Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.03.2018, Az.: 18 W 20/18

Frist für die Vollziehung des Vermögensarrestes durch das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
19.03.2018
Aktenzeichen
18 W 20/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 17388
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • FGPrax 2018, 102-104
  • WiJ 2018, 158
  • ZInsO 2018, 1263-1265

Amtlicher Leitsatz

Für den Antrag des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen auf Eintragung einer Sicherungshypothek (§ 111f Abs. 2 StPO, § 928, § 932 ZPO) zur Vollziehung des Vermögensarrestes (§ 111e StPO) gilt nicht die Vollziehungsfrist von einem Monat (§ 929 Abs. 2 ZPO).

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 vom 1. März 2018 gegen die Beschlüsse der Rechtspflegerin des Amtsgerichts H. - Grundbuchamt - vom 23. Februar 2018 werden die angefochtenen Beschlüsse aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, über die Eintragungsanträge vom 22. Januar 2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1 verlangt die Eintragung einer Sicherungshypothek.

Die Beteiligten zu 2 und 3 sind im Bestandsverzeichnis von Bl. ... des Grundbuchs von A. als Bruchteilseigentümer zu je ½ des Grundstücks Flurstück ... eingetragen.

Der Beteiligte zu 1 führt gegen die Beteiligten zu 2 und 3 ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Durch Arrestbeschlüsse des Amtsgerichts H. vom 16. Oktober 2017 wurde gemäß § 111j Abs. 1, § 111e Abs. 1 StPO gegen den Beteiligten zu 3 in Höhe von 593.800 € und gegen die Beteiligte zu 2 in Höhe von 730.000 € der Vermögensarrest angeordnet. Die Beschlüsse gingen den Beteiligten zu 2 und 3 am 26. Oktober 2017 zu.

Zum Zwecke der Vollziehung des Vermögensarrestes beantragte der Beteiligte zu 1 nach § 111f Abs. 2 StPO am 25. Januar 2018 bei dem Grundbuchamt die Eintragung je einer Sicherungshypothek in Höhe von 150.000 € zu Gunsten des Landes N. an den Miteigentumsanteilen der Beteiligten zu 2 und 3 an rangbereiter Stelle und zugleich die Eintragung eines Veräußerungsverbots in Abt. II (§ 136 BGB, § 111f Abs. 4 StPO).

In dem als "Zwischenverfügung" bezeichnetem Schreiben vom 26. Januar 2018, wies die Rechtspflegerin des Grundbuchamts auf den möglichen Ablauf der Vollziehungsfrist gemäß § 929 Abs. 2 ZPO hin und verlangte die Vorlage eines Nachweises über den Zeitpunkt der Zustellung des Arrestbeschlusses. Zugleich setzte die Rechtspflegerin eine Frist zur Beseitigung des Eintragungshindernisses, belehrte über die Beschwerdemöglichkeit und führte weiter aus, dass "diese Zwischenverfügung keine rangwahrende Wirkung ha(be)".

Hiergegen wandte sich der Beteiligte zu 1 mit seiner Beschwerde vom 1. Februar 2018. Er vertrat die Ansicht, dass im Rahmen der Vollziehung des Vermögensarrestes die in § 929 Abs. 2 ZPO geregelte Monatsfrist nicht gelte. Dies liefe dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zuwider, wonach die Strafverfolgungsbehörden zunächst als milderes Mittel auf die Vollziehung in bewegliches Vermögen im Rahmen einer Durchsuchung zurückgreifen müssten.

Mit Verfügung vom 9. Februar 2018 hielt die Rechtspflegerin des Grundbuchamts an ihrer Rechtsauffassung fest, bezeichnete ihr Schreiben vom 26. Januar 2018 als formell fehlerhafte "Aufklärungsverfügung", gegen welche eine Beschwerde nicht statthaft sei, und setzte eine erneute Frist zur Vorlage des Zustellungsnachweises. Dem Grundbuchamt war der Zeitpunkt der Zustellung der Arrestbeschlüsse bis dahin noch nicht mitgeteilt worden.

Durch Beschlüsse vom 23. Februar 2018 wies das Grundbuchamt die Eintragungsanträge zurück.

Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1 mit seiner Beschwerde, mit welcher er sein Ziel weiterverfolgt. Er wiederholt und vertieft seinen Rechtsstandpunkt.

II.

