Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 17.10.2017, Az.: 4 U 148/16

Anforderungen an die Bestimmtheit eines im Grundbuch eingetragenen dinglichen Wohnungsrechts

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
17.10.2017
Aktenzeichen
4 U 148/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 50662
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Verden - 22.11.2016 - AZ: 5 O 134/16

Redaktioneller Leitsatz

1. Ein im Grundbuch eingetragenes dingliches Wohnungsrecht muss, insbesondere dann, wenn das Grundstück mehrere Gebäude und Flächen umfasst, eindeutig bezeichnen, auf welchen Teil des Grundstücks sich das Wohnungsrecht bezieht.

2. Zur Auslegung der Eintragung kann auch der Inhalt des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts herangezogen werden.

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2017 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 22. November 2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz und für die erste Instanz wird festgesetzt auf 25.500,00 €.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt in seiner Eigenschaft als Zwangsverwalter die Herausgabe und Räumung des in der Ortschaft W. gelegenen Wohnhauses Wi. 35 A sowie die Zahlung von Nutzungsentschädigung. Die Beklagten sind die Eltern des Zwangsvollstreckungsschuldners, des Zeugen A. S.

Wegen des weiteren Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 295 ff. d. A.) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe keinen Anspruch auf Herausgabe und Räumung; einem solchen stehe das zugunsten der Beklagten eingetragene dingliche Wohnrecht als Besitzrecht nach § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen, welches sich auch auf das Haus Nummer 35 A erstrecke, da es auf dem gesamten Flurstück ...2 laste. Auch Ansprüche aus § 152 Abs. 2, § 150 Abs. 2 ZVG und § 546 Abs. 1 BGB bestünden nicht. Ebenso wenig habe der Kläger einen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung, da ein Mietvertrag zwischen dem Vollstreckungsschuldner und den Beklagten nicht geschlossen worden sei.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er vertritt die Ansicht, dass sich das dingliche Wohnungsrecht nur auf das Hauptgebäude mit der Hausnummer 35 beziehe. Dies folge angesichts der klaren Regelung im Kaufvertrag aus dem Bestimmtheitsgebot. Ferner lägen ihm vom Landgericht in Bezug genommene Anlagen nicht vor (Bescheid der Gemeinde H. vom 18. Februar 2004, Arztbrief vom 27. Juli 2012, Anmeldebescheinigung vom 3. April 2013), so dass insoweit sein Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt sei. Den Beklagten stehe auch kein Recht auf unentgeltliche Nutzung nach § 149 Abs. 1 ZVG zu, da sie weder bei dem Vollstreckungsschuldner wohnten noch von ihm gepflegt würden. Jedenfalls aber sei der Wohnungsschutz aus § 149 Abs. 1 ZVG für die Beklagten entfallen, da der Schuldner den Hausstand unmittelbar nach Anordnung der Zwangsverwaltung aufgegeben habe und ausgezogen sei, was sich der Melderegisterauskunft der Samtgemeinde Grafschaft H. vom 6. Oktober 2015 entnehmen lasse, wonach sich der Schuldner am 16. Juli 2015 in die Russische Föderation abgemeldet habe (vgl. Bl. 434 d. A.). Seit September 2016 sei unter der Anschrift "Wi. 35" zudem ein "A. M." mit einer "Nebenwohnung" gemeldet, während sich der Vollstreckungsschuldner nach "R. 4 in Hi." umgemeldet habe. Schließlich stehe den Beklagten auch kein Zurückbehaltungsrecht bezüglich der laufenden Betriebskosten der beschlagnahmten Wohnung zu; diese seien nicht von ihm als Zwangsverwalter, sondern von dem Schuldner zu tragen, weil sie Leistungen zum Gebrauch der Räume darstellten.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 22. November 2016 verkündeten und am 29. November 2016 zugestellten Urteils des Landgerichts Verden (5 O 134/16) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

