Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 04.10.2017, Az.: 14 U 37/17
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 04.10.2017
- Aktenzeichen
- 14 U 37/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 54340
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 30.12.2016 - AZ: 16 O 179/16
In dem Rechtsstreit
A. E. GmbH & Co. KG, vertreten durch die A. E. GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer ...,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...,
gegen
... Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand, ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...,
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende
Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Landgericht ... und den
Richter am Oberlandesgericht ... im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 20. September 2017
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 30. Dezember 2016 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 16. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 2.605,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Januar 2016 zu zahlen.
- 2.
Die Beklagte hat das Rechtsmittel der Anschlussberufung durch Rücknahme verloren
- 3.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
- 4.
Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
- 5.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 17. Oktober 2015, für den die Beklagte zu 100 % eintrittspflichtig ist.
Bei dem Verkehrsunfall wurde der PKW Porsche 911 Carrera S der Klägerin, die zu 89,95 % vorsteuerabzugsberechtigt ist, im Frontbereich beschädigt. Der am 11. Oktober 2011 erstzugelassene PKW hatte zum Zeitpunkt des Unfalls einen Kilometerstand von 25.939 km.
Der von der Klägerin vorprozessual beauftragte Sachverständige S. schätzte die voraussichtlichen Reparaturkosten in seinem Gutachten vom 19. Oktober 2015 (Bl. 8 ff. d. A.) zunächst auf 6.472,45 € netto sowie die Wertminderung auf 1.500 € netto. Nach einer Nachbesichtigung schätzte dieser in einem weiteren Gutachten vom 31. Oktober 2015 (Bl. 22 ff. d. A.) die voraussichtlichen Reparaturkosten auf 10.400,48 € netto sowie die Wertminderung auf 2.000 € netto. Die Klägerin erteilte der Sportwagenzentrum P. M. GmbH und Co. KG den Auftrag, den Unfallschaden vollständig zu beheben. Für die Reparatur stellte die Sportwagenzentrum P. M. GmbH und Co. KG der Klägerin Reparaturkosten in Höhe von insgesamt 15.128,85 € brutto in Rechnung (Rechnung vom 19. November 2015; Bl. 53 d. A.).
Die Beklagte ließ die Gutachten des Sachverständigen S. sowie die Rechnung der Sportwagenzentrum P. M. GmbH und Co. KG ihrerseits sachverständig überprüfen und wandte aufgrund des DEKRA-Gutachtens vom 11. Januar 2016 (Bl. 64 ff. d. A.) ein, dass einerseits kein Verzug des Vorderwagens sowie Verformungen an den Kotflügelaufnahmen vorgelegen hätten und im Übrigen anstelle eines Austauschs die Instandsetzung am Träger vom Kofferraum vorn links technisch möglich gewesen sei. Dann wären auch die Erneuerung des vorderen Abschlussblechs sowie die weiteren Neben- und Verbundarbeiten zur Erneuerung des Trägers vom Kofferraum vorn links nicht erforderlich gewesen. Die Verwendung eines Leihrichtwinkelsatzes sei nicht erforderlich gewesen bzw. nicht erfolgt. Schließlich sei die Erneuerung der Türschachtleisten vorn links sowie der Zierleiste am Dachrahmen links nicht erforderlich gewesen.
Die Beklagte erstattete der Klägerin vorgerichtlich lediglich 7.206,23 €. Die Parteien streiten um die weiteren Reparaturkosten und die Wertminderung.
