Landgericht Braunschweig
Urt. v. 28.01.2000, Az.: 5 O 1215/99 (169)

Anpruch gegen Erben eines Darlehensnehmers; Entschuldung landwirtschaftlicher Betriebe in den neuen Bundesländern; Verzinsung des Kapitals für ein Grundstück in der Zeit zwischen Enteignung und Restitution in der ehemaligen DDR

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
28.01.2000
Aktenzeichen
5 O 1215/99 (169)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 22730
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:2000:0128.5O1215.99.169.0A

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Aufgrund des Wegfalles der Geschäftsgrundlage von Darlehen für landwirtschaftliche Betriebe in der ehemaligen DDR durch die entschädigungslose Enteignung im Jahre 1953 ist im Rahmen der gem. § 242 BGB erforderlichen Anpassung der entsprechenden Darlehensverträge erforderlich, dass die Gläubigerin dieser Darlehensansprüche, die ohne wirtschaftliche Aufwendungen den landwirtschaftlichen Betrieb zu Eigentum erhält und diesen nutzen kann, sich so behandeln lassen muss, als ob aus den Erträgen des landwirtschaftlichen Betriebes eine kontinuierliche Tilgungsleistung der Darlehen erfolgt wäre.

  2. 2.

    Das Vermögensgesetz und das Entschädigungsgesetz können grundsätzlich zum Zwecke der Berechnung von Forderungen und zur Regelung der Rückgabemodalitäten erloschene Forderungen berücksichtigen. Außerhalb der Abwicklung im Rahmen des Vermögens- und des Entschädigungsgesetzes leben Forderungen, die dort nicht mehr berücksichtigt werden können, jedoch nicht wieder auf.

In dem Rechtsstreit
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...
den Richter am Landgericht ...
die Richterin am Landgericht ...
auf die mündliche Verhandlung vom 22.12.1999
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe 2.100,- DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt als Rechtsnachfolgerin verschiedener vor 1945 existierender öffentlich rechtlicher Kreditinstitute in Sachsen-Anhalt die Beklagten als Erben der Darlehnsnehmer dieser Kreditinstitute in Anspruch.

2

Die Urgroßmutter der Beklagten ... war Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Betriebes mit Ackerflächen in ... (heute Land Sachsen-Anhalt). Im Jahre 1913 übernahm der Großvater der Parteien ... landwirtschaftlichen Betrieb mit allen hier streitgegenständlichen Kreditverpflichtungen, 1950 übertrug ... an seiner ... im Rahmen eines Übergabe- und Altenteilsvertrages den landwiftschaftlichen Betrieb. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die vorgelegte Kopie der notariellen Urkunde (Anlage K 22 Bl. 97 f d.A.) verwiesen. Nachdem ... das Gebiet der DDR verlassen hatte, wurde 1953 der landwirtschaftliche Betrieb nebst Grundstücken entschädigungslos enteignet. Alle im Grundbuch eingetragenen Grundpfandrechte wurden gelöscht ... wurde von den Beklagten 1974 beerbt. Durch Bescheid des Landkreises ... vom 14.07.1995 wurde den Beklagten gem. § 6 Abs. 6 a S. 1 VermG ein Teil der zu dem landwirtschaftlichen Betrieb gehörigen Grundstücke zurückübertragen. Hinsichtlich eines Teiles der Grundstücke, die zu dem landwirtschaftlichen Betrieb gehörten, war die Restitution ausgeschlossen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Bescheid des Landkreises ... vom 14.07.1995 (Anlage K 23 Bl. 99 ff d.A.) verwiesen. Dieser Bescheid wurde am 15.09.1995 bestandskräftig.

