Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 18.07.2000, Az.: 8 T 665/00 (426)
Pfändung eines bereits auf dem Friedhof aufgestellten Grabsteines wegen einer Restforderung aus einem Werklieferungsvertrag; Vorliegen eines Pfändungsverbotes bei Grabsteinen; Grabstein als zur unmittelbaren Verwendung für die Bestattung bestimmter Gegenstand; Sittenwidrigkeit der Pfändung eines Grabsteins; Berufung auf die Unpfändbarkeit des Grabsteines als Verstoß gegen Treu und Glauben bei Erwerb des Steines unter Eigentumsvorbehalt
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 18.07.2000
- Aktenzeichen
- 8 T 665/00 (426)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 22729
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:2000:0718.8T665.00.426.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Bad Gandersheim - 02.06.2000 - AZ: 2 M 144/00
Rechtsgrundlagen
- § 765 a ZPO
- § 811 Nr. 13 ZPO
- § 242 BGB
Fundstellen
- OLGReport Gerichtsort 2000, 7-8
- Rpfleger 2000, 462
- ZAP EN-Nr. 0/2000
Prozessführer
...
Prozessgegner
Herr ...
In dem Rechtsstreit
hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...
sowie die Richterinnen am Landgericht ... und
...
am 18. Juli 2000
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluß des Amtsgerichts Bad Gandersheim vom 2. Juni 2000 - 2 M 144/00 - aufgehoben.
- 2.
Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, von den gegen die Pfändung des im Eigentum der Gläubigerin stehenden Grabsteines auf dem Friedhof in Kreiensen geäußerten Bedenken Abstand zu nehmen.
- 3.
Der Schuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- 4.
Beschwerdewert: 989,00 DM.
Gründe
I.
Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Bad Gandersheim vom 18.12.1997 - AZ: 1 B 293/97 - wegen einer Hauptforderung in Höhe von 989,00 DM nebst Zinsen und Kosten. Bei dem Anspruch handelt es sich um eine Restforderung aus einem Werklieferungsvertrag über einen Grabstein, den der Schuldner bei der Gläubigerin bestellt hat und der dem Schuldner unter Eigentumsvorbehalt geliefert und auf dem Grab seiner verstorbenen Mutter aufgestellt wurde.
Nachdem die Pfändung gegenüber dem Schuldner erfolglos verlaufen war, beauftragte die Gläubigerin den Gerichtsvollzieher ..., Amtsgericht Bad Gandersheim, unter dem 11.05.2000, die Pfändung des Grabsteines auf dem Friedhof vorzunehmen. Der Gerichtsvollzieher hat diese Vollstreckungsmaßnahme mit Schreiben vom 18.05.2000 abgelehnt (AZ: DR-II 0781/00). Der Gerichtsvollzieher vertritt in diesem Schreiben die Auffassung, daß ein Grabstein zu den zur unmittelbaren Verwendung für die Bestattung bestimmten Gegenständen gehöre und daher einem Pfändungsverbot unterliege. Dies gelte auch dann, wenn wegen der Herstellungskosten des Grabsteines vollstreckt werde. Der Gerichtsvollzieher hat die Gläubigerin insoweit auf die Möglichkeit einer Herausgabeklage verwiesen.
Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 30.05.2000 hat die Gläubigerin gegen die Weigerung des Gerichtsvollziehers, die beantragte Vollstreckungsmaßnahme vorzunehmen, Vollstreckungserinnerung eingelegt und beantragt, den Gerichtsvollzieher zur Vornahme der Vollstreckungshandlung anzuhalten.
Durch Beschluß vom 02.06.2000 hat das Amtsgericht Bad Gandersheim (Amtsrichter) die Erinnerung der Gläubigerin zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, daß ein Grabstein gemäß § 811 Ziff. 13 ZPO der Pfändung nicht unterworfen sei. Darüber hinaus sei die Pfändung eines Grabsteines auch gemäß § 765 a ZPO zu untersagen, weil sie sittenwidrig sei. Die Pfändung eines Grabsteines vom Grab sei ohne Störung der Totenruhe unmöglich und stelle eine Mißachtung der über den Tod hinaus zu respektierenden Rechte eines Verstorbenen dar. Ob die Herausnahme eines Grabsteines auch als Störung der Totenruhe im strafrechtlichen Sinne zu werten sei, sei dabei unerheblich. Der Abbruch eines Grabsteines auf einem Grab während der Ruhezeit zwecks Verwertung des Grabsteines zur Befriedigung von Vermögensinteressen, und zwar auch der des Steinmetzes, der mit der Pietät ein Geschäft mache, verstoße in einem solchen Maße gegen die guten Sitten, daß dies bei der gemäß § 765 a ZPO vorzunehmenden Wertung auch gegenüber der schlechten Zahlungsmoral des Schuldners überwiegen müsse.
Die Gläubigerin hat dieser Rechtsauffassung widersprochen und darauf hingewiesen, daß auch zu normalen Reparaturen und Überholung des Grabsteines dieser in Abständen entfernt, wieder hingebracht und neu eingefaßt werden müsse, was ebenfalls nicht als Störung der Totenruhe anzusehen sei.
Der Schuldner ist zu der Beschwerde der Gläubigerin angehört worden. Er hat dazu mitgeteilt, daß er sich zur Zeit finanziell nicht in der Lage sehe, die Restforderung zu begleichen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Schuldners vom 17.07.2000 Bezug genommen.