Die Klägerin hat in erster Instanz behauptet, dass unfallbedingt alle abgerechneten Leistungen zur Wiederherstellung des Pkw erforderlich waren und durchgeführt worden seien, insbesondere auch ein Verzug des Vorderwagens sowie Verformungen an den Kotflügelrahmen vorgelegen hätte, die bloße Instandsetzung des Trägers vom Kofferraum vorne links nicht möglich gewesen sei und der Einsatz eines Richtwinkelsatzes zur Durchführung der Reparatur erforderlich gewesen sei und auch verwendet worden sei und schließlich die Türschaftleisten vorne links sowie die Zierleiste am Dachrahmen nicht beschädigungsfrei umgebaut werden mussten. Ihr sei unter Berücksichtigung der Vorsteuerabzugsberechtigung ein Reparaturschaden in Höhe von 12.956,08 € entstanden. Weiterhin sei eine Wertminderung in Höhe von 2.000,00 € trotz sach- und fachgerechter Reparatur verblieben. Im Übrigen habe die Klägerin die Reparaturrechnung bereits am 14. Dezember 2015 vollständig ausgeglichen gehabt. Die gegenüber dem Schadensgutachten höheren Reparaturkosten ergäben sich daraus, dass erst nach Montage der neuen Bugverkleidung und des Kotflügels vorne links die fehlende Passgenauigkeit im Aufnahmebereich des Wasserkühlers vorne links und des Kotflügels festgestellt worden sei. Die Passgenauigkeit habe erst durch Austausch des Abschlusslenkers und Instandsetzung der Kotflügelaufnahme hergestellt werden können. Hierzu hat die Klägerin auf eine Rechnungsprüfung des Sachverständigen S. (Anlage K 7) verwiesen. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte wegen der vom Schadensgutachten abweichenden Reparaturkosten das Werkstatt- und Prognoserisiko trage, da der Klägerin insoweit kein Auswahlverschulden zur Last falle. Die Klägerin habe davon ausgehen dürfen, dass sie die nach erfolgter Reparatur in Rechnung gestellten Reparaturkosten schulde.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.749,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Januar 2016 zu zahlen.
Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat in erster Instanz behauptet, ein Verzug des Vorderwagens sowie Verformungen an den Kotflügelrahmen habe nicht vorgelegen, sei auch nicht im Schadengutachten dokumentiert. Der Träger vom Kofferraum vorne links hätte instandgesetzt werden können. Der Einsatz eines Richtwinkelsatzes sei nicht erforderlich gewesen und sei auch nicht erfolgt. Die Türschachtleiste vorne links sowie die Zierleiste am Dachrahmen hätten beschädigungsfrei umgebaut werden können. Die Klägerin habe der Beklagten noch am 4. Januar 2016 die Mahnung der Reparaturwerkstatt übersandt, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Klägerin vor Zugang des DEKRA-Gutachtens vom 11. Januar 2016 die Reparaturrechnung ausgeglichen habe. Jedenfalls müsse die Klägerin der Beklagten ihre Rückforderungs-/Schadensersatzansprüche aus dem Werkstattvertrag Zug-um-Zug abtreten.
Das Landgericht hat die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil zur Zahlung von 4.892,90 € verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Ersatz des erforderlichen Herstellungsaufwandes, der vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheint, wobei auf die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten abzustellen sei. Da der Klägerin hinsichtlich der Beauftragung des Sachverständigen oder der beauftragten Werkstatt kein Auswahlverschulden zur Last falle, seien ihr diejenigen Kosten zu erstatten, die aufgrund des Gutachtens als notwendig anzusehen seien und von denen sie nach erfolgter Reparatur aufgrund der Werkstattrechnung annehmen dürfe, dass sie sie als Auftraggeberin schulde. Insofern habe die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der vom Sachverständigen S. ermittelten Kosten von 10.400,48 € netto, zzgl. 198,59 € Mehrwertsteuer abzüglich gezahlter 7.206,23 € mithin 3.392,90 €. Irrelevant sei, welche Kosten die Beklagten in einem nach Reparatur des Fahrzeugs erstellten Gutachten ermittelt habe. Die Klägerin habe im Übrigen nicht plausibel dargelegt, warum die Werkstattrechnung um mehr als 2.300 € netto höher ausgefallen sei, warum hinsichtlich der nicht passgenauen Teile und des daraus entstandenen Mehraufwands keine Nachbesichtigung durch den Sachverständigen erfolgt sei. Die Klägerin habe auch die entsprechenden Rechnungspositionen nicht hinreichend erläutert. Jedenfalls würden die Positionen für den Aus- und Einbau der Bugverkleidung und für die Instandsetzung und Anpassung der Kotflügelaufnahme bzw. für die Kotflügelaufnahme vorne links keine 2.300,00 € ausmachen. Die Höhe der Wertminderung hat das Landgericht gemäß § 287 ZPO auf 15 % der Reparaturkosten, mithin 1.500,00 € geschätzt.