1. an ihn 3.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 2.500,00 € seit dem 5. Dezember 2015 sowie auf jeweils 500,00 € seit dem 6. Dezember 2015 und 6. Januar 2016 zu zahlen,

2. das Wohnhaus "Wi. 35 a in W." nebst allen Zimmern und Schlüsseln an ihn herauszugeben,

3. ab dem 1. Februar 2016 bis zur Räumung und Herausgabe der im Antrag zu 2. bezeichneten Immobilie an ihn eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 500,00 € pro Monat zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen;

hilfsweise,

ihnen eine angemessene Räumungsfrist von bis zu einem Jahr zu gewähren.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil und machen geltend, dass ihnen das Wohnen in dem Haupthaus aufgrund der dortigen Mängel nicht zuzumuten und angesichts des gesundheitlichen Zustands des Beklagten zu 1 auch nicht möglich (gewesen) sei, da das Hauptgebäude nicht barrierefrei (gewesen) sei. Sie berufen sich zudem auf ein Zurückbehaltungsrecht aufgrund der von ihnen seit der Beschlagnahme des Grundstücks geleisteten Zahlungen, unter anderem für Wasser, Abfall und Grundsteuern. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf ihren Schriftsatz vom 23. Februar 2017 (dort Seite 6; Bl. 348 d. A.) nebst der mit diesem vorgelegten Anlagen BB 4 bis BB 7 sowie auf den Schriftsatz vom 19. Mai 2017 (dort Seite 7; Bl. 443 d. A.) Bezug genommen. Ferner machen sie "vorsorglich" ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Kläger bis zur mietfreien Zurverfügungstellung eines für ihre Bedürfnisse ausreichenden alternativen Wohnraums geltend (Schriftsatz vom 19. Mai 2017, dort Seite 11; Bl. 447 d. A.). Nicht zuletzt sei die Klage hinsichtlich des Räumungs- und Herausgabeanspruchs (schon) nicht zulässig; der Kläger müsse sein Begehren beim Vollstreckungsgericht geltend machen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen sowie insbesondere wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst in Bezug genommener Anlagen sowie den gesamten übrigen Akteninhalt verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen L. C., Lü. S., R. H., D. O., A. F., U. S. sowie A. S. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19. September 2017 (Bl. 537 ff. d. A.) Bezug genommen. Die Akten 5 K 43/14 AG Nienburg waren beigezogen.

II.

Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO). In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg.

1. Die Klage ist zulässig; es fehlt weder an der funktionalen zivilrechtlichen Zuständigkeit noch an einem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers.

Die Beschlagnahmeanordnung des Vollstreckungsgerichts begründet keinen Anspruch des Zwangsverwalters auf Herausgabe gegen den Nutzer einer Wohnung nach § 985 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2015, V ZR 191/14, juris, Rn. 13 und 15 f.). Sie hat nur verfahrensrechtliche Bedeutung (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 16). Solange die Voraussetzungen für eine Inbesitznahme der Wohnung durch den Zwangsverwalter - nämlich die Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung (§ 725 ZPO) eines gegen den Wohnungsrechtsinhaber gerichteten Duldungstitels des Vollstreckungsgläubigers und dessen Zustellung (§ 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO) an den Wohnungsrechtsinhaber - nicht vorliegen, darf keine unbeschränkte Anordnung nach § 150 ZVG ergehen (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 17). Ein solcher Duldungstitel ist nur durch ein zivilgerichtliches Urteil auf Herausgabe zu erlangen. Aus diesem Grund fehlt es dem Kläger auch nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis für die Geltendmachung eines Herausgabeanspruchs gegen die Beklagten als Nutzer der beschlagnahmten Räume.

2. Etwaige Gehörsverletzungen durch Nichtübersendung von Anlagen sind durch die vom Kläger in zweiter Instanz genommene Akteneinsicht jedenfalls geheilt.