II.
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist zulässig gemäß §§ 793, 577 Abs. 2 ZPO und hat auch in der Sache Erfolg.
Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Anweisung des Gerichtsvollziehers, von den gegen die Pfändung des Grabsteines erhobenen Bedenken Abstand zu nehmen.
Die Frage, ob ein auf dem Friedhof aufgestellter Grabstein gemäß § 811 Nr. 13 ZPO unpfändbar ist oder nicht, wird in Rechtssprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Während teilweise die Auffassung vertreten wird, die in der vorgenannten Bestimmung verfügte Unpfändbarkeit der für die Beerdigung bestimmten Gegenstände beziehe sich auch auf den aufgestellten Grabstein, wird eine solche Pfändung von anderer Seite für zulässig erachtet, zumindest dann, wenn sie von dem Steinmetz wegen seines Werklohnanspruches betrieben wird. Die Kammer folgt insoweit der letztgenannten Auffassung, die vom OLG Köln in seiner Entscheidung vom 17.07.1991 - 2 W 193/90 - (abgedruckt in DGVZ 1992, 116 ff.) im einzelnen begründet worden ist. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob der Grabstein den zur unmittelbaren Verwendung für die Bestattung bestimmten Gegenständen zuzurechnen und daher gemäß § 811 Nr. 13 ZPO unpfändbar ist oder ob er dieser Bestimmung bereits der Sache nach nicht unterfällt. Zumindest kann sich der Schuldner, der den Grabstein unter Eigentumsvorbehalt erworben hat und den Werklohnanspruch des Steinmetzes anschließend nicht oder nicht vollständig erfüllt, nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nicht auf dessen Unpfändbarkeit gemäß § 811 Nr. 13 ZPO berufen. Diese Vorschrift gilt nämlich dann nicht, wenn der Gläubiger, der bei Auftragserteilung einen Eigentumsvorbehalt vereinbart hat, im Wege der Vollstreckung eines Herausgabeanspruches (§ 883 ZPO) die Pfändung in den Grabstein betreibt. Unstreitig stehen die Pfändungsverbote des § 811 ZPO einer Herausgabevollstreckung nicht entgegen. Es wäre bloße Förmelei, den Gläubiger, der aus einem Zahlungstitel vollstreckt, darauf zu verweisen, daß er sich zusätzlich einen Herausgabetitel verschaffen müßte. In einem solchen Fall bedeutet die Vollstreckung auch keine sittenwidrige Härte im Sinne des § 765 a Abs. 1 ZPO, da der Schuldner, der den Grabstein unter Eigentumsvorbehalt erworben hat, von vornherein damit rechnen muß, daß der Gläubiger aus dem Sicherungsrecht vorgeht, wenn er die Werklohnforderung nicht begleicht. Der Eigentumsvorbehalt ginge ansonsten ins Leere (zur Pfändbarkeit eines unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Grabsteines durch den Hersteller vgl. auch LG Stuttgart, DGVZ 1991, 59).
Vorliegend ist der Gerichtsvollzieher für die Pfändung des Grabsteines auch funktionell zuständig, da der Grabstein kein wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist, sondern gemäß § 95 Abs. 1 BGB zu den Scheinbestandteilen gehört.
Die Verbindung des Grabsteines mit dem Grund und Boden ist lediglich eine vorübergehende, so daß der Grabstein den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen unterliegt (vgl. dazu im einzelnen OLG Köln, a.a.O., Seite 118).
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen, wie Titel, Vollstreckungsklausel und Zustellung des Titels, liegen vor.
Der Einwand des Schuldners, zur Zeit finanziell nicht leistungsfähig zu sein, ohne daß ihn hieran ein Verschulden trifft, kann im Vollstreckungsverfahren keine Berücksichtigung finden. Die Vollstreckung in das Vermögen des Schuldners verfolgt gerade den Zweck, trotz mangelnder Zahlungsfähigkeit des Schuldners eine Befriedigung des Gläubigers herbeizuführen. Angesichts der Tatsache, daß die zugrundeliegende Rechnung bereits vom 02.11.1994 datiert, kann auch dem Interesse des Schuldners an einer vorläufigen Einstellung der Vollstreckung gegenüber den Gläubigerinteressen an einer baldigen Befriedigung der Forderung nicht der Vorrang eingeräumt werden. Vollstreckungsversuche in das übrige Vermögen des Schuldners sind bisher erfolglos geblieben. Insoweit wird auf das Pfändungsprotokoll des Obergerichtsvollziehers ... vom 26.01.1998 - DR II 0127/99 - Bezug genommen. Der Schuldner hat im übrigen angegeben, im Dezember 1997 bei dem Amtsgericht Einbeck die eidesstattliche Versicherung abgegeben zu haben. Bei dieser Sachlage kommt ein weiterer Aufschub der Vollstreckung nicht in Betracht.
Der Gerichtsvollzieher war daher unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung anzuweisen, von den erhobenen Bedenken Abstand zu nehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 989,00 DM.
Der festgesetzte Beschwerdewert entspricht dem Interesse der Gläubigerin an einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung, welches sich mit der Höhe der Resthauptforderung deckt.