Mit der Berufung begehrt die Klägerin - trotz entgegenstehenden Wortlauts - eine Überprüfung des angefochtenen Urteils in dem Umfang, wie die Klage abgewiesen worden ist. Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und meint, dass ihr im Hinblick auf das bei der Beklagten liegende Werkstatt- und Prognoserisiko vollständiger Ersatz der in Rechnung gestellten Reparaturkosten zustehe. Im Übrigen hätte das Landgericht jedenfalls Beweis darüber erheben müssen, dass die Klägerin die Reparaturrechnung vom 14. Dezember 2015 am selben Tag vollständig bezahlt habe. Auch hätte das Landgericht Beweis darüber erheben müssen, dass sämtliche in Rechnung gestellten Reparaturarbeiten zur Unfallschadensbehebung erforderlich gewesen seien, insbesondere, dass die bloße Instandsetzung des Trägers vom Kofferraum vorne links nicht möglich gewesen sei, der Einsatz eines Richtwinkelsatzes zur Durchführung der Reparatur erforderlich gewesen und verwendet worden sei sowie die Türschachtleisten vorne links sowie die Zierleisten am Dachrahmen nicht beschädigungsfrei umgebaut hätten werden können. Darüber hinaus meint die Klägerin; dass die Beklagte ihrem (nachgelassenen) Vortrag, dass erst nach Montage der neuen Bugverkleidung und des Kotflügels vorne links die fehlende Passgenauigkeit im Aufnahmebereich des Wasserkühlers vorne links und des Kotflügels habe festgestellt werden können und die Passgenauigkeit erst durch Austausch des Abschlusslenkers und Instandsetzung der Kotflügelaufnahme habe hergestellt werden können und sich durch diese Schadenserweiterung die Erhöhung der Reparaturkostenrechnung erkläre, nicht mehr entgegengetreten ist und dieser daher als unstreitig zu bewerten sei. Jedenfalls wäre aber eine Beweisaufnahme erforderlich gewesen, das Landgericht würde die Anforderungen an die Substantiierungslast überspannen. Auch habe das Landgericht eine Beweisaufnahme über die Behauptung der Klägerin, es sei eine Wertminderung von 2.000,00 € eingetreten, fehlerhaft unterlassen.
Die Parteien haben jeweils mit Schriftsatz vom 29. August 2017 die Wertminderung in Höhe von 1.750,00 € unstreitig gestellt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Hannover vom 30.12.2016, Az: 16 O 179/16, abzuändern und wie folgt neu zu fassen:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Klägerin 7.749,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.01.2017 zu zahlen;
hilfsweise,
die Revision wird zugelassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und hat zunächst im Wege der Anschlussberufung beantragt,
die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin hat der Beklagten mit Erklärung vom 1. August 2017 sämtliche etwaigen Ansprüche gegenüber dem Sachverständigen S. aus dem Gutachtenauftrag vom 19. Oktober 2015 und Gutachten vom 31. Oktober 2015 sowie gegenüber der Sportwagenzentrum P.-M.-GmbH und Co. KG, H. aus dem Werkvertrag gemäß Auftrag vom 19. Oktober 2015 mit Ausnahme von Gewährleistungsansprüchen abgetreten und sich verpflichtet, einem gerichtlichen Feststellungsurteil gleichstehend die zur Geltendmachung der etwaigen Forderungen nötigen Auskünfte zu erteilen und die zum Beweis der Forderung dienenden Urkunden auszuliefern.