Die nach § 11 Abs. 1, RPflG, § 71 Abs. 1 GBO statthafte und auch im Übrigen in zulässiger Weise (§ 73 Abs. 1, 2 GBO) eingelegte Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

1. Das Grundbuchamt durfte den Antrag des Beteiligten zu 1 (vgl. § 111e Abs. 6 StPO) auf Eintragung der Sicherungshypothek (§ 111f Abs. 2 StPO, §§ 928, 932 ZPO) nicht mit der Begründung ablehnen, die Vollziehungsfrist sei nicht gewahrt.

a) Der Senat konnte über die Beschwerde ohne Anhörung der Beteiligten zu 2 und 3 entscheiden, weil in dem streng einseitigen Eintragungsverfahren, auch wenn das Grundbuchamt als Vollstreckungsorgan tätig wird, nur dem Antragsteller rechtliches Gehör zu gewähren ist (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 17. Dezember 2009 - 2 W 184/09, juris Rn. 10; OLG Jena, Beschluss vom 6. März 2013 - 9 W 94/13, juris Rn. 4).

b) Der beantragten Eintragung von Sicherungshypotheken auf den Miteigentumsanteilen (§§ 741, 1008 BGB) der Beteiligten zu 2 und 3 stehen nach Aktenlage weder vollstreckungsrechtliche noch grundbuchrechtliche Eintragungshindernisse entgegen.

aa) Das Grundbuchamt hat sowohl die vollstreckungsrechtlichen als auch die grundbuchrechtlichen Voraussetzungen der Eintragung eigenständig zu prüfen Senat, Beschluss vom 5. Oktober 2017 - 18 W 54/17, juris Rn. 14). Während das Fehlen vollstreckungsrechtlicher Voraussetzungen - ggf. nach Hinweis in entsprechender Anwendung von § 139 ZPO - zur Antragszurückweisung führt, sind grundbuchrechtliche Eintragungshindernisse in der Regel durch Zwischenverfügung zu beanstanden und stehen, anders als vollstreckungsrechtliche Eintragungshindernisse, der rangwahrenden Wirkung des Eintragungsantrags nicht entgegen (Senat, a. a. O.; OLG München, Beschluss vom 29. Januar 2009 - 34 Wx 116/08, juris Rn. 9). Abgesehen von der vom Grundbuchamt beanstandeten Nichteinhaltung der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO [dazu nachfolgend bb)] müssten die Originalunterlagen vorgelegt sein, was der Senat anhand des ihm von dem Grundbuchamt übermittelten Aktenauszugs allerdings nicht abschließend prüfen kann. Sämtliche vollstreckungs- und grundbuchrechtlichen Voraussetzungen für die Eintragung der Sicherungshypotheken sind dem Grundbuchamt in der Form des § 29 Abs. 1, 3 GBO nachzuweisen. Sowohl Titel als auch Zustellungsnachweis an den Schuldner sind im Original einzureichen. Einer Vollstreckungsklausel bedarf es nach § 929 Abs. 1 ZPO nicht. Der Antrag des Beteiligten zu 1 entspricht im Übrigen augenscheinlich den Anforderungen des § 28 GBO.

bb) Das Überschreiten der Monatsfrist steht der verlangten Eintragung jedenfalls nicht entgegen.

(1) Richtig ist, dass die Monatsfrist zur Vollziehung eines Arrestes (§ 929 Abs. 2 ZPO) nur gewahrt ist, wenn der Antrag auf Eintragung der Sicherungshypothek (§ 932 Abs. 3, § 867 Abs. 1 ZPO) gemäß § 13 Abs. 2 S. 2 und 3, Abs. 3 GBO vor Fristablauf bei dem zuständigen Grundbuchamt als Vollstreckungsorgan eingegangen ist (vgl. dazu: BGH, Beschluss vom 1. Februar 2001 - V ZB 49/00, juris Rn. 8 ff.). Die Frist berechnet sich gem. § 37 Abs. 1 StPO, § 222 ZPO nach den Vorschriften § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB und könnte nach der am 26. Oktober 2017 erfolgten Aushändigung der Beschlüsse über die Anordnung des Vermögensarrestes (§ 111e Abs. 1, § 111j Abs. 1 StPO) an die Beteiligten zu 2 und 3 (§ 37 Abs. 1 StPO, § 189 ZPO, vgl. dazu: MünchKomm-ZPO/Drescher, 5. Aufl., § 929 Rn. 5, m. w. N.) durch den am 25. Januar 2018 bei dem Grundbuchamt eingegangenen Antrag auf Eintragung der Sicherungshypothek nicht gewahrt worden sein.

(2) Der Verweis in § 111f Abs. 2 Satz 2 StPO in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I 2017, S. 872), wonach §§ 928, 932 ZPO sinngemäß gelten, ist jedoch nicht dahin zu verstehen, dass auch die in § 929 Abs. 2 ZPO bestimmte Monatsfrist gilt und ihr Verstreichen als Vollstreckungshindernis wirkte.