3. Der Kläger ist im Hinblick auf den hier in Rede stehenden Herausgabeanspruch aktivlegitimiert.

a) Er wurde gemäß Beschluss des Amtsgerichts Nienburg vom 30. Juni 2015 (Bl. 4 f. d. A.) zum Zwangsverwalter bestellt und ist damit - gleichsam als Partei kraft Amtes (vgl. Stöber, ZVG, 21. Aufl., § 152, Rn. 2 a. E.) - berechtigt, auch die gegen die Beklagten hinsichtlich des Wohnhauses Nummer 35 A gerichteten Ansprüche (auf Herausgabe, Räumung und Zahlung von Nutzungsentschädigung) geltend zu machen (§ 152 Abs. 1 ZVG). Dieses Nebengebäude "35 A" wird von der Zwangsverwaltung erfasst, und zwar als Teil des im Beschluss genannten Flurstücks ...2, denn gemäß § 20 Abs. 1, § 146 Abs. 1 ZVG unterfällt der Beschlagnahmeanordnung das gesamte Grundstück (im Sinne des § 864 Abs. 1 ZPO) und alles das, was sich darauf befindet. Unerheblich ist daher, dass das sogenannte H. nicht gesondert im Grundbuch eingetragen ist (Grundbuchauszug ungeheftet in der Beiakte).

b) Die von der im Zwangsverwaltungsbeschluss genannten Lagebezeichnung "Wi. 35" abweichende postalische Bezeichnung des H. "Wi. 35 A" ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Soweit es in dem Bescheid der Gemeinde Grafschaft H. vom 18. Februar 2004 (Bl. 219 f. d. A.) heißt, dass die "neue" Bezeichnung "35 A" laute und die "bisherige" Nummer die "35" gewesen sei, bezieht sich dies unter Würdigung des gesamten Inhalts des Bescheides allein auf das H. Als Grund der Vergabe einer neuen Nummer wird nämlich die Erneuerung eines vorhandenen Gebäudeteils genannt, womit nur das H. als unstreitig einziges ausgebautes und erneuertes Gebäude gemeint war. Die Vergabe dieser neuen Hausnummer und die damit einhergehende gesonderte Bezeichnung des Nebengebäudes erfüllten indes (lediglich) die von der Gemeinde wahrzunehmende ordnungsrechtliche Aufgabe der Gewährleistung einer eindeutigen Zuordnung der Gebäude (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 18. Juni 2015, 3 K 74/13, juris, Rn. 21 m. w. N.; Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 16. März 2012, 4 Bf 2/07, juris, Rn. 30 m. w. N.). An der oben ausgeführten Reichweite der Beschlagnahme - nämlich das gesamte Flurstück ...2 als Grundstück im Sinne der § 20 Abs. 1, § 146 Abs. 1 ZVG umfassend - änderte die Umbenennung des H. von "35" in "35 A" dagegen nichts. Daher geht auch der Hinweis der Beklagten, im Zwangsverwaltungsbeschluss sei nur die Nummer 35 genannt, ins Leere.

4. Dem Kläger steht aber ein Anspruch aus § 985 BGB auf Herausgabe und Räumung des Wohnhauses Nummer 35 A (Antrag zu Ziffer 2) nicht zu. Zwar können sich die Beklagten nicht mit Erfolg auf ein Recht zum Besitz aufgrund eines dinglichen Wohnungsrechts berufen. Ihnen kommt aber der Schutz des § 149 Abs. 1 ZVG zugute.

Im Einzelnen:

a) Entgegen der Ansicht des Landgerichts bezieht und erstreckt sich das zugunsten der Beklagten nach § 1090 Abs. 1, § 1093 Abs. 1 BGB eingeräumte dingliche Wohnungsrecht nicht auf das H.

aa) Zwar heißt es im Grundbuch in der Abteilung II - ohne Einschränkung - hierzu: "...lastend auf dem Grundstück ...2 Flur 2 Gemarkung W.- Wohnungsrecht gemäß § 1093 BGB für (...) und (...)".