3

Die Klägerin macht in diesem Verfahren Rückzahlungsansprüche aus Darlehnsverträgen der Rechtsvorgänger der Beklagten mit der Landschaft der Provinz Sachsen bzw. der Sparkasse ... geltend. Mit Befehl der Sowjetischen Administration (SMAD) NR. 01 vom 23.07.1945 über die Neuorganisation der Deutschen Finanz- und Kreditorgane i.V.m. dem SMAD-Befehl Nr. 66 vom März 1946 (Anlage K 24) wurde das Bankwesen in der sowjetischen Besatzungszone verstaatlicht. Dazu gehörten auch die Landschaft der Provinz Sachsen und die Sparkasse ... Gem. dem Gesetz vom 18.06.1947 des Landtages von Sachsen-Anhalt zur Überleitung der Forderungen samt Sicherungsrechten der geschlossenen Banken auf die Landesbank Sachsen-Anhalt gingen die Forderungen der geschlossenen Banken auf die Landesbank Sachsen-Anhalt unabhängig von einer entsprechenden Grundbuchumschreibung über. Mit Gesetz vom 12.03.1948 zur Sicherung des Kreditwesens wurde die Enteignung der geschlossenen Banken zugunsten des Landes Sachsen-Anhalt angeordnet und zwar mit Rückwirkung zum Tage der Schließung der Banken. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gesetze und Verordnungen gem. Anlagen K 24 a, K 24 b, K 24 c. K 24 d, K 24 e, K 24 f, K 24 g Bl. 159 ff d.A. verwiesen. Mit der Schaffung des Einheitsstaates im Jahre 1952 gingen die Forderungen auf den Staatshaushalt der DDR über. Mit Inkrafttreten des Einigungsvertrages wurde das Volkseigentum gem. Art. 22 Abs. 1 des Einigungsvertrages in Fiskaleigentum umgewandelt und der Treuhandverwaltung der Klägerin unterstellt, die die Verwaltung dieser Forderungen zunächst der Staatsbank Berlin und nunmehr der Kreditanstalt für Wiederaufbau überließ.

4

Im Jahre 1911 gewährte die Landschaft der Provinz Sachsen der Urgroßmutter der Beklagten ... ein Darlehn in Höhe von 36.000,- M, wobei zugunsten der Landschaft der Provinz Sachsen eine Hypothek eingetragen wurde (vgl. Schuld- und Pfandverschreibung für die Landschaft der Provinz Sachsen vom 31.07.1911 Anlage K 2, Hypothekenbrief Anlage K 3). Im Jahre 1926 wurde das Darlehn auf 8.069,00,- GM aufgewertet (vgl. Anl. K 4 - K 6). Im Jahre 1935 valutierte das Darlehn noch in einer Höhe von 7.498,76 GM.

5

Im Jahre 1926 gewährte die Landschaft der Provinz Sachsen dem Rechtsnachfolger von ... Darlehn in Höhe von 11.800,- GM, wobei eine Hypothek zugunsten der Landschaft der Provinz Sachsen in das Grundbuch eingetragen wurde (Abschrift der Schuld- und Pfandverschreibung für die Landschaft der Provinz Sachsen vom 16.08.1926 Anl. K 8; Auszug des Grundbuches von Neu-Bertkow Bd. I Bl. 1, dort Abt. III Nr. 15 Anl. K 6). Im Jahre 1935 valutierte dieses Darlehn noch in einer Höhe von 11.198,44 GM.

6

Am 05.12.1934 wurde über den landwirtschaftlichen Betrieb von ... Entschuldungsverfahren nach dem Gesetz zur Regelung der landwirtschaftlichen Schuldverhältnisse vom 01.06.1933 (Anl. K 9) eröffnet. Gegenstand des Verfahrens waren neben den dargelegten Pfandbriefdarlehn weitere Verbindlichkeiten (vgl. Entschuldungsplan vom 05.11.1935 Anl. K 7). Als Entschuldungsstelle war dabei die Generallandschaftsdirektion der Provinz Sachsen tätig (Verordnung zur Durchführung der landwirtschaftlichen Schuldenregelung vom 30.04.1935 Anl. K 10 und Verordnung zur Durchführung der landwirtschaftlichen Schuldenregelung vom 15.06.1933 Anl. K 11).

7

Im Rahmen des Entschuldungsverfahrens wurde das ursprüngliche Darlehn über 36.000,- M, später 7.498,76 GM in eine unkündbare Tilgungsforderung in Höhe von 7.490,- GM (Forderung 1) umgewandelt. Nach der Zinserleichterungsverordnung für den landwirtschaftlichen Realkredit vom 27.09.1932 wurde bezüglich dieses Darlehns eine Zusatzforderung in Höhe von 300,- GM (Forderung 2) begründet. Hinsichtlich der Einzelheiten der Darlehnsbedingungen wird auf den Auszug aus dem Entschuldungsplan (Anl. K 17 Bl. 79 ff d.A.) verwiesen.

8

Im Rahmen des Entschuldungsverfahrens wurde auch das Pfandbriefdarlehn in Höhe von 6.11.198,44 GM in eine unkündbare Tilgungsforderung in Höhe von 11.190,- GM (Forderung 3) umgewandelt. Gem. der Zinserleichterungsverordnung wurde eine Zusatzforderung in Höhe von 590,- GM (Forderung 4) begründet. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Auszug aus dem Entschuldungsplan (Anl. K 18) verwiesen.