Die Beklagte hat vorstehende Abtretung angenommen und sodann mit Schriftsatz vom 29. August 2017 die Anschlussberufung zurückgenommen.
Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die Schriftsätze der Parteivertreter nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist - nachdem die Klägerin der Beklagten etwaige Ansprüche gegen die Sportwagenzentrum P. M. GmbH und Co. KG bzw. gegen den Sachverständigen S. abgetreten hat - in vollem Umfang begründet.
1. Zutreffend rügt die Klägerin, dass das Landgericht die zu ersetzenden Reparaturkosten nicht in vollem Umfang für erstattungsfähig gehalten hat, sondern auf die vom vorgerichtlich beauftragten Sachverständigen S. geschätzten Kosten in Höhe von 10.400,48 € zzgl. 198,59 € Mehrwertsteuer begrenzt hat. Soweit das Landgericht den Vortrag der Klägerin zur Notwendigkeit der das Schadensgutachten übersteigenden Reparaturkosten als zu unsubstantiiert unberücksichtigt gelassen hat, war dies verfahrensfehlerhaft.
Zwar geht das Landgericht vom Grundsatz her zutreffend von einer sogenannten subjektbezogenen Schadensbetrachtung aus. Danach kann der Geschädigte vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand (nur) die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (u. a. BGH, Urteil vom 26.05.1970 - VI ZR 168/68; Urteil vom 23.01.2007 - VI ZR 67/06; Urteil vom 05.02.2014 - VI ZR 290/11; Urteil vom 15.09.2015 - VI ZR 475/14). Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint (BGH, Urteil vom 18.01.2005 - VI ZR 73/04). Verursacht allerdings von mehreren zu einem Schadensausgleich führenden zumutbaren Möglichkeiten eine den geringeren Aufwand, ist der Geschädigte grundsätzlich auf diese beschränkt, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Nur der für die günstigere Art der Schadensbehebung nötige Geldbetrag ist im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Herstellung erforderlich (BGH, Urteil vom 26.05.1970 - VI ZR 168/68; Urteil vom 28.06.2011 - VI ZR 184/10; Urteil vom 15.09.2015 - VI ZR 475/14). Die Schadensrestitution ist aber nicht per se auf die kostengünstigste Wiederherstellung der beschädigten Sache beschränkt; der Geschädigte muss nicht zugunsten des Schädigers sparen. Ihr Ziel ist vielmehr, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht (BGH, Urteil vom 15.10.2013 - VI ZR 471/12). Bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, ist auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, hier insbesondere die in seiner individuellen Lage bestehenden Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten, zu nehmen (BGH, Urteil vom 29.10.1974 - VI ZR 42/73; Urteil vom 15.10.1991 - VI ZR 314/90; Urteil vom 22.07.2014 - VI ZR 357/13; Urteil vom 15.09.2015 - VI ZR 475/14).
Der Geschädigte genügt im Rahmen des § 249 BGB seiner Darlegungslast regelmäßig durch Vorlage eines Schadensgutachtens oder durch Vorlage der - von ihm beglichenen - Rechnung über die Reparatur des unfallgeschädigten PKW. Der Geschädigte selbst ist regelmäßig nicht zur Einschätzung des erforderlichen Wiederherstellungsaufwandes in der Lage und deswegen auf das Urteil von Sachverständigen und Fachleuten angewiesen. Da die Schätzung der Kosten im Regelfall vor Beginn der Reparatur vorgenommen wird, ist selbst die sachverständige Prognose mit dem Risiko behaftet, dass sich unter der Reparatur ein verdeckter Schaden zeigt. Dieses Prognose- bzw. Werkstattrisiko ist dem Geschädigten regelmäßig nicht anzulasten, wenn er nach entsprechender Information den Weg der Schadensbehebung mit dem vermeintlich geringsten Aufwand gewählt hat und ihm weder ein eigenes Auswahlverschulden, noch eine unzureichende Überwachung des Reparaturbetriebs vorgeworfen werden kann.