Jedoch bedarf diese Beschreibung der Konkretisierung, um den für solche Grundbucheintragungen geltenden Anforderungen an die Bestimmtheit der eingetragenen Dienstbarkeit zu genügen. Da die Sicherheit des Grundbuchverkehrs eine klare Ausdrucksweise verlangt und Inhalt und Umfang einer dinglichen Dienstbarkeit bestimmt sein müssen, muss daher grundsätzlich auch die Eintragung im Grundbuch eindeutig und vollständig sein (vgl. z.B. OLG Frankfurt, Beschluss vom 26. Juli 2006, 20 W 450/05, juris, Rn. 12). Dem wird die hier in Rede stehende Angabe nicht gerecht, zumal das Grundstück mehrere Gebäude und Flächen umfasst, und deshalb dem Wortlaut der Eintragung nach nicht hinreichend klar ist, auf welche konkreten Räume sich das Wohnungsrecht bezieht.

Als verfahrensrechtliche Erklärung ist die genannte Eintragung jedoch auslegungsfähig (§ 133 BGB). Bei der Auslegung ist auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (BGH, Urteil vom 15. November 2013, V ZR 24/13, juris, Rn. 6). Umstände außerhalb der Erklärung dürfen zur Auslegung nur insoweit herangezogen werden, als sie für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 26. Juli 2006, a. a. O.); neben dem das Grundbuchverfahren beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatz ist insofern auch das grundsätzliche Erfordernis urkundlich belegter Eintragungsunterlagen zu beachten.

bb) Nach diesen Maßgaben lässt sich anhand des im Jahr 2001 geschlossenen notariellen Kaufvertrages feststellen, dass das streitbefangene Wohnungsrecht eingeräumt wurde an "sämtlichen im Haupthaus gelegene(n) Räumlichkeiten des Hauses Wi. 35 in W., bestehend aus 5 Zimmern, Küche, Bad, Flur und Keller" (vgl. Anlage B 7, Bl. 61 d. A.). Damit steht indes zugleich fest, dass ausschließlich diese im Einzelnen genannten, im Haupthaus befindlichen Räumlichkeiten von dem dinglichen Wohnrecht erfasst sind. Dass diese örtliche Beschränkung der Belastung auf einen begrenzten Teil des Grundstücks zulässig ist, unterliegt keinem Zweifel (siehe hierzu BGH, Urteil vom 3. Mai 2002, V ZR 17/01, juris, Rn. 17).

b) Den Beklagten steht aber ein - von dem Vollstreckungsschuldner abgeleitetes - Wohnrecht im Sinne des § 149 Abs. 1 ZVG zu.

aa) § 149 Abs. 1 ZVG setzt die Wohnnutzung des zwangsverwalteten Grundstücks kraft Eigentums und unmittelbaren Eigenbesitzes (§ 872 BGB) durch den Verfahrensschuldner voraus (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2013, IX ZR 224/12, juris, Rn. 10). Den Familienmitgliedern verleiht das Gesetz den vollstreckungsrechtlichen Wohnungsschutz des § 149 Abs. 1 ZVG als ein vom Verfahrensschuldner abgeleitetes Recht (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 19). Ob es auch ausreicht, dass nicht der Schuldner in dem Objekt wohnt, sondern nur seine Angehörigen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 16. Mail 2013, a. a. O., Rn. 17), kann vorliegend dahinstehen, da der Senat nach Durchführung der Beweisaufnahme jedenfalls auch von einem Wohnen des Schuldners in dem Haus Nummer 35 überzeugt ist - dazu im Einzelnen siehe unten.

Maßgeblich sind jedenfalls der Zeitpunkt der Beschlagnahme und auch die Folgezeit. Da § 149 Abs. 1 ZVG auf den Zeitpunkt der Beschlagnahme abstellt, kommt ein Wohnrecht nur in Betracht, wenn der Verfahrensschuldner und Eigentümer in diesem Zeitpunkt bereits in dem Beschlagnahmeobjekt wohnte (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2016, IX ZR 72/14, juris, Rn. 13), das heißt, seinen Hausstand unterhält. Gibt der Verfahrensschuldner seinen Hausstand später auf, entfällt der Wohnungsschutz aus § 149 Abs. 1 ZVG für ihn und seine mitwohnenden Angehörigen. Dies ist grundsätzlich auch dann der Fall, wenn der Verfahrensschuldner das Haus vollständig an einen Dritten zur alleinigen Nutzung vermietet und übergibt, denn dann hat er den unmittelbaren Eigenbesitz an dem Grundstück verloren (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2013, a. a. O., Rn. 10). Unter diesen Vollstreckungsschutz - der dem Unterhalt des Schuldners und seiner Angehörigen dient und der Billigkeit entspricht - fallen unter anderem die Eltern des Schuldners (BGH Urteil vom 21. April 2016, a. a. O., Rn. 10). Für ein Unterhalten eines eigenen Hausstands reicht im Übrigen ein unregelmäßiges Besuchen des Anwesens nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2013, a. a. O., Rn. 17 f. m. w. N.). Unter Berücksichtigung der Aufteilung der Gebäude auf dem hier in Rede stehenden beschlagnahmten Grundstück bezieht sich der Begriff des Hausstandes sowohl auf die Räume im Haupthaus als auch auf die seitens der Beklagten bewohnten Räume im Haus Nummer 35 A; für den Vollstreckungsschutz der Beklagten ist es nicht erforderlich, dass sie und der Schuldner einen gemeinsamen Haushalt führten oder führen. Maßgeblich ist an dieser Stelle nur die Unentbehrlichkeit der Räume. Dabei sind die persönlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der Zusammensetzung des Hausstands sowie die Grundstückssituation in Bezug auf Größe, Zuschnitt und Lage der Räume zu berücksichtigen (vgl. LG Berlin, Anerkenntnisurteil vom 24. September 2008, 33 O 145/08, juris, Rn. 17).

bb) Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Beschlagnahme des Grundstücks am 30. Juni 2015 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Haupthaus hatte, er demnach dort wohnte im Sinne des § 149 Abs. 1 ZVG und er seinen Hausstand dort in der Folge auch nicht aufgab.

Sämtliche Zeugen haben im Kern übereinstimmend bestätigt, dass der Schuldner, der Zeuge A. S., zu dieser Zeit seinen Lebensmittelpunkt in dem Haupthaus hatte und er noch immer dort wohnt. So haben neben dem Vollstreckungsschuldner, dem Zeugen A. S., der zwar ein persönliches Interesse an dem Ausgang des Verfahrens zugunsten der Beklagten hat, auch die unbeteiligten Zeugen - die als Nachbarn die Anwesenheit des Schuldners nachvollziehbar haben wahrnehmen können - ausgesagt, den Schuldner unregelmäßig, aber "immer mal wieder" und damit letztlich durchweg auf dem Anwesen oder in der Ortschaft gesehen zu haben, und zwar gleichermaßen "in der letzten Zeit" wie auch in den Jahren zuvor. Sie haben bestätigt, dass der Schuldner dort lebe.

So hat die Zeugin C. ihre Beobachtungen in nachvollziehbarer Weise dahingehend erläutert, den Schuldner beispielsweise "ab und zu" zu treffen, wenn sie ausreite. Sie habe ihn in der letzten Zeit insofern nicht weniger oder mehr gesehen als in den Jahren zuvor. Ihr sei zudem aufgefallen, in letzter Zeit die Zeugin U. S. nicht gesehen zu haben; ein Nachbar habe ihr dann berichtet, dass die Eheleute verreist gewesen seien.