9

Gegenstand des Entschuldungsverfahrens war auch eine Darlehnsforderung der ländlichen Spar- und Darlehnskass ... gegen ... Höhe von 2.500,- GM. Im Rahmen des Entschuldungsverfahrens wurde dieses Darlehn neu festgesetzt auf 2.710,- RM (vgl. Entschuldungsplan vom 05.11.1935 Anl. K 7) (Forderung 5)

10

In ihrer Funktion als Entschuldungsstelle löste die Landschaft der Provinz Sachsen in dem Entschuldungsplan noch weitere Forderungen ab. Dadurch wurden zugunsten der Landschaft der Provinz Sachsen eine Forderung in Höhe von 3.000,- DM (Forderung 6) gem. Beschluß vom 26.06.1937 (Anlage K 12 sowie Bescheinigung vom 04.09.1937 Anl. K 13) begründet. Durch Nachtragsablösungsbeschluß vom 04.10.1942 (Anlage K 14 nebst weiteren Unterlagen Anlage K 15 und K 16) wurde zugunsten der Landschaft der Provinz Sachsen eine Forderung in Höhe von 2.380,- RM (Forderung 7 begründet. Darüber hinaus wurde im Entschuldungsverfahren zugunsten der Landschaft der Provinz Sachsen eine Forderung in Höhe von 1.080,- DM (Forderung 8) begründet. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Kopie des Grundbuches von ... Bd. I Bl. Nr. 20 gem. der Grundbuchabschrift vom 04.09.1938 (Anlage K 6 a) verwiesen.

11

Bei der Währungsreform 1948 in der SBZ wurden die Schuldverpflichtungen von Gold- bzw. Reichsmark im Verhältnis 1:1 auf Deutsche Mark der Deutschen Notenbank umgestellt. Im Jahre 1962 valutierten die Darlehn noch in einer Höhe von 25.075,80 M. Hinsichtlich des Standes der Einzelforderungen wird auf die Aufstellung auf Seite 8 der Klageschrift (Bl. 8 d.A.) und auf die vorgelegten Kontoauszüge Anl. K 21 a-K 21 f verwiesen. Eine weitere Tilgung fand nicht statt. Nach der Währungsumstellung zum 01.07.1990 wurden die in Mark der DDR bestehenden Verbindlichkeiten im Verhältnis 2:1 in Deutsche Mark umgerechnet. Hiernach ergaben sich Verbindlichkeiten in Höhe von 12.537,90 DM. Hinsichtlich der Einzelheiten der Umrechnung der einzelnen Forderungen wird auf Seite 9 der Klageschrift (Bl. 9 d.A.) verwiesen.

12

Mit Schreiben vom 25.02.1997 wurden die Darlehn zum 31.08.1997 gekündigt (Kündigungsschreiben der Klägerin Anl. K 25 und Anl. K 26 zur Klageschrift).

13

Die Klägerin ist der Auffassung, daß sie die geltend gemachten Kapitalbeträge der genannten Darlehn von den Beklagten zurückverlangen könne. Bis zur Bestandskraft der Restitution eines Teiles der zu dem landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grundstücke am 15.09.1995 sei zwar die Geltendmachung von Forderungen aus diesen Darlehn gem. § 242 BGB treuwidrig gewesen. Rückständige Zinsen könnten nicht verlangt werden. Sie meint jedoch, daß zumindest die Kapitalbeträge sowie Zinsen für die Zeit vom 15.09.1995 bis zum 31.08.1997 in Höhe von 4,5 % verlangt werden könnten. Insgesamt errechnet sich die Klägerin eine Forderung in Höhe von 13.631,10 DM. Hinsichtlich der Berechnung der Zinsen wird auf Seite 10 der Klageschrift (Bl. 10 d.A.) verwiesen. Zwar seien bei der Überführung der Grundstücke in Volkseigentum bei der Enteignung im Jahre 1953 die im Grundbuch eingetragenen Belastungen der Grundstücke kraft Gesetzes erloschen. Die persönlichen Forderungen gegen den Darlehnsnehmer hätten jedoch fortbestanden. Eine Geltendmachung der Ansprüche sei wegen § 88 BVertriebG zunächst nicht möglich gewesen.

