Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 05.10.2017, Az.: 18 W 54/17

Wahrung der Vollziehungsfrist hinsichtlich eines dinglichen Arrestes durch Übermittlung eines Eintragungsersuchens an das Grundbuchamt

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.10.2017
Aktenzeichen
18 W 54/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 25750
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Zur Wahrung der Vollziehungsfrist des § 324 Abs. 3 S. 1 AO reicht es aus, wenn das Ersuchen der Finanzbehörde um Eintragung einer Sicherungshypothek im Grundbuch am letzten Tag der Frist per Telefax bei dem Amtsgericht eingeht, zu dem das für die Eintragung zuständige Grundbuchamt gehört. Das nicht formgerechte Ersuchen stellt kein vollstreckungsrechtliches, sondern nur ein grundbuchrechtliches Eintragungshindernis dar, das auch nach Ablauf der Vollziehungsfrist beseitigt werden kann.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Amtsgerichts W. - Grundbuchamt - vom 12. Juli 2017 aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, im Grundbuch des Amtsgerichts W. von M. Blatt 566 in Abteilung III entsprechend dem Antrag des Beteiligten zu 1. vom 03.05.2017 eine Arresthypothek zu Gunsten des Landes S. einzutragen, und zwar in Vollzug der Ranganwartschaft aus der beim Grundbuchamt am 04.05.2017 eingegangenen Antragstellung.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1 begehrt die Eintragung einer Arresthypothek.

Der Beteiligte zu 2. ist Eigentümer des im Grundbuch von M. Blatt 566, Amtsgericht W., Flur 1, Flurstück 234/22, Gebäude- und Freifläche, A., verzeichneten Grundstücks in einer Gesamtgröße von 6.538 qm.

Am 05.04.2017 ordnete der Beteiligte zu 1. gegen den Beteiligten zu 2. gemäß § 324 AO den dinglichen Arrest wegen geschuldeter Umsatzsteuer im Zeitraum 2013 - 2016 in Höhe von 1.600.000,00 € an und setzte die Hinterlegungssumme auf 31.119.388,86 € fest.

Mit Telefax vom 03.05.2017, eingegangen beim Grundbuchamt am 04.05.2017, beantragte der Beteiligte zu 1. gemäß §§ 322, 324 Abs. 3 AO i.V.m. §§ 866, 932 ZPO die Eintragung einer Arresthypothek zugunsten des Landes S. mit einem Höchstbetrag von 31.119.338,86 € auf dem oben bezeichneten Grundstück wegen der vorgenannten Ansprüche und bat um Verteilung der Hypothek gemäß § 867 Abs. 2 ZPO wie folgt:

Grundbuch von

Bestandsverzeichnis lfd. Nr.

Grundstück (Lage, Band, Blatt, Gemarkung)

Schuldgrund, Zeitraum, Fälligkeit

Schuldbetrag in €

M.

1

M., Band -, Blatt 566, Gemarkung M.

Umsatzsteuer 2013 - 2016

1.600.000,00

Das Original des Telefaxes ging am 08.05.2017 beim Amtsgericht W. - Grundbuchamt - ein.

Mit Hinweis vom 08.05.2017 beanstandete das Grundbuchamt den Ablauf der Vollziehungsfrist im Sinne des § 324 Abs. 3 AO, bat um Antragsrücknahme und stellte die Zurückweisung des Antrags in Aussicht.

Am 12.07.2017 wies das Amtsgericht W. - Grundbuchamt - den Antrag auf Eintragung einer Arresthypothek zurück. Denn die gesiegelte Urschrift des Ersuchens sei erst nach Ablauf der Vollziehungsfrist beim Grundbuchamt eingegangen. Eine Fernkopie erfülle nicht die Voraussetzungen an ein ordnungsgemäßes Ersuchen, welches mit einem Prägesiegel oder einem Farbdruckstempel zu siegeln sei. Auch sei dieses Ersuchen kein reiner Antrag nach § 13 GBO, sondern ein sog. gemischter Antrag im Sinne des § 30 GBO, der somit zur Fristwahrung in der Form des § 29 GBO gestellt werden müsse.

Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat der Beteiligte zu 1 damit begründet, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG die Übermittlung von fristwahrenden Schriftsätzen per Telefax in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig sei. Das Telefax vom 03.04.2017 und das Schreiben vom 08.05.2017 seien als ein Antrag des Beteiligten zu 1. zu werten. Damit genüge der Antrag den Anforderungen von § 29 GBO und § 30 GBO.

Das Grundbuchamt half der Beschwerde unter dem 30.08.2017 nicht ab.

II.

1. Die nach § 71 Abs. 1 GBO i.V.m. § 11 Abs. 1, § 3 Nr. 1 Buchstabe h) RPflG statthafte Beschwerde gegen die Entscheidung des Rechtpflegers vom 12.07.2017 ist gemäß § 73 Abs. 1, 2 GBO zulässig.

Sie hat in der Sache Erfolg.

a) Der Senat konnte über die Beschwerde ohne Anhörung des Beteiligten zu 2. entscheiden, weil in dem streng einseitigen Eintragungsverfahren, auch wenn das Grundbuchamt als Vollstreckungsorgan tätig wird, nur dem Antragsteller rechtliches Gehör zu gewähren ist (vgl. Thüringer OLG, Beschluss vom 06.03.2013 - 9 W 94/13 -, juris, Rn. 4). Der beantragten Eintragung der Arresthypothek stehen weder vollstreckungsrechtliche noch grundbuchrechtliche Eintragungshindernisse entgegen.

Die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek ist nicht nur eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung (§ 866 Abs. 1 ZPO), sondern verfahrensrechtlich zugleich ein Grundbuchgeschäft. Das Grundbuchamt hat sowohl die vollstreckungsrechtlichen als auch die grundbuchrechtlichen Voraussetzungen der Eintragung eigenständig zu prüfen. Während das Fehlen vollstreckungsrechtlicher Voraussetzungen - ggf. nach Hinweis - zur Antragszurückweisung führt, sind grundbuchrechtliche Eintragungshindernisse in der Regel durch Zwischenverfügung zu beanstanden und stehen anders als vollstreckungsrechtliche Eintragungshindernisse der rangwahrenden Wirkung des Eintragungsantrags nicht entgegen (vgl. OLG München, Beschluss vom 29.01.2009 - 34 Wx 116/08 -, juris, Rn. 9; Thüringer OLG, a.a.O., Rn. 5).

b) Abgesehen von der vom Grundbuchamt beanstandeten Nichteinhaltung der Vollziehungsfrist des § 324 Abs. 2 AO liegen seit Eingang der Originalunterlage am 08.05.2017 sämtliche vollstreckungs- und grundbuchrechtlichen Voraussetzungen für die Eintragung der Zwangssicherungshypothek vor und sind dem Grundbuchamt in der Form des § 29 Abs. 3 GBO auch nachgewiesen.

Die beantragende Finanzbehörde hat bestätigt, dass die Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen gemäß § 322 Abs. 3 S. 2 AO. Diese Beurteilung darf nicht durch das Vollstreckungsgericht oder das Grundbuchamt nachgeprüft werden gemäß § 322 Abs. 3 S. 3 AO. Der Antrag ist infolge der inkongruenten Prüfungskompetenz von Finanzbehörde und Vollstreckungsgericht bzw. Grundbuchamt auf unmittelbare Rechtswirkung gegenüber dem Vollstreckungsschuldner gerichtet, weil er das Vollstreckungsgericht bzw. Grundbuchamt hinsichtlich der Beurteilung des Vorliegens der Vollstreckungsvoraussetzungen bindet (vgl. Koenig/Zöllner, AO, 3. Aufl., § 322 Rn. 22). Auch wurde der Forderungsbetrag im Antrag ordnungsgemäß nach den §§ 867 Abs. 2, 866 Abs. 3 S. 1 ZPO auf das zu belastende Grundstück verteilt. Die Voreintragung des Beteiligten zu 2., des Schuldners, liegt gemäß § 39 Abs. 1 GBO vor. Der Antrag entspricht schließlich den Anforderungen der §§ 28, 29 Abs. 3 GBO, maßgeblich auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Anforderungen an Prägesiegel oder Farbdruckstempel (vgl. BGH, Beschluss vom 14.12.2016 - V ZB 88/16 -, juris).

c) aa) Entgegen der Auffassung des Grundbuchamts ist die Vollziehungsfrist des § 324 Abs. 2 AO gewahrt. Die Frist begann mit der Unterzeichnung der Arrestanordnung und endete gemäß § 324 Abs. 3 AO i.V.m. § 108 Abs. 1 AO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB am Freitag, den 05.05.2017.