Eine schuldhaft fehlerhafte Auswahl bzw. Überwachung sowohl des Sachverständigen S. als auch der Reparaturwerkstatt durch die Klägerin ist vorliegend nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen.
Dann aber sind der Klägerin grundsätzlich die Kosten zu erstatten, von denen sie nach erfolgter Reparatur aufgrund der gestellten Werkstattrechnung annehmen durfte, dass sie sie als Auftraggeberin schuldet. Der Unfallgeschädigte darf sowohl auf die Sachkunde des Gutachters vertrauen, als auch darauf, dass die Werkstatt nicht betrügerisch Werkleistungen in Rechnung stellt, die gar nicht erbracht wurden. Die Möglichkeit, das Gutachten aus eigener Kenntnis zu überprüfen oder die Durchführung der Reparaturen selbst zu kontrollieren, hat der Geschädigte nur in besonderen Fällen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.12.2015 - 14 U 637/15).
Daraus folgt, dass der Klägerin der von der Sportwagenzentrum P. M. GmbH und Co. KG in Rechnung gestellte Betrag für die Beseitigung der Unfallschäden am PKW in Höhe von 12.713,32 € netto ohne Abzüge zu ersetzen ist. Anders als das Landgericht meint, war der Vortrag der Klägerin insoweit auch nicht unschlüssig bzw. unsubstantiiert. Denn die Klägerin hat im Einzelnen vorgetragen, dass sich die gegenüber der Schadensschätzung im Gutachten S. höheren Reparaturkosten dadurch erklären, dass erst während der Reparaturarbeiten festgestellt wurde, dass näher bezeichnete Teile mangels Passgenauigkeit nicht eingebaut werden konnten und daher einen weiteren Reparaturaufwand erfordern. Zwar hat die Klägerin die mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2016 in Bezug genommene Rechnungsprüfung des Sachverständigen S. (Anlage K 7) in erster Instanz nicht vorgelegen. Hierauf hätte das Landgericht die Klägerin jedoch hinweisen müssen, da dies einem offenkundigen Büroversehen geschuldet war und das Landgericht dies für entscheidungserheblich hielt. Der Klägerin ist auch nicht der Vorwurf zu machen, dass sie den Vortrag nicht mit der Berufungsbegründung nachgeholt hat, da diese erstmals mit der Anschlussberufung Kenntnis davon erlangen konnte, dass die Anlage K 7 (noch) nicht zur Akte gelangt war.
Unabhängig von der Vorlage der Rechnungsprüfung des Sachverständigen S. (Anlage K 7) war der Vortrag der Klägerin aber schon hinreichend substantiiert. Insoweit musste die Klägerin nicht aus der Reparaturrechnung die Teile, bzw. Arbeitsschritte, welche für den Mehraufwand ursächlich waren, benennen, um ihrer Vortragspflicht zu genügen.
Die Klägerin konnte vorliegend auch nicht erkennen, dass das vorgerichtlich eingeholte Gutachten des Sachverständigen S. fehlerhaft zu niedrig gewesen sein könnte, da unvorhergesehen weitere Schäden bzw. ein höherer Schadensbeseitigungsaufwand erforderlich waren, was sich aber erst während der Reparaturarbeiten herausgestellt hat. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Klägerin die Werkstatt mit der Reparatur aller Unfallschäden auf Basis des Schadensgutachtens beauftragt. Dass sich im Nachhinein ein höherer, als der vom Gutachter geschätzte Aufwand als erforderlich herausstellt, ist aus schadensrechtlicher Sicht solange unerheblich, soweit die Klägerin keine Maßnahmen veranlasst hat, die ersichtlich außer Verhältnis zu dem Anlass und dem zu erwartenden notwendigen Schadensbeseitigungsaufwand standen (BGH, Urteil vom 15.09.2015 - VI ZR 475/14). Insofern war eine Beweisaufnahme zu der Frage, ob die weiteren Reparaturkosten zur Beseitigung des Unfallschadens als Herstellungsaufwand erforderlich waren, entbehrlich, da das Werkstatt- und Prognoserisiko grundsätzlich die Beklagte trägt und selbst für den Fall, dass die Werkstatt erkannt haben sollte, dass nicht alle vom Sachverständigen S. festgestellten Schäden vorlagen bzw. alle angeführten Arbeiten so erforderlich waren und die Werkstatt deswegen überflüssige Arbeiten durchgeführt hätte, die Klägerin den geltend gemachten Rechnungsbetrag als erforderlich ansehen durfte. Ein etwaiges fremdes Verschulden des Sachverständigen oder der Werkstatt kann der Klägerin grundsätzlich nicht zugerechnet werden, da jeweils beide keine Erfüllungsgehilfen der Klägerin gemäß § 278 BGB waren (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 28.02.2012 - 4 U 112/11). Sachverständige und Werkstatt werden regelmäßig nicht als Hilfsperson des Schadensersatzgläubigers tätig, sondern erfüllen vielmehr eigene Verpflichtungen, die sie originär gegenüber dem Schadensersatzgläubiger eingegangen sind.
Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 02.06.2010 (26 U 30/08 - juris) meint, es liege schon deswegen kein Fall des von ihr zu tragenden Werkstatt- und Prognoserisikos vor, da der Sachverständige S. fehlerhaft den erforderlichen Herstellungsaufwand als zu hoch eingeschätzt habe, folgt dem der Senat nicht. Vorliegender Sachverhalt ist mit dem vom Oberlandesgericht Köln entschiedenen Fall nicht vergleichbar. Dort hatte der Sachverständige nach einem Unfall neben einem unfallbedingten Karosserieschaden auch einen nicht unfallbedingten Achsschaden festgestellt, woraufhin beide Schäden von der Werkstatt beseitigt wurden. Da der Achsschaden - wie sich im Nachhinein herausgestellt hatte - nicht unfallbedingt war und damit zur Beseitigung des Unfallschadens objektiv nicht erforderlich war, sollte der Schädiger im Hinblick auf den Schutzzweck der Schadensersatznormen nicht zum Ersatz der Kosten für die Reparatur des Achsschadens verpflichtet sein. Vorliegend lag jedoch - unstreitig - kein unerkannter Vorschaden am Klägerfahrzeug vor. Insofern hat der Sachverständige auch keine Schäden festgestellt, die zur Beseitigung des Unfallschadens objektiv nicht erforderlich waren. Vielmehr hat der Sachverständige S. vorliegend nur unfallbedingt zu beseitigende Schäden festgestellt. Soweit die Beklagte hier unter Verweis auf das DEKRA-Gutachten einwendet, dass ein Verzug des Vorderwagens sowie Verformungen an den Kotflügelrahmen gar nicht vorgelegen habe, da dies im Schadengutachten nicht dokumentiert sei, der Träger vom Kofferraum vorne links hätte instandgesetzt werden können und der Einsatz eines Richtwinkelsatzes nicht erforderlich gewesen sei und auch nicht erfolgt sei sowie die Türschachtleisten vorne links sowie die Zierleiste am Dachrahmen unbeschädigt gewesen seien und deswegen umgebaut hätten werden können, ist dies aus den vorgenannten grundsätzlichen Erwägungen unerheblich. Die Beklagte hat auch das Prognoserisiko hinsichtlich solcher Aufwendungen, die ein Sachverständiger zu Unrecht als erforderlich bezeichnet hat, zu tragen (LG Köln, NJW 1975, 57), da ein derartiger Irrtum eben adäquate und zurechenbare Unfallfolge ist (Halm/Fitz in Himmelreich/Halm/Staab, Handbuch der Kfz-Schadensregulierung, 2. Aufl., Kapitel 10 Rn. 156).