14

Die Klägerin ist der Auffassung, daß der Gesetzgeber des Vermögensgesetzes und des Entschädigungsgesetzes davon ausgegangen sei, daß Verbindlichkeiten, die bei der Überführung eines Grundstücks in Volkseigentum untergegangen sind bei der Rückübertragung gem. § 6 Abs. 6 a VermG Wiederaufleben. Anderenfalls wäre § 3 Abs. 4 EntschG ohne Anwendungsbereich. Bei einer Rückübertragung wie im vorliegenden Fall gem. § 6 Abs. 6 a VermG handele es sich um eine Entschädigung in Natura. Eine weitere Entschädigung werde hier den Beklagten nicht zustehen, weil von einem etwaigen Entschädigungsbetrag der Wert der zurückübertragenen Grundstücke abzuziehen sei, so daß im vorliegenden Fall keine Entschädigung mehr in Geld gezahlt werde. Die hier streitigen Verbindlichkeiten könnten daher nicht durch Abzug anläßlich der Entschädigungsleistung erlöschen. Der enteignete Schuldner solle nicht schlechter stehen als vor der Enteignung, solle jedoch auch keine Vorteile aus der Übertragung haben.

15

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 13.644,50 DM nebst 4,6 % Zinsen vom 01.09.1997 bis zum 12.03.1998, 4,3 % Zinsen vom 13.03.1998 bis zum 28.08.1998 und 4 % Zinsen seit dem 29.08.1998 aus 13.631,10 DM zu zahlen.

16

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

17

Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung. Es handele sich um Anhuitätendarlehn, deren Verjährung sich nach § 197 BGB richte. Die Hemmung der Verjährung gem. § 88 BVertriebG sei mit Inkrafttreten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes am 01.01.1993 außer Kraft getreten, so daß die Verjährung am 31.12.1996 eingetreten sei.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet, denn die Klägerin kann gem. § 242 BGB die Kapitalbeträge aus den streitigen Darlehn nicht mehr verlangen, denn mit der Enteignung 1953 ist die Geschäftsgrundlage für die Gewährung der Darlehn entfallen. Die Klägerin muß sich deshalb so behandeln lassen, als wären ab der Enteignung Tilgungsleistungen in der vertraglich vereinbarten Höhe erfolgt, womit inzwischen alle Forderungen als getilgt anzusehen wären.

19

Unstreitig ist die Klägerin zwar Rechtsnachfolgerin der ... gründlichen Darlehnsgeber, der Landschaft der Provinz Sachsen und der Sparkasse. Die Beklagten sind auch unstreitig Rechtsnachfolger der Darlehnsnehmer. Es kann dahinstehen, ob eine wirksame Kündigung des Darlehnskapitals vorliegt, denn zumindest die Forderungen Nr. 1, 3, 5, 6, 7 und 8 sind nach den Darlehnsbedingungen unkündbar. Alle Kapitalbeträge sind jedoch jedenfalls aufgrund des Zeitablaufes nunmehr fällig, soweit sie noch geltend gemacht werden können. Es kann auch dahinstehen, ob es sich bei den Darlehn um Anhuitätendarlehn i.S. des § 197 BGB handelt und ob die Anhuitäten verjährt sind oder ob dem eine Hemmung der Verjährung gem. § 88 BVertriebG entgegensteht. Jedenfalls kann die Klägerin gem. § 242 BGB nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage von den Beklagten keine Zahlungen mehr verlangen.

20

Ausweislich der Regelungen über das Entschuldungsverfahren, in dem die streitgegenständlichen Forderungen umgeschuldet bzw. neu geschaffen wurden, diente dieses Verfahren der Entschuldung landwirtschaftlicher Betriebe, um diese Betriebe zu erhalten. Ersichtlich sollten die zu erbringenden Tilgungs- und Zinsleistungen aus dem landwirtschaftlichen Betrieb erfolgen. Die Darlehn waren unkündbar bzw. (Forderungen Nr. 2 und 4) in der Fälligkeit weit hinausgeschoben. Geschäftsgrundlage der Darlehn war danach, daß die Darlehn entweder aus den Erträgen des landwirtschaftlichen Betriebes oder bei einer Veräußerung oder Zwangsversteigerung aus dem Erlös der Verwertung des Betriebes einschließlich der Grundstücke erfolgen sollte.