Für die Fristwahrung reicht es in Bezug auf Anträge nach § 929 Abs. 2 ZPO aus, wenn der Eintragungsantrag am letzten Fristtag per Telefax beim dem Amtsgericht eingeht, zu dem das für die Eintragung zuständige Grundbuchamt gehört (vgl. BGH, Beschluss vom 01.02.2001 - V ZB 49/00 -, juris, Rn. 9; Thüringer OLG, a.a.O., Rn. 6). Denn an der Einhaltung der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO ändert es nichts, dass zu diesem Zeitpunkt der Vollstreckungstitel und der Zustellungsvermerk nur als Telefax und damit nicht in der Form des § 29 Abs. 1 GBO vorliegen und dieser Mangel erst durch Vorlage der Originalunterlagen nach Ablauf der Vollziehungsfrist beseitigt wird. Der nicht formgerechte Nachweis des Vollstreckungstitels stellt kein vollstreckungsrechtliches, sondern lediglich ein grundbuchrechtliches Eintragungshindernis dar (vgl. Thüringer OLG, Beschluss vom 06.03.2013 - 9 W 94/13 -, Rn. 6 mit überzeugender Bezugnahme auf BGH, a.a.O., Rn. 9, 10), das auch nach Ablauf der Vollziehungsfrist beseitigt werden kann (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 2229).

bb) Der Senat vermag eine andere Bewertung im Hinblick auf die Vollziehungsfrist des § 324 Abs. 3 AO sowie die nur das Grundbuchrecht betreffende Vorschrift des § 29 Abs. 3 GBO nicht zu treffen. Auch das nicht grundbuchgerechte Ersuchen samt Nachweis einer Arrestanordnung per Telefax stellt kein vollstreckungsrechtliches, sondern nur ein grundbuchrechtliches Eintragungshindernis dar. Dafür spricht, dass die Arrestvollziehung in Grundstücke durch Eintragung einer Sicherungshypothek gemäß § 324 Abs. 3 S. 4 AO ebenso über § 932 ZPO erfolgt und gemäß § 932 Abs. 3 ZPO der Antrag auf Eintragung der Hypothek im Sinne des § 929 Abs. 2, 3 ZPO als Vollziehung des Arrestbefehls gilt.

cc) Vorliegend wurde der per Telefax eingegangene Antrag vom 03.05.2017 ausweislich des Vermerks auf dem Antrag am 04.05.2017 dem Grundbuchrechtspfleger vorgelegt. Dass sich hierdurch die Wirkungen des Eintragungsantrags nach den unterschiedlichen Zeitpunkten seines Eingangs bei dem Amtsgericht und seiner Vorlage beim dem zuständigen Mitarbeiter des Grundbuchamts richten, ist als Folge der Doppelfunktion des Grundbuchamts als Vollstreckungsorgan und Organ der freiwilligen Gerichtsbarkeit hinzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 01.02.2001 - V ZB 49/00 -, juris, Rn. 10).

Jedenfalls war hier mit dem Eingang des Antrags bei dem Amtsgericht per Telefax am 03.05.2017 die Frist zur Vollziehung des Arrests gewahrt. Das Amtsgericht - Grundbuchamt - durfte daher den Eintragungsantrag nicht mit der Begründung zurückweisen, die Vollziehungsfrist des § 324 Abs. 3 AO sei abgelaufen.

2. Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens war nicht zu befinden. Gerichtskosten fallen für die erfolgreiche Beschwerde nicht an (vgl. § 25 Abs. 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 GNotKG). Demzufolge bedurfte es auch keiner Festsetzung des Gegenstandswertes und keiner Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde.