Ziff. 5 Satz 1 ebenfalls allein die Nutzer und nicht die Antragstellerin als Eigentümerin, so dass ihr auch insoweit die Antragsbefugnis abzusprechen ist.

 2. Im Übrigen ist der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zulässig und begründet.
Soweit sich die Antragstellerin gegen die Verfügungen in Ziff. 2 und 5 Satz 2 und 6 des Bescheids vom 7. Mai 2020 wendet, ist der von ihr gestellte Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft, weil die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung des Bescheids vom 7. Mai 2020 angeordnet hat.
Soweit die Antragstellerin die Verfügungen in Ziff. 3 und 4 angreift, ist – da es sich hier um die Androhung bzw. Festsetzung eines Zwangsmittels handelt, denen bereits kraft Gesetzes eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt (§ 64 Abs. 4 Satz 1 NPOG) –, ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft. Folgerichtig hat die Antragsgegnerin darum mit Schriftsatz vom 11. Juni 2020 die Anordnung der sofortigen Vollziehung bezüglich Ziff. 3 des Bescheids aufgehoben. Eine solche Anordnung ist nicht erforderlich. Die mit Schriftsatz vom 11. Juni 2020 ausgesprochene Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung steht allerdings der Überprüfung von Ziff. 3 des Bescheids im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht entgegen, da, wie dargestellt, der dort geregelten Androhung bzw. Festsetzung eines Zwangsmittels schon kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt. Dass die Antragsgegnerin mit ihrem Schriftsatz vom 11. Juni 2020 die Vollziehung der Verfügung in Ziff. 3 und Ziff. 4 des Bescheids gemäß § 80 Abs. 4 VwGO ausgesetzt hätte, ist nicht ersichtlich.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes im öffentlichen Interesse von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, besonders angeordnet wurde, ganz oder teilweise wiederherstellen.
Die aufschiebende Wirkung ist in den Fällen des § 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO informeller Hinsicht bereits dann wiederherzustellen, wenn die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung formelle Fehler aufweist (W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80 Rn. 148). In materieller Hinsicht ist die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen, wenn das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung des Verwaltungsakts das öffentliche Interesse an dessen Vollziehung überwiegt. Die gerichtliche Entscheidung ergeht dabei auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aussetzungsinteresse einerseits und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen der Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes Bedeutung erlangen. Lässt sich bei der gebotenen summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids ohne weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherzustellen bzw. anzuordnen, weil an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheids kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, bedarf es in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde im Einzelfall angeordnet wurde, noch eines besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung, das mit dem Interesse am Erlass eines Verwaltungsaktes in der Regel nicht identisch ist, sondern vielmehr ein qualitativ anderes Interesse ist. Insbesondere in Fällen der Gefahrenabwehr kann dieses besondere Vollzugsinteresse aber mit dem Interesse am Erlass des Bescheids selbst identisch sein. Lässt sich die Rechtmäßigkeit bei summarischer Prüfung nicht eindeutig beurteilen, bedarf es einer allgemeinen Interessenabwägung im Sinne einer Folgenabwägung. Dabei sind die Folgen gegenüberzustellen, die einerseits eintreten, wenn dem Antrag stattgegeben wird, der Bescheid sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweist bzw. die andererseits eintreten, wenn der Antrag abgelehnt wird, der Bescheid sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweist (Nds. OVG, Beschl. v. 10.7.2017 - 11 MC 186/17 -, juris, Rn. 12).
a) Nach diesen Vorgaben ist hier die aufschiebende Wirkung bezüglich der in Ziff. 2 des Bescheids den Eigentümern aufgegebenen Duldung der Nutzungsuntersagung wiederherzustellen, weil diese Verfügung voraussichtlich rechtswidrig ist und schon deshalb ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung nicht begründet werden kann. Denn diese Anordnung zur Durchsetzung des von der Antragsgegnerin verfolgten Ziels, die Nutzung der Wohnwagen zu Wohnzwecken zu unterbinden, ist nicht erforderlich.

Eine Duldungsverfügung dient der Überwindung eines bestehenden obligatorischen oder dinglichen Rechts eines Dritten, das ihn befähigt, den Adressaten einer bauaufsichtlichen Verfügung an der Befolgung dieser Verfügung zu hindern (Mann, in: Große/Suchsdorf, NBauO, 10. Auf. 2020, § 79 Rn. 91; VGH BW, Urt. v.19.8.1992 - 5 S 247/92 - NVwZ 1993, 1215 [OVG Niedersachsen 14.04.1993 - 1 L 34/91]). Eine Duldungsverfügung ist darum immer und nur dann erforderlich, wenn ein solches Recht eines Dritten besteht. Denn auch eine Duldungsverfügung ist ein belastender Verwaltungsakt; sie darf darum nicht rein vorsorglich ausgesprochen werden, sondern ist nur dann gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine der Befolgung der bauaufsichtlichen Verfügungen entgegenstehende Rechtsposition bestehen (Hess. VGH, Beschl. v. 15.9.1994 - 4 TH 655/94 -, juris 2. Leitsatz).