Der Zeuge S. hat ausgesagt, dass er der unmittelbare Nachbar der S.s sei. Er vermochte sich konkret an den hier in Rede stehenden Zeitraum zu erinnern, was er - mit einer für den Senat schlüssigen Erklärung - mit seiner Kenntnis von der kurz zuvor stattgehabten Zwangsversteigerung des Anwesens beim Amtsgericht Nienburg begründete. In diesem Zeitraum sei "der A." da gewesen. Ferner hat er seine Erinnerung und Wahrnehmung an den beiden Hunden der Eheleute festgemacht und erläutert, dass er überwiegend die Zeugin U. S. mit den Hunden antreffe, dass aber "immer mal wieder" auch der Schuldner dabei sei. Zudem habe ihn der Zeuge A. S. für die Zeiten seiner Urlaubsabwesenheit darum gebeten, nach seinen Eltern (den beiden Beklagten) "zu sehen"; dieser Bitte sei er auch nachgekommen, und zwar in der Weise, dass er beispielsweise für die Beklagten (früher wie auch heute) einkaufe und den Müll hinaustrage, und die Mutter (die Beklagte zu 2) ihn auch jederzeit anrufen könne, wenn sie mit dem Vater des Schuldners (dem Beklagten zu 1) Hilfe benötige.

Auch der Zeuge H. hat sich als unmittelbaren Nachbarn bezeichnet und bestätigt, dass "der A." dort dauerhaft wohne und gewohnt habe. Er sehe ihn zwar nicht jeden Tag, aber "wohl so alle zwei bis drei Tage", daher wisse er das. "Der A." wohne im Haupthaus.

Der Zeuge O. hat erklärt, er könne auf den Hof der S.s "gucken" und sehe dort ab und zu das Auto und ab und zu sehe er auch die Eheleute A. und U. S. mit den Hunden spazieren gehen. Er könne aus seinen Beobachtungen schließen, dass A. S. "zu dem fraglichen Zeitpunkt" dort gewohnt habe und immer noch dort wohne.

Übereinstimmend vermochten sich die Zeugen C., S., H. und O. dabei auch daran zu erinnern, dass die Zeugin U. S., die Ehefrau des Schuldners, für eine gewisse Zeit nicht in dem Haus gelebt habe, die Eheleute vielmehr "getrennter Wege" gegangen seien, sie aber nunmehr seit einiger Zeit wieder dort lebe. Dass sich die Zeugen insoweit an den genauen Zeitraum nicht erinnern konnten, verringert die Aussagekraft ihrer Bekundungen nicht. Vielmehr zeigt dies, dass sie durchaus vorhandene - und nachvollziehbare - Erinnerungslücken offenbarten.

Der Zeuge A. F. hat ebenfalls bestätigt, dass der Schuldner in dem fraglichen Zeitraum im Haus Nummer 35 gewohnt habe. Er sei sogar überrascht über die Beweisfrage, weil es sich hierbei nicht um eine Frage, sondern um eine Tatsache handele. Seine Wahrnehmung hat er damit begründet, den Schuldner und die Zeugin S. regelmäßig, ein bis zweimal in der Woche, zu besuchen. Anders als die vorgenannten Zeugen hat der Zeuge F. zwar erklärt, es sei ihm nicht bekannt, dass Frau U. S. dort eine Weile nicht gewohnt habe. Er habe sie vielmehr durchweg regelmäßig bei dem Schuldner angetroffen. Diese Erklärung stellt aus Sicht des Senats die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen F. aber insgesamt nicht in Frage. Es ist insoweit nicht ausgeschlossen, dass die Zeugin U. S. auch während eines früheren etwaigen Getrenntseins vom Schuldner diesen ab und zu besuchte und anwesend war, wenn der Zeuge F. zu Besuch kam.