Dann aber kommt es nicht darauf an, ob die Mitarbeiter der Sportwagenzentrum P. M. GmbH und Co. KG die von der Beklagten behaupteten Fehler im Gutachten des Sachverständigen S. hätten erkennen können. Vielmehr ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Werkstatt bei der Beseitigung der Unfallschäden darauf vertraut, dass der Sachverständige aufgrund seiner herausragenden Sachkunde sowohl die unfallbedingten Schäden als auch das Ob und das Wie der Beseitigung richtig eingeschätzt hat. Nur wenn ein Schaden offenkundig nicht vorliegt oder übersehen wurde, ist die Werkstatt - wie hier ja offenbar auch geschehen, da der Sachverständige eine Nachbesichtigung des PKW durchgeführt hat - verpflichtet, auf einen Fehler hinzuweisen.
Aus vorstehenden Gründen konnte die Frage dahinstehen, ob die Klägerin die Werkstattrechnung vom 19. November 2015 (Anlage K 4 - Bl. 53 d. A.) bereits am 14. Dezember 2015 bezahlt hatte, da der Klägerin hier nicht zugemutet werden kann, sich wegen der streitigen Frage der Erforderlichkeit einzelner Wiederherstellungsarbeiten von der Werkstatt auf Zahlung des Werklohns verklagen zu lassen. Dieses Risiko hat - konsequenter Weise - ebenfalls die Beklagte zu tragen. Hierzu musste die Klägerin jedoch im Gegenzug etwaige Ansprüche gegen die Werkstatt bzw. den Sachverständigen an die Beklagte abtreten, wie am 1. August 2017 dann geschehen. Auch ist die Klägerin verpflichtet, die in diesem Zusammenhang notwendigen Unterlagen zu übermitteln, § 402 BGB (BGH Urteil vom 22.12.1988 - VII ZR 266/87 - NJW-RR 1989, 467).
2. Zu Recht hat die Klägerin im Übrigen mit der Berufung gerügt, dass das Landgericht ohne Beweisaufnahme im Wege der Schätzung die merkantile Wertminderung am PKW pauschal mit ca. 15 % der Reparaturkosten, mithin auf 1.500,00 € geschätzt hat. Die Klägerin hatte bereits in erster Instanz Beweis dafür angeboten, dass die Wertminderung 2.000,00 € beträgt, so dass das Übergehen dieses Beweisangebots die Klägerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat. Nachdem die Parteien die Wertminderung in Höhe von 1.750,00 € unstreitig gestellt haben, bedurfte es aber insoweit keiner Beweiserhebung mehr.
3. Nach alledem steht der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz der von der Sportwagenzentrum P. M. GmbH und Co. KG in Rechnung gestellten Reparaturkosten in Höhe von 12.713,32 € netto zu. Im Hinblick auf die Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin verbleibt ihr daraus ein gem. § 249 BGB erstattungsfähiger Bruttoschaden in Höhe von 12.956,08 EUR.
Darüber hinaus hat die Klägerin unstreitig dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz der auch nach Reparatur des Pkw verbliebenen merkantilen Wertminderung gem. §§ 249 ff. BGB, die der Höhe nach - nunmehr unstreitig - 1.750,00 € beträgt.
Auf den Gesamtschaden von 14.706,08 € hat die Beklagte 7.206,23 € gezahlt, so dass der Klägerin im Hinblick auf den erstinstanzlich zugesprochenen Betrag von 4.892,90 € ein weiterer noch offener Anspruch in Höhe von 2.606,95 € zusteht.
Der darauf entfallende Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
III.
Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 29. August 2017 die Anschlussberufung zurückgenommen hatte, war sie des Rechtsmittels für verlustig zu erklären, § 516 Abs. 3 S. 1 ZPO.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 516 Abs. 3 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 ZPO.