Bereits vor der Änderung galt die Vollziehungsfrist nach allgemeiner Ansicht im Falle des Vermögensarrestes nach § 111d Abs. 2 StPO i. d. bis zum 30. Juni 2017 geltenden Fassung nicht, weil auf die Vorschrift des § 929 Abs. 2 ZPO gerade nicht verwiesen wurde (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 20. Dezember 2005 - 2 W 205/05, juris Rn. 9; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 8. April 2009 - 1 Ws 339/08, juris Rn. 37; MünchKomm-StPO/Bittmann, § 111d Rn. 14).

Mit der Änderung der Vorschriften verfolgte der Gesetzgeber u. a. das Ziel, das Recht der Vermögensabschöpfung zu vereinfachen und die vorläufige Sicherstellung von Vermögenswerten zu erleichtern (vgl. Regierungsentwurf BT-Drs. 18/9525, S. 48). In diesem Rahmen sollte § 111f StPO die Regelung in § 111d Abs. 2 StPO (a. F.) ersetzen, soweit in der letztgenannten Vorschrift auf die §§ 928, 930 bis 932 verwiesen wurde (Regierungsentwurf, a. a. O. S. 78). Damit ordnete der Gesetzgeber jedoch nicht auch die Geltung der in § 929 Abs. 2 ZPO bestimmten Vollziehungsfrist an.

Nach dem Normzweck des § 929 Abs. 2 ZPO soll sich der Schuldner wegen des Eilcharakters des Vollstreckungstitels nur in einem bestimmten Zeitraum auf eine Vollstreckung einstellen müssen (vgl. OLG Bamberg, Urteil vom 19. März 2012 - 4 U 145/11, juris Rn. 32). Geht es jedoch um den Vollzug des im Wege der strafprozessualen Rückgewinnungshilfe bereits angeordneten Vermögensarrestes, hat dieser Aspekt weniger Gewicht. Bei der Entscheidung über den Vollzug ist ferner zu beachten, dass der staatliche Zugriff auf Vermögen und vermögenswerte Rechte am Maßstab des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 2 Satz 1 GG zu messen ist. Auch wenn der Vermögensarrest als vorbereitende und sichernde Maßnahme für den Verlust von Eigentum von Verfassungs wegen auch in Form vorbereitender Rückgewinnungshilfe nicht ausgeschlossen ist, verlangt doch im Hinblick auf das Eigentumsgrundrecht der Umstand besondere Bedeutung, dass im Zeitpunkt der Sicherung über die Frage der Strafbarkeit gerade noch nicht entschieden ist. Es ist deshalb eine Abwägung des Sicherstellungsinteresses des Staates mit dem Eigentumsschutzbedürfnis des Betroffenen vorzunehmen. Je intensiver der Staat schon allein mit den (vorläufigen) Sicherungsmaßnahmen in den vermögens- oder eigentumsrechtlichen Freiheitsbereich des Betroffenen eingreift, desto größer sind die Anforderungen an die Rechtfertigung des Eingriffs (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 20. Mai 2008 - 2 Ws 155/08, juris Rn. 11). Demzufolge hatte der Beteiligte zu 1, worauf er zu Recht hinweist, zunächst unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit sorgfältig zu prüfen, ob es nach Anordnung des Vermögensarrestes überhaupt noch dessen Vollziehung in das unbewegliche Vermögen bedarf. Freilich gilt die Vollziehungsmöglichkeit nicht unbegrenzt. Je länger die Strafverfolgungsbehörde mit der Vollziehung zuwartet, desto zweifelhafter wäre die Rechtfertigung für die Annahme einer Gefährdung des Rückforderungsanspruchs des Fiskus (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 8. April 2009, a. a. O. Rn. 37; vgl. auch MünchKomm-StPO/Bittmann, § 111d Rn. 14). Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe auch auf § 929 Abs. 2 ZPO verweisen wollen, spricht schließlich, dass er der Finanzbehörde wegen der Vollstreckung von Geldforderungen mit § 324 AO neben dem strafprozessualen, durch einen Richter anzuordnenden Vermögensarrest ein eigenes Sicherungsinstrument an die Hand gegeben hat, für welches ausdrücklich eine Vollziehungsfrist von einem Monat bestimmt ist (vgl. § 324 Abs. 3 Satz 1 AO), während § 324 Abs. 3 Satz 4 AO eine dem § 111f StPO (§ 111d Abs. 2 StPO a. F.) vergleichbare, § 929 Abs. 2 ZPO nicht aufzählende Verweisung enthält.

2. Einer Entscheidung über die Kosten bedurfte es nicht. Gerichtskosten fallen bei einer erfolgreichen Beschwerde nicht an (§ 22 Abs. 1, § 25 Abs. 1 GNotKG). Die Erstattung außergerichtlicher Kosten kam nicht in Betracht, weil sich niemand in einem der Beschwerde entgegengesetzten Sinn am Beschwerdeverfahren beteiligt hat. Demzufolge bedurfte es auch keiner Festsetzung des Geschäftswertes.