Insgesamt ergeben die Bekundungen der Zeugen C., S., H., O. und F. auch gegenüber den Aussagen der beiden Zeugen A. und U. S. ein in sich stimmiges Bild.

Die Zeugen U. und A. S. haben nämlich ebenso bekundet, dass der Schuldner im Haus Wi. 35 gewohnt habe und wohne. Auf Vorhalt der behördlichen Meldungen zu dem Aufenthalt / dem Wohnsitz des Schuldners - Abmeldung im Jahr 2015 in die Russische Föderation sowie Anmeldung im Juni 2017 in der R. in Hi. - hat der Zeuge A. S. diese - genauso wie die Anmeldung des Herrn M. mit Nebenwohnsitz unter der Adresse Wi. 35 - nachvollziehbar erklärt. So hat er die Abmeldung in die Russische Föderation damit begründet, "die Person" in der Bundesrepublik Deutschland abgemeldet zu haben. Dies ist für den Senat angesichts des Umstandes, dass der Schuldner das Führen eines Personalausweises der Bundesrepublik Deutschland ablehnt, nachvollziehbar, zumal der Zeuge insoweit betont hat, nur "die Person" abgemeldet zu haben, was aber keinen Einfluss auf seinen Wohnsitz gehabt habe. Und auch für die Anmeldung seines Wohnsitzes in der R. in Hi. hat der Zeuge A. S. eine für den Senat plausible Erklärung genannt: Er habe Ausweisdokumente zur Regelung persönlicher Angelegenheiten benötigt und ihm sei gesagt worden, dass er dafür einen Wohnsitz anmelden müsse, weil die für die Ausstellung eines solchen Dokuments zu nutzende Bearbeitungsmaske die Eingabe einer Anschrift, unter der der Antragsteller tatsächlich gemeldet sei, erfordere. Die Adresse in der R. in Hi. habe er seinen Bekundungen nach gewählt, weil dort ein Freund von ihm wohne. Den weiteren Umstand, dass Herr M. unter der Adresse Wi. 35 gemeldet sei, hat der Zeuge mit dessen Befürchtung erklärt, dass die von diesem untergestellten, "ziemlich wertvollen" Gartengeräte unter die Beschlagnahme fallen könnten; er habe ihm deshalb die Anmeldung des Wohnsitzes vorgeschlagen, damit "dann auch klar ist, dass die Gartengeräte sein Besitz sind und nicht beschlagnahmt werden können". Tatsächlich wohne Herr M. dort aber nicht, er, der Zeuge S., habe insbesondere auch keinen Mietvertrag mit ihm geschlossen. Dass der Zeuge S. und Herr M. damals tatsächlich davon ausgegangen sind, dass die Anmeldung eines Wohnsitzes die Beschlagnahme der untergestellten Geräte verhindern könnte, erscheint dem Senat zumindest möglich. Weitergehende Anhaltspunkte dafür, dass Herr M. tatsächlich das Haupthaus bewohnt (oder bewohnt hat) und nicht der Schuldner, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil hat der Kläger selbst ein Schreiben des Herrn M. vom 18. Juli 2017 vorgelegt (Bl. 520 d. A.), in dem dieser die Darstellung des Zeugen S. im Kern bestätigte und erklärte, nicht in W. Wi. 35 zu wohnen. Nicht zuletzt hat der Zeuge A. S. auch das streitige Vorbringen der Beklagten bestätigt, dass die Räume im Haupthaus teils unbewohnbar seien; er führe die Krankheiten des Beklagten zu 1 teilweise sogar auf diesen Zustand der Räume zurück. Er vermochte zugleich eine nachvollziehbare Erklärung dafür zu geben, warum er gleichwohl dort leben könne: So achte er auf eine gute Belüftung und habe sich im Wesentlichen einen der Räume, nämlich das Schlafzimmer, für seinen überwiegenden Aufenthalt hergerichtet.