An einem derartigen, der Durchsetzung der Nutzungsuntersagung entgegenstehenden Recht der Antragstellerin an den Wohnwagen, auf die sich das Nutzungsverbot bezieht, fehlt es hier. Die Verträge, die Nutzer und Eigentümer offenbar miteinander abgeschlossen haben, berechtigen die Nutzer nur zur Nutzung, verpflichten sie hierzu aber nicht. Dementsprechend besteht bei einem Nutzungsverbot gegen den Mieter kein Anlass zu einer Duldungsanordnung gegen den Vermieter, weil dieser den Mieter nicht hindern kann, die Mietsache nicht zu nutzen (Mann, in: Große-Suchsdorf, 10. Auf. 2020, NBauO, § 79 Rn. 91). So liegt der Fall auch hier: Jeder Nutzer eines Bauwagens kann die Nutzung grundsätzlich allein aufgeben; die Genehmigung der Antragstellerin als Eigentümerin der Bauwagen benötigt er hierfür nicht (vgl. schon Nds. OVG, Beschl. v. 18.10.2004 -1 ME 205/04 -, juris Rn. 32).

b) Entsprechendes gilt für die in Ziff. 5 Satz 2 den Eigentümern der Wohnwagen aufgegebenen Duldung der angedrohten Versiegelung, die der Durchsetzung der Nutzungsverfügung dient.

c) Die in Ziff. 3 und 4 geregelten Verfügungen sind ebenfalls voraussichtlich rechtswidrig. Dies gilt schon deshalb, weil es sich um Vollstreckungsmaßnahmen handelt, die sich im vorliegenden Verfahren auf die – nach oben Gesagtem ihrerseits voraussichtlich rechtswidrige – Duldungsverfügung in Ziff. 2 beziehen; als solche teilen sie das Schicksal der zu vollstreckenden Grundverfügung. Überdies hat die Kammer aus folgenden Gründen rechtliche Bedenken gegen Ziff. 3 und 4 des Bescheids:

aa) In Ziff. 3 verhängt die Antragsgegnerin für jeden Verstoß gegen die Anordnungen zu Ziff. 1 und Ziff. 2 ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 EUR pro angefangenem Monat der Nutzungsuntersagung nach dem 1. Juli 2020. Da sich hier diese Vollstreckungsmaßnahmen. Bereits ausweislich des Wortlauts der Regelung, der sich namentlich auch von der in Ziff. 4 ausdrücklich so bezeichneten „Androhung“ eines (weiteren) Zwangsgeldes abhebt, droht die Antragsgegnerin in Ziff. 3 die Festsetzung eines Zwangsgeldes nicht nur an, sondern „verhängt“ es, d. h. sie setzt es bereits jetzt für die Zeit ab dem 1. Juli 2020 fest. Diese Auslegung wird bestätigt durch die Begründung des Bescheids, der als Rechtsgrundlage nicht § 70 NPOG, der die Androhung regelt, nennt, sondern § 67 NPOG, der Regelungen zur Festsetzung des Zwangsgeldes enthält.

Da das Zwangsgeld erst ab dem 1. Juli 2020 für jeden Verstoß verhängt werden soll, handelt es sich offenbar um eine – durch den Verstoß gegen die Nutzungsuntersagung aufschiebend bedingte und befristete – Festsetzung. Ein solches Vorgehen entspricht nicht der Rechtsgrundlage und ist schon deshalb unzulässig, weil gemäß § 70 Abs. 1 NPOG Zwangsmittel vor ihrer Anwendung anzudrohen sind. Die erforderliche Androhung wird durch das von der Antragsgegnerin offenbar gewählte Konstrukt einer aufschiebend bedingten und befristeten Festsetzung nicht entbehrlich. Dies gilt schon deshalb, weil gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 NPOG die Androhung, nicht aber die Festsetzung mit dem Grundverwaltungsakt verbunden werden darf.

bb) Bezüglich der Androhung eines weiteren Zwangsgeldes in Ziff. 4. hat die Kammer bereits Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit (§ 37 Abs. 1 VwVfG) der Verfügung. Aus der Verfügung wird nicht deutlich, ob nach dem Willen der Antragsgegnerin ein Zwangsgeld von insg. 5.000,- EUR angedroht wird, oder ob dieses „weitere“ Zwangsgeld zu dem bereits in Ziff. 3 festgesetzten Zwangsgeld in Höhe von 2.000, EUR hinzukommen, das Zwangsgeld also insgesamt 7.000,- EUR betragen, soll. Zudem baut die Androhung des weiteren Zwangsgeldes in Ziff. 4 ersichtlich auf der „Verhängung“ eines Zwangsgeldes in Ziff. 3 auf, das voraussichtlich rechtswidrig ist. Weil beide Verfügungen nach dem Willen der Antragsgegnerin miteinander verknüpft sind, teilt die Androhung in Ziff. 4 das Schicksal der Festsetzung in Ziff. 3 und ist ebenfalls voraussichtlich rechtswidrig, so dass die aufschiebende Wirkung insoweit ebenfalls anzuordnen ist.

d) Hinsichtlich Ziff. 6 ist die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen.

