Landgericht Braunschweig
Urt. v. 26.07.2000, Az.: 12 O 1173/00 (039)

Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls; Pflicht zur vorsichtigen Fahrweise; Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch Einrichtung einer Verengung mit Baken und Leitplanken, um die Durchfahrt von größeren Fahrzeugen zu verhindern

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
26.07.2000
Aktenzeichen
12 O 1173/00 (039)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 22840
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:2000:0726.12O1173.00.039.0A

Fundstelle

  • NZV 2001, 373-374

Prozessführer

Frau ...

Prozessgegner

Land ...
vertr.d.d. ...

In dem Rechtsstreit
hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts ...
durch
den Richter am Amtsgericht ... Einzelrichter
auf die mündliche Verhandlung vom 05.07.2000
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung des ... gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.200,00 DM abzuwenden, wenn nicht das ... vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 05.08.1999 gegen 13.15 Uhr mit ihrem Pkw Mitsubishi (amtl. Kennzeichen: ...) auf der L 521 in Fahrtrichtung ... im Bereich der Ortsdurchfahrt ... Die Fahrbahn ist dort auf 2,27 m verengt. Sie wird durch weißgestrichene Betonbalken (Höhe 20 cm) begrenzt, auf denen Leitbaken (Warnbaken) nach Zeichen 605 zu § 43 StVO stehen, deren innere Kanten zur Verdeutlichung der Durchfahrbreite mit der Innenkante der Betonbalken abschließen. Ferner ist ein geschwindigkeitsbeschränkendes Verkehrsschild nach Zeichen 274 zu § 41 StVO (auf 10 km/h) aufgestellt. Die geschilderten Maßnahmen waren im Juli 1999 ergriffen worden, nachdem ein einsturzgefährdendes Befahren der altersbedingt geschwächten ... in ... durch Lkw im Wege eines Aufstellens von Verbotsschildern nicht verhindert werden konnte.

2

Die Klägerin behauptet zum Unfallhergang, ihr sei ein anderes Fahrzeug entgegengekommen, als sie sich der Fahrbahnverengung genähert habe. Aufgrund dieses entgegenkommenden Fahrzeuges sei sie gezwungen gewesen, äußerst nach rechts zu lenken und anzuhalten. Nachdem der Gegenverkehr die Fahrbahnverengung passiert habe, sei sie selbst langsam in diese hineingefahren, hierdurch aber zu nahe an die Betonplatte und eine Bake gekommen, wodurch ihr Fahrzeug zerkratzt und ein Reifen rechts aufgeschnitten worden sei.

3

Die Klägerin ist der Auffassung, daß das beklagte ... ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt habe, indem scharfkantige Betonplatten sowie Leitbaken ohne Kantenschutz in dem Bereich der Fahrbahnverengung verwendet worden seien.

4

Im übrigen zeige der Umstand, daß es an der Fahrbahnverengung zu mehreren ähnlichen Unfällen gekommen sei, daß der Unfall nicht auf fehlendem Fahrgeschick der Klägerin beruhe.

5

Für ihren weiteren Vortrag zum Hergang des Unfalls wird auf Seite 2 und 3 der Klageschrift nebst Anlage K 1 sowie auf Seite 1-3 des Schriftsatzes vom 19.06.2000 Bezug genommen.

6

Zur Höhe des Schadens trägt die Klägerin vor, ausweislich eines Kostenvoranschlages des Autohauses ... sei am Pkw ein Lackschaden entstanden, dessen Reparatur 2.580,62 DM koste. Für den Ersatz zweier neuwertiger Reifen habe sie 478,00 DM aufwenden müssen. Für die weiteren Einzelheiten des Vortrages der Klägerin zur Schadenshöhe wird auf Seite 3 und 4 der Klageschrift, deren Anlagen K 2 und K 3 sowie auf Seite 2 und 3 des Schriftsatzes vom 19.06.2000 verwiesen.

7

Die Klägerin beantragt,

das beklagte ... zu verurteilen, an die Klägerin 3.058,62 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 22.05.2000 zu zahlen.

8

Das beklagte ... beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Es trägt dazu vor, die Fahrbahnverengung sei für jeden durchschnittlichen Fahrer ohne weiteres zu meistern. Wenn die Klägerin gleichwohl gegen Randbalken und Warnbake gestoßen sei, könne dies nur auf Unaufmerksamkeit, fehlendem Augenmaß oder sonst fehlendem Fahrgeschick beruhen. Der Straßenbauverwaltung sei jedenfalls kein zweiter Vorfall gemeldet worden, der dem von der Klägerin geschilderten entspreche. Für den weiteren Vortrag des ... insbesondere zur Höhe der Klageforderung, wird auf die Klagerwiderung vom 26.05.2000, Seite 2 bis 4 und den Schriftsatz vom 27.06.2000, Seite 2 und 3, verwiesen.

Entscheidungsgründe

10

I.

Die Klage ist nicht begründet.

11

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen das beklagte ... wegen Verletzung dieser Verkehrssicherungspflicht. Im Einzelnen:

12

1.

Bereits nach dem Vortrag der Klägerin ist nicht festzustellen, daß das ... seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Zwar ist ... im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht gehalten, Verkehrswege möglichst gefahrlos zu gestalten und Gefahren zu begegnen, die Verkehrsteilnehmern aus dem Zustand der Verkehrsanlage drohen können. Diese Pflicht gilt aber nur insoweit, als die Gefahr für den sorgfältigen Verkehrsteilnehmer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind bzw. auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag (BGH VersR 1979, 1055).

13

Im vorliegenden Fall ist zu beachten, daß die fahrbahnverengenden Maßnahmen vor dem Hintergrund erfolgten, daß es nicht möglich war, nur mittels Verbotsschilder ein Befahren der altersbedingt einsturzgefährdeten Brücke durch Lkw zu verhindern. Erst die Kombination der im Juli 1999 getroffenen baulichen Maßnahmen vermag nach Auffassung des Gerichts eine Durchfahrt der Fahrbahnverengung auch durch kleine Lkw sicher zu verhindern. Wäre die Brücke mit abgerundeten Bordsteinen und zurückgesetzten Baken ausgestattet worden, hätte dies eine Durchfahrt auch größerer Fahrzeuge ermöglicht.

14

Durch den Anstrich der Balken mit weißer Straßenmarkierungsfarbe und das Montieren der deutlichen Warnbaken ist die Fahrbahnverengung für jeden Verkehrsteilnehmer deutlich zu sehen. Dies belegen auch die von Klägerseite überreichten Ablichtungen von Fotos der Unfallstelle. Während im übrigen kaum Einzelheiten erkennbar sind, stechen insbesondere die weißen Betonbalken und die Warnbaken hervor.

15

2.

Selbst wenn man entgegen der Ausführungen in Ziff. 1. der Auffassung wäre, die Kanten der Betonplatten hätten abgerundet und die Warnbake zurückgesetzt werden müssen, wäre für den vorliegenden Fall von einem ganz überwiegenden Mitverschulden der Klägerin an dem Unfall im Sinne des § 254 BGB auszugehen.

16

Der Unfall fand im Sommer in der Mittagszeit statt. Die Betonbalken waren aufgrund ihres Anstrichs ebenso wie die Warnbaken deutlich erkennbar. Wenn die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag zunächst gezwungen war, nach rechts zu lenken und anzuhalten, hätte sie notfalls zunächst zurückfahren und neu ansetzen müssen, wenn sie sich nicht sicher war, die Fahrbahnverengung passieren zu können. Im übrigen ist die Fahrbahnverengung mit 2.27 m rund 50 cm breiter als der klägerische Pkw. Es wäre also auf beiden Seiten ausreichend Platz für eine Durchfahrt gewesen.

17

Schließlich ist zu beachten, daß Verkehrsteilnehmer ihre eigenen Sicherheitsbelange durch entsprechend vorsichtige Fahrweise zunächst einmal selbst wahrnehmen müssen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 05.05.1998 - 9 U 7/98 -; zitiert nach JurisVerkehrsrecht-CD). Diese Pflicht zur vorsichtigen Fahrweise hat die Klägerin offensichtlich nicht in der gebotenen Weise beachtet.

18

3.

Nach dem Vorgesagten darf dahinstehen, ob die von Klägerseite gerügte Scharfkantigkeit der Betonplatten und der fehlende Kantenschutz der Leitbaken tatsächlich ursächlich für die Beschädigungen an dem Pkw der Klägerin geworden sind.

19

II.

Die Klage ist mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.