Die Gesamtschau aller Zeugenaussagen begründet für den Senat die Überzeugung, dass der Vollstreckungsschuldner, der Zeuge S., sowohl im Zeitpunkt der Anordnung der Zwangsverwaltung als auch danach (das heißt, jedenfalls bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat) im Haupthaus Wi. 35 wohnte. Die Aussagen sind im Wesentlichen stimmig; Anhaltspunkte dafür, die Aussagen für unglaubhaft oder bzw. einzelne Zeugen für unglaubwürdig zu halten, haben sich nicht ergeben.

Der Senat hält die Voraussetzungen für einen Vollstreckungsschutz aus § 149 Abs. 1 ZVG zugunsten der Beklagten mithin für gegeben.

5. Ein Herausgabe- und Räumungsanspruch des Klägers nach § 985 BGB ergibt sich auch nicht aus der Anordnung der unbeschränkten Zwangsverwaltung nach § 150 Abs. 2 ZVG durch das Vollstreckungsgericht (siehe oben unter 1.). Mangels Mietvertrages des Schuldners mit den Beklagten kann der Kläger seinen Anspruch auch nicht auf § 546 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 152 Abs. 2 ZVG stützen.

6. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagten auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Vergangenheit (Antrag zu Ziffer 1) und die Zukunft (Antrag zu Ziffer 2) besteht ebenso nicht. Für die nach § 149 Abs. 1 ZVG überlassenen Wohnräume braucht der Schuldner - und damit auch die Angehörigen, die von dem Vollstreckungsschutz umfasst werden - gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 2 ZwVwV kein Entgelt an den Zwangsverwalter zu zahlen. Denn das liefe dem sozialen Schutzzweck des Gesetzes zuwider. Mit dem Rechtsschutzanspruch des Vollstreckungsgläubigers aus Art. 14 Abs. 1 GG ist diese Vorschrift vereinbar, weil der Weg der Zwangsversteigerung davon unbenommen bleibt (BGH, Urteil vom 25. April 2013, IX ZR 30/11, juris, Rn. 13).

7. Nach alledem kommt es auf die von den Beklagten vorgebrachten Zurückbehaltungsrechte, wie auch auf den - streitigen - Zustand der Räume in dem Haupthaus und die gesundheitliche Situation des Beklagten zu 1 nicht an.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Ein Anlass für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.

IV.

Den Streitwert für das Berufungsverfahren und analog § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG auch für die erste Instanz setzt der Senat auf insgesamt 25.500,00 € fest. Das Landgericht hat den Streitwert nur vorläufig festgesetzt (vgl. Beschluss vom 26. Mai 2016, Bl. 240 d. A.), weshalb es einer Aufhebung dieses Beschlusses nicht bedurfte.

Im Einzelnen:

- Für den Antrag zu 1.: 3.500,00 €.

- Den Antrag zu 2. bemisst der Senat mit dem Jahreswert gemäß § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG, und damit auf 6.000,00 €. Auf die hier in Rede stehenden Wohnrechte der Beklagten, die nicht auf Miete gestützt sind, gilt die Regelung zu § 41 GKG entsprechend (Zöller-Herget, ZPO, 31. Aufl., 2016, § 3, Rn. 16 "Mietstreitigkeiten").

- Der Antrag zu 3. umfasst die Entschädigungszahlungen seit Februar 2016 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, das heißt für 20 Monate, was einen Betrag von 10.000,00 € ergibt. Hinzuzurechnen ist angesichts des Antrags der Zahlungspflicht bis zur Räumung und Herausgabe des Hauses der Jahreswert der Nutzungsgebühr gemäß § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG (6.000,00 €, siehe oben), da sich die zukünftige Zahlungspflicht insoweit an dem Wert der Räumung orientiert (Zöller-Herget, a. a. O.). Insgesamt ergibt sich für den Antrag zu Ziffer 3 somit ein Wert von 16.000,00 €.