Die Kammer hat insoweit bereits gewisse Zweifel, ob das besondere Vollzugsinteresse hinsichtlich der Regelung entsprechend den Vorgaben des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hinreichend begründet ist. Denn ausdrückliche Erwägungen stellt die Antragsgegnerin dazu in ihrem Bescheid nicht an. Vielmehr enthält der Bescheid insoweit lediglich allgemeine Erwägungen, die nicht zwischen der Nutzungsuntersagung und der Beseitigungsanordnung differenzieren, so dass fraglich ist, ob diese Ausführungen auch den – gegenüber einer Nutzungsuntersagung weitergehenden – Eingriff in Gestalt der Beseitigungsanordnung decken.

Jedenfalls ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung aber aus materiellen Gründen zu beanstanden. Die Verfügung, derzufolge „die Hansestadt Lüneburg die Beseitigung der früheren Wohnwagen an[ordnet]“, sofern die „untersagte Nutzung über den 31.08.2020 hinaus fortgesetzt“ wird, verstößt voraussichtlich bereits gegen das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit (§ 37 VwVfG). Verlangt ist danach insbesondere auch, dass derjenige, der von der Regelung des Verwaltungsakts materiell betroffen ist, hieraus also verpflichtet und/oder berechtigt sein soll (sog. Inhaltsadressat), benannt sein muss (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 37 Rn. 10). Indes ergibt sich aus der Verfügung nicht, wen die Antragsgegnerin zur Beseitigung der Bauwagen verpflichtet hat; die Verfügung benennt nur, wer – nämlich die Hansestadt Lüneburg – die Verpflichtung ausspricht. Der Adressat lässt sich auch nicht aus dem übrigen Inhalt des angefochtenen Bescheids ableiten. Vielmehr richtet sich der Bescheid im Übrigen an Nutzer oder Eigentümer, so dass auch diese beiden Gruppen grundsätzlich als Adressat der Beseitigungsverfügung in Betracht kommen. Überdies fehlt es an jedweder Ermessenserwägung, weshalb die Beseitigungsanordnung erforderlich ist, weshalb sie nur dann erforderlich sein soll, wenn die untersagte Nutzung über den 31. August 2020 fortgesetzt wird bzw. weshalb sie entbehrlich sein soll, wenn die Nutzung früher eingestellt wird, und in welchem Verhältnis sie zu der in Ziff. 1 ausgesprochenen Nutzungsuntersagung steht. Dass diese Ungereimtheiten sich auch dahin auflösen lassen, dass in Ziff. 6 des Bescheids die Beseitigung nicht bereits angeordnet, sondern lediglich angekündigt wird, rettet die Verfügung nicht. Vielmehr wird die Verfügung voraussichtlich aufzuheben sein, damit nicht der Anschein einer bestandskräftigen Beseitigungsanordnung entstehen kann. Denn dieser Anschein entsteht angesichts der Formulierung im Indikativ („ordnet an“) durchaus.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Antragstellerin greift zwar die Verfügungen in Ziff. 2 bis 6 (mit Ausnahme der Ziff. 5 Satz 1) des Bescheids erfolgreich an, unterliegt aber bezüglich der in Ziff. 1 geregelten Nutzungsuntersagung, die den Schwerpunkt des angegriffenen Bescheids darstellt. Vor diesem Hintergrund hält es die Kammer für angemessen, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. den Streitwertannahmen der Bausenate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts nach dem 1. Januar 2002 (Streitwertannahmen). Die Kammer hat dabei berücksichtigt, dass die Antragstellerin Eigentümerin mehrerer Bauwagen und des Grundstücks ist, und im vorläufigen Rechtsschutzverfahren, in dem gemäß Ziff. 18. lit. b) der Streitwertannahmen die Hälfte des Streitwerts im Hauptsacheverfahren anzusetzen ist, für die Nutzungsuntersagung, die zugehörige Duldungsverfügung und die Beseitigungsanordnung, deren Rechtswirkungen sich überschneiden (vgl. auch Nds. OVG, Beschl. v. 18.10.2004 - 1 ME 205/04 -, juris Rn. 36), in Anlehnung an Ziff. 11 lit. b) und Ziff. 10 lit. f) einen Streitwert von insgesamt 1.000,- EUR je Bauwagen, für Ziff. 3 (Zwangsgeldfestsetzung) gemäß Ziff. 12 lit. c) der Streitwertannahmen einmal 1.000,- EUR und für die Androhungen in Ziff. 4 und 5 jeweils 0,- EUR zugrunde gelegt.