21

Durch die entschädigungslose Enteignung im Jahre 1953 ist die Geschäftsgrundlage für die Darlehn weggefallen. Die damalige Gläubigerin der Darlehn, die DDR, wurde gleichzeitig Eigentümerin des landwirtschaftlichen Betriebes einschließlich der dazugehörigen Grundstücke. Sie erhielt den vollständigen Wert des landwirtschaftlichen Betriebes und konnte damit wirtschaften. Die Grundpfandrechte erloschen.

22

Unter diesen Umständen mußte die Enteignung auch nach Treu und Glauben Auswirkungen auf die persönlichen Darlehnsverbindlichkeiten, die grundsätzlich von der Enteignung nicht berührt wurden, haben. Auch die Klägerin geht ja davon aus, daß bis zur Restitution der Grundstücke weder Zins- noch Tilgungsleistungen nach § 242 BGB verlangt werden konnten und daß gem. § 242 BGB eine Verzinsung des Kapitals in der Zeit zwischen Enteignung und Restitution nicht verlangt werden kann.

23

Aufgrund des Wegfalles der Geschäftsgrundlage der Darlehn durch die entschädigungslose Enteignung im Jahre 1953 ist im Rahmen der gem. § 242 BGB erforderlichen Anpassung der Verträge jedoch auch erforderlich, daß die Gläubigerin der Darlehnsansprüche, die ohne wirtschaftliche Aufwendungen den landwirtschaftlichen Betrieb zu Eigentum erhält und diesen nutzen kann, sich so behandeln lassen muß, als ob aus den Erträgen des landwirtschaftlichen Betriebes eine kontinuierliche Tilgungsleistung der Darlehn erfolgt wäre. Aufgrund des Zeitablaufes wären die Darlehn damit alle als getilgt zu behandeln.

24

Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob nach dem früheren Recht der DDR etwaige Zahlungen aus Mitteln des Staatshaushaltes der DDR nicht zum erlöschen der Forderung geführt hätten. Zwar ist in § 1 des Gesetzes über die Regelung der Ansprüche gegen Personen, deren Vermögen nach der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten oder aufgrund rechtskräftiger Urteile in das Eigentum des Volkes übergegangen ist (Gesetz vom 02.11.1956 Anl. K 33) vorgesehen, daß die Haftung des Schuldners gegenüber dem Gläubiger dadurch nicht berührt wird. Dieses Gesetz der DDR diente jedoch lediglich dem Schutz von Gläubigern Enteigneter und läßt gerade die Enteignungswirkungen auch wirtschaftlich bestehen. Dies widerspricht jedoch rechtstaatlichen Grundsätzen und dem Grundsatz von Treu und Glauben.

25

Der Anwendung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage stehen auch nicht die gesetzlichen Sonderregelungen im Vermögensgesetz und im Entschädigungsgesetz entgegen. Zwar ist es dem Gesetzgeber unbenommen, im Rahmen der Regelung der Rückabwicklung von Enteignungen in der ehemaligen DDR zum Zeitpunkt der Enteignung aber heute nicht mehr bestehende Förderungen gegen die Grundstückseigentümer in die Regelung mit einzubeziehen, etwa durch Zahlungsverpflichtungen der Rückgabeberechtigten bei der Rückgabe oder bei der Bemessung von Entschädigungsleistungen. Wenn der Gesetzgeber die Berücksichtigung von Forderungen, die zum Zeitpunkt der Enteignung gegen die Grundstückseigentümer bestanden, in § 6 Abs. 6 a VermG in der zum Zeitpunkt der Restitution der Grundstücke an die Beklagten geltenden Fassung nicht vorsah, so können diese Forderungen zwar noch im Entschädigungsgesetz Berücksichtigung finden. Wenn jedoch die Rückübertragung eines Teiles der Grundstücke des landwirtschaftlichen Betriebes bereits Werte in einer Höhe an die Beklagten zurückfließen läßt, daß allein deshalb Entschädigungsforderungen für die Enteignung des gesamten landwirtschaftlichen Betriebes nicht mehr bestehen, so ist dies in der Systematik des Vermögensgesetzes und des Entschädigungsgesetzes so angelegt. Das Vermögensgesetz und das Entschädigungsgesetz können zwar zum Zwecke der Berechnung von Forderungen und zur Regelung der Rückgabemodalitäten erloschene Forderungen berücksichtigen. Außerhalb der Abwicklung im Rahmen des Vermögens- und des Entschädigungsgesetzes leben Forderungen, die dort nicht mehr berücksichtigt werden können, Jedoch nicht wieder auf.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.